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Gott ist tot
„Gott ist tot“ habe ich dir gesagt. Beziehungsweise, dass Nietzsche das gesagt hat, habe ich dir gesagt. Dass Gott gelebt haben müsste, um tot zu sein habe ich gesagt. Und du hast gesagt, dass das wohl eine Metapher für den Glauben und die Religion ist. Die Erinnerungen sind klar, ungefähr das einzige Klare hier. Nicht wie meine Gefühle für dich, diese ungebändigten Gezeiten aus Liebe und Hass, wenn ich dich sehe. Bei jeder kleinsten Begegnung, jedem noch so kleinen Seitenblick auf dich oder von dir, könnte ich kotzen vor Unklarheit, vor Verwirrung, vor Liebe, vor Hass. Hass auf dich, auf mich, auf uns, eigentlich auf alle.
„Es liegt nicht an dir“ hast du zu mir gesagt, als du mich allein hast stehen lassen. Woran es liegt, hast du mir aber nicht gesagt. Reden war nie so deins gewesen. Genau so, wie Nähe, gemeinsame Unternehmungen und alles Andere nie so deins waren. Mein Glauben ist tot. Mein Glauben an die Liebe, ob mit Nietzsche oder ohne.
Kotzen könnte ich, beziehungsweise will ich, könnte ich nicht, dafür habe ich zu lang nicht gegessen. Mein Körper ist genauso kaputt wie meine Gedanken. Eine leblose Hülle, gezeichnet von Appetitlosigkeit und Schlafmangel, am Leben gehalten von Kaffee und Amphetaminen. Nicht mehr wie früher, in den alten Zeiten mit dir. Nicht mehr muskulös und sportlich, sondern schwach und ausgezehrt. Nicht mehr fröhlich lächelnd, sondern völlig teilnahmslos. Nicht mehr begeistert oder interessiert, sondern notorisch gelangweilt mit abweisendem Blick. Von einem guten Fang zum Inbegriff eines menschlichen Wracks.
Halb 3 morgens, ich lese den Zettel meiner Schlaftabletten. Maximale Tagesdosis: 4 Tabletten. Nehmen wir 8… oder gleich 12. Ich sollte schlafen wie ein verdammter Stein, meinen Wecker verschlafen, in 2 Jahren erholt und ohne Gedanken an dich aufwachen. Irgendwie liege ich trotzdem wach, wach in meinem Bett. Verirrt, verwirrt und platt, wie eine überfahrene Flunder. Genauso zermatsch, hässlich und stinkend. Und allein. Irgendwann breche ich dann doch zusammen, schlafe ein. Träume wirre, verwirrende Dinge. Dinge, die den Schlaf zu einem qualvollen Marathon durch eine psychedelische Hölle, randvoll mit ins unendlich Abstrakte übersteigerten schlechten Erinnerungen und Gedanken, machen.
Wache auf, zerstörter als beim Einschlafen. Schleppe mich Richtung Bad. Sehe im Spiegel mein Gesicht, meine eingefallenen Wangen, meine rot-blau unterlaufenen Augen, meine Lippen, vom Lachen verlassen. Doch ich lache. Ich lache über die Silhouette meiner selbst. Ich lache über meine Gefühle für dich. Ich lache über dich. Ich lache über meine Trauer, meinen Hass, meine Liebe. Ich lache und gehe duschen.
Ich bin glücklich.