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Gewitter
Ich sitze am Tisch und Frühstücke, draußen ist der Himmel blau, es ist ein klarer Tag und viel zu warm für Ende Januar. Das Fenster ist weit geöffnet, die frische Luft soll nicht ungeatmet vor der Scheibe stehen bleiben und um Einlaß betteln, wäre viel zu schade drum. Meine Gedanken schweifen weit vom Frühstücksteller ab, wie ich da sitze, die Nase in milde Frühlingsluft getaucht und das mitten im Winter. Gerade als ich Bilder von hohen Wellenbergen mit weißen Gischtspitzen vor mir sehe, die sich krachend an vom Salzwasser blank gespülten Felsen brechen, schiebt sich meine reale Wahrnehmung wieder brutal in den Vordergrund. Das Tageslicht beginnt sich zu verändern, die Klarheit des Tages verschwindet und der Hinterhof auf den ich blicke wird in ein surreales Orange getaucht, das an Aprikosen erinnert die zerschmettert eine verschmierte Häuserwand hinunter laufen um in einer öligen Pfütze unterzugehen. Die Sonne scheint zu merken, daß es noch gar nicht ihre Jahreszeit ist und verschwindet schamvoll hinter einer Wolkendecke, die grau und düster am Horizont hinauf zieht. Plötzlich zuckt ein eisblauer Blitz quer über den Himmel, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall. Ein Gewitter bricht über die Stadt hinein. Das Wetter spielt verrückt, hält sich an keine Regel, scheißt auf die Jahreszeiten, macht die Menschen krank. Sie liegen in ihren Betten, schwitzen im Fieber die neuen Laken naß und scheißen sich den Frust von der Seele. Sie können nichts essen, können nichts trinken, können nichts an sich halten, wissen nicht ob sie zuerst scheißen oder kotzen sollen und unterhalten sich im Supermarkt über Verfallsdaten von Süßigkeiten. Ich gehe zum Fenster und drücke es zu. Es hat ins Zimmer geregnet.