Was ist neu

Gesichter

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25.08.2015
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Gesichter

Prolog

Ich möchte mich verkriechen, verstecken, tief in meinem Schneckenhaus.
Bücher lesen, in andere Welten versinken. Dort lachen, weinen, leiden, freuen, leben.
Nur nicht mehr hier.
Kein Telefon, kein Internet, keine Fragen, keine Forderungen.
Nur Obst, das langsam neben meinem Bett verschimmelt.
Nicht duschen, nicht raus gehen, nackt sein, eingehüllt in meine warme Decke, meinem Nest, während draußen die Zeit vergeht.
Doch es geht nicht. Die Anderen machen sich Sorgen.
„Was ist los mit ihr? Warum meldet sie sich nicht? Wir müssen uns um sie kümmern. Da raus holen, ihr zeigen wie schön das Leben ist!“
Und sie reißen mir die Decke weg und die Kälte trifft mich wie ein Schock.
Ich versuche mit zu kommen. Hinterher zu laufen, zu lachen, wenn jemand eine Witz macht, Pläne zu schmieden, Hoffnung zu haben. Ich tue es für sie, denn sie können nicht verstehen, dass ich glücklich war in meinem Bett, dessen Bettwäsche dringend wieder gewechselt werden müsste, umgeben von dreckigem Geschirr von hastig zu bereitetem Essen und so vielen Geschichten, die mir Amazon ins Haus liefert. Mein kleines sicheres Reich, in dem ich mich nicht fürchten muss.

Aber ich sage es mir immer wieder. Ich muss dagegen kämpfen, gegen die einlullende Wärme, die mich langsam lähmt, wie ein sanftes Nervengift.
Ich hatte doch Träume und Pläne, will ich sie jetzt wirklich alle aufgeben?
Nein.
Ja.
Ich weiß es nicht.
Ich weiß gar nichts mehr seit diesem Jahr. Es hat alles verändert. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.

