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Goldener Puder

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08.09.2001
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Goldener Puder

Goldener Puder
*
Niederkniend, vor dem Gefühlsinferno, in dem Zimmer, in dem ich lebe, atme, schlafe.
Brach liegt es da, zersplittert in hundert Teile, die an meiner eigenen Existenz zerren und mich versuchen auseinander zu nehmen, stechend, so stechend, wie der Schmerz beim ersten Mal. Energie tobt, aber das Zimmer schweigt. Der Boden schläft, wenn ich trinke, um zu vergessen, schaut er mir zu.
Wenn ich masturbiere, wendet er sich ab von meinem Glanz, der irgendwo zwischen Bettlaken und Bein hängen bleibt und weiter glänzt.
*
Da sitzen Raben auf meinem Fenstersims und sie klopfen an meine Fensterscheibe und manchmal, da scheißen sie auch dagegen. Es ist ein penetrantes Picken, das Kratzer auf dem schmutzigen Glas hinterlässt.
Sie warten darauf, dass ich sie herein lasse und ihnen das gebe, was vor meinen wundgescheuerten Knien liegt. Sie ernähren sich von Seelen. Bei mir gibt es da nicht viel zu holen. Ich bin schon tot. Ganz tief im Inneren lauert der Dämon, der meine Geschichte kennt und frisst. Meine Zähne bluten und hämmern gegen das Zahnfleisch.
Tok, tok, tok.
*
Wo bin ich hingelaufen, wo bin ich stehen geblieben. Die Straßen sehen aus, wie immer, aber sie sind immer noch die gleichen. Laut schreien, weil ich mir selber
leid tun will, leiden, leiden, leider. Aber das habe ich alles, alles schon hinter mir gelassen und es stinkt furchtbar.
*
Ein neuer Protagonist muss her, einer, der liebt, was tot ist, der ehrt, was wertlos ist, der sich nicht festlegen will, Atheist zu bleiben, denn ja, Gott ist groß.
Vielleicht ist er Gott selber und wenn ja, dann will ich fragen, warum ich keine Heilige bin.
Was in meinem Kopf falsch ist, was falsch in meinem Kopf ist.
Der Rachen des ewigen Lebens tut sich kurz auf und schiebt ihn herein.
Willkommen in der Hölle. Er irrte bereits durch das All irdischen Nichts, fand sich, verlor sich und fand sich wieder, zuletzt in meinem kalten Mädchenschoß.
*
Der erste Akt ist kurz, kurz vorgestellt, kurz angefasst, schon wieder losgelassen.
Der Protagonist ist ein Held, aber das stellt sich erst gegen Ende der Tragödie heraus, wenn er eines Märtyrer- Tods stirbt und alle weinen.
*
Begleitet von seiner Begabung Gott zu sein, liest er auf, was zerstückelt am Boden fließt und an ein Puzzle erinnert, bei dem die Hälfte durch andere Puzzleteile
ersetzt worden ist. Ich schreibe ihm, ich küsse ihn, ich schlage ihn, ich töte ihn und verwandel ihn in einen Husky, der an Ketten gehen muss und nichts zu Essen
bekommt. Er ist mein, mein allein, ich besitze ihn, aber Gott ist groß.
*
Erst kennt er mich nicht, verachtet mich, neuerdings stellt er mich auf ein hohes Podest, betet mich an, vergisst die wunden Knies, deren Schorf auf ihn nieder regnen und ihn zu erschlagen drohen. Ich bin seine Göttin, die, die bei Nacht am hellsten strahlt und er bildet sich ein, behindert zu sein und ich lache ihn aus, aus, aus, weil er der einzigste des Dramas ist, der nicht behindert ist.
*


*
Man lässt die zwei sich finden und wenn man gut sehen kann, sieht man einen leicht goldenen Zauberrahmen um ihre vereinigten Körper. Oder kleine, goldene Fußabdrücke, die sie hinterlassen, wo immer sie hingegangen sind.
*

Es ist zarter Puder, der bei geringstem Wind verweht wird, um für immer zu bleiben oder mit der Zeit ganz zu verschwinden.
In die Wälder, in denen Echo sitzt und vor Liebe zu Narziss stirbt.
In die Berge, in denen kleine Kinder, ausgesetzt, erfrieren.
*

