Was ist neu

Gobbo - der Millionär

Mitglied
Beitritt
31.07.2013
Beiträge
24
Zuletzt bearbeitet:

Gobbo - der Millionär

Gobbo – der Millionär
I.
Ich bin einmal Millionär gewesen. Na ja, ehrlich gesagt, fast Millionär. So um die 40 Tausend haben mir bis zur ganzen Million gefehlt. Wie ich zu dem Geld gekommen bin? Das hat ein bisschen gedauert.
Mein erster richtiger Job war Scheiße. Irgendwas mit Computern und viel Abheften musste ich auch. Nicht der Rede wert. Dieselben Sachen Tag ein, Tag aus und immer saß ich da mit gebeugtem Rücken. Keine Ahnung wie ich das solange ausgehalten habe. Aber ich bin sehr gewissenhaft gewesen. Bis ich eines Tages das Spielen entdeckt habe. Das Kartenspielen.
Im Internet habe ich angefangen, zuerst nur zum Spaß, für ohne Geld und dann für kleine Beträge. Mir war ziemlich langweilig damals. Ich lebte in einer neuen Stadt, kam um 18:30 von der Arbeit und Abendessen alleine ging ganz schnell.
Man, hatte es Spaß gemacht! Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie das Kribbeln durch den ganzen Körper ging, wenn ich gute Karten vor meinen Augen sah und gesetzt habe und gesetzt und gewonnen und verloren. Da durchfuhr es mich in der Brust, ganz im Inneren war es, alles zog sich zusammen und es ist warm gewesen und ich habe gezittert. Manchmal haben meine Zähne vor Aufregung geklappert, sobald ich mich an den Computer gesetzt hatte.
Dann habe ich mehr gespielt und mehr, für größere Beträge. Viel verloren habe ich am Anfang, habe vieles nicht gewusst, aber dieses warme Zittern, das ist ganz besonders gewesen.
Eines Tages habe ich viel Glück gehabt oder vielleicht konnte ich es mittlerweile schon so gut und dann habe ich aus einem kleinen Einsatz von 10 Euro in fünf Stunden 1850 Euro gemacht. Es war ein großes Turnier, mit Tausenden von Leuten und ich bin Dritter geworden. Wie meine Zähne da geklappert haben. Auf den Computerjob hatte ich gar keine Lust mehr. Nach ein paar Tagen hatte ich die 1850 Euro in 3200 verwandelt und dann habe ich Urlaub genommen und mich danach krankgemeldet und als das auch vorbei war und ich schon bei 5600 Euro gewesen bin, habe ich gekündigt. Ich wollte in meinem Leben nie wieder etwas abheften.
Jetzt saß ich trotzdem den ganzen Tag vor dem Computer und mein Rücken ist genauso gebeugt gewesen, aber um 9 Uhr aufstehen musste ich nicht mehr. Um diese Zeit bin ich dann meistens ins Bett gegangen und ansonsten habe ich den ganzen Tag gespielt und gespielt und mir Pizza bestellt und viel Red Bull getrunken. 12-14 Stunden am Tag habe ich gespielt und vor dem Schlafengehen schaute ich mir Pornos an, aber es war nicht besonders aufregend, weil ich nur an das Spielen dachte.
Mir war nicht nach Aufräumen, zum Ausgehen hatte ich niemanden und frische Luft gab es, wenn ich das Fenster aufgemacht habe. Die Wohnung war zugemüllt, überall lagen Pizzakartons und der Boden war matschig und klebte. Am liebsten hätte ich die ganze Wohnung angezündet, das ginge sicher schneller als Putzen, aber es war ja strafbar und so verwegen bin ich nie gewesen.
Ich hatte zugenommen, zehn Kilo vielleicht oder mehr und Pickel habe ich auch bekommen. Auf der Stirn und was mir sehr unangenehm gewesen ist, auf dem Rücken. Die konnte ich gar nicht erreichen zum Ausdrücken, sondern musste sie mir im Spiegel anschauen. Sie waren rot und eitrig und meine Haut ist blass gewesen wie junger Käse. Der Arzt hatte mir eine gelbliche Salbe verschrieben, aber es war fast unmöglich sie sich selbst aufzutragen. Bis ich den ganzen Rücken durch hatte, dauerte es mindestens eine viertel Stunde, drei Mal am Tag musste ich es machen, für zwei Mal reichte meine Geduld.
Was um mich herum passiert war, ist mir völlig egal gewesen. Hatte ich gewonnen, fühlte ich mich wie ein König, ein einsamer König zugegebenermaßen, aber auf jeden Fall ein König. Verlor ich, ging es mir elend, alles wurde sinnlos und die Pickel auf meinem Rücken ließen mir keine Ruhe.
Da ich es mit einem Glücksspiel zu tun hatte, traf mich natürlich auch hin und wieder das Unglück. Wenn die Wahrscheinlichkeit gegen einen spielte, war es zum Verzweifeln. An einem Tag, da wollte ich den Zufall, diesen launischen Wichser, herausfordern. Also weigerte ich mich einfach mit dem Spielen aufzuhören, obwohl es schlecht lief wie noch nie.
Ich war völlig abgestumpft und habe gesetzt und gesetzt und es hat mich nicht gekümmert. Dann irgendwann, als ich das Geld geradezu das Klo herunterspülte, dann haben wieder meine Zähne geklappert, ich hatte Fieber und mir kamen die Tränen. Ich wollte mich selbst bestrafen für meine Dummheit und für diese Ungerechtigkeit die mir angetan wurde. Es sollte wehtun, so stark wie möglich. Ich habe hunderte und Tausende Euro an diesem einen Tag verloren, gegen die Wand habe ich geprügelt, mir die Pickel vom Rücken gekratzt bis es blutete, sich meine Couch rot färbte und der Eiter spritzte. Am Ende hatte ich die Maus so feste gegen den Bildschirm geworfen, dass er zerbrochen ist. Das ist wahrscheinlich meine Rettung gewesen, ansonsten wäre ich mein ganzes Geld los. Vielleicht wäre es besser gewesen.
An diesem Tag habe ich 8000 Euro verloren. Das war die Hälfte von allem was ich hatte. Später erlebte ich noch mehr solcher Tage, aber da hatte ich schon gelernt damit umzugehen.
II.
Und dann bin ich fast Millionär geworden. Na ja, um ehrlich zu sagen, bis es soweit war, vergingen noch zwei Jahre. Es ging rauf und runter und dann wieder rauf und so weiter. Ich konnte gut von meinen Gewinnen leben, meine Ausgaben waren ja sehr überschaubar: Miete, Pizza und Red Bull. Mir fiel gar nichts ein, was ich mir sonst kaufen sollte.