Verdrängung

„Noch eine Runde!“ rief Elena und schenkte ihren Mitbewohnern ein weiteres Glas mit giftgrünem Waldmeisterschnaps ein.
„Heute Abend wird gefeiert!“
„Und was?“
„Seit wann brauchen wir einen Grund??? Es ist Mittwoch, das ist der Grund.“
„Schon gut.“
Elena griff nach ihrem Handy und bestellte ein Taxi für 23 Uhr, um zum Kiez zu fahren.
„Hoffentlich ist was los auf der Großen Freiheit. Manchmal frage ich mich wirklich ob in Hamburg tatsächlich 1,8 Millionen Menschen wohnen.“ sagte Tina.
Elena war froh endlich wieder mal feiern gehen zu können. Ihre Arbeit ermöglichte ihr das nur selten. Sie kam gerade wieder aus einer 10-Tage-Schicht und war noch im Nachtschicht-Rhythmus und deswegen hellwach, auch ohne Energiedrinks.
Doch heute Abend wollte sie nicht mehr über ihre Arbeit und die Überforderung nachdenken, die sie die letzten Wochen belastet hatte.
Ihre Zunge fühlte sich leicht in ihrem Mund an. Ihr Selbstbewusstsein wuchs mit jedem Schluck Bier. Ihr war es egal, dass sich die Nachbarn wohl bald wieder über ihre WG bei der Hausverwaltung beschweren würden und drehte die Musik voll auf. Die Bässe vibrierten durch die Möbel, durch ihre Körper und strömten wippend wieder aus ihnen.
Erneut goss Elena den grünen Schnaps ein, glucksend, erstaunt, dass die Flasche leer und klar in ihrer Hand lag.
„Proooooooost!“ grölte sie in die Runde und verschüttete die Hälfte ihres Glases auf dem Teppich.
„Egal, tritt sich fest.“
Es klingelte an der Tür.
„Taxiiiiiiiii!“
Elena stolperte in Richtung ihres Zimmers, um nach ihren grünen Pumps zu suchen. Die passten perfekt zu ihrem knielangen dunkelblauen Kleid, dass in der Taille geschnürt war. Um auch nur ansatzweise mit Tina äußerlich mithalten zu können, hatte sie ihren Busen hoch gepusht, dass er beinah aus dem Kleid fiel. Das lenkte von ihren Speckröllchen ab, so hoffte sie.
Sie kramte schnell ihren Perso und achtzig Euro aus ihrem Portemonnaie und stopfte alles in die kleine Handtasche, die mehr Accessoire war, als Nutzen hatte.
John, der Hahn im Korb und auch Küken der WG, mit seinen neunzehn Jahren, trug wie immer seine schwarze Wollmütze, die von seinen blonden Dreadlocks ausgebeult wurde. Dazu hatte es heute ein T-Shirt von „Trainspotting“ und eine zerrissene Jeans an seinen Körper geschafft. Seine Augen waren nur halb geöffnet, dank eines letzten Köpfchens aus der Bong. Er schlurfte entspannt zur Tür und nahm seine alte Lederjacke von der Garderobe.
„Oh Gott, oh Gott“ quietschte Tina „ich bin noch gar nicht fertig.“ widersprach sie ihrem perfekt gestylten Äußeren. Sie hatte ihren zierlichen Körper im kurzen Schwarzen verpackt und ihre blonden Haare saßen in einer klassischen Hochsteckfrisur. Wenn sie jetzt noch eine Brille aufsetzten würde, wäre sie die perfekte Chefsekretärin, vor der sich jede Ehefrau fürchtete, dachte Elena.
Die alte Holztür fiel hinter dem Trio ins Schloss und sie eilten das Treppenhaus mit seinem verschnörkelten Geländer hinunter.
Drei Autos warteten schon wild hupend hinter dem Taxi in der schmalen Einbahnstraße in Eppendorf. Als sie einstiegen, fuhr der Taxifahrer schon los, ohne ein Ziel zu wissen.
„Schlechte Straße. Immer voll.“ sagte der Fahrer unfreundlich.
„Tschuldigung, bevor ich das nächste Mal ein Taxi bestelle, baue ich die Straße noch schnell fünfspurig aus. Zum Kiez!“ giftete Elena zurück und spürte schon einen Ellbogen von John in der Seite.
„Chill dich mal. Ist doch alles entspannt hier.“ startete er einen Beruhigungsversuch, doch damit wurde er zum Opfer für Elenas Launen.
„Sorry John, aber da wir nicht alle dank halluzinogener Substanzen in unserer Mitte ruhen, kann ich so ein bescheuertes Gelaber nicht ausstehen. Schließlich ist es sein verfickter Job, in verdammten Einbahnstraßen anzuhalten. Ich hör mir auch den ganzen Tag, die Scheiße unserer Gäste an „Sehr gerne, Herr Müller! Ich krieche Ihnen sofort in den Arsch!“. Da erwarte ich auch einen scheiß freundlichen Taxifahrer.“
John zuckte unbeholfen mit den Schultern.
„Und können Sie vielleicht dieses fürchterliche Gejammer ausstellen, da kriegt man ja Kopfschmerzen von.“ zeterte Elena weiter gegen die arabische Musik des Fahrers.
Der rollte mit den Augen und stellte das Radio an, auf dem der neuste Hit von den Kings of Leon lief.
Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend, da Elena anscheinend keine weiteren Gemeinheiten einfielen und der Rest sie nicht provozieren wollte. Nach einer kleinen Ewigkeiten, wie es schien, bog der Fahrer endlich in die Große Freiheit ein und Tina bezahlte hastig den Fahrer.
