Good bye Herbert
Vorbei! In ihr war ein unendliches Gefühl der Erleichterung. Es ließ keinen Platz für Reue, Trauer oder Schuld. Mit Gleichgültigkeit blickte sie auf den Mann, der regungslos vor ihren Füßen lag. Blut sickerte unter seiner Anzugsjacke hervor, floss lautlos über die Küchenfliesen, sammelte sich in den Fugen und setzte dann seinen Weg unbeirrbar fort. Fasziniert starrte sie auf die immer größer werdende Lache.
Sie riss sich von der Betrachtung des toten Mannes los und zwang sich, an die nächsten Schritte zu denken. Sie musste die Leiche entsorgen. Entsorgen! Sie kicherte. Das hörte sich an, wie sich des Mülls entledigen. Und mehr oder minder war es genau das, was sie heute tat.
Sie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Ihre Gedanken schweiften zu dem Tag, an dem sie Herbert kennen gelernt hatte. Es war ein heißer, schwüler Sommermorgen vor drei Jahren. Sie machte einen Bummel über den Wochenmarkt, schaute hier, kaufte dort. Als sie einen kurzen Moment nicht aufpasste, stolperte sie über das Kopfsteinpflaster des altehrwürdigen Platzes. Sie strauchelte. Bevor sie fiel, tauchten wie aus dem nichts zwei starke Arme auf, fingen sie, hielten sie fest. Herbert.
Er war in den besten Jahren, attraktiv, stark, männlich. Sie war jung und unerfahren. Für sie war es die Liebe auf den ersten Blick. Sie sträubte sich nicht, als er sie beim ersten Rendezvous küsste. Bereits beim nächsten Treffen verlor sie ihre Unschuld. Sie bemerkte damals nicht, dass er brutal war, sich stets nahm was er wollte. Sie dachte, unter Liebenden muss das so sein.
Herbert waren die Nächte mit ihr bald nicht mehr genug. Er wollte sie immer, zu jeder Zeit. Er war Fleischermeister mit eigenem Betrieb und gab ihr einen Job als Verkäuferin. Sie stand hinter dem Tresen, immer auf Abruf. Bald war sie froh, wenn der Laden voll Kunden war und sie nicht nach hinten konnte.
Herbert gab ihr persönlich die Schuld, wenn sie länger nicht aus dem Laden kam. Er bestrafte sie brutal, schlug sie, wenn sie sich verweigerte, vergewaltigte sie. Das Blut, das jetzt über den Boden floss, war nichts verglichen mit dem, das sie verloren hatte.
Sie hätte weglaufen können. Doch wohin? Sie hatte keine Verwandte, Freunde und sie hatte kein Geld. Vor allem aber hatte sie Angst. Mehr als einmal hatte er gedroht, sie umzubringen, wenn sie ihn verlassen würde. Sie kannte ihn und sie glaubte ihm.
Sie wurde schwanger, und sie verlor ihr Kind, als er sie prügelte. Da wurde es Zeit, dem Martyrium auf ihrer Weise ein Ende zu bereiten.
Mit dem letzten Zug der Zigarette verscheuchte sie die Geister der Vergangenheit und wandte sich wieder dem Heute zu. Die Entsorgung! Sie hatte schon eine Idee! Nie würde jemand diese Leiche finden.
Am nächsten Morgen schloss sie pünktlich wie immer den Laden auf, räumte Fleisch und Wurst in den Tresen ein. Man sah ihr nicht an, dass sie nicht geschlafen hatte, dass sie die ganze Nacht mit der kunstgerechten Beseitigung beschäftigt war. Die Strapazen waren Vergangenheit. Sie hatte ihren Chef und Liebhaber wirklich erstklassig entsorgt. Kein Mensch hatte sie dabei gesehen. Sie musste kichern, als sie an den Verbleib seiner Überreste dachte.
Das Klingeln der Türglocke riss sie aus ihren Gedanken. „Guten Morgen, Frau Baumann, was darf es heute sein?“ „Ach, Brigitte, ich erwarte heute Abend Gäste. Haben Sie nicht etwas ganz besonderes für mich?“ „Das trifft sich gut, Frau Baumann, Wir haben heute wunderbar zartes Kalbsfleisch. Garantiert ohne Antibiotika und nicht im dunklen Stall gemästet.“ Sie zeigte der Kundin das zarte Fleisch. „Wunderbar, das ist genau das Richtige. Geben Sie mir am besten gleich drei Kilo.“ Fröhlich vor sich hin summend packte Brigitte das Fleischpaket ein. Good bye Herbert!