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Geständnis eines Schlafkranken

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14.07.2003
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Geständnis eines Schlafkranken

Wenn man an Schlafstörungen leidet, ist man die meiste Zeit des Tages wach, aber nie bei vollem Bewusstsein. Man sieht die Welt durch einen milchigen Schimmer, betört durch die anscheinend unerträgliche Langsamkeit der Welt um sich herum. Gefühle werden passiv empfunden. Sachorientiertheit und stilles Beobachtungsverlangen tritt in den Vordergrund, während ein paar Augenblicke später jede Belanglosigkeit dieser Welt eine berauschende Tiefsinnigkeit zu haben scheint. Und schließlich, wenn man abends im Bett liegt, fühlt man sich so wach, als hätte man Jahre lang geschlafen.

Man beginnt, stiller zu werden, meist unter dem Vorwand einer nachdenklichen Phase. Doch das ist alles nur Fassade. In Wirklichkeit fühlt man sich aufgrund der enormen Reizanflutung bei sozialer Kontaktaufnahme überfordert und kapituliert angesichts der schier unmöglich erscheinenden Aufgabe, sich einem Gespräch zu widmen, bei dem man gleichzeitig Informationen verarbeiten und wiedergeben muss.

In einer Phase von akutem Schlafmangel spielt sich alles innerlich ab. Auf einmal befindet sich die gesamte Welt in deinem Kopf und scheint es dort in sämtlicher Hinsicht bunt zu treiben. In der realen Welt verschwimmen derweil Gesichter zu Konturen, Straßen zu Landschaftslinien und ganze Gebäudekomplexe zu sinnlosen Legobauklötzen, die in der Gegend herumliegen.

Nein, wenn man an Schlafstörungen leidet, hat man es nicht immer leicht im Leben, ich denke, dass haben Sie mittlerweile begriffen. Doch nun entschuldigen Sie mich bitte, meine Spätschicht beginnt in 20 Minuten...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jingles,
kann es sein, dass Dich meine Geschichte "Mein kleiner Schönheitsfehler" inspiriert hat?
Der Schluß kommt mir etwas bekannt vor. Aber auch ich fande die Idee genial :-)

Ausschlaggebend an diesem Text finde ich sind die Wörter mit denen du spielend hantierst. "Sachorientiertheit, Beobachtungsverlangen, berauschende Tiefsinnigkeit, Reizanflutung, sozialer Kontaktaufnahme, Legobauklötze, ..." und darunter weiß ich nicht einmal, ob es das ein oder andere Wort wirklich gibt. Jedenfalls weiß ich was du meinst und irgendwie passen sie sehr gut in die Sätze hinein. Sie geben dem Text das gewisse Etwas.

Wie auch in den anderen deiner Geschichten kann ich mich sehr gut in den Prota hineinversetzen, sehe Bilder vor mir ...und es war ja schon fast so weit, dass ich etwas Müdigkeit verpürt hatte...
Naja vielleicht nicht ganz, jedenfalls habe ich mir die verschwommene Landschaft ebenfalls sehr gut vorstellen können.

Was mir immer wieder an deinen Geschichten gefällt, ist, dass sie gut zu lesen sind und immer auf etwas anspielen, d.h. eine Bedeutung haben. Das ist sehr schön.

Etwas habe ich aber doch zu bemängeln. Auf jeden Fall würde ich die Stelle "... ich denke, dass haben Sie mittlerweile begriffen" streichen. Es hört sich an, als ob der Autor spricht und nicht der Prota. Dies liegt u.a. daran, weil der Leser ja nicht weiß, dass der Prota ihm etwas "begreiflich" machen möchte.

Viele Grüße
Herbert

 

Danke Herbert für`s Schmökern in meinem Text!

Eigentlich gab es für diesen Text keine Vorlage oder Vorbilder, die Idee kam einfach wie immer spontan aus mir heraus. Ich muss aber erwähnen, dass auch mir beim ersten Durchlesen nach dem Verfassen, eine gewisse Ähnlichkeit bzw. mehrere Parallelen zu deinem Text aufgefallen sind.

Ich kann deine Kritik bezüglich dem Ende verstehen, aber ich denke, dass ich trotzdem daran festhalten werde. Der Prota könnte ja genausogut mit jemanden in der Strassenbahn sprechen... Außerdem ist dieser Aspekt mM nach ohnehin gut genug herausgearbeitet, aber das ist nur eine subjektive Ansicht.

Anfangs hatte ich Angst, dass dieser Text vielleicht etwas zu kurz geraten sein könnte, aber der Ansicht bist du ja anscheinend nicht...

 

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