„Hast du dem etwa auch noch Trinkgeld gegeben?“ bohrte Elena, sobald auch Tina ausgestiegen war, doch die lief schnell los.
„Also, wo wollen wir rein?“ fragte John, während sie an einem Promoter nach dem anderen vorbeiliefen, die mit Gratisgetränken und freiem Eintritt versuchten, Gäste in ihre Clubs zu locken.
„Lass doch erst mal n paar Kurze in der 99-Cent-Bar kippen und dann schauen wir weiter.“
Das klang nach einem Plan und so begaben sie sich in die kleine Kneipe, die nur aus einem Tresen und einer Jukebox, vor der zwei mal zwei Meter Tanzfläche waren, bestand.
Elena eilte sofort zum Tresen und winkte aufgeregt nach dem Barkeeper.
Als sie mit dem Tablett voller Schnapsgläser zu ihren Mitbewohnern zurückkehrte, verzog Tina das Gesicht.
„Was ist das denn?“
„Meine Spezialkombi: Mexikaner als scharfe Vorhut, einen schnellen Tequila und zum krönenden Abschluss die Wärme eines Sambucca...“
„Willst du dass ich gleich kotze oder noch warte, bis ich das unten hab? Mir wird ja schon vom zuhören schlecht.“
„Jetzt stell dich mal nicht so an. Ich hab dich schon ganz andere Sachen schlucken sehen!“
„Na schön. Den Mexikaner und den Tequila trink ich mit, aber den Sambucca nur über meine Leiche.“
„Auch okay, dann bleibt mehr für mich übrig.“
Sie prosteten sich zu und stürzten den Mexikaner runter. Elena trieb zur Eile und keine zehn Sekunden später prosteten sie sich schon mit Tequila zu, leckten, schluckten und bissen.
Tina war froh, die letzte Runde aussetzen zu können, ihr Magen rumorte schon und auch John sah schon leicht angegriffen aus. Nur Elena schien keine Miene zu verziehen und reichte John auch schon den Sambucca. John stöhnte, nachdem er auch den letzten Schnaps unten hatte
„Jetzt brauche ich erst mal ein Bier um diese widerliche Geschmackskombi runterzuspülen.“
Elena widmete sich ihrem letzten Sambucca. Sie setzte an, schluckte, verzog dann ihr Gesicht, blähte ihre Backen auf und schaute entsetzt in Tinas Gesicht. Sie deutete hektisch auf ihre Backen und schaute sich um. Tina verstand erst nicht was los war, bis Elena davon stürzte, während schon Kotze aus ihrem Mund spritzte.
Tina und John lachten immer noch, als Elena von der Toilette zurückkehrte und so tat, als ob nichts geschehen wäre.
„Du hättest dein Gesicht sehen sollen!“ sagte Tina
„Der letzte war wohl schlecht!“.
„Allesss gutt. Miar gähts beschdens...“ lallte Elena. „Isch will taaaanzen.“ grölte sie und stürmte davon zur Tanzfläche, nicht ohne mindestens drei Leute anzurempeln.
Sie ging an die Jukebox. Die Titel der Lieder verschwammen vor ihren Augen. Sie kniff die Augen zusammen.
Nach einer halben Stunde kam sie mit einem roten Gesicht wieder. Das Kleid klebte an ihrem Körper und betonte, dadurch noch stärker ihre Rundungen. Mit verkniffenem Gesicht drückte sich Elena eine Hand in die Seite und holte tief Luft.
„Scheiß Kondition“ keuchte sie Tina entgegen, die gerade in ein Gespräch vertieft war.
„Na, ausgepowert? Das ist...“ begann Tina, doch kam sie nicht zum aussprechen.
„Ey, dich kenne ich!!! Ich hab dir schon mal einen geblasen.“
Schockiert starrten Tina und der junge Mann sie an, doch Elena strahlte überglücklich übers ganze Gesicht.
„Ja, weißt du nicht mehr? Du hast mich im Golden Pudel Club an gequatscht und wir sind später runter an den Hafen. Ich hab dir unten an den Landungsbrücken einen geblasen. Wie lang ist das her? Zwei Jahre? Drei Jahre? Wie heißt du nochmal?“
„Ähm...Tobias.“ und auch wenn er vor Tina noch so tat, als wäre alles ein schlechter Witz, sah Elena das Wiedererkennen in seinen Augen.
„Sag mal, spinnst du?“ regte sich Tina auf, die das mal wieder für einen von Elenas schlechten Witzen hielt.
„Was denn? Darf ich mich nicht freuen, alte Bekannte wiederzutreffen. Kann ich ja nichts für, dass er sich nie wieder gemeldet hat und somit ein One-Night-Stand blieb.“
Tobias schaute im Raum nach einer Fluchtmöglichkeit und stürzte sein Bier runter.
Tina starrte Elena immer noch fassungslos an, so dass sie nicht bemerkte, wie Tobias sich langsam wegdrehte und sich durch die Menge davon schob.
„Du hast ihm wirklich einen geblasen?“ fragte Tina unsicher und drehte sich zu Tobias um, der aber schon längst aus ihrem Blickfeld verschwunden war.
„Na toll. Danke Elena! Ich hab mich echt gut mit dem verstanden, der war total heiß.“
Elena zuckte nur mit den Schultern.
“Das dachte ich auch, aber da haste nichts verpasst. Der hatte einen echt kleinen Schwanz. Lass mal weiterziehen, vielleicht treffe ich noch mehr Jugendsünden!“