Es gab große Gewinn- und genauso große Verluststrähnen. Der Stress setzte mir zu, aber natürlich habe ich weiter gespielt. Ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen, irgendeinen anderen Job zu machen. Wochenlang hatte ich mit niemanden gesprochen, ich bin noch dicker geworden und habe Mundgeruch bekommen. Wahrscheinlich kam er von dem ganzen Red Bull.
Das schlimmste aber ist gewesen, dass ich nicht mehr gezittert habe. Es gab kein Zähneklappern mehr, keine Wärme in der Brust, zum Glück waren aber auch die Pickel von meinem Rücken irgendwann verschwunden. Das Spiel wurde mechanisch, stumpf, ich fühlte mich wie ein Roboter, nie mehr wieder wie ein König. Ich hatte realisiert, es musste was passieren, ansonsten würde ich verfaulen. Da war ich dreißig Jahre alt.
Was sollte ich aber machen? Mein Leben bestand aus Karten und aus nichts weiter. Dann fiel mir ein, ich könnte ja zum Spielen in ein Kasino gehen. Dort würde ich Menschen treffen und vielleicht würde sich ja was Neues ergeben.
Also fuhr ich hin. Ich zog mir einen Anzug an ohne Krawatte und ich kaufte mir braune Lederschuhe, die so spitz waren, wie die Türme des Kölner Doms. Ich bin zum Friseur gegangen und ins Solarium. Dort bin ich natürlich furchtbar verbrannt, aber ich fühlte mich besser. Am Morgen bevor es losging, kaufte ich mir sogar ein Paar Zeitschriften und schaute zum ersten Mal seit zwei Jahren Nachrichten. Schließlich sollte ich doch in der Lage sein, eine kleine Konversation zu führen, die sich nicht nur um Karten drehte. Ich prägte mir die Schlagzeilen ein, doch es war mir bange zumute. Vielleicht sollte ich beim ersten Mal lieber schweigen.
Am Spieltisch saßen schon sechs Typen, bis auf einen Internetjungen wie mich, waren alle älter, ein Mann war bestimmt über sechzig. Er hatte graue, nach hinten gekämmte Haare und ein dreckiges Lachen. Die anderen hatten Respekt vor ihm, weil er weltmännisch redete und scheinbar jedermann kannte. Richtig spielen konnte bis auf den Internetjungen keiner von ihnen. Der Mann von Welt mit dem dreckigen Lachen hatte es auf mich abgesehen und machte Witze über meinen Sonnenbrand.
„Junger Mann, sie leuchten so fröhlich. Wo haben Sie bloß um diese Jahreszeit Sonne gefunden? Und dann auch noch so viel davon.“
Ich schwieg und schwitzte und gewann sein Geld.
Mit dem Internetjungen hatten wir uns ein wenig unterhalten.
„Das ist alles Mist hier“ – sagte er nach dem Spiel.
„Ist es das?“ – mir hatte der Abend trotz der Witze auf meine Kosten viel Spaß gemacht.
„Ja man“ – sein Gesicht sah aus, als würde er wissen wovon er spräche. „Du musst zu großen Turnieren fahren, wo das richtige Geld ist. Hier ist alles nur langweiliges Geplänkel.“
„Nach Las Vegas meinst du?“
„So sieht`s aus, mein Freund, alles passiert in Vegas. Dort kannst du groß werden. Und die Stadt ist sehr schön.“
„Wirklich?“
„Verlass dich drauf!“
Ich nahm es mir zu Herzen und fing an darüber nachzudenken.
Später fuhr ich häufiger ins Kasino und spielte dort auch bei den Turnieren mit. Es hatte Spaß gemacht und ich fühlte mich unter Menschen immer wohler.
Ich schrieb mich im Fitnessstudio ein und die junge Frau an der Rezeption hatte mir zugelächelt. Sie meinte mich, da bin ich mir ganz sicher. Aber hingegangen bin ich nur drei Mal, obwohl ich die Beiträge bis heute zahle. Ich habe das Fitnessstudio gehasst. Die Menschen sahen dort alle sehr gut aus, die Männer hatten starke Arme mit vielen Adern und die Frauen flache Bäuche und Hintern wie 12-jährige Jungs. Sie hätten meiner Meinung nach überhaupt kein Fitnessstudio gebraucht.Aber sie waren dort fast jeden Tag und haben sich im Spiegel angeschaut und Shakes in grüner Farbe getrunken. Gerne wäre ich in die Sauna gegangen, da roch es immer so schön nach Schweden, jedenfalls stellte ich mir vor, dass es so in Schweden riechen müsste, aber mir war unwohl, weil ich nicht wusste wie mein Penis auf den Anblick nackter Frauen mit kleinen Hintern reagieren würde.
Nach ein paar Monaten im Kasino hatte ich sogar so etwas wie Freunde gefunden. In meinem Telefonbuch waren jetzt tatsächlich ein Paar Nummern, die ich anrufen konnte. Wir feierten und tranken Alkohol und nahmen Drogen.
Eines Tages gingen wir sogar gemeinsam in ein Bordell und ich hatte Sex mit einem hübschen Mädchen. Sie war 19 Jahre alt und hatte eine sehr zarte Haut. Wenn ich sie berührte, fühlte es sich an wie Pusteblume. Das Mädchen hieß Lena und kam aus der Ukraine. Die Zeit mit ihr hat mir wirklich sehr gut gefallen und ich kam zwei Tage später wieder und dann noch einmal und dann jede Woche. Wenn ich sehen konnte, wie sie meinen Penis im Mund hielt, fühlte ich mich glücklich.
Lena nannte mich Gobbo, ich weiß nicht warum, sie konnte kaum Deutsch, aber hatte dafür ganz viele wunderbare Sommersprossen. „Hallo Gobbo!“ Wenn sie lachte und das tat sie immer, wenn sie mich sah, sprangen sie über ihr ganzes Gesicht.
„Hallo Lena! Wie geht es dir heute?“
„Schön und gut!“
„Ich freue mich dich zu sehen!“
„Ich dich auch.“
Ihr Akzent war hart, aber mir machte das gar nichts. Ich habe es geliebt, wie sie die Os in die Länge zog und auch wie sie die Konsonanten abhackte, als wären sie Brennholz.
Der Sex mit Lena kostete Hundert Euro. Dafür musste ich manchmal nur einmal mit der Maus klicken. Es war mir peinlich, also gab ich ihr immer zwei Hundert. „Danke Gobbo!“
III.
Und dann bin ich Millionär geworden. Also, wie gesagt. Vorher bin ich noch nach Las Vegas geflogen zu der World Series of Poker. Mit meinen neuen Freunden Tom und Jerry. Sie hießen wirklich so, aber ich nannte sie Chip und Chap. Sie mochten auch Pizza und Red Bull und wir konnten stundenlang über das Spielen sprechen. Ich wusste eigentlich gar nichts von ihnen.
