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Gespräch im Park

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08.01.2004
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Gespräch im Park

Es war einer dieser letzten warmen Tage im November.
Der alte Mann, der seit einem halben Jahr im Altersheim lebte, nutzte dies schöne Wetter um, nach seinem täglichen Spaziergang im Park, noch eine Zeit auf der kleinen Bank am Teich zu verweilen. Er saß stumm da und blickte auf die Teichoberfläche, die sich im leichten Wind weich kräuselte. Von den, sich im Wasser spiegelnden, Sonnenstrahlen geblendet blinzelte er und blickte zur Seite, da sah er sie, eine junge Frau mit einem Kinderwagen. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, viele Mütter nutzten den Park, um mit ihren Kindern spazieren zu gehen. Meist waren sie zu zweit und in ein Gespräch vertieft, doch diese Frau war allein, ohne genau zu wissen warum erregte sie seine Aufmerksamkeit. Irgendwie vorsichtig, behutsam schob sie den Wagen vor sich her, schaute beinah hypnotisierend in den Kinderwagen. Auf der Höhe der Bank wendete sie den Wagen leicht, so dass er quer zur Bank stand und der alte Mann einen Blick auf das Baby werfen konnte, es schlief. Ohne den Mann zu beachten nahm sie ganz vorsichtig auf der Bank Platz, dann nach einigen Sekunden lehnte sie sich zurück, schloss kurz die Augen, atmete erleichtert aus. Der alte Mann beugte sich ein wenig vor und fragte leise
„Junge oder Mädchen?“
Jetzt erst schien sie ihn zu bemerken, etwas erschrocken blickte sie zur Seite, lächelte dann.
„Ein Junge“, antwortete genauso leise.
Er nickte, „Schläft“, meinte er so nebenbei.
„Endlich“, stimmt sie erschöpft zu.
Eine Weile saßen sie stumm nebeneinander, bis das Baby sich einwenig bewegte und die Mutter beruhigend den Wagen schaukelte.
„Was er wohl träumt?“, fragte er.
Die junge Frau zuckte mit den Schultern, ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Ich bin so müde, ich weiß gar nicht ob ich überhaupt irgendwann mal geträumt habe.“
„Na“, sprach er versöhnlich.
„Oh, so habe ich es nicht gemeint, aber er bekommt Zähne und schläft so gut wie nie“, erklärte sie.
„Es gab eine Zeit, da hatten meine Träume Farben“, bemerkte er.
„Und jetzt?“, wollte sie wissen.
„Jetzt?“
Er sah hinaus auf den Teich, wo die Enten sich um Futter stritten, „jetzt ist alles grau“, kam es spröde über seine Lippen.
„Wieso?“
Sie lehnte sich zu ihm hinüber, er sah die dunklen Schatten unter ihren müden Augen, die leichte Blässe in ihrem Gesicht ließ sie krank aussehen. Er fragte sich plötzlich, ob sie nicht lieber ein wenig Ruhe haben wollte.
„Interessiert es Sie wirklich?“
„Ja, erzählen Sie“, bat sie ihn.
Er lächelte leicht in sich hinein.
„Also früher“, begann er, „waren meine Träume farbenfroh und spannend, allerdings waren dies mehr meine Tag oder Wunschträume, ... ich meine, die man hat bevor man einschläft, wenn Sie verstehen.“
Sie nickte.
„Ich hatte viele Pläne, wollte erfolgreich sein, meine Konkurrenten glänzend ausstechen, dabei auf Hilfsmittel verzichten, alles sollte ehrlich und rein sein. In all meinen Träumen war ich der Held.“ In Erinnerung schwelgend nickte er vor sich hin.
„Und im Leben?“
Erwartungsvoll sah sie zu ihm hinüber.
Er holte tief Luft, sah auf seine Schuhe, tippte leicht mit den Füßen auf, sah dann wieder hoch, fixierte einen Punkt in der Ferne.
„ Naja so heldenhaft war es dann nicht, aber einen gewissen Erfolg hatte ich schon“, teilte er ihr leicht grinsend mit. Sie sah ihr Baby an, für einen kurzen Augenblick lag ein zärtlicher, weicher Hauch auf ihrem Gesicht.
„Und die Liebe?“, wollte sie wissen, „kam die, in ihren Tagträumen auch vor?“
„Ha, die Liebe, natürlich“, stieß er freudig aus.