Wut

Sie sitzt in mir. Ganz tief unten. Ein kleiner harter Ball, der pocht.
Ich will sie nicht haben. Aber sie hat sich verkrochen, krallt sich fest mit ihren Fängen und lässt mich nicht frei.
Außer mir kann sie keiner sehen. Wie es ihn mir brodelt, der Ball fährt seine Stacheln aus und quält mich. Er sticht, sticht, sticht, sticht.
Ich schreie! Aber du hörst es nicht...
Siehst nur wie ich mich langsam abwende und gehe.
Ich halte sie nicht aus. Manchmal kommt sie nach oben, kriecht unter meiner Haut umher, wie kleine Maden, die sich durch mein Fleisch fressen. Schüttel dich, schneid sie raus, werd sie los, irgendwie, egal wie...
Sie wächst und wächst mit jedem stummen Schrei, mit jedem abwertenden Blick, mit jedem Gelächter.
Explosion. Nur wann?

Draußen beleuchteten die grellen Neonreklamen die Große Freiheit und tauchten die vorbeiziehenden Gesichter in künstliches Licht. Ihre verzerrten Silhouetten spiegelten sich in den Pfützen am Boden. Elena trat in die Pfützen um die Gesichter in bunte Flecken zu verwandeln. Das Sommergewitter hatte die Stadt nur kurz abgekühlt, jetzt kämpfte die Wärme mit den Wassertropfen und fabrizierte eine wattige Luft, gegen die man sich stemmen musste, um voranzukommen. Heute waren es nur wenige Nachtschwärmer; die es auf die Straßen getrieben hatte. Eine Gruppe Senioren schlenderte noch mit aufgeregten Blicken vorbei. Eine ältere Dame umklammerte krampfhaft ihre Handtasche in der Erwartung, dass jeden Moment sie ihr jemand aus der Hand schlagen würde. Sie zogen weiter über die Reeperbahn, auf der Suche nach einer Menschenmenge, einer Party, Stimmung. Die Nutten standen gelangweilt über dem Hans-Albers-Platz verteilt, unverkennbar mit ihren Bauchtaschen, dem gleichen starren Gesichtsausdruck, mit der immer gleichen Schminke, die Elena wie schützende Masken vorkamen. Vereinzelt klangen Beats aus den unterschiedlichen Kneipen, und hier und da torkelte jemand über die Straße.
Als sie über den Hans-Albers-Platz liefen, richtete Elena ihren Blick auf einen Punkt in der Ferne. Die Welt schwankte. Immer wenn sie einen Schritt machte, wich der Boden vor ihr aus, als wolle er sie ärgern. John und Tina liefen davon, schneller, Elenas Versuche gegen die Distanz anzukämpfen kollidierten mit dem Schaukeln der Welt. Plötzlich knallte jemand hart gegen Elenas Schulter. Boden und Schulter lachten sie aus. Elena kam zum Stehen, während sich die Nacht weiter bewegte und der Boden auf sie zuraste.
„Ah, verdammt! Kannst du nicht aufpassen, du blöde Schlampe?“
„Was hast du gesagt?“
„Blöde Schlampe! Bist doch eine? Oder stehste zum Spaß hier rum?“
„Halt die Fresse du kleines Flittchen. Und jetzt verpiss dich, du vertreibst meine Kundschaft!“
„Ach dich will doch eh keiner ficken, erst recht nicht, wenn man dafür zahlen muss.“
Eine Brennen zog über Elenas Wange.
„Hast du jetzt genug oder soll ich dir noch eine verpassen? Fuck off!“
Elena schwankte vor und zurück, die Fäuste geballt, der Körper spannte sich und die Füße suchten verzweifelt Halt. Ein Arm riss von hinten an ihrer Schulter, in die gleich wieder der Schmerz strömte.
„Elena, hör auf mit der Scheiße. Komm jetzt endlich oder willst du lieber auf die Davidswache? Scheiße, Mann, wieso musst du immer so 'ne Scheiße abziehen.“
Elena starrte in Johns Gesicht. Seine Stirn zeichnete Wut. Seine Augen wirkten riesengroß und sein Blick brannte mehr als die Ohrfeige. John zog sie hinter sich her, weg von der Nutte.
An der Ecke gingen sie in den Irish Pub, John verschwand schnell an der Bar ohne Elena einen weiteren Blick zu zuwerfen. Der kleine Pub war gut gefühlt, eng drängten sich die Menschen aneinander, Gesprächsfetzen stoben durch den Raum und von der Bühne schallten die Versuche der Karaokesänger.
Die Gesichter der Menschen verzerrten sich zu Grimassen. Der blonde Mann neben ihr lachte laut auf, riss seinen Mund auf, wackelte und Elena sah tief in seinen Rachen. Alle schienen ihre Zähne zu fletschen in Gesprächen, ihre Augen weit aufgerissen, starrten sie Elena an. Schnell kam der Drang zu betäuben, zu vergessen, zu vermeiden und Elena stürmte an die Bar und bestellte sich zwei Gin Tonic, wovon sie den ersten exte. Die Kohlensäure kitzelte in ihrer Nase und wanderte in den Bauch und gleich wieder zurück als lauter Rülpser. Ungeniert wischte sie sich mit dem Arm übers Gesicht und grinste stolz. Ihre aufgestaute Energie musste raus, sie wollte tanzen, im Gedränge war kein Platz, die Masse gab nicht nach, wenn ihre Hüften sich bewegten. Ihr Blick fiel auf die Bühne, auf den freien Platz und gleich meldete sie sich für den nächsten Karaokesong.
„Born this way - Lady Gaga“, schrie sie dem DJ ins Ohr, der nur starr nickte und ihr ein Mikrofon in die Hand drückte.
Sie sprang auf die Bühne, etwas unbeholfen, aber der Alkohol gab ihr Mut, Übermut. Der Song begann, sie verpasste den Einsatz, fing sich wieder, fing an zu singen. Doch eigentlich wollte sie tanzen, sie schwang lasziv ihre Hüften, griff sich an die Brüste, strich langsam runter, verschmolz mit dem Lied, sie vergaß die Menge tanzte, sang für sich. Direkt vor ihr stand ein Typ, der sie fasziniert beobachtete, sie krallte sich sein Bier, trank einen großen Schluck, kippte den Rest über ihr Dekolleté. Pfiffe, ja, laute Pfiffe, doch auch Buhen.
„Das will doch keiner sehen, du fette Schlampe!“
Sie suchte den Raum ab, doch das Licht blendete, Scham stieg in ihr hoch, ihr Gesicht wurde knallrot, sie hörte auf zu tanzen, brach das Lied ab. Die Flasche in ihrer Hand. Sie umklammerte sie, hielt sich an ihr fest, das einzige was sie noch aufrecht hielt.
„Hau von der Bühne ab, Fettkloß!“
Da, da sah sie ihn, wie er seinen Kumpels in die Seite stieß, auf sie zeigte, die Finger zum Mund, pfiff, Grimassen schnitt. Sie ertrug es nicht.
Die Flasche flog geradewegs auf ihn zu, verfehlte nur knapp seinen Kopf und zerschellte an der Wand, Zucken, Schreie, Gedränge.
„Na, wie gefällt dir das, du Wichser! Du kleiner Hurensohn, ich bring dich um!“
Schon zerrten die Security sie von der Bühne, keine Chance, einer packte ihre Beine, der andere unter ihren Schultern, sie wand sich wie ein nasser Sack, wieder starrten die weit aufgerissenen Augen sie an.
Vor der Tür stand sie zitternd, schlang ihre Arme um sich, drehte sich schnell weg, von den Blicken, dem Geschrei der Security, der Menge. Sie rannte, rannte davon, wollte immer schneller werden, bis sie den Boden kaum noch berührte. Schnell, Dunkelheit, Einsamkeit. Sie fand eine Gasse, kauerte sich auf den Boden, den Kopf zwischen ihre Beine, wild atmend, das Blut pochte in ihren Ohren. Minuten vergingen und langsam beruhigte sich ihr Herz.
Elena blickte auf und betrachtete die Menschen, die an der nahen Straße vorbei liefen, geschützt aus dem Dunkel. Immer wieder verschwammen die Gesichter zu grauen Massen, dann stachen sie wieder hervor, grell geschminkte Fratzen, um sich wieder zu entfremden, sie sah nur noch Hässlichkeit, alles Menschliche war verloren. Ihr Herz begann wieder zu rasen. Nein, es sollte doch schweigen. Hastig kramte sie in ihrer kleinen Handtasche, zerrte am Reißverschluss im Innenfutter, fingerte das kleine Tütchen hervor und schmiss sich schnell die kleine Pille ein.

Sehnsucht

Eigentlich will ich mich doch nur verlieben.
Ist es gut das zu wollen?
Man sollte sich doch selbst genügen. Aber ich bin nicht der Dalai Lama. Ich will geliebt werden.
Ich will nicht mehr alleine einschlafen.
Ich will nicht mehr nur in Büchern davon lesen.
Ich will nicht nur davon träumen.
Ich will nicht mehr darüber hinweg täuschen, dass es mich stört, dass ich Single bin.
Ich will keine lustigen Geschichten über meine Sexeskapaden erzählen.
Ich will das alle anderen Singles mich neidisch anschauen, wenn ich Hand in Hand mit meinem Freund durch die Straßen laufe.
Ich will nicht nur davon träumen.
Tanz in den Sommer.