Mein Bekannter aus dem Kasino, der Internetjunge, hatte gelogen. Las Vegas war hässlich, aber wir waren es auch. Nur hatte die Stadt eine verdorbene Hässlichkeit und wir waren einfach Nerds, die nicht auf sich geachtet hatten. Überall glitzerte es wie Hure und Bäume gab es fast gar nicht. Es ist ständig heiß gewesen und mein fetter Körper schwitzte so sehr, dass ich mir ganz unanständig vorkam. Wir hatten kurze Hosen mitgebracht und Käppis gekauft in bunten Farben und unsere Sonnenbrillen waren ganz rund und gespiegelt wie bei Piloten. Die Deutschen hätten keinen Geschmack, sagte uns ein schmaler Franzose.
Um unsere blasse Haut vor der Hitze zu schonen, gingen wir aus dem Hotel direkt in die Kasinos. Was sollte man in Vegas auch sonst tun?
Die nächsten Wochen spielten wir den ganzen langen Tag Karten. Es war wie zuhause, nur bunter. Geld hatten wir genug, also nahmen wir an vielen Turnieren teil. Einander sahen wir zum Essen und zum Schlafen. Das war aber ausreichend. Wir machten zunächst gemeinsame Kasse, aber es lief nicht so gut. Chap ist mit dem Spiel von Chip nicht einverstanden gewesen und ich mit dem von Chap.
Also spielte wieder jeder auf seine Rechnung. Vier Tage nachdem wir das beschlossen hatten, bin ich Millionär geworden. Also beinah. Ich hatte mich für ein Turnier registriert und gewann es. Gewann es am Ende gegen einen schönen jungen Mann mit Drei-Tage-Bart, der freundlich meine nasse Hand schüttelte und mir gratulierte.
„Congratulations! You deserved this one.“
“Thank you!”
Es gab eine Menge Geld und ein goldenes Armband und ich war sehr aufgeregt und habe wieder furchtbar geschwitzt. Es wurden Fotos von mir gemacht und von dem schönen jungen Mann, er war nämlich ein berühmter Spieler gewesen und in Blogs wurde über mich geschrieben und über ihn auch.
Am nächsten Morgen stand ich auf und musste an Lena denken. Ich war fast Millionär, aber niemand, der mich kannte wusste es. Aber im Grunde kannte mich ja auch niemand. Ich trank einen Orangensaft und beschloss an dem Tag eine Pause vom Spielen zu machen.
IV.
Ansonsten ist in Las Vegas nicht mehr viel passiert. Chip und Chap waren neidisch. Sie grämten sich, dass wir nicht auf gemeinsame Rechnung gespielt hatten.
„Du hast aber mächtig Glück gehabt!“ – sagten sie nur. Das hatte ich auch, aber meine Freunde hatten offenbar etwas dagegen. In dieser Stadt wollte ich nicht mehr bleiben. Nachhause wollte ich auch nicht, Lena hin oder her, aber dort würde ich nur wieder vor dem Computer sitzen und einsam sein wie immer. Jetzt war ich beinah Millionär und das Geld sollte mich gefälligst verändern, wie es das angeblich mit allen anderen Menschen tut. Also entschied ich mich zu reisen.
Ich war erleichtert, als das Flugzeug diese glitzernde und blinkende Wüste verließ. Ich lehnte mich in dem Sitz zurück, bestellte mir einen Tomatensaft und fühlte die Freiheit.
In dem nächsten Jahr habe ich die ganze Welt gesehen. Ich bin überall gewesen und hatte es nirgendwo gemocht. Ich war schüchtern und leider auch kein Symphath. Das war hinderlich. Bedauerlicherweise wusste ich auch über nichts zu reden und mein Schulenglisch war grottenschlecht. Irgendwo in Toronto hatte ich mal einen Kurs gemacht, aber mir fehlte einfach die Begabung. Meinen Reichtum verbarg ich nicht, aber auch der kümmerte niemanden. Immer ging es nur um diese blöde Persönlichkeit, an der es mir so mangelte. Natürlich versuchten Menschen mich manchmal auszunutzen, aber meistens gähnten sie nur.
Nur in Thailand gähnten sie nicht. Noch nie war ich bei der Damenwelt so beliebt wie in Pataya. Beinah hätte ich sogar geheiratet, weil das Mädchen so hübsch gewesen ist und ihre Familie so nett.
Nachdem wir uns zwei Tage kannten, sprach sie von uns schon als von Boyfriend und Girlfriend und wir aßen mit ihrer gesamten Verwandtschaft zu Abend. Wir sind viel mit ihrem Roller herumgefahren und sie hatte mir einige Strände gezeigt, die aber alle zugemüllt gewesen sind. Das Wasser war warm wie Pisse und überall fuhren Jet Skis herum und machten Lärm. Es roch nach Benzin und Seetang und im Hintergrund ragten klobige Betonhotels einer neben dem anderen in die Höhe. Mein Girlfriend liebte es in der Stadt zu sein, zog sich knappe Klamotten an und hatte lange Fingernägel.
„Do you like it my sweetheart?” – sie deutete auf das Meer.
“Yes I like it.”
Kairi war wunderbar im Bett, fast so gut wie Lena und hatte mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. So viele Wünsche hatte ich eigentlich gar nicht, es war einfach schön, wenn sie ihren Kopf auf meine Brust legte und mich am Bauch streichelte. Er war immer noch fett und weiß und glatt wie ein Aal, aber mein Girlfriend schnurrte immer, wenn sie mit ihrer schmalen Hand drüber fuhr und ich wollte so gerne glauben, dass sie ihn mochte.
Nach nur 10 Tagen fing Kairi an von einer Hochzeit zu sprechen. Sie war zu meinem Glück zu voreilig.
„It is going so well sweetheart, what do you think about the marriage? Do you love me?“
“Yes I do, but it is very quickly.”
Mein Girlfriend weinte und war traurig. Dann ging ich ins Hotel und weinte auch. Jetzt hatte ich es vermasselt. Am Abend standen zwei Brüder von Kairi vor meiner Tür. Sie warfen mir alles Mögliche vor und bedrohten mich mit Gefängnis, wenn ich nicht ihre Schwester heiraten würde.
„You make fucking our sister. Now you make the marriage or we call police. You understand?
Das war mir sehr unangenehm. Wir einigten uns auf 10.000 Euro und sie nahmen außerdem meine Uhr. Ich wollte bloß weg von dort.
V.
Einmal, es war in Argentinien, da dachte ich, mich würde eine Gruppe von Menschen wirklich mögen. Es ist Weihnachten gewesen und da ich niemanden kannte, mit dem ich es verbringen könnte, bin ich in die Anden gereist und wollte dort einen Berg besteigen. Er war ziemlich hoch, aber ich dachte mir, mal schauen, wie weit du kommst. Außerdem habe ich mir einen Esel gemietet, der alles tragen sollte und die beste Kleidung und Ausrüstung und einen Bergführer hatte ich auch. Er hatte mir den Preis für eine ganze Gruppe abgeknöpft, was ich wusste, da ich aber sonst niemanden kannte, der mit mir kommen würde, habe ich den bezahlt. Ich war immer noch reich.