„Alles was man tat oder träumte, machte man doch nur wegen einem Mädchen, das man beeindrucken wollte. Für sie wollte man der alles Überragende sein, sie sollte einen anhimmeln. Für sie würde man alle Gefahren überstehen, am Ende würde man seine Holde retten und auf einem Pferd heimführen.“
Gespannt sah er zur Seite, sie lächelte verträumt vor sich hin.
„Lachen Sie ruhig“, meinte er „aber auch wir Alten hatten unsere Träume, auch wenn das heute keiner mehr versteht.“
„Nein, so ist es nicht“, entschuldigte sie sich schnell, „es ist nur komisch ...“
„Komisch, finden Sie das“, unterbrach er sie, seine Stimme klang beinah enttäuscht.
„Nein, nicht das.“ Sie schüttelte den Kopf „komisch ist nur, dass selbst heute, in unser doch ach so modernen Welt, die Mädchen noch immer davon träumen, von einen Ritter gerettet zu werden.“ Sie zuckte die Achseln, „zumindest war es bei mir so“, fügte sie leise hinzu.
„Ich meine, wieso träumen immer alle von einem stolzen Retter mit Pferd?
Niemand träumt davon, von einem Soldaten mit Panzer gerettet zu werden, oder einem Versicherungsagenten mit Mercedes, obwohl das wahrscheinlicher wäre, aber nein, man träumt von einem Prinzen mit Pferd“, setzte sie erklärend hinzu.
„Vielleicht, weil’s Bestand hat“, meinte er trocken.
„Wieso, niemand reitet heute noch auf einem Pferd ...“
„So meinte ich es nicht, aber ein Auto springt schon mal nicht an oder säuft ab, dass hat man beim Pferd nicht.“
Sie lachte.
„Vielleicht“
Und dann etwas nachdenklicher, „Ist es immer so, dass man die Farben verliert, dass es grau wird?“
Er sah sie lange an.
„Ich weiß es nicht, eigentlich war mein Leben schön.“
„Ist es das nicht mehr?“
„ES ist grau.“ Mehr sagte er nicht.
„Vielleicht sind zu viele Träume in Erfüllung gegangen. Mag sein, sie verlieren ihre Farben, weil man weiß, wie es ist, wie es sich anfühlt.“
„Was?“, wollte er wissen.
„Das Leben“, stellte sie fest, „wenn das Leben keine Geheimnisse mehr hat, wird es trostlos, doch ...“, sie überlegte „können wir wirklich sagen, dass wir alles kennen? Ich meine, kann es nicht sein, dass doch etwas Unvorhergesehenes geschieht?“
„Ja“, stimmte er zu und mehr zu sich „dies war unvorhergesehen.“
Ganz spontan ergriff sie seine Hand, die sich überraschend weich und doch stark anfühlte.
„Wenn man so klein ist, wie Duncan, dann ist alles, was man entdeckt, ein Wunder, aber um zu entdecken, dass das Leben ein Wunder ist, muss man es erleben, egal wie alt man ist.“
„Er heißt Duncan?“
„Ja“, bestätigte sie.
„Nach dem Highlander?“, wollte er wissen.
„Hmhm, weil ich wusste, als ich seinen Vater sah, dass es nur den einen für mich geben kann, er war mein Ritter.“ Fast entschuldigend breitete sie ihre Arme aus, „und weil ich den Namen schön finde“, setzte sie nach leichten Zögern hinzu.
Er drückte ihre Hand.
„Vielleicht liegt es daran, dass man nicht geglaubt hat, dass es so endet ...“
Er stockte, nahm ein Taschentuch aus seiner Jackentasche und wischte sich damit über den Mund.
Zunächst konnte sie nichts antworten, hielt nur seine Hand. Ihr Herz pochte stark und sie musste tief Luft holen, sie wusste nicht genau warum, aber ihr war einfach zum Heulen zu mute.
„Endet es denn?“, fragte sie beinah ängstlich. Sah ihn an, blickte in tränengraue Augen.
„Ich meine ein Sonnenuntergang ist jedesmal anders und doch geht die Sonne immer wieder auf ...“
Sie hielten sich noch an den Händen, da bemerkte sie den goldenen Ring.
„Haben Sie Ihre Holde heimgeführt?“
„Ja.“
Ein zärtliches Lächeln huschte über sein Gesicht, das sich einwenig aufhellte und Farbe bekam, „hab ich, wir waren immer zusammen, was heute ja nicht mehr selbstverständlich ist ... doch jetzt ist sie vorgegangen...“
Nach einer Weile ließ er ihre Hand los, entschuldigend meinte er „ich muss sie furchtbar langweilen.“
„Nein“, protestierte sie „ganz und gar nicht ... und Sie können immer noch träumen.“
Sie sah direkt in sein erstauntes Gesicht und grinste.
„Ich hab´s gesehen.“

