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Gniii - oder meine Rache an den Illuminaten
Okay, eine Geschichte soll ich schreiben. Wie soll ich das nur anstellen? Ich habe mir, ich meine, Sie müssen mir das schon glauben, ich meine das absolut ehrlich, schon dreimal, lesen Sie das langsam und noch einmal, schon dreimal in den Kopf geschossen, und mir fällt immer noch nichts Brauchbares ein, das irgendwie einen Sinn ergibt. Ja, und einen Zweck. Genau, so eine Geschichte muß einen Zweck haben. Und vier Mal habe ich schon daneben geschossen, dabei habe ich einen derart widerlichen, großen Wasserkopf, dass es schon wahrhaft eine Kunst ist, daran mit der Kanone abzurutschen und Löcher in meine Wand zu ballern. Nein, ich habe mich nicht vertippt. Ach, ja, die Geschichte. Mir war vor ein paar Minuten, da war ich gerade in meiner Küche, habe mir meine sensiblen Fingerchen an dieser verfluchten Fritteuse verbrannt, und ich schwöre, dass ich genau deswegen siebenmal meine Wassermelone verfehlt habe, weil meine Finger vor lauter Brandblasen zittern, wie eine mit Gift niedergesprühte, fette Schmeißfliege – das ist nicht gut – und vor diesen paar Minuten, da war mir wie, ich weiß nicht, jedenfalls, da ging mir tatsächlich Agatha Christie durch den Kopf.
Wissen Sie, die latschte da richtig drin herum, weil er so groß ist und viel, wirklich viel Platz da drin ist, und da dachte ich mir, schreib doch eine Agatha Christie Story. Und es entwickelte sich. Wie ein Eilzug, so schnell. Mit Waggons, vollbeladen mit jeder Menge Kapitel für mich. Ich wollte mich schon übereifrig in die Tasten stürzen, aber dann fiel mir ein, dass ich die nicht leiden konnte, weder die Eilzüge, noch die Christie und daß ich es noch nie fertiggebracht habe, ein Buch von der auszulesen, da mir da jedesmal eindeutig zu viele Buchstaben auf einem Haufen waren. Das war mir immer alles ein vollkommenes Rätsel und die Melone wurde dabei immer weich, wie, naja wie sie eben weich wird, wenn sie mit Agatha Christie konfrontiert wird. Aber das war nicht alles, die schreibt ja nicht bloß wie am Fließband, die ist ja auch schon tot. Wär eine tolle Geschichte geworden, ich hätte sie auferstehen lassen und dann wäre sie, nackt und sechsundsiebzig Jahre alt, durch meinen Kopf gewandert, auf der Suche nach einem Gehirn, aber das ist eine andere Geschichte, die ich jetzt nicht erzählen kann, weil das alles so, wie soll ich sagen, verbogen ist. Außerdem muß ich diese Geschichte schützen. Wegen diesen Copyrightdieben. Darum werde ich schweigen. Wie ein Grab.
Diese Farben! Es, nein, ganz und gar nicht, es ist nicht so dass mir nichts einfallen würde, das Wort Schreibblockade nehme ich überhaupt nicht in den Mund, aber ich hab keine Hemmungen es Ihnen vor die Nase zu tippen. Schreibblockade. Glauben Sie an Hypnose? Nein, dann setzen Sie sich mal hin und tippen mir was! Etwas das mich anmacht. Eine Story, die mich packt, mir den Schädel von den Schultern reißt und die Melone vor lauter Genialität zum Platzen bringt, dass die Kerne nur so herumfliegen. Worauf warten Sie noch? Was? Der Eilzug ist noch nicht da? Dann nehmen Sie doch den Bus. Was denken Sie, hat Norman Mailer getan, als er auf dem verlassenen Bahnsteig stand und ihn dieser Clown mit den vielen Luftballons von der anderen Seite angrinste?
Er nahm den Bus. Nehmen Sie das als Information aus erster Hand, absolut verlässlich und ohne Verfälschung. Ich kenne den Clown. Diese Fritteuse, ja, die von vorhin, wollte ich nochmals erwähnen. Da war, denke ich, ein nicht zu vernachlässigendes Detail, ganz dunkel und im Hintergrund, nämlich eine ganz andere Story, die hatte mit Agatha Christie und dem Clown überhaupt nichts zu tun. Sozusagen ein zusammenhangsloser Brückensprung, aber aus dem Wasser auf die Brücke. Haben Sie schon mal versucht sich so das Leben zu nehmen? Höllisch. Glauben Sie mir. Man strampelt wie ein Irrer zuerst weit unter die Wasseroberfläche, da muß man teuflisch tief Luft holen, weil man echt tief runter, fast bis auf den Grund muß, und dann strampelt man wieder aufwärts, mit aller Kraft, bis man schon blau wird von dem langen Luftanhalten und schießt dann mit vollem Karacho aus dem Wasser, um mit der Birne (oder der Melone, wie nennen Sie ihre Hirndose denn?) gegen den Brückenpfeiler zu knallen. Ich habe es versucht und ich sage nur noch eines dazu: Die Selbstmordrate, sich auf diese Weise ins Jenseits zu befördern, ist gering, und die Dunkelziffer noch viel niedriger. Ich schweife schon wieder ab, es tut mir leid, ich schwatze immer so viel; wenn ich mal ins Reden komme, dann gibt es kein Zurück für mich.
Aber Sie sind ja noch da. Gut, gut, ich will Sie auch belohnen für ihre Geduld und ihre diplomatische Zurückhaltung. Welche wollen Sie denn? Die roten oder die gelben? Drogen? Nein, wo kommen wir denn da hin? Das ist doch illegal, wer glauben Sie, bin ich denn? Glauben Sie, ich schieße unabsichtlich daneben? Diese Melone kann ja ein Blinder nicht verfehlen! Ich bin ein ehrenwerter, gesetzestreuer Bürger und Selbstmord ist verboten. Die Pillen, fragen Sie? Schokoladedrops. Mit knuspriger Spezialhülle. Sehen Sie? Diese Farben! Aber halt!
Spüren Sie diesen Wind? Tun Sie mir einen Gefallen, meine Kniegelenke sind nicht mehr die allerbesten, außerdem ist meine Hose noch neu, knien Sie sich doch hin und horchen für mich. Ja, mit dem Ohr am Boden. Ihre auch? Dieser Fetzen? Na, los. Sind Sie lebensmüde? Doch nicht auf die Schienen! Ach, Sie Verlierer, stehen Sie sofort wieder auf, das ist ja erniedrigend! Pssst. Ich kann ihn schon selbst hören. Ja. Er kommt. Sehen Sie, da hinten. Und wie schnell er ist. Verschwinden Sie aus meinem Zimmer. Raus! In dreiteufels Namen, hauen Sie ab! Ich will ihn ihretwegen nicht schon wieder verpassen! Ich fahre nämlich sicher nicht mit dem Bus. Niemals. Diesmal entkommt mir diese Story nicht. Und wenn ich ihr vor die Räder springe.
[ 02.05.2002, 01:13: Beitrag editiert von: Peter Koller ]