Mitglied
- Beitritt
- 03.07.2021
- Beiträge
- 31
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 14
Getroffen
Plötzlich hat er freie Fahrt. Er zögert, sieht mich immer noch an. Ob ich ihm folgen soll? Ich muss. Ich darf nicht. Ich bin glücklich verheiratet. Er ist verschwunden. Vielleicht taucht er ja noch mal auf. Da vorne, ein Schild: ‹Raststätte, 2 km›. Gute Idee. Ein heißer Kaffee sollte helfen, wieder zu Verstand zu kommen.
Den Wagen kenne ich. Kürzlich hätte ich ihn fast geschrottet. Mein kleines Auto parke ich direkt neben seinem.
An der Kaffeebar bestellt der Unbekannte einen Espresso. Seine Stimme macht mich verrückt, beruhigend und doch aufregend. Eine Symphonie in meinen Ohren trotz der wenigen Worte. Diese Figur! Ich werde wahnsinnig. Das geht so nicht weiter. Ich muss etwas tun. Sofort!
Der Waschraum ist meine Rettung. Blankes Entsetzen; die Frau im Spiegel hat nichts mit mir gemein. Sie ist eine Betrügerin, bereit, alles aufs Spiel zu setzen: das Haus mit Garten, den Ehemann am Grill, ein zufriedenes Leben? Kaltes Wasser. Mein Kopf muss wieder klar werden. Kurz warten, dann aus dem Waschraum raus, nichts und niemanden beachten. Mist. Er ist genau in meinem Blickfeld. Soll ich dem Verlangen doch einfach nachgeben? Nur ein einziges Mal?
Unendliche Weiten trennen uns, aber mein Ziel steht fest: Mit ihm ins endlose All entschwinden. Die gefährliche Mission beginnt. Ich stolpere auf ihn zu, drohe zu stürzen, peinlicher Fehlstart. Eine sportliche Drehung, ein gewagter Hechtsprung, gefangen.
«Alles in Ordnung?» Seine Umsicht ist unfassbar. Er hält mich ganz fest. Am liebsten würde ich für immer in seinen Armen bleiben. «Ich, Entschuldigung. Ich bin wohl ... Entschuldigung.» Der Fremde hält mich immer noch fest.
«Sie müssen sich nicht schämen. Ich freue mich, dass ich Sie erwischt habe.»
«Das haben Sie, allerdings. Ich meine ...»
«Entspannen Sie sich. Ich heiße Mark. Haben Sie auch einen Namen?»
«Äh, Pia. Ich bin Pia.»
«Möchten Sie einen Kaffee?»
«Ja, schwarz, bitte.»
«Das ist schön.» Wie er mich ansieht. Dafür gibt es keine Worte. Mein Herz pocht. «Ich verstehe nicht ganz.»
«Sie können tatsächlich lächeln.»
Schüchtern sehe ich auf den Boden. Ich fühle mich erwischt. Mark strahlt. «Darf ich Sie was fragen?» Unsicher starre ich in meine Tasse: «Ja, klar.»
«Warum sind Sie mir gefolgt?»
«Bin ich gar nicht.»
«Aber Sie sind doch hier.»
«Das ist purer Zufall, obwohl ich wollte schon irgendwie ...»
«Ja? Was denn?»
«Dann doch wieder nicht, Zufall, wie ich bereits sagte, andererseits ... Danke für den Kaffee.»
«Sind Sie immer so nervös?»
«Nein. Es ist nur, weil Sie nett sind.»
«Danke. Sie begegnen wohl nicht vielen netten Leuten?»
«Doch schon. Bei Ihnen allerdings ...» Mark sieht auf seine Uhr, dann kurz zum Eingang und wieder auf seine Uhr.
«Oh! Entschuldigen Sie bitte. Was wollten Sie sagen?»
«Ach nichts. Oder. Nun, Ihr Blick hat mich getroffen – ein Volltreffer sozusagen.»
«Volltreffer, aha. Wie meinen Sie das denn?»
«Halten Sie mich bitte nicht für so eine.»
«Keine Sorge. Dafür sind Sie viel zu nervös.»
Jetzt bleibt nur die Flucht nach vorn: «Glaubst du an die Liebe auf den ersten Blick?»
Ein Typ steuert auf uns zu. Was will der? Vielleicht geht er ja vorbei. Wenn ich Glück habe, dann ...
«Hi! Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Der Verkehr ist einfach grausig.»
«Ja, Pia. Ich glaube an Liebe auf den ersten Blick. Meine habe ich schon lange gefunden. Darf ich vorstellen? Das ist Florian.»