Der Winter in Argentinien ist sehr warm, immer um die 30 Grad rum und in den Bergen weht fast ununterbrochen ein starker Wind. Die Sonne ist so nah, dass man Sonnencreme braucht mit dem höchsten Schutzfaktor und Kopfbedeckung unbedingt auch. Die Luft dort ist sehr trocken und staubig. Dieser rote Staub ist überall. Man merkt ihn nicht, aber er verfolgt einen wo man auch hingeht. Er frisst sich in die Haut und in die Atemwege und währenddessen ziehen kleine weiße Wolken durch den Himmel.
Am ersten Tag gingen wir 4 Stunden den Berg hoch. Danach ging es mir nicht mehr gut, die Luft wurde immer dünner, ich hatte Kopfschmerzen und meine Beine taten mir weh. Wir machten viele Pausen, in denen ich auf riesige Felsen am Rande des Pfades kletterte, um dort zu verschnaufen.
Auf den Felsen sah ich mir die Landschaft an und den Himmel. Hier in den Bergen fühlte ich mich sehr alleine. Ich bin in den letzten Jahren viel alleine gewesen, aber ich lebte irgendwie dennoch inmitten meines Gleichen. Die Menschen waren ja da, sie waren hinter der Tür, auf der Straße, im Supermarkt, im Fernsehen. Der Pizzabote kam, ich konnte ins Kasino gehen, mit Chip und Chap über das Spielen reden oder zu Lena und ihrer Pusteblumenhaut. Vor allem war ich beinahe Millionär. Die Welt stand mir doch offen! Ich hatte immer die Illusion, zu den Menschen zurück zu können, wenn ich mich nur ein bisschen anstrengen würde. In den Anden aber war ich am Ende der Welt, hier gab es gar keine Menschen, nur roten Staub, den Himmel und unendlich riesige Steine. Hier draußen gab es zwar jede Menge Platz, aber überhaupt keinen Raum für Illusionen. Es ist alles echt gewesen.
Wir gingen weiter und weiter, manchmal wollte ich vor Anstrengung weinen, Nebel legte sich um meine Gedanken, ich wünschte mich zurück vor den Computer. Dann machte der Pfad eine Biegung und wir standen vor Confluencia. Es war ein großes Zeltlager auf einem Plateau auf 3300 Meter Höhe. Erster Halt auf dem Weg nach oben. In der Ferne sah ich den Gipfel bedeckt mit ewigem Schnee. Überall zwischen den Zelten liefen Hunde herum. Hier würde ich übernachten und mich an die Höhe gewöhnen. In einem großen roten Zelt aß ich ein Stück ungenießbaren Teigfladens mit Tomatensoße, den sie hier in den Bergen Pizza nannten und legte mich schlafen.
Abends dann, ging ich zurück in das rote Zelt. Hier trafen sich alle Bergsteiger und redeten über Berge und jemand spielte unbedingt Gitarre. Ich hatte einen Reiseführer zum Lesen mitgenommen. Da ich meistens keine Gesellschaft zum Reden fand, konnte ich wenigstens darin blättern und dabei beschäftigt und nicht verzweifelt aussehen.
Ich setzte mich zu einer Gruppe junger Leute an einen der hinteren Tische. Sie sind alle jünger als ich gewesen und trugen Piercings in den Lippen, den Augenbrauen und weite, bunte Hosen.
„Hey, is here a seat free?“ – fragte ich.
„Klar man, setz dich zu uns.“ – die Gruppe war gemischt aus Österreichern und Schweizern. Sie erkannten sofort meinen Akzent. Ein großer, blonder Typ antwortete mir und machte neben sich Platz. Seine Stimme klang sehr freundlich, das hatte gut getan.
„Und wo kommt ihr alle her?“ – ich bemühte meiner Frage einen lässigen Ausdruck zu verleihen, sie durfte bitte nicht aufdringlich sein.
Sie erzählten, ich erzählte, wir tranken ein bisschen Wein, es waren auch Mädchen dabei. Eines von ihnen legte beim Lachen sogar kurz ihre Hand auf meine. Sie berührte mich ganz leicht, aus Versehen, aber es fühlte sich an, als wäre ich auf einen Zitterrochen getreten.
„Ich bin ein Pokerspieler“ – sagte ich. Der große blonde Typ klopfte mir auf die Schulter.
„Ich habe bei der World Series of Poker ein goldenes Armband gewonnen.“ – ich war schon ziemlich angetrunken. Meine Tischgenossen waren beeindruckt. Mir war nach Offenheit und ich erzählte ein Paar Reisegeschichten. Erzählte ihnen auch von Kairi. Sie waren betroffen. Das Mädchen, das meine Hand berührt hatte, fragte mich teilnahmsvoll: „Liebst du sie immer noch?“
„Ein bisschen.“ – sagte ich und hoffte insgeheim, sie würde mich über den Verlust hinwegtrösten.
Wir redeten über andere Dinge. Es ging um Reisen und um Abenteuer. Es war toll. Man hörte mir zu, auch ich hatte was erlebt. Damit der Abend nicht aufhörte, gab ich allen Wein aus.
Später dann gingen wir aus dem Zelt raus und haben uns die Sterne angeschaut. Der Himmel war voll von ihnen. Ich hatte noch nie so viele Sterne gesehen. Wir standen alle da und schwiegen und die Hunde standen neben uns und es war wunderschön.
Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht. Mein Kopf tat weh, ich hatte Durst. Im Zelt war es heiß und stickig, die Plastikplanen banden die Hitze und brüteten sie aus über meinem Kopf. Aus meiner Nase holte ich schwarze Klumpen heraus, gestern war es noch roter Staub. Aber ich freute mich. Den Rest des Weges nach oben würde ich mit meinen neuen Freunden gehen und dann würden wir vielleicht gemeinsam weiter reisen, sollten sie kein Geld mehr haben, würde es daran nicht scheitern. Schließlich war ich beinah Millionär.
Ich kletterte aus dem Zelt hinaus und ging zu der Stelle, wo gestern Abend die Zelte der Österreicher und der Schweizer gestanden hatten. Es war niemand mehr da. In der Früh hatten sie alles abgebaut und seien weitergezogen, erklärte mir einer der Ranger. Er sprach ein schlechtes Englisch, aber ich hatte ihn sehr gut verstanden. Die Lust auf eine weitere Besteigung ist mir vergangen. Ich holte meinen Bergführer und wir traten den Rückweg an. Zwei Tage später saß ich in einem Flugzeug nach Deutschland. Ich trank Tomatensaft, aber Freiheit konnte ich keine spüren.
