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Gewitter

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05.06.2018
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Gewitter

Hannah sitzt mit der Gitarre auf dem Schoß in ihrem neuen Wohnzimmer, inmitten einer Flut aus Topfpflanzen, die sie alle eigenhändig die Treppen raufgetragen hat. Draußen braut sich elektrisch knisternd ein Gewitter zusammen und fette Regentropfen fallen aus den Wolken. Hannah legt ihre Finger auf die Saiten ihrer Gitarre und spielt etwas, das zu dem Lied der Wolken und der Regentropfen passt. Die Musik des Gewitters klingt tiefblau, wie all ihre Lieblingslieder.

Die Melodien verweben sich und ordnen Hannahs Gedanken, machen alles ruhiger und schöner. Aber sie fühlt sich trotzdem noch wie ein Fremdkörper in ihrem eigenen Wohnzimmer. Es ist nicht so, als wäre ihre Wohnung leer oder unpersönlich: Hannahs bunte Gitarren hängen an den Wänden, ihre Bücher über Musiktheorie und Tontechnik stehen im Regal und ihre geliebten, genau richtig zerrissenen Turnschuhe liegen neben der Wohnungstür. All ihre Sachen sehen aus, als würden sie sich hier zu Hause fühlen. Warum tut sie es bloß nicht?

Vor ein paar Jahren hat sie in einer Zeitschrift einen Artikel über Feng-Shui gelesen. Ist einen Versuch wert, denkt sie. Eine zweistündige Internetrecherche später stellt sie ihre Möbel um, damit die Energie besser im Raum fließen kann. Vielleicht hat sie etwas falsch gemacht, denn so richtig verändert hat sich danach nichts. Sie schiebt die große Bananenpalme auf die rechte Seite des Sofas. Nein. Schiebt sie wieder zurück auf die linke Seite, sieht sich ihr Werk an. War die rechte Seite doch besser?
Es ist drei Uhr nachts, als Hannah die dämliche Palme schließlich einfach mitsamt Topf umkippt. Frustriert setzt sie sich neben die feuchte, ausgekippte Erde und vergräbt das Gesicht in den Händen.

Vielleicht, denkt Hannah am nächsten Morgen, ist ihre Wohnung einfach nicht blau genug. Wenn ihre Wohnung so aussehen würde, wie ihre liebste Musik klingt, vielleicht würde sich das unruhige Ziehen dann endlich zufriedengeben? Also kauft sie Wandfarbe, als sie am nächsten Tag auf dem Rückweg von dem Tonstudio ist, in dem sie arbeitet. Sie hört eine Playlist ihrer liebsten Lieder, während sie die Wände streicht. Es mag an den Farbdämpfen liegen, aber Hannah hat das Gefühl, in der Musik aufzugehen, mit ihr zu verschmelzen, bis sie nicht mehr weiß, wo sie aufhört und die Musik anfängt. Als die Wände trocknen, sieht ihre Wohnung aus wie die schönste Musik. Und Hannah sitzt mit blauen Sprenkeln auf ihrem Pulli missmutig auf der Couch.

Hannah ruft ihre beste Freundin Sam an, und bittet sie um Rat. Sam schlägt vor, dass sie vielleicht einfach einsam in ihrer Wohnung ist. Vielleicht brauchst du eine Katze, sagt sie, oder einen Mitbewohner. Hannah hatte Mitbewohner in der winzigen Wohnung, in der sie während ihrer Ausbildung gewohnt hat, und das hat nicht geholfen. Also macht sie einen Termin im Tierheim. Ein paar Wochen später zieht die kleine Stevie Ray bei ihr ein. Sie ist schwarz-weiß gescheckt, hat eine niedliche rosa Nase, und wenn sie miaut, dann klingt es eigentlich eher, als würde eine Ziege meckern. Stevie Ray und Hannah verstehen sich blendend und manchmal führen sie lange und ausführliche Diskussionen über die Vor- und Nachteile des Sounds eines bestimmten Mikrophons. Stevie Ray hat ausgeprägte Meinungen dafür, dass sie noch so jung ist.

Eine Weile nachdem die kleine Katze sich eingelebt hat, sitzen die beiden zusammen auf dem Bett und Hannah denkt: Ich liebe meine Wohnung und ich liebe mein Leben. Ich liebe meine kleine Katze und ich liebe die zweisame Ruhe, wenn wir zusammen einschlafen. Aber irgendetwas stimmt immer noch nicht.

*

„Ich hoffe du weißt, welchen Freundschaftsbeweis ich dir hier liefere“, sagt Hannahs beste Freundin Sam, als sie durch das Drehkreuz gehen. Es quietscht neonpink, eine schiefe Melodie, die über Hannahs Nerven kratzt. Sams Gesicht ist ganz weich, weil sie noch nicht lange wach ist und sicher verschlafen und noch keinen Kaffee getrunken hat. Deshalb steuert Hannah direkt das Café an. Sie legt eine Hand an Sams Hüfte und leitet sie an einen Tisch, stellt eine gratis Tasse schwarzen Kaffee vor ihr ab und holt sich dann selbst eine. Als sie sich an den Tisch setzt, hat Sam ihre Nase in ihrem Becher vergraben und atmet tief ein. Es dauert ein paar Schlucke, bis sie den Normalbetrieb aufnimmt.

„Ah!“, sagt Sam, „wir sind bei IKEA. Wie ist das nur passiert, wir hatten geschworen nach dem Sofa-Debakel von 2015 nie wieder zusammen hierher zu kommen.“

„Hab dich vor dem ersten Kaffee einfach entführt“, sagt Hannah und grinst in ihre Tasse. Es ist schon so früh am Vormittag schwül warm, der Sommer ist in vollem Gange. Sam trägt ein sonnenblumen-gelbes Kleid mit winzigen grünen Punkten drauf, rote Sandalen und blaue Ohrringe, die sich wie Korkenzieher drehen, wenn sie den Kopf bewegt. Sie sieht immer aus wie eine Farbexplosion. Wie Cocktails und Sommerabende. Unter ihrem Kleid hat sie Shorts an, weil Sam der Meinung ist, dass ihre Beine sich nur wohlfühlen, wenn sie von Stoff getrennt werden. Manchmal, wenn sie sich schnell umdreht, sieht man die Shorts unter ihrem Rock hervorblitzen. Heute haben sie ein „Iron Man“ Muster.

Nachdem die beiden zwei Tassen Kaffee getrunken haben, zwängen sie sich mit all den anderen Einkäufern in die engen Gänge. IKEA klingt nach zu vielen Farben, ganz unharmonisch und durcheinander. Hannahs Hirn versucht trotzdem, die einzelnen Melodien zu hören, einen Sinn in der sinnlosen Kakophonie zu finden. Es dauert nicht lange, bis sie Kopfschmerzen bekommt.

„Okay“, sagt Hannah über den Lärm hinweg, als sie die Sofa-Abteilung erreicht haben. „Wir suchen nach allem, durch das sich meine Wohnung mehr wie ein zu Hause anfühlen wird.“

Sam nickt und tippt sich nachdenklich mit dem Zeigefinger auf die Unterlippe. In der sechsten Klasse haben sie in Erdkunde den Mond behandelt und da gab es diese Bilder, auf denen der Mond in all seinen Phasen abgebildet war. Hannah fand die Illustrationen in ihrem Erdkundebuch wunderschön. Sams Fingernägel erinnern Hannah an diese Bilder, winzige Halbmond-Nägel auf ihren kleinen Fingern, die immer weiter zunehmen, bis zu den Vollmondnägeln auf ihren Daumen. Sams Nägel haben sogar kleine weiße Flecken, wie Mondkrater.

„Okay, ganz ehrlich, dein Sofa ist toll und es wäre bescheuert, ein neues zu kaufen“, sagt Sam. Aber sie lässt sich auf ein weiches, dunkelblaues Sofa fallen und lehnt sich zurück. „Ah“, macht sie und schaut sich weiter in der überfüllten Ausstellungshalle um.

„Vielleicht brauche ich Decken auf der Couch. Wie heißen die nochmal? Diese Decken, die eigentlich gar keine richtige Funktion haben, die einfach nur dazu da sind, dass man sie jeden Tag falten muss?“

Sam zuckt mit den Achseln. „Ja, vielleicht. Oder ein paar mehr bunte Kissen, die du nicht brauchst und die du jeden Tag aufschütteln musst.“

Aber das scheint unpraktisch und ein bisschen bescheuert und nicht wirklich wie etwas, das das dumme Gefühl in Hannah beseitigen wird.

Sam holt ihre Kamera aus dem bunten Rucksack, den sie statt einer Handtasche überall mit hinnimmt. Sie macht ein Foto von etwas auf dem Boden, wovon weiß Hannah nicht so genau. Aber sie sieht nie, was Sam sieht, bis sie ihre entwickelten Fotos zu Gesicht bekommt. Dann denkt sie: Warum ist mir das nicht gleich aufgefallen? Sam hat ganz besondere Augen, die mehr sehen als alle anderen, ganz sicher mehr als Hannahs. Die Schönes und Bedeutendes finden, wo Hannah nur ganz normalen hässlichen Gummiboden sieht.

„Ich glaube, ich will den Film nochmal gucken“, sagt Sam nach einer Weile, die die beiden einfach in zweisamer Stille auf dem Sofa gesessen haben. „Ich habe immer noch nicht so ganz verstanden, warum dieser Weltraum-Alien-Pferde-Handlungsstrang nötig war.“ Natürlich weiß sie, wie die „Weltraum-Alien-Pferde“ heißen. Weil sie nicht nur den letzten Star Wars Film gesehen hat, sondern auch alle anderen Star Wars Filme, Bücher, Comics und Fernsehserien kennt.

„Solange du mich nicht zwingst, nochmal mit zu kommen.“ Hannah fand den Film gut, aber sie ist sich nicht sicher, ob sie ihn noch ein sechstes Mal im Kino sehen will.

„Ach komm, du weißt, dass du nochmal mit rein willst.“ Sam grinst breit. „Wir haben es immer noch nicht geschafft zu zählen, wie viele „Licht und Schatten“ Einstellungen es gegeben hat. Ich sage dir, wir haben noch ein paar verpasst. Zum Beispiel gab es da diese Szene, in der das Wandmuster schwarz ist, aber das Licht fällt …“

Hannah hört mit halbem Ohr zu (die meisten Details hat sie sowieso schon mehr als einmal gehört) und denkt dabei über die Musikproduktion nach, an der sie gerade im Studio arbeitet. Sie hat immer noch nicht den richtigen Gitarren-Sound gefunden. Aber sie kann nicht gut darüber nachdenken, wenn der Lärm um sie herum sich zu einem matschigen Braun mischt, wie wenn man alle Farben im Farbkasten zusammenkippt.