Sie schritt durch die Tür des Clubs, den Kopf hoch erhoben, sie strahlte. Sie fühlte sich gut. Sie war wunderschön, sie war unwiderstehlich. Wieder zog die Tanzfläche sie an, doch hier war Platz, die Größe gab ihr Kraft, in der Menge verschmolz sie mit der anonymen Masse. Sie tanzte selbstvergessen, die Augen geschlossen. Freiheit hämmerten die Beats in ihren Körper. Die Füße trieben sie an, trugen sie immer höher, ihre Arme wollten den Himmel berühren.
„Hey, stehst du auf Schokolade?“
Sie öffnete ihre Augen, direkt vor ihr, große dunkle Augen, in einem Gesicht, wie aus Milchkaffee gegossen, große sinnliche Lippen, über die blitzschnell eine rosa Zunge leckte. Er war groß, mindestens einen Kopf größer als sie, sie bewunderte seine breiten Schultern, hob ihre Hand und strich über seine muskulösen Arme.
„Ja.“
Er beugte sich zu ihr runter.
„Dann koste.“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Wie ein Blitz durchfuhr sie Leidenschaft. Sein Kuss war... war ein zartes Beben. Ein wirbelnder Sog. Eine Explosion. Sie wollte mehr, wollte dieses Gefühl immer spüren. Er nahm ihre Hand, zog sie hinter sich her, blieb immer wieder stehen, drehte sich um und küsste sie wieder. Wieder tausend kleine Explosionen. Sie gelangten aufs Klo, schoben sich in die kleine Kabine, egal sie wollte ihn spüren, ihn schmecken. Die Klamotten waren im Weg standen zwischen ihr und diesem wunderbaren Gefühl. Er küsste ihre Brüste, prickelnd auf ihrer Haut, sein Kinn kratzte zart an ihren Nippeln, sie stöhnte.
„Hast du ein Kondom?“
„Ne, hast du eins?“
„Nein, auch nicht.“
„Egal, das geht auch ohne, ich zieh ihn vorher raus. Oh mein Gott, du bist so sexy.“
Er umschlang sie wieder, presste sie an sich, küsste sie, sein hartes Glied drückte gegen ihren Bauch.
„Nein, nein, nicht ohne Kondom. Nicht...“
„Ach, komm schon Baby. Ich pass auch auf.“
„Nein, Mann!“
Die dunklen Augen starrten sie an.
„Du hast mich so geil gemacht, dann blas mir einen.“
Ein ungutes Gefühl schlich sich ein. Aber was sollte sie tun, sie war mitgekommen. Sie hatte es gewollt. Sie wollte ihn nicht enttäuschen. Sie sank auf die Knie.
Sein Schwanz war riesig, sie leckte mit ihrer Zunge über die Eichel, wollte spielen. Seine Hand drückte gegen ihren Kopf, sie öffnete ihren Mund, er diktierte ihren Rhythmus. Er stoß tief, ihr Kiefer begann zu schmerzen. Klopfen an der Tür, Rufe. Er wimmelte sie ab und fickte weiter ihren Mund.
„Ja, genau so Baby, nicht aufhören!“
Sie müsste würgen, Tränen stiegen ihr in die Augen, ihre Knie schmerzten. Wann war er endlich fertig? Sie sträubte sich. Nein. Sie stoß seinen Arm weg, sprang auf, drehte sich um und schloss hastig die Tür auf. Sie rannte raus, die Typen starten auf ihre nackten Brüste. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht.
„Scheiße, wo willst du hin, du blöde Schlampe!“ hörte sie ihn noch brüllen.

Verrat

Er hat mich benutzt. Mein Vertrauen, meine Offenheit, meine Naivität missbraucht. Er hat immer die richtigen Worte gefunden. Gesagt, was ich hören wollte, was ich so sehr gebraucht habe. Hat in seitenlangen Briefen seine Gefühle, seine Vergangenheit, seine Seele offenbart und ich habe mich verfangen in seinen Worten, die er wie ein Spinnennetz um mich gewoben hat.
„Vertrau mir.“ hat er gesagt.
„Ich könnte dich nie verletzten.“ hat er gesagt.
„Ich liebe dich.“ hat er gesagt.
Und ich habe mich ganz eng an ihn geschmiegt, wollte in ihn kriechen, mich in ihm auflösen. Endlich nicht mehr allein sein. Geliebt werden.
Ich habe mich ihm hingegeben. Ich durfte schwach sein. Ich durfte klein sein. Ich konnte endlich aufhören zu kämpfen.
Er war stark. Er konnte mich beschützen. Dachte ich. Doch es waren alles Lügen. Sein Name, sein Leben, seine Liebe.
Ich spüre immer noch seine Berührung. Sehe sein Gesicht im Dunkeln neben mir auf dem Kopfkissen. Ich will ihn verbannen, aus meinem Gedächtnis, auslöschen. Die Erinnerung an ihn macht mich krank. Ich fühle mich dreckig. Ich möchte seine Berührungen von mir waschen. Sie sind überall. Seine Hände, seine Lippen. Ich ekele mich vor mir selbst.
Wie konnte ich ihn so nah an mich lassen?
Wie konnte ich es genießen?
Wie konnte ich mich so benutzen lassen?
Die Übelkeit sitzt wie ein Stein in meinem Magen. Ich möchte meine Haut abziehen, mein Inneres nach Außen kehren. Nur nicht mehr dieses Gefühl. Ich ertrage seine Nähe nicht. Auch wenn er schon längst verschwunden ist.