VI.
Als ich in Deutschland angekommen bin, ging alles sehr schnell. Vom Flughafen fuhr ich direkt nach Hause. Die Wohnung sah genauso aus, wie an dem Tag, an dem ich sie verlassen hatte, nur viel staubiger. Ein Jahr bin ich nicht mehr hier gewesen. Im Briefkasten waren einige Briefe, aber ich habe sie nicht gelesen. Es lagen leere Pizzakartons auf dem Tisch und die Essensreste, die ich übrig gelassen hatte, sind verschimmelt, schwarzgeworden und zerfallen. Wahrscheinlich war die Luft voller Sporen.
Ich dachte an Lena und ging duschen. Heute Abend wollte ich sie besuchen. Ich freute mich, ging nach dem Duschen in den Supermarkt und kaufte die teuerste Schachtel Pralinen und eine Flasche Champagner. Auch die teuerste. Ich bin immer noch sehr reich gewesen. Gegen 21 Uhr nahm ich ein Taxi und fuhr in das Bordell.
„Ich möchte zu Lena“ – erklärte ich der Puffmutter.
„Lena? Die Blonde? Sie ist nicht da. Ich kann dir aber ein anderes sehr schönes Mädchen zeigen.“
„Wann kommt Lena denn wieder?“
Die Puffmutter zuckte mit den Achseln: „Sie kommt nicht wieder.“
„Warum nicht?“
„Sie ist zurück nach Hause. Ihre Mutter ist krank. Oder ihr Vater. Ich weiß nicht mehr, ehrlich gesagt.“ Die Frau gähnte. „Tut mir leid.“
„Haben Sie eine Adresse?“
„Du machst Scherze, mein Lieber. Was soll ich mit ihrer Adresse? Wir schreiben hier keine Postkarten. Willst du jetzt vielleicht das andere Mädchen sehen?“
Ich schwieg und dachte an Kairi. Dann sagte ich: „Ok.“
Dana hatte kurze Haare und kleine Brüste. Das Gesicht habe ich mir nicht gemerkt. Sie hatte mir einen geblasen, aber es machte mich nicht glücklich.
„Kann ich dich küssen?“
„Nein, das geht nicht.“
„Ich gebe dir Hundert Euro.“
Sie zögerte.
„Lass es zwei Hundert sein.“
„Ok, du kannst mich jetzt küssen.“
Dana hatte weiche Lippen und eine nasse, spitze Zunge, mit der sie mich zaghaft berührte. Ich sabberte ihr ganzes Gesicht voll.
„Du küsst wie ein Hund“ – sagte sie.
„Kannst du deinen Kopf auf meine Brust legen?“- bat ich das Mädchen.
„Kannst du mir vielleicht noch Hundert Euro geben? Ich brauche sie dringend.“
„Ok.“
Später habe ich ihn nicht hochbekommen und fuhr nach Hause.
„Du brauchst eine Freundin“ – sagte Dana zum Abschluss. „Komm einfach die Tage wieder vorbei.“
Im Taxi habe ich geweint.
Dann war ich wieder in meiner Wohnung und machte den Computer an. Ein Jahr fast habe ich keine Karten mehr gespielt, jetzt sollte es endlich wieder soweit sein. Die Software ging an, ich überwies das Geld auf mein Konto. 100.000 Euro. Es ging sofort. Dann machte ich die Tische auf, mir wurden Karten zugeteilt. Es kribbelte. Da war es wieder, dieses warme, zittrige Gefühl, das damals, ganz am Anfang, meinen gesamten Körper durchzogen hatte. Es lebte wieder in meiner Brust und brachte meine Zähne zum Klappern.
Ich vergaß Kairi und Lena, ich dachte nicht mehr an die Einsamkeit der Berge und an den Verrat in Confluencia. Es gab auch kein Las Vegas, keine Demütigungen und keine Verzweiflung. Ich war nicht fett und nicht hässlich und meine Familie brauchte mich.
Ich wollte hoch spielen, es durfte bloß nicht aufhören zu kribbeln. Die ersten zehn Tausend verlor ich innerhalb von fünf Minuten. Ich wunderte mich, dass es so schnell ging. Ich war natürlich ein wenig aus der Übung. Zehn Minuten später folgten die nächsten zehn Tausend und dann nochmal so viel. Ich konnte das nicht verstehen und spielte weiter. Ich wurde immer aggressiver, machte Druck auf meine Gegner und gewann 12 Tausend zurück. Ich dachte, es sei wieder alles in Ordnung, aber ich hatte mich geirrt.
Alle griffen mich an, wie die Haie kreisten sie um mich herum und wollten mir mein Geld abnehmen. Die Warteschlange um mit mir zu spielen wuchs immer weiter. Ich kämpfte gegen alle, ich setzte und setzte und verlor. Ich konnte nicht aufhören zu verlieren. Eine Stunde später bekam ich eine Meldung, mein Konto sei leer. Hundert Tausend Euro waren weg.
Kalter Schweiß stand in meinem Gesicht, ich konnte es nicht fassen. Ich wollte mein Geld zurückhaben. Ich überwies noch hundert Tausend, trank einen Red Bull und setzte mich wieder ran.Es kribbelte wie verrückt. Ich spürte keine Zeit, keine Temperatur, ich wusste nicht ob es hell oder dunkel war und ob ich Hunger hatte oder Durst. Ich sah nur Karten und kleine digitale Chips vor meiner Nase, von denen es jede Sekunde weniger wurde. Noch Hundert Tausend waren weg. Keine halbe Stunde war vergangen.
Eine Starre machte sich in meinem Inneren breit. In ihrer Mitte brannte ein Meer aus Feuer. Am liebsten wäre ich in ihm versunken. Dann wurde ich ganz ruhig. Ich überwies alles was ich auf der Bank hatte, mein gesamtes Geld, auf das Spielkonto und machte wieder einen Tisch auf. Und dann noch einen und dann noch einen. Mein Bildschirm ist voller Tische gewesen. Ich nahm das Visier hoch und zog in die Schlacht. In mir kochte der Zorn. Er war seltsamerweise kalt.
Die nächste Stunde glich einem Massaker. Alle nahmen an ihm Teil. Es war so viel Blut im Wasser, dass sich die Haie gegenseitig auffraßen um ein Stück von mir abzubeißen. Es war vorbei. Ich bat diese Leute förmlich mir mein Geld abzunehmen, ich wollte nichts mehr davon haben. Mich durstete es nach einer gerechten Bestrafung. Ich hatte sie verdient. Aber wie hatte es bloß gekribbelt! Selbst als ich beinah eine ganze Million gewonnen hatte, konnte das Kribbeln diesem Gefühl was ich gerade hatte nicht nahe kommen. Es war pures Leben, eine echte Erlösung, ich bin noch nie so da gewesen, wie an diesem Abend.
Dann war es zu Ende. Die Tische schlossen sich, die Haie verschwanden. Es gab für sie nichts mehr zu tun. Den Wal haben sie erledigt.
Es ist mitten in der Nacht gewesen. Auf der Straße war es ruhig. Ich saß da in meinem Zimmer und dachte mir: „Morgen musst du wieder von vorne anfangen.“