„Und deshalb willst du unbedingt nochmal mitkommen“, sagt Sam nach einer unbestimmten Zeit, in der Hannah nur ein paar Mal, ganz ehrlich, so gar nicht zugehört hat.

Hannah lacht und nickt. „Na gut, überzeugt. Aber ich will Popcorn“, sagt sie. „Und diesmal nehmen wir einen Notizblock mit, damit wir aufschreiben können, was uns auffällt. Dann können wir auch eine Strichliste machen für die wichtigsten Symbole, nach denen wir Ausschau halten.“

„Ja, ich wusste es!“ Sam wirft die Arme um Hannah und zieht sie vom Sofa. Sie springt auf der Stelle auf und ab und grinst Hannah an. Hannahs Magen macht einen Purzelbaum und sie weiß nicht, ob sie sich übergeben will oder lächeln, bis man ihre Zähne sehen kann. Eine Mitarbeiterin sieht sie von ihrem Informationsstand aus entsetzt an. Anscheinend geraten nicht allzu viele Kunden in solche Freudenzustände, nachdem sie ein Sofa ausprobiert haben.

„Dann kann ich dich vielleicht auch endlich davon überzeugen, dass die beiden am Ende Händchen halten und nicht einfach nur nah beieinanderstehen, weil der Höhlenausgang so eng ist“, sagt Hannah, als sie die Sofa-Abteilung verlassen.

Hannah und Sam verbringen den ganzen Tag auf der Suche nach Dingen, von denen sie glauben, dass sie Hannah vielleicht helfen können. Die vielversprechendsten Kandidaten sind blaue Vorhänge, eine Lampe, die aussieht wie ein Origami-Todesstern und ein neues Regal für Hannahs wachsende Schallplattensammlung.

Aber sie kaufen auch viel Sinnloses, das auf unerklärliche Weise einen Weg in den Einkaufswagen findet und dessen ästhetischer Wert im besten Fall fragwürdig ist: Ordnungselemente, die sicher auch nicht helfen werden, der Unordnung in Hannahs Schrank Herr zu werden, Postkarten, die Hannah eigentlich doch nicht gefallen, Tropenduft-Duftkerzen, von denen Hannah schon auf der Rückfahrt Kopfschmerzen bekommt, und Kuscheltiere. Sam ist schuld an den Kuscheltieren. Sie sind in der Küchenabteilung, als Sam auf einmal ein „einsames“ Stofffrettchen auf einem Regal sitzen sieht. Offensichtlich hat ein Kind es dorthin geräumt oder vergessen. Es ist braun und sieht ein bisschen hässlich und ein bisschen gemein aus.

„Siehst du!“, ruft Sam, als Hannah das sagt. „Deshalb ist es so einsam, alle finden es hässlich und beurteilen es nach seinem Aussehen. Dabei will es doch nur geliebt werden.“

Danach ist es unausweichlich, dass das Frettchen im Einkaufswagen landet. Wo es da so sitzt, tut es Hannah leid, dass sie es hässlich und gemein genannt hat. Und natürlich ist es immer noch einsam, also kaufen sie auch noch zwei Freunde für das arme Ding: Eine rosa Ratte und einen grünen Drachen.

*

Als sie alles in Hannahs Wohnung gebracht haben, ist es spät am Nachmittag und sie haben vergessen zu Mittag zu essen. Hannah ist so hungrig, dass sie schon ganz mürrisch ist. Mit einem Blick auf die ganzen Sachen in den blauen Plastiktüten, die sie im Flur abstellen, denkt sie, dass das alles sicher auch nicht helfen wird. Vielleicht muss sie sich damit abfinden, dass sie nun mal nirgendwo je wirklich zu Hause sein wird. Sie versetzt einer der dämlichen blauen Tüten einen Tritt.

„Hey!“ Sam zieht Hannah in die Küche. Sie macht Hannahs Süßigkeiten-Schrank auf und hält ihr eine Hand voll Smarties hin. Hannah kaut sie viel zu aggressiv. Sie isst eine zweite Hand voll, bevor ihr Blutzuckerspiegel sich genug erholt, um die Wut verpuffen zu lassen.

Als Hannah wieder lächelt, grinst Sam. „Ah, das war knapp, einmal mehr bin ich dem Tod durch Kannibalismus nur knapp entkommen“, sagt sie.

Sam schiebt die nicht vorhandenen Ärmel auf ihren Unterarmen nach oben. Sie krempelt immer die Ärmel hoch, wenn sie etwas erledigen will. Sie sagt, dass sie sonst das Gefühl hat, nichts richtig „anpacken“ zu können, was auch immer das genau bedeutet. Auch wenn sie überhaupt keine langen Ärmel trägt, kann Sam die Geste nicht ablegen. Hannah sieht ihr dabei zu und denkt: Wenn ich so schöne Unterarme hätte, dann würde ich meine Ärmel auch immer hochkrempeln.

„Vorschlag:“, sagt Sam, „Ich koche uns was zu Abend und du hältst mich dabei mit Musik bei Laune.“ Ein bisschen ist es, das weiß Hannah, weil Hannah überhaupt nicht kochen kann. Und ein bisschen ist es, weil Sam gern hört, wenn Hannah Gitarre spielt.

Hannahs Wohnung ist offen und hell und voller grüner, lebender Pflanzen. Hier und da leuchtet es blau und es riecht nach frisch geschnittenen Zwiebeln und Zitronensaft, als sie sich auf ihr Sofa setzt. Von hier aus kann sie Hannah beim Kochen zusehen. Sie schlägt ein Bein unter und ruht ihre Gitarre auf ihrem Schoß. Sams Lieblingsmusik ist schlohweiß und nebelgrau. Ganz weich und nachdenklich, wie ihre Fotos. Also spielt Hannah graue und weiße Musik für Sam, während Sam aus den Resten, die sie in der Küche findet, etwas Leckeres kocht. Stevie Ray hat die Inspektion der blauen Ikea Einkaufstaschen abgeschlossen und gesellt sich zu Sam in die Küche. Die beiden unterhalten sich, während Sam Gemüse schneidet. Hannah lehnt sich zurück, sieht den beiden zu und singt und lässt ihre Finger der Melodie folgen.

Früher, als Hannah oft bei Sam übernachtet hat, hat sie für Hannah gesungen, wenn Hannah nicht schlafen konnte. Jetzt ruft Sam sie manchmal mitten in der Nacht an. Dann setzt Hannah sich im Bett auf, zieht die Gitarre auf ihren Schoß und spielt und singt so lange, bis sie Sams ruhigen, regelmäßigen Atem durch das Telefon hören kann.

Hannah und Sam essen zusammen auf dem blauen Teppich vor Hannahs Sofa. Die Sachen, die sie bei IKEA gekauft haben, liegen noch in den blauen Tüten im Flur, gleich nach dem Essen will Hannah sie auspacken. Vielleicht, denkt Hannah, helfen die Sachen ja doch. Die Gemüsenudeln, die Sam gekocht hat, sind fantastisch und Hannah isst, bis ihr Bauch so voll ist, dass sie sich kaum noch bewegen kann. Sam sitzt im Schneidersitz neben ihr, den Teller in einer Hand, die Gabel in der anderen. Sie kleckert Soße auf ihren bloßen Oberschenkel und zuckt zusammen, weil die Soße noch so heiß ist.

„Ich brauche wohl ein Ganzkörperlätzchen“, lacht sie mit vollem Mund. Und Hannah denkt: Ich will die Soße von deinem Oberschenkel lecken. Ich will schmecken, wie dein Haut schmeckt. Sie blinzelt und ihr Herz pocht wie verrückt und alles macht auf einmal mehr Sinn.

Hannah lässt ihren Blick an Sam hochwandern und sie möchte wissen wie es sich anfühlen würde Sams Schlüsselbeine mit ihren Fingern nachzufahren. Sie möchte ihre Hand auf Sams Brustbein legen und fühlen, ob sie Sams Herzschlag über das laute Pochen in ihren Fingerkuppen spüren kann. Sam beißt sich auf die Unterlippe und stellt ihren Teller neben sich auf den Boden. Hannahs Pupillen sind so groß, dass sie das Blau ihrer Augen fast ganz verdecken. Und ihr Gesicht ist rot, so als würde ihr Herz vielleicht auch viel zu schnell klopfen. Vorsichtig streckt Sam ihre Hand aus und legt die Fingerspitzen an Hannahs Wange.

Oh, denkt Hannah, und fühlt sich zum ersten Mal in ihrem Leben zu Hause.

 

Hallo MariaSteffens,

ein schöner, simpler Titel, gefällt mir. Leider wird dieser schöne Ersteindruck schnell getrübt, na ja, zumindest leicht angekratzt:

Wie alle wichtigen Entscheidungen in Hannahs Leben, trifft sie auch diese kurz bevor es gewittert. Als sich tiefhängende Wolken über ihr zusammenziehen und die Luft voll elektrisch knisternden Möglichkeiten ist.

Ich finde den Einstieg in eine Geschichte sehr wichtig, daher wiegen kleine Unstimmigkeiten, die man später gerne mal überliest, hier viel schwerer, wie ich finde.

Zum einen ist das Komma im ersten Satz falsch gesetzt bzw. gehört da meines Erachtens gar keins hin. Vielleicht hinter "diese", bin mir aber nicht sicher. Und der zweite Satz läuft in der jetzigen Form ein bisschen ins Leere, ich frage mich, was denn jetzt eigentlich war, als die tiefhängenden Wolken sich über ihr zusammenzogen. So liest sich das nämlich: A"ls sich tiefhängende Wolken über ihr zusammenziehen, geschah folgendes …". Vielleicht eresetzt du das "Als" durch ein "Wenn"?