Sie saß auf der Treppe im Hinterhof, neben den großen Müllcontainern und weinte. Kein leises Weinen, sondern lautes Schluchzen, aufgeregt, verschluckend, zitternd. In ihrem Kopf blitzten die Gedanken, rangen miteinander, vergangene und neue, verbanden sich oder brachen gegen einander, unvereinbar.
Sie hörte Schritte, konnte sich aber nicht beruhigen. Konnte es nicht verbergen, wie sie es immer tat und blieb entblößt.
„Elena, bist du das?“
Sie blinzelte durch ihren Tränenschleier und erkannte Chris. Chris, den sie schon seit Monaten mochte, der sie aber nie zu beachten schien. Der auf Partys immer da war, aber nie mit ihr sprach. Dessen Blick sie immer suchte, aber nie fand.
„Geh weg.“ schluchzte sie.
„Hey, was ist denn los?“fragte er, ignorierte ihre Aussage und setzte sich neben sie. Er legte seinen Arm um sie.
„Was ist denn los, Kleines?“
„Ich will nicht drüber reden.“
„Okay, musst du nicht. Ich bleib einfach ein bisschen hier bei dir sitzen.“
Langsam versiegten ihre Tränen, sie kuschelte sich an ihn, sog sein Parfüm ein und wischte sich hastig übers Gesicht.
„Ich will nach Hause.“
Sie zögerte.
„Kannst du mitkommen? Ich will heute nicht allein sein.“
Er schwieg.
„Nur als Freund.“ fügte sie hinzu.
Er nickte.
Sie liefen zur Hauptstraße und schon nach wenigen Minuten hielt ein Taxi und sie stiegen ein. Sie nannte ihre Adresse und blickte aus dem Fenster. Chris ließ ihre Hand die ganze Fahrt über nicht los.
In Eppendorf angekommen, schloss sie die Tür auf und sie stiegen schweigend die Treppen rauf. Die Wohnung war dunkel und leer. John und Tina waren immer noch unterwegs.
„Ist es okay, wenn wir einfach schlafen gehen?“
Wieder nickte Chris nur stumm.
Sie legten sich ins Bett, John in Boxershorts und T-Shirt, Elena in ihrem XXL Nachthemd. Sie löffelten und Elena schmiegte sich eng an Chris. Seine Wärme, seine Ruhe, seine Nähe, sein Geruch waren wie ein schläfriges Netz, dass sich über sie spannte. Er strich ihr über die Hüften, auf und ab, und sie schloss die Augen.
Doch seine Hand blieb nicht an ihrer Hüfte, sie wanderte langsam nach vorne strich über ihren Bauch, wanderte zu ihren Brüsten, zogen sich wieder zurück, bevor sie an ihrem Busen waren. Elena hielt die Luft an. Hör auf. Mach es nicht kaputt.
Die Hand wanderte wieder nach oben, mutiger, streichelten vorsichtig den Ansatz ihres Busens.
Sie war wie gelähmt, konnte sich nicht bewegen, nicht fliehen, mit den Tränen war auch all ihre Kraft aus ihr geflossen.
„Chris... nicht...“ hauchte sie, kaum hörbar, und doch wie ein Trommelwirbel in der Stille.
„Schschsch Elena, alles ist gut.“ flüsterte er in ihr Ohr.
Sein Hand wanderte weiter, strich über ihre Nippel und umkreiste sie. Elena ergab sich. Lies zu wie er sie streichelte, wie er langsam ihren Schlüpfer runter zog, mit den Fingern durch ihr Schamhaar fuhr, und mit einem Finger versuchte einzudringen. Sie war zu trocken. Chris führte seine Hand wieder über ihren Körper hoch zu seinem Mund und spuckte hinein. Er rieb seine Spucke zwischen ihre Schamlippen, zart und vorsichtig, rutschte langsam ein Stück an ihrem Rücken runter, beugte sie nach vorn und drang in sie ein. Mit langsamen Stößen schob er sich immer tiefer in sie, hielt sich an ihrer Hüfte fest und flüsterte Liebkosungen. Sein Rhythmus wurde immer schneller, Elena krallte sich an ihrer Decke fest, drückte sie gegen ihr Gesicht, um ihre stummen Schreie zu ersticken. Er kam in ihr, und als er seinen Schwanz raus zog, lief ein Teil des Spermas über ihren Schenkel. Er küsste sie nochmal auf den Nacken, drehte sich um und schlief ein.
Elena lauschte, bis sein Atem regelmäßig wurde.

Epilog

Es soll zu Ende sein.
Keine Gefühle.
Keine Schmerzen.
Keine Gedanken.
Sie sind doch auch gegangen. Haben mich verlassen und nur der Schmerz blieb.
Ich will wieder frei sein. Ich will wieder lachen, wieder lieben.
Der Tod steht vor mir, strahlend, versprechend.

Sie rannte, rannte aus dem Zimmer, rannte aus der Wohnung, rannte die Treppen hinunter, aus dem Haus. Sie rannte zur Straße, rannte auf sie, und wollte nur noch weg. Sie hörte ein lautes Tönen, drehte sich um und sah nur noch die Scheinwerfer, bevor sie erfasst wurde.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Tschokoori und herzlichen willkommen. :)

Einen langen Einstand hast du da geliefert und ich habe das Gefühl, dass du ziemlich viel Gefühl in diese Kurzgeschichte gepackt hast. Ich erkenne deine Ansätze - was du versucht hast, einzuarbeiten: Ein Stück Anonymität der Großstadt vielleicht? Eben ein Mädchen, das sich modern und unabhängig gibt - und im Grunde aber doch nur ganz altmodisch geliebt werden und schwach sein will; was mich persönlich allerdings enttäuscht, denn solche Frauenfiguren machen auf mich immer den Eindruck, dass man damit nur ein weiteres chauvinistisches Klischée bedienen will. Aber sei's drum - du hast das Klischée drin, und es existiert (leider viel zu häufig).