 

Hallo Herr Taktlos

und willkommen auf kg.de :)

Nur in der Kürze:
Für deinen Einstand wählst du ein aktuelles Thema.
Da sind viele starke Ideen verbaut und immer wieder herrlich skurrile Bilder mit dabei. An manchen Stellen im Text, da spüht es richtig und ich hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Dieser, ich sag mal "naive" Erzählton, den hältst du konsequent bis zum Ende durch. Das ist Stärke und Schwäche zugleich. Denn zwischen diesen Stellen plätschert es nach meinem Empfinden dann auch recht gleichförmig dahin. Da reizt es mich zum Scrollen. Hab es auch getan, überflogen passagenweise - und ich habe nichts verpasst, bis ich wieder bei einem Hook in den Text reingefunden habe, erneut grinsen musste.
Denke, her verspielst du etwas dein Talent. Du bist da etwas verschwenderisch mit deinen Ideen, in meinen Augen. Weil nicht jeder Gag so gut zündet wie er sollte und dann längt das einfach nur. Ich denke, wenn du das Teil drastisch kürzt, wirklich nur die starken Stellen aneinanderreihst, dann bleibt der Leser auch am Ball und wird nicht ins Scrollen kommen, weil man eben nichts überlesen will.
Der schlechteste Teil deiner Geschichte ist in meinen Augen der Anfang. Was natürlich ein Todesurteil für jede Geschichte ist, weil hier entschieden wird, ob ich mich auf sie einlasse oder weiterklicke. Gerade bei etwas längeren Texten wird man da potentielle Leser vergraulen.
Das ganze Geschwafel wer er denn sei, nee, das ist zu lang und zu uninteressant. Du verlierst dich hier in belanglosen Einzelheiten, die mehr langweilien als Interesse zu wecken.
Inhaltlich gefällt mir die Geschichte, streckenweise wirklich gut beobachtet, was dein Prot da so für Zyklen aus Einsamkeit, Unbeholfenheit und Rausch durchlebt, bis zum nur konsequenten Ausklang.
Wobei ich den Schlussatz für das Ende jetzt etwas beliebig finde, vll einfach früher abbrechen.
Wie auch immer, denke, es lohnt sich, hier noch dran zu feilen.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hey! Vielen Dank für deine Kritik. Das ist das erste Mal, dass ich einen Text öffentlich zeige und ich freue mich sehr, dass sich jemand fremdes die Mühe macht, ihn zu lesen und zu kommentieren.
Ich weiß, dass es nicht richtig ist, sich jede Kritik so zu Herzen zu nehmen, aber deine klang ziemlich vernünftig. Also habe ich auf dich gehört und den Text drastisch gekürzt.
lg, HT

 

Hallo HerrTaktlos

Auch ich heiße dich Herzlich Willkommen in unserer Runde.

Ich hab deine Geschichte sehr gern gelesen. Vielleicht auch deshalb, weil ich vor einigen Jahren auch mal in der Online-Poker-Szene aktiv war, mich auch viel mit der Spieltheorie und - notgedrungen - auch mit der psychologischen Komponente des Spiels auseinandergesetzt habe. Entweder hast du gut recherchiert, oder du hast - zumindest in Teilen - auch deine persönlichen Erfahrungen in den Text einfliessen lassen. Da sind viele typische Muster erkennbar.

Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung des Erzählers, wie er sich mehr und mehr vom normalen Leben trennt. Ich lese da (noch) kein Bedauern heraus, es ist halt einfach so, und in diesem Moment ist es das, was er will:

12-14 Stunden am Tag habe ich gespielt und vor dem Schlafengehen schaute ich mir Pornos an, aber es war nicht besonders aufregend, weil ich nur an das Spielen dachte.

Diesen Sog, wie er in das Spiel gezogen wird, und alles drumherum ignoriert, das finde ich gut beschrieben. Das ist ja schon ein tragisches Schicksal, wo man als Aussenstehender sagt: der braucht Hilfe. Der ist krank. Aber er selbst sagt - wo ist das Problem?

Klar, es kommen die Pickel, er merkt, wie verdreckt seine Bude wird - aber wirklich interessieren tut ihn das nicht, erst - und das ist ein Detail, das mir echt gut gefallen hat - wenn er verliert:

Verlor ich, ging es mir elend, alles wurde sinnlos und die Pickel auf meinem Rücken ließen mir keine Ruhe.

So ist das, man gleitet dann in eine solch manisch-depressive Stimmung, macht alles nur noch von Sieg oder Niederlage abhängig. Dein Erzähler liefert genau dafür ein konkretes, anschauliches Beispiel.

Auch gut gefallen hat mir der Tilt. Man kann da lang mit Varianzen, statistischem Ausgleich und Wahrscheinlichkeiten kommen - wenn man "on tilt" ist, haut man halt das Geld raus, weil man sicher ist, das Spiel hat sich gegen einen verschworen:

An einem Tag, da wollte ich den Zufall, diesen launischen Wichser, herausfordern.

Echt gut beschrieben.

Später dann geht er ins echte Leben, und ihm wird immer mehr bewusst, wie einsam er doch ist, wie sozial unterentwickelt. Klar, erst ist er immer noch am Pokern, aber je mehr das Pokern in den Hintergrund rückt, umso offensichtlicher werden seine Defizite. Trost findet er nur bei einer Prostituierten, "echte" soziale Interaktion findet nur mit "Gleichgesinnten" statt, und über die sagt er dann bezeichnenderweise auch noch:

Sie mochten auch Pizza und Red Bull und wir konnten stundenlang über das Spielen sprechen. Ich wusste eigentlich gar nichts von ihnen.

Das ist ebenfalls eine gut eingestreute Beobachtung.

Natürlich kann man der Geschichte an dieser Stelle ein Stück weit vorwerfen, sie schießt übers Ziel hinaus und zeigt ein Extrembeispiel, ist nah dran am Klischee. Klar, nur wenige Pokerspieler müssen über einen ähnlichen Leidensweg wie dein Erzähler, aber im Kleinen kennt das glaube ich jeder, der sich mit dem Spiel beschäftigt hat. Und es gibt sie natürlich auch, diese Extrembeispiele: Moneymaker, der irgendwann das Main Event der World Series gewonnen hat, qualifiziert über ein Turnier, für das er 40 Dollar bezahlt hat. Und so einen Poker-Boom auslöste - wo sonst kann ein "Amateur" einen "Profi" schlagen und Millionen von Doller absahnen?