Hannah sitzt mit ihrer Gitarre auf dem Schoß auf ihrem Balkon

Hier könntest du zumindest eines der "ihr"s streichen, um die unschöne Wiederholung zu vermeiden – "Hannah sitzt mit ihrer Gitarre auf dem Schoß auf dem Balkon …". Dann wäre da aber immer noch die "auf dem"-Wiederholung, auch da ließe sich die Information mit dem Schoß streichen, die ist nämlich überflüssig, Gitarren befinden sich ja meistens auf Schößen …

All das sind nur formale Kleinigkeiten, aber eben solche, die dich quasi als Schreibanfänger enttarnen, die das Augenmerk schnell mal vom Inhalt ablenken. Deshalb solltest du unbedingt auf solche Kleinigkeiten achten, aufmerksam sein und hinterfragen, was du da schreibst. Aber das regelt sich mit der Zeit sowieso wie von selbst, deshalb reite ich da mal nicht weiter drauf rum, wollte es dich nur wissen lassen. Mal schauen, was du so zu erzählen hast.

Ja, ich kann mich schnell in die Situation einfühlen, sehe Hannah vor mir, wie sie da sitzt, sich nicht ganz wohl fühlt und das Gewitter mit all ihren Sinnen aufnimmt.

Die Musik des Gewitters klingt tiefblau, wie all ihre Lieblingslieder.

Wunderbar! Ich mag tiefblaue Lieder.

Ihre bunten Gitarren, die an Halterungen an den Wänden hängen. Ihr Verstärker mit der riesigen Box, die nicht besonders gut klingt, die sie aber günstig bekommen hat, weil sie in einem Tonstudio arbeitet. Hannahs Bücher über Musiktheorie und Tontechnik sind hier, und ihre geliebten, genau richtig zerrissenen Turnschuhe. Sie hat Fotos von besten Freunden und Urlauben aufgehängt, Poster, die ihr gut gefallen.

Einerseits ist das natürlich irgendwie wichtig, es bringt mir Hannah näher und den Schauplatz der Geschichte, die Wohnung. Andererseits sind das eher mäßig spannende Informationen, die in mir das Gefühl entstehen lassen, der Autor hat sich während dem Schreiben selbst daheim umgesehen und aufgeschrieben, was er so sieht.

Stevie Ray und Hannah verstehen sich blendend und manchmal führen sie lange und ausführliche Diskussionen über die Vor- und Nachteile des Sounds eines bestimmten Mikrophons. Stevie Ray hat ausgeprägte Meinungen dafür, dass sie noch so jung ist. Eine Weile nachdem die kleine Katze sich eingelebt hat, sitzen die beiden zusammen auf dem Bett und Hannah denkt: Ich liebe meine Wohnung und ich liebe mein Leben. Ich liebe kleine Katze und ich liebe die zweisame Ruhe, wenn wir zusammen einschlafen.

Wieder wunderbar!

Hm. Und dann kommt ein Bruch. Bis hierher konnte ich mir vorstellen, dass da etwas Tolles folgt. Einsamkeit in den eigenen vier Wänden, das ist beileibe kein unfassbar originelles Thema, aber ich mochte die sanfte Art und Weise, wie du mir das nahegebracht hast sehr gerne. Und dann – cut! Ein scherzhafter Cut, der mich voll aus der bis hierher aufgebauten Stimmung reißt.

Es gibt nur noch einen Ort, an dem man ihr vielleicht helfen kann. Es führt kein Weg mehr daran vorbei:
Sie muss zu IKEA fahren.

Hm. Das ärgert mich fast, enttäuscht mich … Aber na ja, mal abwarten, vielleicht meckere ich zu früh.

Die Hölle riecht nicht nach Schwefel, sondern nach Fleischbällchen, Pressspan und Gummiböden.

„Ah!“, sagt Sam, „wir sind bei IKEA. Wie ist das nur passiert, wir hatten geschworen nach dem Sofa-Debakel von 2015 nie wieder einen Fuß in diese Untiefen zu setzen.“

Ich bin traurig … Ich mochte den Anfang echt gerne und jetzt wird es klamaukig.

„Hab dich vor dem ersten Kaffee einfach entführt.“, sagt Hannah

Doch noch eine Formsache – den Punkt am Ende der wörtlichen Rede kannst du dir sparen, hattest du weiter vorne auch schon.

IKEA klingt nach zu vielen Farben, ganz unharmonisch und durcheinander. Hannahs Hirn versucht trotzdem, die einzelnen Melodien zu hören, einen Sinn in der sinnlosen Kakophonie zu finden. Es dauert nicht lange, bis sie Kopfschmerzen bekommt.

DAS ist das, was ich lesen will! Das ist einzigartig, das zeigt mir Hannahs Persönlichkeit, dieses Musik- und Farbdenken! Natürlich fällt der das Leben nicht ganz leicht, die denkt ja auch nicht wie ein Wirtschaftsmensch sondern wie ein … Farbenmensch! Ich mag sie. (Ob sie Synästhetikerin ist?)

ein Bisschen bescheuert

ein bisschen

aber das Licht fällt…

Leerzeichen vor "…"

Dann die Aufzählung des halben IKEA-Prospektes, hm, ja, reißt mich ein bisschen aus dem Lesefluss, auch, wenn es ganz nett gemacht ist.

Sams Lieblingsmusik ist schlohweiß und nebelgrau.

Komischer Geschmack.

Und dann das Ende. Hm. Sehr unerwartet. Ich wollte vorher schon sagen, dass ich es mag, wie liebevoll Hannah Sam beobachtet, und als sie dann zusammen in der Wohnung waren fühlte es sich sehr innig an. Wie eine sehr tiefe Freundschaft. Auf Liebe wäre ich da nicht gekommen, aber das liegt wohl auch einfach an den Schranken, die man als Hetero so ganz automatisch im Kopf hat, aber klar, warum nicht, es macht Sinn, sie sind wunderbar zusammen.

Also, ja, ich habe deine Geschichte gerne gelesen, da waren viele schöne feine Besonderheiten, die mir große Freude bereitetet haben. Auch den "Cut" konnte ich dann irgendwann verschmerzen. Mir persönlich war es aber trotzdem etwas zu alltäglich, zu sehr aus dem Leben gegriffen, ich würde liebend gerne sehen, wie du mal etwas richtig Gewaltiges anpackst, etwas weniger bequemes – aber das hat ja Zeit. Dein Denken, dein Verständis von den besonderen Kleinigkeiten, so nenne ich es jetzt mal, ließe das jedenfalls zu.

Liebe Grüße,

Lani

 

Hallo Lani,

erstmal vielen lieben Dank für dein ausführliches Feedback!

Und der zweite Satz läuft in der jetzigen Form ein bisschen ins Leere, ich frage mich, was denn jetzt eigentlich war, als die tiefhängenden Wolken sich über ihr zusammenzogen.

Ich verstehe, was dich am ersten Absatz stört, der zweite Satz ist eigentlich kein eigenständiger Satz, ich versuche das direkt mal zu ändern.

um die unschöne Wiederholung zu vermeiden
Ich verstehe, dass dich die Wiederholungen stören. Ich mag Wiederholungen gern und lese auch gern Geschichten, in denen die Sprache eher minimalistisch gehalten ist und sich Worte deshalb wiederholen. Ich verstehe aber, dass das eine Stilentscheidung ist, die manch anderem ziemlich auf die Nerven gehen kann. Ich werde die Geschichte nochmal auf Wiederholungen durchlesen und versuchen sie zu reduzieren.

Wunderbar! Ich mag tiefblaue Lieder.
Wie interessant! Ich frage mich, ob die wohl genauso klingen, wie die Lieder, die Hannah als tiefblau wahrnimmt?

Andererseits sind das eher mäßig spannende Informationen, die in mir das Gefühl entstehen lassen, der Autor hat sich während dem Schreiben selbst daheim umgesehen und aufgeschrieben, was er so sieht.
Die ganze Geschichte zielt ja darauf ab zu zeigen, dass auch eine junge Frau, die Musikerin ist, eine schreckliche Kindheit hatte, Musik in Farben sieht und Frauen liebt, ganz viele normale, gewöhnliche, alltägliche Gefühle, Gedanken und Eigenschaften hat. Deshalb sieht ihre Wohnung auch so gewöhnlich aus. Das habe ich offensichtlich nicht so rüberbringen können, wie ich gern wollte. Würdest du den Absatz, in dem sie sich in ihrer Wohnung umsieht, ganz rausstreichen, weil er dir zu wenig Informationen gibt?

Ein scherzhafter Cut, der mich voll aus der bis hierher aufgebauten Stimmung reißt.
Danke, das ist sehr hilfreiches Feedback. Das möchte ich damit natürlich auf keinen Fall bewirken. Ich verstehe, dass die Stimmung sich sehr verändert (das tut Hannahs Stimmung ja auch, weil sie mit Sam viel Glücklicher ist). Aber ich verstehe, dass die Stimmung eher etwas poetisches hat zu Beginn, und es dann ja recht alltäglich bei IKEA weitergeht. Ich werde versuchen, das einander anzugleichen, damit es sich nicht mehr wie ein Bruch anfühlt.

Ich bin traurig … Ich mochte den Anfang echt gerne und jetzt wird es klamaukig.
Das wollte ich natürlich nicht bewirken. Danke, das schaue ich mir nochmal an. Auf der einen Seite ist Sam ein viel weniger nachdenklicher Mensch als Hannah, und deshalb passt die Aussage zu ihr, aber ich möchte natürlich nicht, dass dadurch alles in Klamauk verfällt.

DAS ist das, was ich lesen will! Das ist einzigartig, das zeigt mir Hannahs Persönlichkeit, dieses Musik- und Farbdenken! Natürlich fällt der das Leben nicht ganz leicht, die denkt ja auch nicht wie ein Wirtschaftsmensch sondern wie ein … Farbenmensch! Ich mag sie. (Ob sie Synästhetikerin ist?)
Alles klar, danke dir, das hilft mir sehr. Ich werde versuchen, diesen ganzen Teil der Geschichte noch etwas mehr an den ersten anzugleichen, was Hannahs Art angeht die Welt wahrzunehmen.
Ja, sie soll Synästhesie haben. Ich bin Neurowissenschaftlerin und total fasziniert davon, wie anders jeder Mensch die Welt wahrnimmt :)

Dann die Aufzählung des halben IKEA-Prospektes, hm, ja, reißt mich ein bisschen aus dem Lesefluss, auch, wenn es ganz nett gemacht ist.
Das verstehe ich. Die Absicht war wie gesagt, etwas poetisch/schönes im alltäglichen zu finden (Ikea Besuchen und solchen Dingen), aber das hat offensichtlich nicht geklappt. Da muss ich nochmal drüber nachdenken, wie ich das besser machen kann.

