- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 5
Gott im Café
Inspiriert von einer Szene aus Anne Rice`s Chronik der Vampire
Ich sitze in einem Café, draußen singen die Vögel in den nahen Bäumen und überall beginnt das Leben zaghaft aus der Erde zu sprießen.
Menschen trödeln vor den hohen Fensterscheiben des Cafes entlang und blicken ab und an neugierig hinein. Dabei ziehen sich ihre Gesichter des öfteren in Falten. Wahrscheinlich betrachten sie mehr von ihrem eigenen Spiegelbild, als von dem Geschehen in den Räumlichkeiten.
Ich fühle mich nicht beobachtet, wie ich so am Fenster sitze und hinausspähe. Ich selbst bin der Beobachter. Ich betrachte die flanierenden Menschen auf der belebten Einkaufstrasse, beobachte; wie sie sich mit vollen Tüten durch das dichte Gedrängel zwängen. Ich sehe die Kinder, die lachend neben ihren Eltern her hüpfen und eine Lebensfreude ausstrahlen, wie es Erwachsene wohl nicht mehr können.
„Es hat etwas von einem Zoo.“, denke ich ein wenig schmunzelnd bei mir.
Ich beuge mich hinunter zu meiner Tasse Kaffee und schlürfe genüsslich die obere Sahneschicht in mich hinein.
„Ja, so lässt es sich Leben.“, meine ich leise und lecke mir über die Lippen.
Den Geschmack des frisch aufgebrühten Getränks genießend, drehe ich mich ein wenig seitwärts und werfe aus meinen Augenwinkeln Blicke an die anderen Tische.
„Mal sehen was sich im Tiergehege so tut.“, denke ich und bin noch immer begeistert von der Zoo-Idee.
Viele sitzen wie ich und schlürfen ihren Kaffee, nebenbei unterhalten sie sich mit ihren Tischpartnern und wirken dabei sehr angeregt. An keinem der Tische scheint Langeweile zu herrschen.
In einer der Ecken sitzt eine junge Frau und tippt Worte in ihren Laptop ein, dabei ist ihre schöne Stirn in Falten gelegt und sie beißt sich auf die Unterlippe. Das wirkt niedlich, sogar fast sexy. Eine Weile bleibe ich mit meinen Blicken bei ihr hängen, betrachte ihr Haar und die glitzernden Augen, welche angestrengt auf den Bildschirm blicken.
Schließlich wende ich meine Augen von ihr ab und bleibe mit meinem Blick an einem der mittleren Tische hängen.
Dort sitzen zwei, schon ergraute Männer und unterhalten sich angeregt. Der eine streicht sich gerade nachdenklich über seinen Bart, während sein Gegenüber ziemlich aufgeregt zu argumentieren scheint. An meinem Tisch kann ich noch einige Wortfetzen ihres Gespräches vernehmen.
„Ich mache diesen Job nicht mehr ... Jeff. Ich hab es satt die Drecksarbeit zu leisten!“.
Der Mann dessen Stimme so aufgeregt zu mir herüberschallt, hat auffallend dunkle Augen und trägt lange Haare, die an einigen Stellen von weißen Strähnen durchzogen sind.
„Aber, aber mein Lieber. Du erledigst doch nicht meine Drecksarbeit, es ist durchaus notwendig, dass du diese Dinge für mich tust. Du weißt doch, was ohne deine Arbeit geschehen würde.“, antwortet der andere, während er sich immer noch über den grauen Bart streicht.
„Natürlich weiß ich das,“ zischelt es in seine Richtung, „aber trotzdem, such dir einen anderen, jeden Tag der gleiche, öde Ablauf, jeden Tag Leid, Schmerz, Intrigen und Hass. Ich hab davon nun endgültig die Nase voll.“.
Eine Weile schweigen die beiden und ich grübele darüber nach welche Arbeit wohl der gegebenen Beschreibung entspricht.
„Sozialarbeiter vielleicht ... oder ... Jugendamtberater.
Leid ...
Schmerz ...
Intrigen ...
Hass ...
Klingt nach keinem sonderlich tollen Job. Ich würde auch kündigen.“, denke ich so bei mir und kann mir doch ein schmunzeln nicht verkneifen.
Die junge Frau an dem Laptop blick zu mir herüber und ich schenke ihr ein schüchternes Lächeln. Nur um ihren Blick noch einen Moment lang auf meiner Haut spühren zu können, zwinker ich ihr fröhlich zu und deute mit einem halben Kopfnicken auf die beiden älteren Männer. Von ihrem Sitzplatz aus, müsste sie auch ein paar der gesprochenen Worte verstanden haben, doch zu meiner Verwunderung, zieht sie nur fragend die Augenbrauen zusammen. Dann wendet sie sich wieder ihrem Laptop zu, als wenn nichts gewesen wäre.
Irgendwie bin ich enttäuscht.
Plötzlich antwortet der Mann mit dem grauen Bart mit leiser und eindringlicher Stimme, so dass ich kaum etwas verstehen kann.
„Ich brauche dich ... Wer soll sonst diese Arbeit tun? ... Denke an das Gleichgewicht ... Deine Arbeit braucht verantwortungsvolle Handhabung.“.
„Ja, und du, du steckst weiterhin den Ruhm ein, darum geht’s dir doch nur.“, erwidert der andere sichtlich gereizt, „Es macht keinen Spaß immer der Böse zu sein.“.
Er wirkt fast ein wenig bockig, wie alte Menschen und Kinder es besonders gut sein können. Die Luft im Café ist nun so voller Zigarettenrauch, dass ich die beiden kaum noch erkennen kann.
„Das habe ich überhört.“, sagt der andere nun mit einem Schmunzeln und ich wende kurz den Blick von ihnen ab, um ein kleines Lächeln zu verbergen.
Nach einer kleinen Weile blicke ich wieder zu dem Tisch, der jetzt leer ist, nur die zwei Kaffeetassen stehen noch auf der polierten Fläche.
„Sie müssen wohl gegangen sein, als ich wegsah“, denke ich und runzel die Stirn.