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Gott 2.0
Die schwere Luke des Bunkers knirschte ekelhaft, als sie sich öffnete.Das einfallende Licht blendete Nathan Cole.Der schmächtige Programmierer hustete heftig, als er die staub- und aschegeschwängerte Luft einatmete, die von der Oberwelt hineinwehte.
Wo einmal das Basislager gewesen war, erinnerten nur ein paar niedergebrannte Gebäude an die vormalige Anwesenheit von Menschen. Wie die dunklen Körper abgeschlachteter Tiere, standen ausgebrannte HUMVEES mitten auf der asphaltierten Fahrbahn neben dem Helikopterlandeplatz.Selbst durch den gewaltigen Betonkubus, der ihn in den letzten Tagen vor der Außenwelt geschützt hatte, hatte Natahn hören können, wie die Kolonne gestern Abend niedergemacht worden war.Doch schockiert hatte ihn das Massaker der Purgatoren nicht.Denn die Schrecken hatten schon viel früher in seinen Bunker kriechen können.Und viel furchtbarer als die Live-Berichte vom Gemetzel überall auf dem Erdball mit ansehen zu müssen, war es gewesen, als ein Sender nach dem anderen sich in einem Schneegestöber aus weißen und schwarzen Lichtreflexen verabschiedet hatte.Wie eine grässliche Analogie dazu, erschienen Natahn jetzt die dunklen Ascheflocken, und schweren Rauchwolken die sich am Himmel verdichten um dann auf die Menschen herabzuregnen.Es war verbranntes Papier, das den Himmel verdunkelte.Papier, das einst Symbol für die freien Menschen der Erde gewesen war.Grüne Dollarnoten. Das ehrwürdige Papier der Unabhängigkeitserklärung.
Bücher von Reed, Hemingway , Huxley, Orwell und all den anderen.Die Menschen verbrannten ihre Kultur. Und auch einander. Schon wenige Tage nach der Offenbarung war der Geruch verkohlten Fleisches über das Land gezogen und war nun derart intensiv, dass Natahn in Tränen ausbrach.Der Programmierer wimmerte, brach zusammen und wälzte sich in der grauen Staubschicht auf dem Boden.
Denn ihn traf alle Schuld. Er hatte Gott gerufen.
EIN WENIG FRÜHER
Terry Travonius gähnte.Eben hatten Sonnenstrahlen, die langsam über sein Gesicht gewandert waren, ihn geweckt. Er fühlte sich prächtig.Es war schön auszuschlafen.
Sonntag. Der schönste Tag der Woche. Als Terry gerade fröhlich an eine große Tasse dampfenden Kaffees dachte, ließ ihn ein helles Fiepen aus seinen Gedanken hochfahren.
Terry sprang von der Bettkante auf und wühlte zwischen verschiedenen Zeitschriften nach seinem Handy. Eigentlich wollte er nicht drangehen. Aber vielleicht war es ja wichtig.Erst nach einigen, von nervtötendem Geklingel erfüllten Augenblicken, hob er das schon etwas veraltete Mobiltelefon hervor und meldete sich mit einem ziemlich verschlafenem „Hallo?"
Das gleiche taten etwa 500 Millionen andere Menschen auf dem Planeten Erde.
Am anderen Ende der Leitung, wurde geschwiegen.
Terry hörte niemanden. Einfach nur ein seltsames Rauschen.Ein verdammter Telefonstreich! Oder irgendein Depp hatte sich verwählt!Und das hatte ihm jetzt sein Aufsteh-Ritual verdorben.Als Terry gerade zornig auf den Aus-Knopf seines Handys drücken wollte, hörte der eine Stimme. Am anderen Ende der Leitung räusperte sich jemand.Aber auf eine Art und Weise, wie Terry sie noch nie vernommen hatte.
Dieser Ton war absolut…perfekt. Wunderschön.
Doch was jetzt folgte, ließ den verzückt lächelnden Terry auf sein Bett zurück sinken.
„Hallo Terry… Hier spricht Gott. Ich hab dir was Wichtiges zu sagen:Schau aus dem Fenster!“
Terry lachte verdutzt. Verängstigt. Das war ein Streich. Er legte auf. Doch die Stimme blieb.
„…seid gegrüßt, ihr Menschen…“
Und als Harry aus dem Fenster sah, wusste er warum.Der gewaltige Bildschirm über der Shopping-mall nebenan, flackerte in einem seltsamen Lichtgewitter.Und zeigte dann…eine Pyramide, in deren Mitte ein Auge schwebte.
„…für alle die es noch nicht mitgekriegt haben: Hier spricht Gott!“
Harry wimmerte. Er musste verrückt geworden sein. Betrunken. Total unter Drogen.