"Sams Lieblingsmusik ist schlohweiß und nebelgrau."
Komischer Geschmack.
Die Idee war, dass Hannah Musik mag, die sie an Sam erinnert (bunt, blau wie ihre Augen) und Sam Musik mag, die sie an Hannah erinnert (Hannah ist nachdenklich und oft ein Bisschen traurig und verloren). Ich werde versuchen, das klarer zu machen. An sich würde man ja meinen, dass sie auch auf bunte Musik steht, wenn sie sich schon so bunt anzieht, das verstehe ich.

Und dann das Ende. Hm. Sehr unerwartet. Ich wollte vorher schon sagen, dass ich es mag, wie liebevoll Hannah Sam beobachtet, und als sie dann zusammen in der Wohnung waren fühlte es sich sehr innig an. Wie eine sehr tiefe Freundschaft. Auf Liebe wäre ich da nicht gekommen, aber das liegt wohl auch einfach an den Schranken, die man als Hetero so ganz automatisch im Kopf hat, aber klar, warum nicht, es macht Sinn, sie sind wunderbar zusammen.
Ich finde es total schön, dass du schön während des Lesens vorher ab und an gedacht hast, dass Hannah Sam sehr liebevoll beschreibt. Und es freut mich riesig, dass sie dir zusammen gefallen. Man liest halt mehr Geschichten über heterosexuelle Paare, ich denke deshalb erwartet man das auch immer eher.

Mir persönlich war es aber trotzdem etwas zu alltäglich, zu sehr aus dem Leben gegriffen, ich würde liebend gerne sehen, wie du mal etwas richtig Gewaltiges anpackst, etwas weniger bequemes – aber das hat ja Zeit.
Danke dir, ja, es ist eine ziemlich alltägliche Geschichte. Absichtlich, aber ich verstehe, dass das auch schnell etwas langweilig wirken kann. Ich schreibe alles mögliche gern (vor allem Fantasy und SciFi-Horror). Ich habe das Forum gerade erst entdeckt und finde es hier wundervoll. Also poste ich ganz bestimmt bald auch ein paar meiner weniger alltägliche Geschichten.

dein Verständis von den besonderen Kleinigkeiten, so nenne ich es jetzt mal, ließe das jedenfalls zu
Danke für das Kompliment!

Vielen lieben Dank für dein ausführliches Feedback, das mir sehr geholfen hat! Ich werde die Geschichte mit deinem Feedback im Hinterkopf noch einmal revidieren.

Liebe Grüße,
Maria

 

Hallo, MariaSteffens

Ah, noch eine Maria. Und so ein fleißiges Bienchen. Kurzer Persönlichkeitscheck, nicht dass mich einer geklont hat: Sci-Fi-Bücher und amerikanische Castingshows? Rockmusik und Lady Gaga? Bunte Fingernägel und aufgeschlagene Knie? :D

Danach ist es unausweichlich, dass das Frettchen im Einkaufswagen landet. Wo es da so sitzt, tut es Hannah leid, dass sie es hässlich und gemein genannt hat. Und natürlich ist es immer noch einsam, also kaufen sie auch noch zwei Freunde für das arme Ding: Eine rosa Ratte und einen grünen Drachen.

Wie man an meinem Nick merkt, bin ich ein großer Fan von Kuscheltieren. Meine heißen Rameh (Löwe), Padmé (Wombat) und Charyptorot (Krake), dazu kommen noch Joe (Rentier), Otto (Otter) und Herr Schmidt (Creeper). Wie man daran auch sieht, finde ich „Star Wars“ ganz okay.

Oh, denkt Hannah, und fühlt sich zum ersten Mal in ihrem Leben zu Hause.

Worauf ich aber eigentlich hinauswill, ist, dass mir Deine Geschichte sehr gefallen hat. Den Anfang fand ich nur so mittel, dann habe ich runtergescrollt und dachte: Urgs. Da Du es aber anscheinend wirklich wissen willst, habe ich das heute beim Frühstück nochmal aufgerufen. Und ab hier …

Die Musik des Gewitters klingt tiefblau, wie all ihre Lieblingslieder.

… konnte ich mein Handy, auf dem ich die Geschichte mangels Zeit am heutigen Morgen (zu lange im Wortkrieger-Chat abgehangen gestern Abend), nicht mehr aus der Hand legen. Wirklich begeistert war ich ab der IKEA-Geschichte.

Aber auch entsetzt über einen echten formalen Schnitzer, der sich ab diesem Zeitpunkt durch den gesamten Text zieht (eigentlich sind es zwei Fehler, die Du konsequent umsetzt, aber nur der eine verursacht bei mir eine Gänsehaut).

„Ich hoffe du weißt, welchen Freundschaftsbeweis ich dir hier liefere.“, sagt Hannahs beste Freundin Sam, als sie durch das silberne Drehkreuz gehen.

(Übrigens, Komma vor „du“). So. Wenn Du den Redebegleitsatz nachstellst, dann … Ich muss tief Luft holen, damit meine Stimme nicht kieksig wird. … dann kommt kein Punkt in die wörtliche Rede! Es ist eigentlich ganz einfach. Mit nachgestelltem Redebegleitsatz gibt es genau drei Möglichkeiten, wie die Zeichensetzung an der wörtlichen Rede aussehen kann. Und ich sollte mir dringend irgendwo einen Standardtext aufbewahren, damit ich den einfach immer unter anderer Leute Geschichten packen kann. Ich verstehe nicht, warum das so viele Leute falsch machen.
„Hallo!“, rief er.
„Hallo?“, fragte er.
„Hallo“, sagte er.
<-- Kein Punkt am Ende der wörtlichen Rede. Niemals.
Puh. Entschuldige den kleinen Ausraster. Bitte im gesamten Text korrigieren, hinter die Ohren schreiben und danach die Ohren nie wieder waschen. Ist ja eigentlich ganz einfach.

Konsequent umgesetzter Fehler Nummer zwo: „bisschen“ wird klein geschrieben. Da auch einmal komplett rüberrutschen. Ich nehme an, das resultiert aus einem falschen Verständnis von Nominalisierungen. Ich zeige Dir mal Nominalisierungen:

Die schönes und bedeutendes finden, wo Hannah nur ganz normalen hässlichen Gummiboden sieht.

Schönes und Bedeutendes sind hier Nominalisierungen und werden deshalb groß geschrieben. „bisschen“ wiederum schreibt man klein. Ja, obwohl ein „ein“ davor kommt. Und nein, das Signalwort für Nominalisierungen in diesem Satz ist nicht das „die“, das bezieht sich ja auf die Augen. Es ist die Tatsache, dass es nichts gibt, worauf sich diese Wörter, die Du als Adjektive behandelst, beziehen. Und deshalb können es keine Adjektive sein.

So, warum gefällt mir der Anfang nicht? Es geht mit dem Gewitter los.

Wie alle wichtigen Entscheidungen in Hannahs Leben trifft sie auch diese kurz bevor es gewittert, als tiefhängende sich Wolken über ihr zusammenziehen und die Luft voll elektrisch knisternden Möglichkeiten ist.

Ich glaube Hannah das einfach nicht, und ich glaube es selbst nach dem Lesen der Geschichte nicht. A) ist das ein blödes System, um Entscheidungen zu treffen, denn Gewitter treten meistens Jahreszeitenbedingt sehr gehäuft auf. Und B) was für eine Entscheidung soll das sein? Die Wohnung blau zu streichen? Das kommt erst viel später und hängt auch gar nicht mit dem Gewitter zusammen. Und darauf Bezug nimmst Du auch nie wieder. Mir kommt das irgendwie so vor, als hättest Du Dir irgendeinen bedeutungsschwangeren Titel überlegt und dann gemerkt, dass das mit der Geschichte nichts zu tun hat, es also irgendwie drangepappt. Das Gewitter wirkt für mich drangepappt. Es passt nicht zum Rest.

Denn seit sie zurückdenken kann, hat Hannah ein Problem: Es wohnt ein nagendes Gefühl in ihr, eine Unruhe, als würde sie in eine bestimmte Richtung gezogen. Weg von hier, sagt das Gefühl, und: Du bist hier nicht zu Hause. An manchen Tagen ist das Ziehen nicht so schlimm, dann kann sie es beinahe vergessen. An anderen Tagen ist es so laut und wütend, dass es alles andere überdeckt. Manchmal sagt sie dann: Ich weiß nicht, wohin du mich ziehen willst, du dämliche Ruhelosigkeit.

Dieser Absatz ist, und ich schmeiße Dir jetzt einen schreiberischen „Fachbegriff“ um die Ohren, reines Tell. Du erzählst nur, Du zeigst gar nicht. Gutes Schreiben folgt konsequent dem Grundsatz: Show, don’t tell. Und Du machst das später gut. Hier schreibst Du aber eine Einleitung, einen Überblick, worum es gehen soll. Und das ist immer tellig. Ich bin der Meinung: Hau diesen Absatz einfach raus. Lass das die Leserin selbst rausfinden. In Geschichten kann man ohne großes Anfangspalaver direkt durchstarten. So macht das den Anfang sehr, sehr langsam, sehr, sehr zäh.

Du siehst, das geht in eine ganz andere Richtung als die Kritik von Lani, und ich bin auch komplett anderer Meinung. Auch ich erlebe den Bruch bei IKEA, aber ab da finde ich die Geschichte viel, viel besser. Ich mag die ganzen Spleens, mit denen Du Sam beschreibst, und ich fand schon, dass da ein Knistern in der Luft lag. Das fand ich wahnsinnig liebevoll, detailliert, wunderbar.

Auf die Beschreibung des IKEA-Katalogs würde ich auch verzichten, da stimme ich zu.

Ein paar andere Kleinigkeiten:

Wie alle wichtigen Entscheidungen in Hannahs Leben trifft sie auch diese kurz bevor es gewittert, als tiefhängende sich Wolken über ihr zusammenziehen und die Luft voll elektrisch knisternden Möglichkeiten ist.

Vor „kurz“ kommt ein Komma, das hat Lani richtig beobachtet.

Eine zweistündige Internetrecherche später, stellt sie ihre Möbel um, damit die Energie besser im Raum fließen kann.

Komma weg vor „stellt“.

Hannahs Bücher über Musiktheorie und Tontechnik sind hier, und ihre geliebten, genau richtig zerrissenen Turnschuhe.

Komma weg vor „und“.

Wenn ihre Wohnung so aussehen würde wie ihre liebste Musik klingt, vielleicht würde sich das unruhige Ziehen dann endlich zufriedengeben?

Komma vor „wie“.