Das ist der Stoff, aus dem Träume sind - deine Geschichte zeigt - zugegeben, nicht gerade subtil, aber auf nachvollziehbare Art und Weise - die Schattenseiten dieses Ruhms. Auch die extremen Schwankungen des verfügbaren Geldes, das ist auch etwas, mit dem man psychologisch erstmal klarkommen muss. Das schaffen viele nicht, scheitern komplett, aber die stehen natürlich nicht im Licht der Öffentlichkeit wie die großen Gewinner - und wer weiß schon, wie viele für jeden Gewinner auf der Strecke bleiben? Dein Text beschreibt ein solches Schicksal, und das finde ich lobenswert.

Später dann, in Thailand und in Argentinien, hat der Text ein paar Längen. Klar, auch hier steht wieder im Mittelpunkt, dass jegliche soziale Interaktion nur über das Geld stattfindet - das ist alles, was der Erzähler hat, alles, worüber er sich definiert. Deshalb auch immer wieder:

Ich war immer noch reich.

Das Geld ermöglicht ihm letzten Endes Zugang in die Gesellschaft, den er jetzt doch vermisst. Aber echten Zugang findet er nie - in Thailand scheitert er, und in Argentinien auch. Er lädt zwar extra noch alle zum Wein ein

Damit der Abend nicht aufhörte, gab ich allen Wein aus.

aber am nächsten Morgen ist er wieder allein. Ja, auch diese Botschaft ist nicht neu: wer sich seine Freunde erkauft, steht dann auch recht schnell alleine da. Das schwingt an den Stellen so mit, vielleicht ein wenig zu offensichtlich, aber gern gelesen hab ich das trotzdem.

Das Ende ist dann auch konsequent: Nachdem der Erzähler in der echten Welt gescheitert ist, geht er wieder vor den Computer, und alles beginnt von vorne. Du zeigst hier eine tieftraurige Figur (gefallen hat mir die Stelle im Taxi, wo er weint), die von der Spielsucht regelrecht verzehrt ist. Man weiß auch ganz genau: der kann jetzt noch eine Million gewinnen, glücklich wird er nicht. Er ist gefangen in seinem Kreislauf, da kommt er nicht raus.

Es sind keine neuen Erkenntnisse, die du beschreibst, aber du beschreibst sie glaubhaft und - von ein paar Längen in der Mitte mal abgesehen - sehr unterhaltsam, auf eine lockere Art und Weise. Ich hab die Geschichte wirklich gern gelesen und deinem Erzähler gerne zugehört.

Bisschen Krimskrams noch:

Irgendwas mit Computern und viel Abheften musste ich auch.

abheften

Dieselben Sachen Tag ein, Tag aus und immer saß

tagein, tagaus

Wenn die Wahrscheinlichkeit gegen einen spielte, war es zum Verzweifeln.

"spielt" die Wahrscheinlichkeit gegen einen? Fände "Wenn die Wahrscheinlichkeit sich gegen einen wendet" o.ä. passender.

Nachhause wollte ich auch nicht,

Nach Hause

Alle nahmen an ihm Teil.

teil

Grüsse
Schwups

 

Hallo,

Ich habe das Fitnessstudio gehasst. Die Menschen sahen dort alle sehr gut aus, die Männer hatten starke Arme mit vielen Adern und die Frauen flache Bäuche und Hintern wie 12-jährige Jungs. Sie hätten meiner Meinung nach überhaupt kein Fitnessstudio gebraucht.Aber sie waren dort fast jeden Tag und haben sich im Spiegel angeschaut und Shakes in grüner Farbe getrunken. Gerne wäre ich in die Sauna gegangen, da roch es immer so schön nach Schweden, jedenfalls stellte ich mir vor, dass es so in Schweden riechen müsste, aber mir war unwohl, weil ich nicht wusste wie mein Penis auf den Anblick nackter Frauen mit kleinen Hintern reagieren würde.
Das find ich gut, da hat die Geschichte mal eine Stimme. Ich finde sonst: Das Thema ist gut, aber die Geschichte hat keine Stimme.
Es gibt im Moment diese Generation junger Amerikaner, meist mit Migrationshintergrund, die schreiben genau über so was. Ich hab da noch einen Artikel in Erinnerung von Jay Caspian Kang, der fing an und sagte. Seine Eltern hatten einen Doktoren und einen Anwalt zum Sohn und einen degenerierten Spieler. Und das war natürlich er und dann hat er angefangen das zu beschrieben, genau das Milieu, aber der ist natürlich kein „degenerierter, abgestumpfter Zocker“, sondern das ist ein literarischer Mensch, der dann dieser Idee verfällt, diesem Renegaten-Lebensstil – dass er eben nicht, wie alle anderen, als Werbetexter endet oder im Praktikanten-Limbo oder als Hipster in New Jersey, sondern dass er durch dieses Spielen Angehöriger „irgendeiner“ Art von selbstbestimmter Elite sein kann.
So wie Hemingway kein Boxer oder Stierkämpfer war, der dann zum Schreiben gefunden hat, sondern umgekehrt.
Das ist hier im Text für mich ein deutlicher Unterschied.
Bis hierhin finde ich das alles so rein beschreibend. So wie bei einer Therapiegruppe fasst, wenn einer sein ganzes Schicksal möglichst detailliert zeigen muss.
Ich hab mich da auch schon mit beschäftigt, diese Generation, die aus Starcraft kommt eigentlich, und für die Dollars nichts anderes sind, als ein Elo-Ranking oder eine abstrakte virtuelle Währung – das wäre wiederum auch ein interessanter Ansatz. Das rein als „Insider-Sache“ zu zeigen. Wie fremd das auf „normale“ Menschen wirken muss, auf die Eltern noch, dass für diese Spieler 200.000 Dollar nicht „Ein Haus“ sind oder „10 Jahre Arbeit“, sondern dass eine abstrakte Punktzahl ist, die ihren Erfolg in einer Welt definiert, den dann auch nur andere Insider verstehen können.

Wie gesagt, mich hat das mal eine Weile interessiert und ich hab da einige Artikel darüber gelesen. Das Thema hat richtig viel Potential, weil es auch viel darüber aussagt, wie sich die Zeit verändert hat, und wie die heutige Generation in Konflikt kommt mit dem Leben ihrer Eltern und deren Werte.