 

Hallo Existence,
vielen Dank fürs Lesen. Freue mich, dass dir meine Geschichte gefällt und du dich in sie hineinlesen konntest.Das ist es was sich ein Autor wünscht.

Aber natürlich hast du recht, man strebt nach der Erfüllung seiner Wünsche nach HÖheren und dennoch resigniert man, ist enttäuscht weil das "Glücksgefühl", nicht anhielt.

Lieben Gruß´
Angela

 

Hi Angela!
Wie gut du deine Leser zu verzaubern weisst...! Du schilderst in wundervollen Farbtönen deine Geschichte, die Träume und das Leben. Ich finde, du hast die beiden Protagonisten sehr schön zum Leben erweckt und man (jedenfalls ich) würde gerne noch mehr vom Leben der beiden erfahren.

Liebe Grüsse,
Manuela

 

Hi Angela,

wie immer eine gefühlvolle Geschichte, die dem Leser das Herz öffnet.
Nur schade das es in unserem schnellen, hektischem Leben, kaum noch solche Begegnungen gibt.
Ich habe sie früher öfter erlebt als heute und weiß noch genau, wie erfüllend und kraftvoll ein solches Erlebnis ist.

Nun habe ich heute, so ganz gegen meine Gewohnheiten, etwas das mich ein wenig stört.

Du schreibst: Ich meine ein Sonnenuntergang ist
immer wieder anders,...
...die Sonne immer wieder...
Sie hielten sich immer noch ...

Ich denke, das ist so kurz hintereinander zweimal
- immer - zu viel.

Dein letzter Satz: Ich sah in sein erstauntes Gesicht,
grinste,"ich hab`s gesehen."

Denke es sieht besser und verständlicher so aus: Sie sah in sein erstauntes Gesicht und lächelte.
"Ich hab`s gesehen."

Was meinst du?

glg, coleratio

 

Liebe Manuela,
vielen Dank fürs Lesen und deine lieben Worte.
Freue mich sehr, dass dir meine Geschichte so gut gefällt und du dich in die beiden hineindenken konntest,dass du gerne mehr erfahren möchtest.Es ist ein schönes Gefühl, dass mir das gelungen ist.
LG
Angela

 

Hallo Coloratio,
schön dich bei mir zu lesen:-))

Danke für deinen Anregung. Wenn man eine Geschichte schreibt und sie dann liest, dann ist da auch, zumindest ist es bei mir so, Gefühl mit im Spiel und es kommt vor, dass man holprige Stellen einfach überliest. In diesem Fall war ein "immer", eindeutig zu viel, ich habe es geändert. Auch den letzten Satz habe ich umgeändert, es jedoch bei dem Wort grinste, belassen, weil es einfach besser passt, denn in dem Fall lächelt sie nicht.

Lieben Gruß
Angela

 

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