Es mag an den Farbdämpfen liegen, aber Hannah hat das Gefühl in der Musik aufzugehen, mit ihr zu verschmelzen, bis sie nicht mehr weiß, wo sie aufhört und die Musik anfängt.

Komma vor „in der Musik“.

Während der nächsten Probe schlägt Alex, der seit ein paar Jahren Schlagzeug in Hannas Band spielt, vor, dass sie vielleicht einfach einsam in ihrer Wohnung ist. Vielleicht brauchst du eine Katze, sagt er, oder einen Mitbewohner. Sam hatte Mitbewohner in der winzigen Wohnung, in der sie während ihrer Ausbildung gewohnt hat, und das hat nicht geholfen.

Hier führst Du Alex und Sam ein. Bei „Sam“ dachte ich ja erst, Du hast den Namen verwechselt und meinst Hannah, weil das so plötzlich kam. Bei Alex würde ich Dir empfehlen: Mach den weg. Deine Geschichte hat verdammt viel Inhalt. Es geht um Liebe, um Freundschaft, um Zuhause, um ein rätselhaftes Kindheitstrauma, um Musik und um Farben. Da könntest Du ohnehin abspecken, aber zusätzlich noch eine Band und einen Charakter einzuführen, nur damit der vorschlagen kann, dass Hannah sich eine Katze kauft – das ist unnötiger Ballast. Würde ich raushauen. Lass Hannah eine Katze kaufen. Oder lass Sam das vorschlagen.

Sie ist schwarz-weiß gescheckt, hat eine niedliche rosa Nase und wenn sie miaut, dann klingt es eigentlich eher als würde eine Ziege meckern.

Komma vor „und“ und vor „als“.

Eine Weile nachdem die kleine Katze sich eingelebt hat, sitzen die beiden zusammen auf dem Bett und Hannah denkt:

Komma vor „nachdem“.

Ich liebe kleine Katze und ich liebe die zweisame Ruhe, wenn wir zusammen einschlafen.

Ich hatte mal eine französische Austauschschülerin, die ihr Kuscheltier „Kleine Katz“ genannt hat. Das ist süß, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Bei Dir ist das einfach falsch. „Ich liebe die kleine Katze“. Ohne Artikel geht’s nicht.

Okay, ganz ehrlich, dein Sofa ist toll und es wäre bescheuert ein neues zu kaufen[]

Komma vor „ein“.

Sam holt ihre Kamera aus dem bunten Rucksack, den sie statt Handtasche überall mit hinnimmt.

Dasselbe wie mit der „Katze“. Artikel! „statt einer Handtasche“.

Ich glaube ich will den Film nochmal gucken[]

Komma vor „ich will“.

Ich habe immer noch nicht so ganz verstanden, warum dieser Weltraum-Alien-Pferde Handlungsstrang nötig war.

Ich würde noch einen Bindestrich zwischen „Pferde“ und „Handlungsstrang“ packen.

So, hier geht mir erstmal die Puste aus, und die Fehlerdichte ist nicht unerträglich hoch – das schaffst Du schon alleine. Ach ja, später verwendest Du ganz viele Klammern. Ist unschön. In literarischen Texten versuchen wir, uns mithilfe von Wörtern, nicht mithilfe von irgendwelchen Zusatzzeichen (außer Kommata natürlich) zu strukturieren. Gedankenstriche sind noch erlaubt, aber nicht übertreiben damit.

Mir gefällt, wie wahnsinnig detailliert Du Sams Spleens ausarbeitest. Deine Prota hat ja auch ein paar, aber ich finde, gegen Sam wirkt sie irgendwann etwas blass. Ich schätze, das ist ein Riesenprojekt, aber vielleicht schaffst Du, das anzugleichen. Ich finde diese Geschichte im Übrigen gar nicht alltäglich. Klar, so etwas ereignet sich ständig, aber was Du wundervoll hinbekommst, ist, einzigartige Charaktere zu zeigen. Und dadurch wird das Alltägliche einzigartig. Das hat mich sehr berührt.

Jetzt muss der Anfang noch Fahrt aufnehmen, der IKEA-Katalog raus, Klammern weg, Zeichensetzung nochmal korrigieren. Und vielleicht, vielleicht überlegst Du Dir, inhaltlich ein bisschen abzuspecken. Z.B. Hannahs Was-auch-immer-Trauma, das Du auch gar nicht richtig unterbekommst, das könnte meiner Meinung nach raus. Du deutest das nur an, das wird nie klar, das macht alles tierisch kompliziert. Kann in meinen Augen ohne Verluste gestrichen werden.

Viel Spaß bei den Wortkriegern. Und make it work!

Einzigartige Grüße,
Die andere Maria
(Okay, nenn mich Teddy.)

 

Hey MariaSteffens,, kurze Rückmeldung noch mal, weil ich erwähnt wurde und du keinen falschen Eindruck bekommen sollst,

Du siehst, das geht in eine ganz andere Richtung als die Kritik von Lani, und ich bin auch komplett anderer Meinung. Auch ich erlebe den Bruch bei IKEA, aber ab da finde ich die Geschichte viel, viel besser. Ich mag die ganzen Spleens, mit denen Du Sam beschreibst, und ich fand schon, dass da ein Knistern in der Luft lag.

Ich habe das genauso wahrgenommen, auch ich finde, dass (bis auf die Aufzählungsszene) ab dem "Cut" die Geschichte richtig zu blühen beginnt, weil man Hannah so schön mit Sam interagieren sieht. Aber: Wenn ich mich anfangs auf eine melancholische Stimmung Stimmung einlasse und die dann, wusch, fortgeblasen wird, ich weiß nicht ... Ja, es hat was, es zeigt, dass Hannah ein anderer Mensch ist, wenn sie mit Sam zusammen ist, nicht mehr tiefblau, sondern ein farbenfroher Buntkopf, aber gleichzeitig fühle ich mich als Leser so wie ... nicht ernst genommen, als hätte ich einen düsteren Kriegsfilm eingelegt, die Straßen sind mit Leichen gepflastert, Mütter weinen um ihre verlorenen Kinder, und zack, plötzlich springt ein Clown durchs Bild und macht sich über all die Toten lustig - ein etwas übertriebener Vergleich, entschuldige.

Seine Berechtigung hat dieser Kniff durchaus, klar, macht was, trotzdem hat es mich persönlich irritiert.

Liebe Grüße,

Lani

 

Hey, Lani

Sorry, das habe ich falsch verstanden. Ich hatte den Eindruck, Dir gefällt der Anfang super und danach war's Dir zu klamaukig. Gut, dass wir drüber sprechen. ;)

So kann ich Dir wirklich zustimmen. Allerdings fand ich den Anfang nicht besonders stimmungsvoll, sondern eher lahm. Wie gesagt, ich fand ihn gut, sobald das tiefblaue Lied kam. Danach würde ich an Deiner Stelle, andere Maria, noch einige Details rausstreichen wie z.B. den Alex und die Band (und auch, was die Wohnungsbeschreibung angeht, stimme ich zu, wobei ich das nur kürzen würde, weil ...

All ihre Sachen sehen aus, als würden sie sich hier zu Hause fühlen. Warum tut sie es bloß nicht?

... das einfach wunderbar ist). Einfach, dass der Anfang ähnlich viel Tempo hat wie die spätere Geschichte. Denn ich fand ihn tatsächlich sehr, sehr zäh.

Mal schauen, was Du daraus machst, liebe MariaSteffens.

Zustimmende Grüße,
die andere Maria

 
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Hallo liebe TeddyMaria,

hah, obwohl wir uns einen Namen teilen und glaube ich ein paar wunderbare Gemeinsamkeiten haben, bin ich anscheinend nicht dein verlorener Klon :). Sci-Fi-Bücher: Ja <3. Amerikanische Castingshows: Nein, danke. Rockmusik: jup, aber lieber Heavy Metal. Bunte Fingernägel: Nope, kurz und stoppelig und naturbelassen. Aufgeschlagene Knie: Ständig :)

Erstmal vielen vielen Dank für dein ausführliches Feedback.

Den Anfang fand ich nur so mittel, dann habe ich runtergescrollt und dachte: Urgs.
Ich verstehe, dass der Anfang ein Bisschen braucht um in Fahrt zu kommen. Ich schreibe normalerweise längere Sachen und habe nich so viel Erfahrung mit Kurzgeschichten. Danke für den Hinweis, ich werde versuchen den Anfang zu straffen (und mit weniger bla bla bla tell-Expo anzufangen).

Puh. Entschuldige den kleinen Ausraster. Bitte im gesamten Text korrigieren, hinter die Ohren schreiben und danach die Ohren nie wieder waschen. Ist ja eigentlich ganz einfach.
Oh wow, das mache ich einfach mal mein ganzes, gar nicht mal so kurzes, bisheriges Leben lang falsch. Danke für die Erklärung, ich mache mich direkt dran, das zu korrigieren und werde mir merken, es nie wieder falsch zu machen :)

Mir kommt das irgendwie so vor, als hättest Du Dir irgendeinen bedeutungsschwangeren Titel überlegt und dann gemerkt, dass das mit der Geschichte nichts zu tun hat, es also irgendwie drangepappt. Das Gewitter wirkt für mich drangepappt. Es passt nicht zum Rest.
Ich verstehe total, was du meinst. Ich habe zwar den Titel erst am Ende gesucht, aber ich verstehe, warum du findest, dass der Anfang nicht so recht zum Rest der Geschichte passt. Ich werde versuchen, das beim Straffen des Anfangs auch gleich noch mit fixen.

Ach ja, später verwendest Du ganz viele Klammern. Ist unschön.
Danke, ich werde versuchen, die Klammern zu umgehen.

Deine Prota hat ja auch ein paar, aber ich finde, gegen Sam wirkt sie irgendwann etwas blass.
Das finde ich auch. Ich glaube ein bisschen (kleingeschrieben) kommt das wohl durch die Perspektive, Hannah findet Sam ja selbst so toll, dass sie sie sehr detailliert und liebevoll beschreibt. Aber ich werde versuchen Hannah auch noch etwas besser darzustellen. Ich weiß genau was du meinst, sie wirkt gegen Sam etwas zu blass.

Ich schätze, das ist ein Riesenprojekt, aber vielleicht schaffst Du, das anzugleichen.
Ich LIEBE große Projekte! :)

Ich finde diese Geschichte im Übrigen gar nicht alltäglich. Klar, so etwas ereignet sich ständig, aber was Du wundervoll hinbekommst, ist, einzigartige Charaktere zu zeigen. Und dadurch wird das Alltägliche einzigartig. Das hat mich sehr berührt.
Vielen lieben Dank für das Kompliment. Genau das wollte ich mit der Geschichte bezwecken und es freut mich sehr, dass es für dich funktioniert hat.