Seh ich das richtig, dass es deine erste Geschichte hier im Forum ist? Dann vorab: Nicht erschrecken, gleich wird's - erschreckend - ehrlich.
Deine Geschichte hat mir nicht gefallen. Ich musste stellenweise aufhören und mich später zum Weiterlesen zwingen. So, wie sie jetzt ist, ist sie nicht gut.

Inhaltlich war es mir beispielsweise zu plump - nicht nur aus oben genanntem Grund mit der starke-Frau-nach-außen-innen-doch-total-unselbstständig-Kiste. In bestimmten Alter-/Entwicklungsabschnitten gehört das wahrscheinlich auch zum Selbstfindungsprozess und du hast dir Mühe gegeben, es authentisch darzustellen, was dir stellenweise auch gelingt. Es ist kein Thema, das dich als Autor kalt lässt, sondern etwas, das dir nahe steht, das kann man schon sehen anhand des Textes.
Ich habe den Text zu Ende gelesen, denn ich sehe Ansätze, die gut sind. Ich wage zu behaupten, du hast einfach viele Anfängerfehler gemacht bzw. die Fehler desjenigen, der nicht einschätzen kann, wie sein Schreiben auf andere wirkt.
Elena ist am Boden - und bei dem Versuch, irgendwie wieder hochzukommen, macht sie alles nur noch schlimmer. Nichts, was nicht jedem von uns mal passiert wäre - und dass es sich in etwa so abspielt, ist auch gut vorstell- und nachvollziehbar (zumindest für mich).

Deshalb - nachdem ich so "vernichtend" angefangen habe - führe ich gerne aus, was ich im Einzelnen meine, in der Hoffnung, dass du etwas damit anfangen kannst:

Der Aufbau: Denkbar ungeschickt für eine Kurzgeschichte, wenn du mich fragst. Eine Kurzgeschichte sollte knackig sein. Kurz - nicht im Sinne einer bestimmten Seitenzahl, sondern eher im Sinne des Zeitabschnitts, den sie abdeckt. Dazu gehört, dass man sich auf das Wesentliche beschränkt und möglichst in einem Zeitraun bleibt. Persönlich finde ich es auch am schönsten, wenn man linear erzählt (also nicht mit Zeitsprüngen à la: 10 Jahre zuvor, 100 Jahre zuvor), und Prolog und Epilog ... Das ist einfach zu viel.

Zu den kursiven Abschnitten konkret: Das war mir zu viel Pathos, zu viel Drama - zu viel Gerede ohne tatsächlichen Inhalt. Man merkt: Okay, diesem Mädchen geht es schlecht, sie zieht sich zurück, hat Depressionen und möchte in ihrer eigenen Welt leben. Das walzt du blumig aus, bis es einem als Leser zu den Ohren raushängt.
Und der Witz bei der Sache ist: Man erfährt ja nicht einmal wirklich warum!
Erst der vorletzte Abschnitt (oder so) verrät: Da gab es einen Typen, der sie an der Nase herumgeführt und belogen hat - "verraten" wie du schreibst. Das scheint hier der Kern zu sein - der Grund, weshalb Elena sich so ambivalent aufführt. Aber das bleibt alles in der Schwebe, wird nicht konkret.
An und für sich nicht schlimm - so etwas kann funktionieren.
Weshalb es bei dir nicht funktioniert: Der Rest der Geschichte ist zum Großteil echt lahm. Du beschreibst, wie diese drei jungen Menschen Party machen. Bis zu dem Abschnitt, als Elena den Bekannten ihrer Freundin Tina anspricht ("Hab ich dir nicht mal einen geblasen?") passiert nichts Wesentliches. Ich wage sogar zu behaupten, bis zu dem Abschnitt, als sie sich die Pille einwirft, passiert nichts, was nicht irgendwie Entbehrlich wäre oder nur in ein oder zwei Nebensätzen abgehandelt werden könnte.

Dann trifft sie den Mann, dem sie noch einen Blow-job angedeihen lässt und der sie auch mies behandelt, als sie nicht macht, was er sagt - nur um auf den nächsten Typen zu treffen, an den sie sich schmiegt - obwohl der Leser nicht einmal weiß, was für eine Rolle der jetzt spielt, noch scheint er irgendeine Bedeutung zu haben - und sie dann auch so mehr oder weniger gegen ihren Willen vögelt.

Und am Ende fragt man sie: Ja, und?
Ein verkorkstes Mädchen, das mehr eine Art pappkameradiger Prototyp aller Party-machenden Tweenie-Singlefrauen ist. Jetzt nichts, was mich als Leser anspricht oder sie für mich sympathisch oder antipathisch macht. Sprich: Nichts, was sie für mich interessant macht.

Auch stilistisch hakt's an vielen Stellen, du schreibst mal sehr literarisch, dann wieder unpassend umgangssprachlich. Sowas kann man oft vermeiden, wenn man den Text nach dem Schreiben etwas ruhen lässt und ein oder zwei Tage später in Ruhe drüber geht und sich selbst kritisch hinterfragt,

Mit Kommata scheinst du ebenso auf Kriegsfuß zu stehen.

