Goldener Puder
Goldener Puder
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Niederkniend, vor dem Gefühlsinferno, in dem Zimmer, in dem ich lebe, atme, schlafe.
Brach liegt es da, zersplittert in hundert Teile, die an meiner eigenen Existenz zerren und mich versuchen auseinander zu nehmen, stechend, so stechend, wie der Schmerz beim ersten Mal. Energie tobt, aber das Zimmer schweigt. Der Boden schläft, wenn ich trinke, um zu vergessen, schaut er mir zu.
Wenn ich masturbiere, wendet er sich ab von meinem Glanz, der irgendwo zwischen Bettlaken und Bein hängen bleibt und weiter glänzt.
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Da sitzen Raben auf meinem Fenstersims und sie klopfen an meine Fensterscheibe und manchmal, da scheißen sie auch dagegen. Es ist ein penetrantes Picken, das Kratzer auf dem schmutzigen Glas hinterlässt.
Sie warten darauf, dass ich sie herein lasse und ihnen das gebe, was vor meinen wundgescheuerten Knien liegt. Sie ernähren sich von Seelen. Bei mir gibt es da nicht viel zu holen. Ich bin schon tot. Ganz tief im Inneren lauert der Dämon, der meine Geschichte kennt und frisst. Meine Zähne bluten und hämmern gegen das Zahnfleisch.
Tok, tok, tok.
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Wo bin ich hingelaufen, wo bin ich stehen geblieben. Die Straßen sehen aus, wie immer, aber sie sind immer noch die gleichen. Laut schreien, weil ich mir selber
leid tun will, leiden, leiden, leider. Aber das habe ich alles, alles schon hinter mir gelassen und es stinkt furchtbar.
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Ein neuer Protagonist muss her, einer, der liebt, was tot ist, der ehrt, was wertlos ist, der sich nicht festlegen will, Atheist zu bleiben, denn ja, Gott ist groß.
Vielleicht ist er Gott selber und wenn ja, dann will ich fragen, warum ich keine Heilige bin.
Was in meinem Kopf falsch ist, was falsch in meinem Kopf ist.
Der Rachen des ewigen Lebens tut sich kurz auf und schiebt ihn herein.
Willkommen in der Hölle. Er irrte bereits durch das All irdischen Nichts, fand sich, verlor sich und fand sich wieder, zuletzt in meinem kalten Mädchenschoß.
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Der erste Akt ist kurz, kurz vorgestellt, kurz angefasst, schon wieder losgelassen.
Der Protagonist ist ein Held, aber das stellt sich erst gegen Ende der Tragödie heraus, wenn er eines Märtyrer- Tods stirbt und alle weinen.
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Begleitet von seiner Begabung Gott zu sein, liest er auf, was zerstückelt am Boden fließt und an ein Puzzle erinnert, bei dem die Hälfte durch andere Puzzleteile
ersetzt worden ist. Ich schreibe ihm, ich küsse ihn, ich schlage ihn, ich töte ihn und verwandel ihn in einen Husky, der an Ketten gehen muss und nichts zu Essen
bekommt. Er ist mein, mein allein, ich besitze ihn, aber Gott ist groß.
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Erst kennt er mich nicht, verachtet mich, neuerdings stellt er mich auf ein hohes Podest, betet mich an, vergisst die wunden Knies, deren Schorf auf ihn nieder regnen und ihn zu erschlagen drohen. Ich bin seine Göttin, die, die bei Nacht am hellsten strahlt und er bildet sich ein, behindert zu sein und ich lache ihn aus, aus, aus, weil er der einzigste des Dramas ist, der nicht behindert ist.
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Man lässt die zwei sich finden und wenn man gut sehen kann, sieht man einen leicht goldenen Zauberrahmen um ihre vereinigten Körper. Oder kleine, goldene Fußabdrücke, die sie hinterlassen, wo immer sie hingegangen sind.
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Es ist zarter Puder, der bei geringstem Wind verweht wird, um für immer zu bleiben oder mit der Zeit ganz zu verschwinden.
In die Wälder, in denen Echo sitzt und vor Liebe zu Narziss stirbt.
In die Berge, in denen kleine Kinder, ausgesetzt, erfrieren.
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Das Publikum wartet, weint und wiehert, bei Pointen, die keine sind.
Es will wissen, wie es weitergeht aber ja, man weiß nie und die Vorstellungen ist die Generalprobe, die erste Probe, die Uraufführung, die erste und die letzte gleichzeitig, es gibt keine Regeln, nur ein Ziel: den Tod, die Unsterblichkeit, die Liebe, oder das, was für Liebe gehalten wird. Vielleicht wollen die Schauspieler selber gar nicht wissen.
Man weiß nie. Er hat Recht. Er wird immer Recht behalten. Er hat das Recht.
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Man ist beim retardierenden Moment angelangt. Hier gibt es Pausen. Ich hänge an den Fäden und werde über die Bühne Leben geschleift. Er rennt mir nach, aber seine Raucherlunge schafft es nicht. Er rennt mir nach und rettet mich.
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Denn was tatsächlich eintreffen wird, ist ungewiss und bleibt offen, für den der müde wird, und beschließt die Vorstellung frühzeitig zu verlassen. Alle anderen werden früher oder später sehen oder nicht.
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Eines sollten sie jedoch nicht vergessen. Zu klatschen, wenn das Schauspiel zu Ende ist und die Laien, die sich unfreiwillig dazu bereit erklärt haben, spielen zu wollen, sich verbeugen.
Dann fällt der Vorhang, endgültig und er wird sich nie wieder heben. Nicht für ihn und nicht für mich.
Vielleicht für andere. Definitiv vielleicht.
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Achten Sie beim Gehen auf ihren Weg, vielleicht sehen Sie etwas glitzern.
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