Und vielleicht, vielleicht überlegst Du Dir, inhaltlich ein bisschen abzuspecken.
Das ist etwas, das ich sehr oft höre. Es ist glaube ich eins meiner größten Probleme, dass ich immer recht viel in eine Geschichte packen möchte. Danke für den Hinweis, ich werde versuchen inhaltlich ein Bisschen abzuspecken.

Vielen lieben Dank für dein Ausführliches Feedback und die vielen Verbesserungsideen. Ich mache mich heut Abend gleich an die Revision.

Liebe Grüße,
Maria

PS.: Deine Kuscheltiersammlung klingt fantastisch!

Liebe Lani,

ich weiß, was du meinst. Tatsächlich passen die beiden Teile noch nicht so richtig gut zusammen. Ich denke, dass es sich vielleicht besser lesen wird, wenn der Anfang vom Tempo her an den zweiten Teil angeglichen ist. Ich werde mich heute Abend direkt an die Revision machen und bin gespannt, ob du den Bruch danach als weniger störend empfindest.
Ich verstehe total, dass man sich als Leser nicht in eine Stimmung einfühlen will, nur damit dann etwas völlig anderes kommt, vor allem in einer so kurzen Geschichte.

Vielen lieben Dank nochmal für dein ausführliches und hilfreiches Feedback,
liebe Grüße,
Maria

 

Hallo MariaSteffens,
herzlich Willkommen bei den Wortkriegern.

Eine detailreiche und liebevolle Geschichte hast du da eingestellt.
Ehrlich gesagt hab ich sie zuerst einmal aber aus ganz äußerlichen Gründen angeklickt. Dein Name hatte es mir angetan und auch die Tatsache, dass du nicht einfach nur eine Geschichte einstellst, sondern auch kommentierst.
Aber dann haben mich deine liebevollen Beschreibungen gefangen genommen und deine Geschichte des Mädchens Hannah, das auf der Suche nach einem Zuhause ist. Das ist so hübsch beispielsweise, wenn die Musik Farben hat.
Ich habe das wirklich gerne gelesen.
Zwei, drei Tipps würde ich dir trotzdem gerne mitgeben wollen: Zum einen wiederholst du dich recht oft. Da könnte man auf jeden Fall (hier oder auch erst in einer anderen Geschichte) darauf achten, dass du nicht zu redundant bist. Irgendwann ist es wirklich klar, dass Hannah sich nirgendwo zuhause fühlt, das wirkt dann so als würdest du den Leser für dusslig halten, dabei hat der es schon längst gerafft, was mit ihr ist. Es funktioniert hier auch nicht als Stilmittel, um Aufmerksamkeit zu lenken, sondern halt einfach und ganz schlicht als zu viel.
Dabei auch bisschen mehr auf Füllwörter achten, falls du nicht weißt, wa das ist, im Netz gibt es jede Menge Infos drüber. Es geht nicht darum, sie alle zu streichen, denn sie sind wie alle Wortarten (auch Adjektive) ein Stilmittel. Ist halt immer so, dass man sich das alles bewusst machen muss, um es sinnvoll als Stilmittel einzusetzen oder damit zu spielen. Falls du das alles schon weißt, sorry, nicht ärgern, wenn ich so allgemeine Zeugs schreibe, man stochert manchmal ein bisschen rum, weiß ja nicht, wieviel der andere schon kennt und weiß.
Und das nächste ist der Tonfall deiner Geschichte. Er ist ein wenig kindlich, märchenhaft. Und zwar in beiden Teilen. Es würde mich interessieren. ob du ihn bewusst so gewählt hast. Ich finde, dass es hier in dieser Mädchengeschichte gut passt, gut gewählt ist, aber ich würde aufpassen, dass du nicht den Übergang in zu viel Berührendes und damit dann auch leider eventuell Rührseliges machst. Keine Sorge, ist dir hier nicht passiert, ist nur eine Warnung. Und vielleicht eine völlig unnötige - un deine nächste Geschichte knallt in die Forenmauern mit brutaler spektakulärer Kälte.
Zu den beiden Teilen, die die anderen Kommentatorinnen anmerken, wollte ich noch nachtragen, ich hatte schon heute früh angefangen zu schreiben, aber dann hatte ich keine Zeit mehr, dass mich die Zweiteilung nicht so stört. Ich bin zwar auch fast vom Stuhl gerutscht, weil es so sehr als allgemeine Bemerkung kommt, aber es hat mich weder so gestört wie andere noch ging es mir so, dass ich den ersten Teil als zäh empfand. Ich würde den einfach mal durchsehen und auf Redundanz prüfen, ich glaube, dann kriegst du Zug rein.
Mich stört auch nicht, dass die Geschichte alltäglich ist, nicht nur, dass es leise, alltägliche Geschichten auch geben sollte, ich finde, mit deinem sehr speziellen Blick auf die beiden jungen Frauen hast und machst du was Besonderes, erzeugst einen
gewissen eigenen Soud, der halt nur perfektioniert werden müsste. Also ich mochte das.
Soviel erst mal, ich mach noch bissel Detailkram und dann nochmal ein herzliches Willkommen an dich.

Wie alle wichtigen Entscheidungen in Hannahs Leben, trifft sie auch diese kurz bevor es gewittert.
Anbei: diese, kurz bevor es gewittert. Und eigentlich gehört hinter Leben kein Komma hin, rein grammatikalisch, aber beim Schreiben ist es manchmal so, dass man das Komma noch mehrt als Gliederungsmöglichkeit sehen kann, also würde ich mal als dichterische Freiheit sehen. Nur das Komma nach diese muss sein.
So ansonsten lass ich mal weitere Formalkritik, da hast du schon genügend treffliche Ratschläge gekriegt, nur das, was ich schon von heute morgen stehen habe, lass ich einfach.
Ansonsten wollte ich zu diesem Beginn sagen, dass ich immer lachen mus, wenn ich solche Anfänge lese, nicht, dass der hier schlecht wäre, das ist er nicht, das Gewitter ist schon okay und du setzt es ja auch gut in Szene, spiest damit, wenn du z. B. die Luft knistern lässt. Aber so ganz allgemein: Ich hab mal iwo gelesen, dass die meisten unerfahrenen Autoren ihren Protagonisten entweder aufwachen lassen oder ihn in irgendein Wetter reinsetzen. Als ich das damals las, hab ich natürlich gleich bei meiner ersten Geschichte hier nachgeschaut. Und da wars dann natürlich auch bei mir so. :) Jedenfalls pass auf mit Wetterbeschreibungen zu Beginn eines Textes, sie sollten nicht wie eine Verlegenheitslösunf wirken. Bei deinem Anfang fand ich es ganz schön, dass du gleich ins Geschehen hüpfst - eine Entscheidung. Das ist prima.
Zum Wetter noch: Ich fand ganz schön, dass du ein bisschen mit dem Wetter spielst, es noch ein bisschen beschreibend beibehältst, trotzdem – auch hier wirkt sie ein bisschen wie eine Verlegenheitslösung, wenn du die Gewitterstimmung auch später wieder aufgreifen würdest, sie vielleicht zu einer Macke bei Hannah machst, dann hätte der Beginn Sinn, aber so wirkt das halt nicht ganz rund.
In der statisch aufgeladenen Beinahe-Gewitterluft beschließt sie, dass sie diese Wohnung in einen Ort verwandeln will, an dem sie sich endlich richtig zu Hause fühlt.
Mal ab davon, dass das nun keine "Beinahe-Gewitterluft" mehr ist, würde ich hier "wird" statt will verwenden, um den Entschluss noch deutlicher zu machen. Und das "richtig" streichen. Manchmal relativieren Füllwörter eine Aussage. Und das scheint mir hier der Fall. Das "endlich" reicht ja schon.
Verstärken und deutlicher machen würde ich, weil die neue Wohnung in ein Zuhause verwandeln, das ist ja schließlich nichts Besonderes, ein allgemein bekanntes Gefühl, aber Hannah hier hat ja ein spezielles Problem.
Nebenbei noch, alles, was ich schreibe, sind selbstverständlich nur Vorschläge, Anregungen. Übernehmen muss man gar nichts, nur vielleicht mal nachdenken drüber.

Denn seit sie zurückdenken kann, hat Hannah ein Problem: Es wohnt ein nagendes Gefühl in ihr, eine Unruhe, als würde sie in eine bestimmte Richtung gezogen.
Warum so umständlich: Statt es wohnt - In ihr wohnt ...

Manchmal sagt sie dann: Ich weiß nicht, wohin du mich ziehen willst, du dämliche Ruhelosigkeit.
Naja, dafür, dass das Gefühl ihr so zusetzt, dass sie an nichts anderes denken kann, reagiert (spricht) sie da aber sehr brav. Sie könnt ihre Wohnung ja auch mal vor lauter Zorn ein bisschen verwüsten oder wenigstens mal einen der Blumentöpfe an die Wand dotzen.
Ich würd jedemfalls mal gucken, dass ich das alles verdichte und kürze und dass ich das szenischer erzähle, lass sie durchs Zimmer wandern, die Sachen umstellen, wie du sie das ja auch später machen lässt, aber da ist es dann ja schon Konsequenz ihres Versuchs, sich heimisch zu fühlen. Mir geht es darum, dass man ihr inneres Getriebensein ja auch zeigen kann, man muss es nicht einfach so (und dann auch noch immer wieder) hinschreiben. Am hin und her laufen, kann mans zeigen, daran, dass sie einen Topf hoch nimmt, ihn wieder abstellt, und irgendwann wieder genau an dieselbe Stelle zurück rückt. Und dann erst erfährt der Leser quasi durch ihre Verhaltensweisen, dass sie dauernd nach einem Zuhause sucht.
Die Pflanzen sind wichtig, weil es an dem anderen Ort, dem Ort an dem sie aufgewachsen ist, keine Pflanzen gab.
Find ich ganz schön, dass du hier mit ihrer Vergangenheit spielst, nur Andeutungen machst, ohne dich jetzt in ein neues Thema zu stürzen. Man ahnt ihre Erfahrungen, ihre Kindheit, es könnte ruhig auch ein bisschen mehr sein oder genauer, das ist mir wurscht, aber wie gesagt, nicht als neues Thema. Das hast du finde ich ganz schön gemacht, dass du dich da auf dein Hauptthema und deine Hauptlinie beziehst.
Hannah lässt die Balkontüren offen und setzt sich im Schneidersitz auf den duftenden Holzboden, den sie geschliffen und gepflegt hat, als sie eingezogen ist. Sie hatte die Hoffnung, dass ein schöner Boden und frisch gestrichene Wände die Wohnung in ein richtiges zu Hause verwandeln würden. Das haben sie aber nicht.
Ich habs nur markiert, weil, ich weiß nu doch wirklich schon …