Ja – das ist halt blöd zu kritisieren, weil ich das Thema sehe und denke: da hätte man mehr draus machen können oder ganz andere Sachen, und ich sehe, was du daraus gemacht hast, und statt das zu respektieren, passt mir die ganze Richtung nicht.
Also du hast dieses aktuelle Thema genommen und hast das Pokerspielen und diese Subkultur dann aber eigentlich fallen gelassen und zu einer „Neu-Reich“-Methode gemacht, wie einen Lottogewinn. Und dann läuft die Geschichte leider, leider stark ab in so eine Richtung „poetische Gerechtigkeit“ - dass man nicht glücklich werden kann, ohne „Seele“ ohne „Bildung“, ohne Identität ohne die Fähigkeit, sich reflexiv zu betrachten. Und dann bestraft er sich selbst und kann keine Kontakte knüpfen und alles wird mies. Die schönste Szene ist da vielleicht, wenn er das Mädchen kennenlernt und merkt, sei will ihn wohl nur ausnehmen, aber er hofft das es nicht so ist und dann die Brüder. Aber … bei der Geschichte ist es so, dass die Zusammenfassungen der Ereignisse fast besser klingt als wie es dann im Text wirklich ist. Also wenn ich jemandem deine Geschichte so erzählen würde, die Stelle mit dem Thai-Mädchen z.b., dann würde der sagen: Wow, das klingt ja toll. Und wenn er es dann liest, wäre er enttäuscht, weil die Zusammenfassung eigentlich schon alles war, viel mehr war dann in der Geschichte nicht.

Ja, und das Ende eben ist schon eher märchenhaft, fürchte ich. Also „Du bist unglücklich, deshalb wirst du in einem davon unabhängigen Ding kein Glück gehabt“ - das ist ja eine Form dieser Spieler-Illusion mit Glücksbringern und Fetischen und Ideen. Ja. Ich finde der Text ist im Moment noch über so ein „Poker“, wie es sich Lieschen Müller vorstellt: Die armen Jungs. Diese Moralvorstellungen dann auch. Als Aspekt interessant fand ich diese Idee: Das sind meine Freunde und sobald ich Erfolg habe, sind sie es nicht mehr, weil dann die Rivalität durchbricht. Also in bestimmten Bereichen, in denen es nur Einzelgänger gibt, ist das immer ein tolles Thema. Das ist ja bei Schach- oder Tennisspielern schon so, oder bei Late-Night-Hosts, bei Chefredakteuren, bei Komikern, usw. - bei diesen ganzen Berufen, die sehr stark die Individualität und Rivalität betonen untereinander – wirklich ein tolles Thema – bei dem Adam Sandler Film „Funny People“, da leben die Nachwuchs-Komiker zusammen, konkurrieren und bewerten einander ständig, sind aber auch „irgendwie“ Freunde, aber das ist ein tolles Thema: Freundschaft oder auch Liebe sogar in einer Welt, in der sich jeder Mensch nur um sich selbst dreht und sich selbst auch genug ist – Narzissten, Egozentriker, Autisten vor Smartphones und Monitoren – das ist ein riesiges, spannendes Thema, das deine Geschichte hier streift.

Ich finde für ein Debüt ist das auf jeden Fall ein toller Einstand, es ist ein spannendes Sujet, ich finde da ist, wenn man das Thema ernst nimmt, noch viel mehr drin. Vielleicht wenn du länger schreibst und dich mehr mit dem Erzählen beschäftigst, legst du vielleicht irgendwann stärker den Fokus auf eine literarische und szenische Gestaltung und füllst diese einzelnen Beschreibungen dann auch mit mehr sinnlich erlebbaren Details. Und erhöhst die Bedeutungsdichte in dem Text und den Blick eines Erzählers auf den Protagonisten. Ich denke die Geschichte hier hat beachtliches Potential, in jede nur erdenkliche Richtung. Aber es ist auch unfair, dich an so einem Potential zu messen, nur weil ich jetzt das Thema so toll finde und da schon viel gelesen hab.

Das sollte dich nicht groß kümmern.

Gruß
Quinn

 

Vielen Dank euch allen für die Kritik. Das bedeutet mir sehr viel und hat mich total durcheinander gebracht. Diese Art von Aufgewühltsein ist mir ganz neu. Es ist natürlich sinnlos, sich Kritik gegenüber zu rechtfertigen, der Text ist jetzt in der Welt und den Leser kümmert es nicht, was ich mir dabei gedacht habe, aber ich komme nicht drum herum, etwas gerade zu rücken, insbesondere was die mir fast ins Knochenmark gehenden Anmerkungen von Quinn betrifft.
Zunächst einmal freue ich mich, dass du Schwups genau den Aspekt erkannt hast, um den es mir ging. Zu deiner Kritik kann ich eigentlich gar nichts sagen, weil du die Dinge auf den Punkt bringst. Auch, dass es zuweilen an Subtilität mangelt. Der Text ist nicht elaboriert, ich habe ihn einfach runtergeschrieben in einem und dann eine Menge rausgestrichen und dann nochmal eine ganze Menge nach der Kritik von Weltenläufer. Hätte ich hier Subtilität reinbringen wollen, käme es mir jetzt bemüht vor. Im Moment jedenfalls, vllt muss ich den Text ruhen lassen. Da fehlt mir noch die Erfahrung.
Und du Quinn, ich bin dir dankbar, dass du so schonungslos bist. Das tut mir gut wahrscheinlich. Auf ein paar Sachen will ich noch eingehen.
Ich wollte keine Subkultur beleuchten, kein Generationenkonflikt auseinadernehmen, mich nicht in das Thema Freundschaft vertiefen und auch keine poetische Gerechtigkeit walten lassen, sondern einfach das Portrait eines Süchtigen zeichnen, wie ich ihn kenne. Eines Süchtigen, der sich in die Einsamkeit manövriert und dort merkt, dass er nicht nur eine Sucht, sondern auch Sehnsüchte hat. Mehr nicht eigentlich.
Das ist die Realität vieler Pokerspieler, so wie ich ihre Zyklen beobachtet habe.
Ich stimme dir zu Quinn, wenn du sagst, in der Geschichte ist mehr drin. Nur fand ich es nicht möglich, das alles in einer Kurzgeschichte unterzubringen, für das alles müsste es schon ein Roman sein. Bevor ich aber sowas angehe, will ich noch was üben und ich habe einen Aspekt, eben die Sucht herausgegriffen.
Von euch beiden will ich die Arbeit gerne beobachten, da habe ich einiges gesehen, was mir gut gefallen hatte und wo ich bestimmt was lernen kann. Seid mir nicht böse, wenn ich das nicht kommentiere, ich bin einfach kein guter Kritiker, fürchte ich. Ich wills aber versuchen.
Grüsse
HT

 

Hi Herr Taktlos,

klasse Plot. Wirklich super. Du machst ja fast eine klassische Heldenreise aus der Geschichte und qualifizierst sie damit für größeres. Sprachlich ist die Geschichte aber noch ausbaufähig. Das Naive gefällt mir gut, ist mir aber an einigen Stellen zu viel. Auch könntest Du das alles sprachlich verknappen. Wie weltenläufer hat es mir ebenfalls in den Fingern gejuckt, zu scrollen. Aber ich bin ganz angetan von dem Plot.

Grüße

E.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom