Gestern am Nachmittag und heute am Morgen
Gestern am Nachmittag habe ich mich nach dem Sinn des Lebens gefragt. Ich habe dann meinen Lover angerufen, um ein Date mit ihm zu vereinbaren. Während des Telefonats ist mein Kollege zu mir ins Büro gekommen und hat das Gespräch mitangehört. Mein Kollege ist ein vierzigjähriger Möchtegernliterat, der bestimmt heimlich auf mich wichst. Mein Lover ist ziemlich kurz angebunden gewesen, weil er gerade einen Kunden bei sich gehabt hat, dem er eine Softwarelösung verkaufen wollte. Ich habe meinen Lover gebeten, Zahnpaste und eine Glühbirne für mich zu besorgen. Mein Licht im Schlafzimmer ist nämlich ausgebrannt. Gegen zehn Uhr abends wird er kommen und mein Schlafgemach erhellen, hat er gesagt. – Bussi.
Mein Kollege hat schmutzig gegrinst, nachdem ich aufgelegt habe. Dann haben wir – mein Kollege und ich - über unseren Chef geredet, und sind zum Schluss gekommen, dass er ein sadistisches Schwein ist – unser Chef. Ich habe mir dabei gedacht, dass er in sexueller Hinsicht bestimmt ein Masochist ist und zu einer Domina geht (also der Chef), habe es aber nicht gesagt, weil mich mein Kollege nervt. Und irgendwie sind Aussagen solchen Inhalts generell abgeschmackt, zumindest irgendwann ab dem dreißigsten Lebensjahr. Ich habe dann einfach aus dem Fenster gesehen und gar nichts mehr geredet, und mein Kollege ist dann gegangen. Ich war erleichtert, dass er mir nicht schon wieder erklärt hat, wie unfähig heutzutage die Verlage sind, weil sie seine Werke nicht veröffentlichen. Das kann ich wirklich nicht mehr hören.
Weil ich kein Lust gehabt habe, zu arbeiten, habe ich eine Freundin angerufen. Nachdem sie mir die neuesten Entwicklungen in ihrer Beziehung (huh?) mit ihrem Freund aus Übersee erzählt hat (den sie seit gut einem Jahr nicht gesehen hat), habe ich ihr geantwortet, dass es vielleicht keine gute Idee ist, ihm Geld zu schicken, wenn sein ständig angekündigter Besuch immer wieder aufgrund von irgendetwas verschoben werden muss. Sie hat mich aber dann darauf hingewiesen, dass er gesagt hat, dass er sie heiraten möchte. Danach haben wir über eine andere Freundin geredet, und haben uns gegenseitig darin bekräftigt, dass wir uns nie gefallen lassen würden, was sie sich von ihrem Mann gefallen lässt. So tief würden wir beide nie sinken. Wir würden dem Kerl einen Arschtritt verpassen. Nachdem wir uns ausgemacht haben, in zwei Tagen wieder zu telefonieren, war auch dieses Gespräch zu Ende. Ich habe dann noch am Computer Solitär gespielt, bis es vier Uhr gewesen ist, also Dienstschluss – endlich.
Nach der Arbeit bin ich auf die Uni gefahren und habe mir eine Vorlesung über Friedrich Nietzsche reingezogen. Ich habe ein Studentenpärchen beobachtet und mir darüber Gedanken gemacht, ob die beiden es miteinander tun (yeah) und habe mir ausgemalt, wie das wohl abläuft. Danach habe ich mich wieder auf die Vorlesung konzentriert, was mir leichter gefallen wäre, wenn der Professor eine Spur erotischer gewesen wäre. Österreichische Männer sind im Durchschnitt eben nicht attraktiv – ein altes Leiden hierzulande.
In der U-Bahn hat sich ein Type neben mich gesetzt, der ständig gehustet hat. Weil mir das irgendwie unangenehm war, habe ich mich zum Ausgang gestellt. Nach dem ermüdendem Bad in der Menschenmenge, die sich ja zu den Stosszeiten immer in den U-Bahnschächten befindet, war ich ziemlich froh, zu Hause zu sein.
Ich habe gleich die Glühbirne im Schlafzimmer aus der Fassung gedreht und mich heiß geduscht. Bei langsamer Musik habe ich mir dann im schummrigen Licht rote Unterwäsche angezogen. Danach habe ich mein Bett frisch mit dem schwarzen Seidenzeugs bezogen. Dabei habe ich Gedanken gehabt, bei denen ich lächeln musste, nicht grinsen. Um halbelf habe ich meinen Lover angerufen, wo er bleibt. Er hat mir erklärt, dass er heute keine Zeit mehr hat, weil eine alte Freundin von ihm in einer Krise steckt und seinen seelischen Beistand braucht. Weil alles so dramatisch ist, hat er auf mich vergessen, aber er hätte sich bestimmt noch gemeldet. Na was? –
Ich habe mir dann noch eine Dokumentation über Frauen in Afghanistan angesehen und mich danach eine Spur besser gefühlt, manchmal bin ich widerlich. Dann bin ich ohne Zähneputzen eingeschlafen. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, habe ich mich nach dem Sinn des Lebens gefragt.