Während sie spielt, sieht Hannah sich in ihrer Wohnung um. Okay, denkt sie, wie mache ich diesen Ort zu meinem zu Hause? Vor ein paar Jahren hat sie in einer Zeitschrift im Wartezimmer ihrer Frauenärztin einen Artikel über Feng-Shui gelesen. Ist einen Versuch wert, denkt sie. Eine zweistündige Internetrecherche später, (KEIN KOMMA) stellt sie ihre Möbel um, damit die Energie besser im Raum fließen kann. Aber als sie fertig ist und mit einer Limo in der Hand mitten in ihrem Wohnzimmer sitzt, da ist das Ziehen immer noch da und sie fühlt sich immer noch nicht zu Hause.
Auch hier, ich hab nur das Ärgste angestichen, aber es ist sehr wiederholend.
Es ist nicht so, als wäre ihre Wohnung einfach nur zu leer oder unpersönlich. Nein, all ihre Lieblingssachen sind hier: Ihre bunten Gitarren, die an Halterungen an den Wänden hängen. Ihr Verstärker mit der riesigen Box, die nicht besonders gut klingt, die sie aber günstig bekommen hat, weil sie in einem Tonstudio arbeitet. Hannahs Bücher über Musiktheorie und Tontechnik sind hier, und ihre geliebten, genau richtig zerrissenen Turnschuhe. Sie hat Fotos von besten Freunden und Urlauben aufgehängt, Poster, die ihr gut gefallen. All ihre Sachen sehen aus, als würden sie sich hier zu Hause fühlen. Warum tut sie es bloß nicht?
Scxhwarz = Kürzungsmöglichkeiten.
Eigentlich finde ich die Idee ganz schön, dass ihre Einrichtung sich zuhause fühlt, sie aber nicht. Das würde ich aber dann ein bisschen mehr zuspitzen in dem letzten Satz. Oder du lässt ihn ganz weg. Weiß selbst nicht genau, wie ich mich sntscheiden würde, aber du kannst ja mal ausprobieren und ein bisschen spielen.

So – und hier mache ich mal Schluss. Ich wünsch dir was.
Novak

 

Hallo Novak!

Erst mal vielen lieben Dank für das ausführliche und super hilfreiche Feedback. Ich freue mich riesig, dass ich die Wortkrieger gefunden habe, ich bin ganz baff von den vielen hilfreichen Anmerkungen, die ich in so kurzer Zeit bekommen habe.

Danke für das Kompliment, es freut mich sehr, dass du die Geschichte gern gelesen hast, und dass du das alltägliche, leise daran für dich funktioniert hat.

Irgendwann ist es wirklich klar, dass Hannah sich nirgendwo zuhause fühlt, das wirkt dann so als würdest du den Leser für dusslig halten, dabei hat der es schon längst gerafft, was mit ihr ist.
Verstehe ich. Das werde ich auf jeden Fall in der Revision zusammenkürzen und die Redundanz reduzieren. Man will sich als Leser ja nicht fühlen, als hielte einen der Autor für blöd.

Am hin und her laufen, kann mans zeigen, daran, dass sie einen Topf hoch nimmt, ihn wieder abstellt, und irgendwann wieder genau an dieselbe Stelle zurück rückt. Und dann erst erfährt der Leser quasi durch ihre Verhaltensweisen, dass sie dauernd nach einem Zuhause sucht.
Das finde ich eine sehr gute Idee, danke dir dafür.

Dabei auch bisschen mehr auf Füllwörter achten
Danke auch für diese Idee. Ich werde die Geschichte darauf nochmal genauer lesen. Ich versuche immer schon darauf zu achten und die Füllwörter, die ich benutze, achtsam einzusetzen, aber ich achte hier bei der Revision noch einmal besonders darauf.

Er ist ein wenig kindlich, märchenhaft. Und zwar in beiden Teilen. Es würde mich interessieren. ob du ihn bewusst so gewählt hast. Ich finde, dass es hier in dieser Mädchengeschichte gut passt, gut gewählt ist, aber ich würde aufpassen, dass du nicht den Übergang in zu viel Berührendes und damit dann auch leider eventuell Rührseliges machst.
Ja, das war Absicht, und es ist auch ein Stil, der mir generell gut gefällt. Ich weiß genau, was du meinst. Dieser Stil kann schnell "kippen". Danke für die Warnung davor. Ich glaube es tut mir sehr gut, mir das immer mal wieder bewusst zu machen.

dass ich den ersten Teil als zäh empfand. Ich würde den einfach mal durchsehen und auf Redundanz prüfen, ich glaube, dann kriegst du Zug rein
Danke dir, ja, das werde ich machen. Ich denke auch, dass es dem ersten Teil gut tun wird, wenn ich ihn noch etwas straffe und weniger redundant mache.

Ansonsten wollte ich zu diesem Beginn sagen, dass ich immer lachen mus, wenn ich solche Anfänge lese,
Ahaha, ja das stimmt wohl! Ich vermeide es wie die Pest, meine Geschichten damit zu beginnen, dass der Protagonist aufwacht, weil das so ein Klischee ist. Über das Wetter habe ich so noch nie nachgedacht, aber jetzt wo ich es tue, ist das wirklich so ein weiterer typischer Anfang. Danke, dass du mich darauf gebracht hast! Werde ich bei meiner Revision auch drauf achten (und in jeder nachfolgenden Geschichte jetzt auch, haha).

Naja, dafür, dass das Gefühl ihr so zusetzt, dass sie an nichts anderes denken kann, reagiert (spricht) sie da aber sehr brav.
Das ist mir beim Schreiben und Korrigieren nicht aufgefallen, aber ja, total. Hannah ist zwar eine ruhige und nachdenkliche Person, aber wenn es sie wirklich so stört, dann sind ihre Lösungsideen und ihre Reaktionen tatsächlich sehr milde. Ich werde das im Kopf behalten, wenn ich die Geschichte überarbeite.

Man ahnt ihre Erfahrungen, ihre Kindheit, es könnte ruhig auch ein bisschen mehr sein oder genauer, das ist mir wurscht, aber wie gesagt, nicht als neues Thema.
Danke, ja, ich denke auch, dass man das nicht noch als großes Thema behandeln kann in einer so kurzen Geschichte. Ich überlege, ob ich die Blicke in die Vergangenheit ganz rausnehmen soll, um alles noch ein Bisschen zu straffen. Ich denke das probiere ich einfach mal aus und schaue, ob es mir dann sehr fehlt.

Noch einmal viele lieben Dank für all die tollen Ratschläge und Ideen!

Liebe Grüße,
Maria

 

Hey MariaSteffens

Mir gefällt die Idee deiner Geschichte sehr gut. Farben und Musik spielen darin eine wichtige Rolle und ich finde es schön, wie du auch die Protagonisten mit Farben charakterisierst. Das gelingt dir wirklich sehr gut. Ich habe nicht alle vorherigen Kommentare durchgelesen, somit auf die Gefahr hin, dass ich etwas wiederhole: Wenn ich die Geschichte lese, empfinde ich sie als dreigeteilt. Der erste Teil hat für mich eine andere, melancholischere Stimmung als der zweite Teil in der IKEA, der mir eher "unterhaltsam-komisch" scheint, und dann wiederum ist die Stimmung im dritten Teil, als die Protagonisten zu Hause sind, melancholisch, fast traurig. Nach meinem Empfinden gibt es deshalb durch den IKEA-Teil einen Unterbruch, der mir persönlich nicht so gut gefällt und mir auch zu lang erscheint. Er zerstört die wunderbare Stimmung, die du vorher aufbaust.

Einige Fragen bleiben unbeantwortet: Sam ist die beste Freundin von Hannah, ich nehme somit an, dass sie sich bereits seit einiger Zeit kennen. Woher kommen diese Gefühle von Hannah, die sie plötzlich gegenüber Sam spürt? Weshalb gerade jetzt, als sie zusammen auf dem Fussboden sitzen und essen? Mir fehlt da etwas der konkrete Auslöser oder die Vorgeschichte.

Finde den ersten und dritten Teil der Geschichte sehr gelungen. Ich glaube zu erkennen, dass du selbst auch ein Farben-Musik-Mensch bist und sich dieses Empfinden in Hannah widerspiegelt:) Dies als Mutmassung zum Schluss.

Herzliche Grüsse, nevermind

 
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Hallo Manlio,

vielen lieben Dank für dein ausführliches Feedback!
Ich finde sehr interessant, dass du den Erzähler/die Erzählperspektive als so dominant empfunden hast. Ich werde mir die Geschichte noch einmal im Hinblick darauf durchlesen.

Ich wollte für diese Geschichte einen Erzählstil ausprobieren, in dem viel wiederholt wird, ein bisschen so wie sich in vielen Musikstücken ja Elemente immer wiederholen. Ich bin mir nich ganz sicher, ob ich es besonders mag oder nicht, aber es war ein cooles Experiment.

Vielen lieben Dank für's Lesen und deine hilfreichen Anmerkungen.
Liebe Grüße,
Maria

Hallo nevermind,

auch dir vielen Dank für dein Feedback. Bisher scheiden sich die Geister ein wenig, was die drei Teile der Geschichte angeht und welcher wem besser gefällt. Es war Absicht, dass die Teile unterschiedlich sind. In ihrer Wohnung empfindet Hannah dieses "nicht zu Hause fühlen" als störend und deshalb ist hier alles trauriger, melancholischer. Ich verstehe, dass sich daraus ein Bruch in der Geschichte ergibt, der mir selbst gut gefällt (verstehe aber auch, dass er störend wirken könnte).