Genau den gleichen Gedanken, hatten Milliarden andere Menschen überall auf der Erde. Doch das Dreieck drehte sich weiter, als seien ihm die Gedanken der Menschen einfach egal.Gott sprach weiter. Harry merkte, an einem seltsamen Echo, dass seine Stimme auch immer noch aus seinem Handy strömte und… er hastete zu seinem Fernseher… Auf allen Sender….Die Pyramide!!!
„…nun, nicht wenige von euch Menschen, werden jetzt voll Staunen fragen, wo ich all die Jahrtausenden geblieben bin. Warum ich euch nicht geholfen habe. Nun…dafür gibt es einen guten Grund…“
Gott schien zu kichern…
„Ich musste nachdenken. Über ziemlich viele Dinge. Aber vor allem über euch Menschlein…und nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das Menschengeschlecht derart verdorben ist, dass niemand mehr weiterleben darf…nach seinem Tode.Himmel UND Hölle sind Geschlossen!
Macht´s gut. Gott meldet sich ab. Und denkt dran:
Euch bleibt nur dieses EINE Leben!“
Und dann, verstummte Gott.Und ließ die Menschen allein. Im Chaos.
Wenige Tage später, huschten die Finger einer schmächtigen verdreckten Gestalt über eine kleine Tastatur. Auf dem winzigen Display leuchtet das Symbol des Projekts H.O.P.E
HOMOGENEOUS OSCILLATORY PROGRAMME ENFORCEMENT.
Nathan glitt zitternd in die Schwärze des Bunkers hinab. Die Waffen der Purgatoren hatten ganze Arbeit geleistet. Die Soldaten der US-Airforce-Basis waren tot gewesen, bevor sie überhaupt gemerkt hatte, dass die Giftgasbombe sich in den Bunker gefressen hatte. Schon vor einiger Zeit war die blutrünstige Horde weiter gezogen um diejenigen zu läutern, die nicht reinen Glaubens waren, die Gott derart erzürnt hatten, dass er sich von den Menschen abgewandt hatte. Sie reinigten. Sie läuterten. Sie erlösten. Sie waren komplett wahnsinnig. Harry zitterte unkontrolliert auf dem kleinen Drehstuhl vor seinem blinkenden Terminal, als er an die Purgatoren denken musste. Wenige Minuten, nach dem Gott sich auf allen Kanälen gemeldet hatte, sich Pat Robertson, auf seinem Sender Christian Broadcasting Network an die Bevölkerung der USA und aller christlichen Länder der Welt gewandt. Er hatte sie dazu aufgerufen, Gott durch Läuterung um Vergebung zu bitten. Als der Papst am Abend des gleichen Tages an einem Herzanfall gestorben war, hatte das Chaos begonnen. Und jetzt, war der Untergang unausweichlich. Er war schon längst vollzogen. Natahn wimmerte und schrie als diese Erkenntnis ihn übermannte. Er krümmte sich zusammen und lag zitternd auf dem kalten Betonboden. Grelles Halogenlicht, ließ ihn geradezu gespenstisch bleich erscheinen.
Das hätte nicht passieren dürfen. Nicht so. Wimmernd schaute er auf den Bildschirm vor sich. Ihr Plan war so einfach gewesen. So genial. Nur leider spielten die Menschen nicht die Rolle, die für sie vorgesehen gewesen war. Das Virus war auf geniale Weise in einem manipulierten Diagnosetool versteckt gewesen. Über hundert, hatten sie schreiben müssen und sie an fast alle Nachrichtenknoten der Welt geschickt. Und durch die unglaublichen oszillierenden Verschlüsselungsketten, hatten die Tools nicht entdeckt werden können. Es waren Programme, die direkt auf dem Prozessor liefen. Die Geldgeber ihres Projekts, hatten derartigen wirtschaftlichen Einfluss, dass sie die Computerindustrie in einem Maße unterwandert hatten, wie Nathan sie niemals für möglich gehalten hätte. Eigentlich, hätte er das Projekt an sich nicht für möglich gehalten. Er wusste genau wie lange sein Team an dem Programm gearbeitet hatte.
Fünfzehn Jahre, drei Monate, zwei Wochen und einen Tag. Über das Network Time Protokoll, das alle Uhren in den Computern der gesamten Welt synchronisierten, hatte Gott zu sprechen begonnen. Genau am richtigen Tag. Im richtigen Augenblick.
Und doch...ihr Plan war gescheitert.
Die Menschen hielten nicht zusammen. Ohne Angst vor Bestrafung haben zu müssen, brachten sie sich um. Und niemand hielt sie auf. Alle seine Kameraden waren tot. Und noch etliche andere Millionen.
Weinend kletterte Natahn an die Oberfläche. Als er dort erneut zusammenbrach, sah er noch, eine Gruppe verschwommener Gestalten…die auf ihn zugingen.
Als er ankam, nahm Gott Natahn in den Arm.
„Ich bin nicht böse…“ sagte der alte Mann.
Dann nahm er einen großen Schlüssel und schloss den Himmel ab. Für immer.