Das Publikum wartet, weint und wiehert, bei Pointen, die keine sind.
Es will wissen, wie es weitergeht aber ja, man weiß nie und die Vorstellungen ist die Generalprobe, die erste Probe, die Uraufführung, die erste und die letzte gleichzeitig, es gibt keine Regeln, nur ein Ziel: den Tod, die Unsterblichkeit, die Liebe, oder das, was für Liebe gehalten wird. Vielleicht wollen die Schauspieler selber gar nicht wissen.
Man weiß nie. Er hat Recht. Er wird immer Recht behalten. Er hat das Recht.
*

Man ist beim retardierenden Moment angelangt. Hier gibt es Pausen. Ich hänge an den Fäden und werde über die Bühne Leben geschleift. Er rennt mir nach, aber seine Raucherlunge schafft es nicht. Er rennt mir nach und rettet mich.
*

Denn was tatsächlich eintreffen wird, ist ungewiss und bleibt offen, für den der müde wird, und beschließt die Vorstellung frühzeitig zu verlassen. Alle anderen werden früher oder später sehen oder nicht.
*

Eines sollten sie jedoch nicht vergessen. Zu klatschen, wenn das Schauspiel zu Ende ist und die Laien, die sich unfreiwillig dazu bereit erklärt haben, spielen zu wollen, sich verbeugen.
Dann fällt der Vorhang, endgültig und er wird sich nie wieder heben. Nicht für ihn und nicht für mich.
Vielleicht für andere. Definitiv vielleicht.
*

Achten Sie beim Gehen auf ihren Weg, vielleicht sehen Sie etwas glitzern.

*

 

Hallo Josephine.

Auch aus diesem, gut, und flüssig geschriebenen Text spricht Verzweiflung und Resignation.

Ich kann nur hoffen, daß das nicht alles Du bist, über die Du hier so eindrücklich schreibst.

Wenn das ein Hilferuf ist, soll er nicht ungehört verhallen...Auch virtuelle Räume bieten einen gewissen Schutz...

Magst Du Dich dazu äußern ??

Lord :confused: ;)

 

Whoa.

Hey und hallo auf kg.de.

Der Text ist aufgrund der Zeilenumbrüche (ich weiss, Dein Computer spinnt ;) , mit dem Editier-Button sollte es aber kein Problem sein, das wieder hinzukriegen) etwas schwierig zu lesen, wenn man aber die Zähne zusammenbeisst, lohnt sich die Mühe. Kompliment, Du hast einen Text geschaffen, der mich zum Wundern und Staunen gebracht hat.

Zum Inhalt sag ich später mal was, muss den Text erst kopieren und ordnen, um ihn flüssiger lesen und den Gedankengang genauer unter die Lupe nehmen zu können. Deshalb erst mal ein paar Textstellen, über die ich gestolpert bin...

Niederkniend, vor dem Gefühlsinferno, in dem Zimmer, in dem ich lebe, atme, schlafe.

Sprachlich unschön für einen Einleitungssatz, da streng genommen Hauptsubjekt und -verb fehlen. Umformulieren?

und mich versuchen auseinander zu nehmen

und versuchen(,) mich auseinander zu nehmen... in dem Satz wirkt auch das Subjekt 'es' etwas bezugslos, musste lange überlegen, was gemeint ist... falls, wie ich denke, die Protagonistin das Zimmer meint, ist 'es' aber okay...

Der Boden schläft, wenn ich trinke, um zu vergessen, schaut er mir zu.

Undeutlich...der Eindruck entsteht, dass der Boden schläft, wenn sie trinkt...führt dann zu Verwirrung, da er zuschaut, wenn sie trink. Würde nach 'Der Boden denkt' Punkt oder Semikolon setzen.

Wenn ich masturbiere

Dein Text ist sehr lyrisch, deshalb achte ich besonders auf Wiederholungen... 'wenn ich' hast Du schon im Satz zuvor...

Es ist ein penetrantes Picken, das Kratzer auf dem schmutzigen Glas hinterlässt.

'Es' missfällt.

Sie warten darauf, dass ich sie herein lasse und ihnen das gebe, was vor meinen
wundgescheuerten Knien liegt. Sie ernähren sich von Seelen.

Eine der besten Stellen im Text, wunderschön...genauso wie

Meine Zähne bluten und hämmern gegen das Zahnfleisch.
Tok, tok, tok.

So simpel, und trotzdem hätte es nicht besser dargestellt werden können...viele Autoren, die den Unterschied zwischen erzählen und zeigen nicht erkennen, sollten über diese Stelle mal ein bisschen nachdenken...

Die Straßen sehen aus, wie immer,

Bin mir über das Komma nicht sicher... auf den ersten Eindruck ist es falsch, hoffe beinahe, dass du es aus dem Grund gesetzt hast, den ich zu erahnen glaube...

aber sie sind immer noch die gleichen.

