Gib´s auf (Der Einkauf)
Wäre es nicht so heiß gewesen, hätte ich den Laden erst gar nicht betreten.
Ich hasste das Einkaufen und war jedes Mal froh, wenn mein Mann mir das abnahm. Aber heute brauchten wir dringend ein paar Flaschen Selters und ich war sowieso in der Stadt.
Im Supermarkt herrschte gähnende Leere. Kein Wunder, bei der Hitze machten die Leute lieber Siesta.
Ich schlenderte in aller Ruhe durch die Gänge. Aus den Lautsprechern erklang dezente Musik als Soundtreck der Kundenwünsche. Die Seltersflaschen lagen schon im Einkaufswagen, aber ich lies mich verführen und sah mir die Auslagen in der Kosmetikabteilung an. Plenitude Body Expertise Nutrilift Lotion und Revitalift Aqua Beauty waren im Sonderangebot. Auf Studio Line FX Wet Gel gab es sogar dreißig Prozent pflegenden Rabatt. Wenn ich nur gewusst hätte, wozu man das braucht. Swiss-o-Par kannte ich von früher als es noch Schampon mit Ei hieß. Brauchte ich alles nicht. Auch das Servietten- Technik-Set und der Domol White Satin-Reiniger im gegenüberliegenden Regal interessierten mich nicht. Obwohl – zum Reiniger gab es eine Domol- CD Putzmunter, wodurch das Putzen zu Melodien wie „Ententanz“, „Hummelflug“ und „Säbelwalzer“ zum reinsten Vergnügen werden sollte. Nein, es war zu heiß zum Putzen. Hatten wir noch Klosteine? Zitrusfrisch in gelb oder waldfrisch in grasgrün wurden angeboten. Ich entschied mich für gelb und schlenderte weiter.
In der Tierabteilung gab es ebenfalls Lockangebote. Beim Kauf von fünfhundert Gramm mini light, oder der Royal Camin Mini Yorkshire mit Dental Care gab es ein Soft- Flightcase, für Hunde jeder Größe, umsonst. Ich packte eine Dose Katzenfutter ein und ging zur Lebensmittelabteilung.
Marmelade wie aus dem Garten gepflückt zum Knüllerpreis, Milchmixgetränke zum Abnehmen mit dem Plus am Genuss. Nein, ich brauchte etwas Frisches und entschied mich für einen Joghurt mit Gesundheitsaspekt und eine Hirschleberpastete.
Hochzufrieden mit meiner Wahl steuerte ich eine der vielen Kassen an und stellte mich in die Reihe. Es ging nur langsam vorwärts. Von zwanzig Kassen waren nur vier besetzt.
Vor mir stand ein junger Mann in kurzen Hosen, mit der in seinem Alter wohl unvermeidlichen Baseballkappe auf dem Kopf, die auch das gescheiteste Gesicht irgendwie dämlich erschienen ließ.
Der junge Mann wandte sich gelangweilt zu mir um. Jetzt fiel sein Blick auf meinen Einkaufswagen. Es schien, als fiele ihm gleich die Kinnlade herab.
„Sagen Sie mal“, sprach er mich nun unvermittelt an, „wie kaufen Sie denn ein?“
Ich weiß, dass ich ein Einkaufsmuffel bin, aber die Frage machte mich sprachlos.
„Wieso?“ fragte ich schließlich zurück.
„Also, das macht doch überhaupt keinen Sinn“, ereiferte sich mein unbekannter Gesprächspartner und schüttelte den Kopf so heftig, dass seine Kappe in den Nacken rutschte.
„Was macht keinen Sinn?“ Ich begriff überhaupt nichts, schon gar nicht den Sinn dieses Gespräches.
„Na, dieser Einkauf.“ Mein Einkauf? Was ging dieser dahergelaufenen Bohnenstange eigentlich mein Einkauf an?
„Schauen Sie mal“, lenkte der junge Mann ein und packte nun eifrig seinen Einkauf auf das Band.
„Spaghetti, Zwiebeln, Hackfleisch Salat, Tomatensoße, Olivenöl, Eiscreme, Schlagsahne.
Das macht Sinn.“
Ich begriff immer noch nicht.
„Nehmen Sie es nicht übel. Ich meine nur, Sie haben überhaupt kein Konzept!“
Als ich immer noch nichts verstand, machte er mich auf einen Einkaufswagen in der Schlange neben uns aufmerksam. Also das mache Sinn, erklärte er mir. Da hätte jemand ein gutes Anfängerprogramm gekauft.
Ich blickte hinüber.
Im Korb lagen sechs Camenbert, Paniermehl, sechs Dosen Bier und ein Päckchen Tabak. Drum für Anfänger.
„Das ist ein Anfängerset für Jugendliche, die sturmfreie Bude haben. Das sieht man doch gleich“, erklärte mir der Einkaufsprofi. „Erst trinkt man ein Bier, dann raucht man einen Joint, dann bekommt man Hunger und paniert den Camenbert und dann wird noch eine Bier getrunken.“
Also das mache Sinn.
„Ja, aber was hat das mit mir zu tun?“ wollte ich wissen.
„Also Katzenfutter und Klosteine, Joghurt, Hirschleberpastete... Katzenfutter und Klosteine“,
murmelte der junge Mann vor sich hin. „Was soll ich daraus schließen?“
„Aha, ergibt keinen Sinn.“ Ich hatte verstanden.
„Sie meinen also, ich müsse mir ein Konzept erstellen, bevor ich einkaufen gehe? Und wie, bitte soll ich das machen?“
„Von mir wollen Sie das wissen?“ fragte der junge Mann. Er schüttelte wieder den Kopf.
„Geben Sie´s auf, geben Sie´s auf.“ Dann wandte er sich lächelnd um und bezahlte seinen Einkauf.