Ich bin absichtlich nicht weiter auf die Beziehung zwischen den beiden eingegangen, das wollte ich offen lassen. Ich glaube, dass man lange mit jemandem befreundet sein kann und erst irgendwann merkt, dass derjenige mehr ist als ein guter Freund. So stelle ich es mir bei Hannah vor. Erst als sie so verzweifelt nach einer Lösung für ihr "nicht zu Hause fühlen" Problem sucht, wird ihr am Ende klar, dass Sam das ist, was sie sucht. Und erst da versteht sie die Gefühle, die sie für ihre beste Freundin hat. Ich verstehe total, dass das recht offen gelassen ist, beziehungsweise nicht besonders deutlich gesagt wird, und dass das etwas verwirrend wirken könnte.

Selbst bin ich gar nicht so ein Farben-Musik Mensch, ich bin auch überhaupt nicht so sehr ein Musik-Mensch. Ich bin Neurowissenschaftlerin und fasziniert von Synästhesie, eine Studie dazu hat diese Geschichte inspiriert. Ich wollte gern noch mehr darüber rausfinden, wie sich das anfühlt und wie es die eigene Wahrnehmung der Welt beeinflussen würde. Es freut mich sehr, dass Hannahs Art Musik und die Welt wahrzunehmen so schön gewirkt hat.

Vielen lieben Dank für dein Feedback, das mir sehr geholfen hat und liebe Grüße,
Maria

 

Hallo MariaSteffens,
ich mag die Grundidee der Geschichte, auch wenn sie sich ein wenig zieht. Musikfarben und eine unerfüllte Liebe, der Wunsch nach Zärtlichkeit und Nähe, die Heimat ermöglichen. Der Text fließt dahin, blendet mich mit einer Menge Informationen, die ich gar nicht bräuchte, ohne dass ich Antworten auf die Kernfragen bekomme, würde gern spüren können, wie sich weiße Musik anfühlt und blaue und gelbe und bunte und… allein der Effekt reicht nicht aus. An einigen Stellen wucherst du mit Adjektiven und so manche Nebenhandlung könntest du einfach streichen. Ich glaube aber in jedem Fall, dass es sich lohnt, weiter an dem Text zu arbeiten, ihn zu reduzieren und zu einem Konzentrat deiner Kernbotschaft umzugestalten. Darauf freue ich mich.
Paar Textstellen:

Die Musik des Gewitters klingt tiefblau, wie all ihre Lieblingslieder.
an der Stelle müssen entweder ein paar Liedassoziationen kommen oder eine Beschreibung der blauen Musik, jedenfalls für mich, um meine Fantasie anzuregen

Es ist drei Uhr nachts, als Hannah die dämliche Palme schließlich einfach mitsamt Topf umkippt. Frustriert setzt sie sich neben die feuchte, ausgekippte Erde und vergräbt das Gesicht in den Händen.
hier hast du in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen “kippen” drin, das würde ich ändern.

Als die Wände trocknen, sieht ihre Wohnung aus wie die schönste Musik. Und Hannah sitzt mit blauen Sprenkeln auf ihrem Pulli missmutig auf der Couch.
eine Menge Adjektive und Wörter wie „schönste“ würde ich unbedingt vermeiden: mach einen Vergleich, benenne die Schönheit, lass es vor dem inneren Auge des Lesers entstehen

Es quietscht neonpink, eine schiefe Melodie, die über Hannahs Nerven kratzt.
hier kann ich mir vorstellen, was du meinst, die Stelle ist viel besser.

Sam trägt ein sonnenblumen-gelbes Kleid mit winzigen grünen Punkten drauf, rote Sandalen und blaue Ohrringe, die sich wie Korkenzieher drehen, wenn sie den Kopf bewegt.
für was brauchst du den Farbenrausch?

Vorsichtig streckt Sam ihre Hand aus und legt die Fingerspitzen an Hannahs Wange.

Oh, denkt Hannah, und fühlt sich zum ersten Mal in ihrem Leben zu Hause.

eigentlich gut, der Schluss, allerdings könnte der letzte Satz kürzer und damit wirksamer daherkommen.

Liebe Ich-geh-jetzt-mal-die-Playlist-durch-und-such-nach-pastellblauer-Musik-After-Storm-Grüße
Isegrims

 

Die Musik des Gewitters klingt tiefblau, wie all ihre Lieblingslieder.

"Gewitter", ahd. "giwitri", mhd. "gewiter(e) meinte als Kollektivbildung zum "Wetter" ursprünglich die Witterung schlechthin und nicht nur das Donner- und neuerdings Unwetter, vor denen meine Mutter zeitlebens am liebsten in den Keller flüchtete, weil sie an die Bombennächte überm Ruhrgebiet erinnert wurde. Kein Wunder, dass das Wort auch in soziale Wetterlagen Einzug fand in Auseinandersetzungen wie heftigen Meinungsverschiedenheiten, Zank und Streit, Krach und Zoff - alles kein sonderlich harmonisches Geschehen zwischen den Parteien,

liebe MariaSteffens -
und damit zuerst einmal herzlich willkommen hierorts!,

und es scheint sich auf das Gewitter der elektrifizierten Gitarre zu reduzieren (keine bange, ist keine negative Aussage von einem, der Hendrix'sche Stahgewitter überstanden hat und schon lange vor Pete Townshend und Neil Young halbtaub war und inzwischen sogar "A Day in the Life" live gehört und überlebt hat).

Nun, die treffendste Zusammenfassung Deiner Geschichte hab ich beim ollen Goethe gefunden, und zwar in einem Satz, wenn er schreibt "... ehe mein heim aufkam: denn am ende wers nicht hat, sucht ein zuhause und ein liebchen Göthe ..." (nach dem Grimmschen Wörterbuch, Bd. 32, Sp. 452; das Original hab ich trotz Einsatzes von MetaGer noch nicht gefunden, was nicht heißen soll, dass ich den Gründern der Germanistik nicht traue).

Triviales,

ich weiß ja, dass die Possessivpronomen schon besprochen sind, aber eines will ich dann doch noch aufgreifen, nämlich hier

Hannah legt ihre Finger auf die Saiten ihrer Gitarre und ...
was die Frage provoziert, wessen Finger könnte Hannah noch auf die Saiten gelegt haben?

Hier nun

Vielleicht, denkt Hannah am nächsten Morgen, ist ihre Wohnung einfach nicht blau genug. Wenn ihre Wohnung so aussehen würde, wie ihre liebste Musik klingt, vielleicht würde sich das unruhige Ziehen dann endlich zufriedengeben?
solltestu den Konjunktiv durchgängig verwenden, selbst wenn das "vielleicht" den Indikativ schon relativiert. Aber es ist eben keine wörtl. Rede, die Du referierst, und ob man sich im Denkprozess an die Grammatik hält, wäre eine interessante Frage. Selbst ich sprech da Pidgin.

Sie macht ein Foto von etwas auf dem Boden, wovon[, / alternativ ein "-"] weiß Hannah nicht so genau.
... und sie haben vergessen[,] zu Mittag zu essen.

Sie schlägt ein Bein unter und ...
Muss man dazu nicht erst das andere Bein heben - dass es eigentlich umgekehrt aussieht, als "schlüge ein Bein über"?

Auch mal 'ne kleine Flüchtigkeit

Ich will schmecken, wie dein[e] Haut schmeckt.

... und sie möchte wissen[,] wie es sich anfühlen würde[,] Sams Schlüsselbeine mit ihren Fingern nachzufahren.

Gern gelesen vom

Friedel,
der gleich die Chance ausnutzt, wo er doch gerade mal hier ist, auch mit Isegrims zu plaudern, denn Rimbaud hat in "Voyelles" ("Vokale") den Selbstlauten Farben zugeordnet. Dem "O" die Farbe blau, die er dann in den letzten Versen mit den Posaunen von Jericho (sehr grobe Übersetzung von mir - allein schon der drastik halber) gleichsetzt ...

 

Hallo @ Isegrims,

vielen lieben Dank für dein ausführliches Feedback! Vor allem die Rückmeldung, dass die Kernbotschaft verwaschen wird durch zu viel Nebenhandlung und Beschreibung ist sehr hilfreich für mich. Da werde ich weiter dran arbeiten.

an der Stelle müssen entweder ein paar Liedassoziationen kommen oder eine Beschreibung der blauen Musik, jedenfalls für mich, um meine Fantasie anzuregen

Verstehe, was du meinst. Ich denke, dass Synasthäsie für jeden Menschen anders aussieht, entsprechend also was die Protagonistin hier als "blaue Musik" wahrnimmt nicht für jeden blau klingen würde, deshalb habe ich mich etwas gescheut, das näher zu beschreiben. Aber ich verstehe, dass das dazu führen kann, dass man sich aus dem Kopf der Protagonistin ausgeschlossen fühlt und sich nicht wirklich vorstellen kann, was "blaue Musik" denn nun für sie ist.

von MariaSteffens Es quietscht neonpink, eine schiefe Melodie, die über Hannahs Nerven kratzt.
hier kann ich mir vorstellen, was du meinst, die Stelle ist viel besser.

Hier werde versuchen das eher so zu machen wie an dieser Stelle, wo die Musik nicht nur durch die Farbe, sondern noch anders beschrieben wird. So wird klarer, wie die Protagonistin bestimmte Farben in der Musik empfindet. Danke dir dafür!

Ich fände es sehr spannend, welche Musik für dich am ehesten pastellblau klingt?
Viele liebe Grüße,
Maria


Hey Friedrichard,

auch dir vielen lieben Dank für das ausführliche und hilfreiche Feedback!

und es scheint sich auf das Gewitter der elektrifizierten Gitarre zu reduzieren
Ja, genau! Die Protagonistin erlebt die Welt sehr auditiv, Musik spielt bei allem eine große Rolle.

(keine bange, ist keine negative Aussage von einem, der Hendrix'sche Stahgewitter überstanden hat und schon lange vor Pete Townshend und Neil Young halbtaub war und inzwischen sogar "A Day in the Life" live gehört und überlebt hat).
Das klingt so großartig!!

Aber es ist eben keine wörtl. Rede, die Du referierst, und ob man sich im Denkprozess an die Grammatik hält, wäre eine interessante Frage. Selbst ich sprech da Pidgin.
Hm, eine gute Frage. Die Kognitionspsychologin in mir sagt, dass sich die Gedanken weniger an die Grammatik halten als unsere Sprache. Und schon unsere Sprache hält sich ja, wenn sie nicht gerade niedergeschrieben wird, oft nicht an die Grammatik. Aber ich finde in einer Geschichte liest es sich schöner, wenn man die Regeln einhält, deshalb werde ich das, denke ich, korrigieren!

Vielen dank für dein super hilfreiches Feedback!
Liebe Grüße,
Maria

 

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