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Glücksgefühle in Damaskus (Syrien)...
Langsam schlendere ich der Strasse entlang, die Luft flimmert in der Mittagssonne. Der Verkehr stockt, doch keine Spur von Hektik oder Stress, freundliche Gesichter, fröhliche Teetrinker in den Hauseingängen. Ich nähere mich dem Souk und trete ein in das Labyrinth von Marktständen, 1001 Düfte, die in der Luft schwirren.
Staunend laufe ich über die gepflasterten Wege, finde mich plötzlich in einer schmalen Gasse wieder, vernehme eine leise Stimme: "Salam alaikum..."
Ich drehe mich um, blicke in dunkle, wache Augen, ein alter Mann, dessen Gesicht von harter Arbeit gezeichnet ist, sehe schmale Finger, die an einem Saiteninstrument zupfen; verträumte Melodien erklingen...
In gebrochenem Englisch fragt er mich, woher ich komme. Ich antworte, dass ich aus der Schweiz sei.
"Ich weiss nicht viel über die Schweiz, nur, dass es ein reiches Land ist und dass die Menschen dort viel arbeiten...", erzählt er und ein kleines Lächeln umspielt seinen Mund und doch blicken mich seine Augen traurig an, ein melancholischer Blick, der mich noch lange beschäftigte...
Der Abend naht... Während die Sonne die Stadt in rotes Licht taucht und ihre Silhouette verzaubert, spaziere ich auf der Strasse, zwänge mich durch enge, geheimnissvolle Gassen, bis ich auf einem grossen Platz stehe... Ich setze mich und plötlich kann ich den Blick des Mannes verstehen: Diese Menschen hier sind arm, müssen täglich bangen, ob sie ihre Familie ernähren können und doch sind sie reich! Denn was mich zutiefst beeindruckt hat, ist ihre fröhliche Lebenseinstellung.
Bei uns schaut jeder zu sich selbst, gute Arbeit - viel Geld verdienen...und das allein sollte glücklich machen??
Doch hier erfreut man sich an den kleinen Dingen des Lebens, man sitzt mit seinen Freunden zusammen, trinkt Tee und vor allem man hat ZEIT!!
Man freut sich, dass man überhaupt Leben darf, es wird als Geschenk gesehen, dass man respektieren muss, dass man jeden Tag aufs Neue denken soll: Es ist nicht selbstverständlich, dass ich lebe!!
Inzwischen hat sich die Sonne hinter den sandfarbenenen Bergen verkrochen und Dunkelheit überzieht die Stadt, doch es ist eine angenehme Dunkelheit, wie ein Schleier ,der mich sanft bedeckt, mir Schutz gibt.
Ich stehe auf und marschiere Richtung Hotel, dort lasse ich mich in das weiche Bett fallen, träume von Wüsten, von ihrer unendlichen Weite und mit dieser Sehnsucht schlafe ich ein....
Am Morgen werde ich vom Gebet des Muezzins geweckt, der tiefe Singsang dringt in mein Ohr und als die ersten Sonnenstrahlen den Weg in mein Zimmer finden, mein Gesicht kitzeln, verspüre ich ein Glücksgefühl!
Gut gelaunt verlasse ich das Hotel und schlage automatisch die Richtung zum Souk ein; es ist wie ein magisches Band das mich dort hin zieht, zu einem Ort, an dem die Zeit still zu stehen scheint...
Wieder treffe ich den alten Mann. Er hört mir aufmerksam zu, als ich ihm von meinen Gedanken erzähle. Als ich fertig bin, sieht er mich einen Augenblick schweigend an, dann nimmt er meine Hand, drückt sie und seine Augen beginnen zu strahlen, als er sagt:" Du hast begriffen, was viele in ihrem ganzen Leben nicht begreifen werden..."
Ich drehe mich um und verlasse den Souk. Schweigend nehme ich Abschied von den Marktständen, von den 1001 Düften, von den verschlungenen Gässen...es ist mein letzter Tag in Damaskus.
Abends im Flugzeug hänge ich meinen Gedanken nach. Diese Leute strahlen eine Wärme und Freundlichkeit aus, die ich an keinem anderen Ort erlebt habe...man wird mit offenen Armen empfangen - einem Besucher wird immer etwas angeboten, auch wenn sie selber fast nichts haben!
Nun verstehe ich auch den Spruch: Everybody has two homelands: His own and Syria!!