'sein' als Verb hier etwas zu schwach

Der Rachen des ewigen Lebens tut sich kurz auf und schiebt ihn herein.

'ihn' - Bezug unklar... denke, Du meinst den 'neuen Protagonisten', ist aber durch das Subjekt 'Gott' etwas verwirrend...

wenn er eines Märtyrer- Tods stirbt und alle weinen.

Märtyrertodes

was zerstückelt am Boden
fließt

warum fließt? Ein schönes Verb, sehe jedoch keine Begründung und daher keine Berechtigung

vergisst die wunden Knies, deren Schorf auf ihn nieder regnen und ihn zu erschlagen drohen.

Knie...regnet...droht

und er bildet sich ein, behindert zu sein und ich lache ihn aus, aus, aus, weil
er der einzigste des Dramas ist, der nicht behindert ist.

Wieder wunderschön.

Man lässt die zwei sich finden

Sprachlich unschön.

Es ist zarter Puder,

'Es' - Bezug?

In die Wälder, in denen Echo sitzt und vor Liebe zu Narziss stirbt.

Hier verlierst Du mich für einen Moment... verstehe nicht, warum Du gerade das Echo personifizierst, und wundere mich, ob hier eine Anspielung steckt, die ich leider nicht nachvollziehen kann...Erläuterung?

Er hat Recht. Er wird immer Recht behalten. Er hat das Recht.

Ein gutes Beispiel dafür, wann Wiederholungen berechtigt sind.

Man ist beim retardierenden Moment angelangt. Hier gibt es Pausen. Ich hänge an den Fäden und werde über die Bühne Leben geschleift.

Tolles, originelles Bild. Jedoch

Er rennt mir nach, aber seine Raucherlunge schafft es nicht. Er rennt mir nach und rettet mich.

habe ich diesen Widerspruch (schafft es nicht...rettet mich) nicht nachvollziehen können.

die Laien, die sich unfreiwillig dazu bereit erklärt haben, spielen zu wollen, sich verbeugen.

Sprachlich unschön. Vorschlag: und sich die Laien, die sich zum Spielen (spielen zu wollen ist unlogisch, der Wille steckt doch schon im bereit erklären?), verbeugen.

Definitiv vielleicht.

Schön eingesetzter Oxymoron.


Ich wünsche mir sehr, dass Du mit den Anmerkungen etwas anfangen kannst und entsprechend anfängst. Habe hier lange keinen Text gesehen, der Leichtigkeit und Schwere so spielerisch miteinander verbindet, klare Bilder und aussagen schafft, ohne plump zu wirken. Zudem halte ich das Tempo des Text für 100%ig richtig getroffen.

Wenn editiert, einer meiner absoluten Favoriten.

San

[Beitrag editiert von: Rabenschwarz am 07.04.2002 um 21:18]

 

Ich habe die fehlerhaften Zeilenumbrüche mal entfernt. Ich hoffe, das war in Deinem Sinne, josie.

 

Sandra hat fast alles gesagt. Nur eins:

Vielleicht ist er Gott selber

Das "selber" klingt mir hier zu profan. "Vielleicht ist er selbst (ein?) Gott." o.ä.

Das ist zwar so etwa das letzte, was ich freiwillig lese, doch eine Empfehlung von Sandra ist Pflicht. Als einfach gestrickter und positiv denkender Mensch kann ich mit all den schmerzhaften Reflektionen vom Schicksal Geknechteter wenig anfangen (wiewohl ich nie sofort Autor und Protagonist in einen Topf werfe), selbst wenn mir versichert wird, dass ihnen (z.B. letzter Satz, meine das aber ganz allgemein) sublime Hoffnung innewohnt.

Was bleibt, sind die Bilder, schöne (stilistisch), einprägsame Bilder, die zeigen, dass Du großes Talent besitzt. Mach was draus!

 

Hi, Josephine!
Prinzipiell gefallen mir Geschichten, bei denen man ein bißchen nachdenken muß. Und lakonischen Stil mag ich soxieso, wenn er gut gemacht ist. Aber in Deiner Geschichte fehlt mir ein bißchen der rote Faden (und teilweise die Satzzeichen. Ich hab sie mir nicht so genau gemerkt, aber aus einigen mit Komma getrennten Sätzen könntest Du besser zwei machen. Und ab und zu fehlen die Kommas ganz. Das stört den Lesefluss.) Ansonsten mach weiter so.
Gruss Sikke ;)

 

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