Und Redezeichen-Anwendung geht so:

"Ich komme mit", sagte sie.

"Geh weg!", rief er.

"Hallo", sagte er, "willst du mitkommen?"

Achte am besten mal drauf, wenn du was liest, wie da mit der wörtlichen Rede umgegangen wird bezüglich der Zeichensetzung.

Ich würd mal linear durch den Text gehen um aufzuzeigen, was mir konkret so auffiel:

Seit wann brauchen wir einen Grund???

Mal ein Spruch, den ich neulich von einer Freundin aufgeschnappt habe: Satzzeichen sind keine Rudeltiere! Es ist okay, wenn man drei oder dreitausend Fragezeichen/Ausrufezeichen etc. in seinen WhatsApp-Texten verwendet, aber NICHT in literarischen Werken! Bitte!!! Dass es eine Frage ist, merkt man auch so - und um die eventuelle Nachdrücklichkeit einer Frage zu betonen, kannst du das auch anders.

Elena griff nach ihrem Handy und bestellte ein Taxi für 23 Uhr, um zum Kiez zu fahren.

Für mich war das so das erste Beispiel für unnötige Details. Dass es spät ist, kann man aus dem Text heraus schlussfolgern. Aber ich bin bei sowas auch oft überkritisch ...

„Proooooooost!“
„Taxiiiiiiiii!“

Auch das ist okay in einer SMS; aber in Geschichten reicht es aus, wenn man es schon nicht lassen kann, einen Buchstaben höchstens dreimal hintereinander als lautmalerisches Stilmittel.

Elena stolperte in Richtung ihres Zimmers, um nach ihren grünen Pumps zu suchen. Die passten perfekt zu ihrem knielangen dunkelblauen Kleid, dass in der Taille geschnürt war

Als Frau mache ich mir auch endlos Gedanken darüber, was ich anziehe. Allerdings ist das in dieser Geschichte hier vollkommen nebensächlich, was irgendjemand trägt - das kommt zu seinem späteren Zeitpunkt nie wieder vor, ist absolut unwichtig. In einem Satz: "Sie war knapp bekleidet" etc. - das reicht schon. Welche Farbe oder Schnitt Kleid und Schuhe haben interessiert mich absolut nicht.

Ebenso im Weiteren:

Sie kramte schnell ihren Perso und achtzig Euro aus ihrem Portemonnaie und stopfte alles in die kleine Handtasche, die mehr Accessoire war, als Nutzen hatte.
John, der Hahn im Korb und auch Küken der WG, mit seinen neunzehn Jahren, trug wie immer seine schwarze Wollmütze, die von seinen blonden Dreadlocks ausgebeult wurde. Dazu hatte es heute ein T-Shirt von „Trainspotting“ und eine zerrissene Jeans an seinen Körper geschafft. Seine Augen waren nur halb geöffnet, dank eines letzten Köpfchens aus der Bong. Er schlurfte entspannt zur Tür und nahm seine alte Lederjacke von der Garderobe.
„Oh Gott, oh Gott“ quietschte Tina „ich bin noch gar nicht fertig.“ widersprach sie ihrem perfekt gestylten Äußeren. Sie hatte ihren zierlichen Körper im kurzen Schwarzen verpackt und ihre blonden Haare saßen in einer klassischen Hochsteckfrisur. Wenn sie jetzt noch eine Brille aufsetzten würde, wäre sie die perfekte Chefsekretärin, vor der sich jede Ehefrau fürchtete, dachte Elena.

Das sind alles Sachen, die spielen für den weiteren Verlauf keine Rolle - werden nie wieder erwähnt, haben keinerlei Konsequenzen. Abgesehen davon: Die wenigstens Chefsekretärinnen, die ich kenne, kommen im Kleinen Schwarzen zu Arbeit. :/ Das ist mehr als ein bisschen overdressed und unangebracht für's Büro.
Und Perso: Ein Beispiel für umganggsrachliche Einwürfe in einem Text, der sonst in sehr literarischem Stil gehalten ist. "Personalausweis" passt meiner Meinung nach besser.

Zu John: Die ganze Figur spielt eigentlich keine Rolle für die Geschichte, den hättest du komplett streichen können, keiner hätte es gemerkt.
Ebenso die Szene im Taxi - gut, man merkt, Elena ist aufgedreht, aber das kommt im Folgenden schon deutlich genug heraus, da ist der Disput mit dem Taxifahrer jetzt keine Schlüsselszene.

Wie gesagt: Die Sache mit ihrem ehemaligen Blow-job war die erste Stelle, an der es eigentlich wesentlich und interessant wurde.
Wenn du die Geschichte beispielsweise da beginnen lässt, dann gewinnst du wahnsinnig! Wichtige Tatsachen aus der Vorgeschichte kann man immer mal wieder elegant in einem Nebensatz einfließen lassen, während die Geschichte voranschreitet.

"Elena lachte über ihren Witz mit Tobias. Während der Nachtschichten in den letzten zehn Tagen hatte sie beinahe vergessen, wie schön das Leben sein konnte ..." etc. pp. Sowas in die Richtung ist viel bekömmlicher für den Leser und deinen Stil.

Dann geht's weiter: Sie kommen aus dem Club, der Streit mit der Nutte. Ich finde die Beschreibung der Umgebung passt gut als Gegenpol zur Hektik des Nachtlebens.
Das fand ich zum Beispiel toll:

Draußen beleuchteten die grellen Neonreklamen die Große Freiheit und tauchten die vorbeiziehenden Gesichter in künstliches Licht. Ihre verzerrten Silhouetten spiegelten sich in den Pfützen am Boden. Elena trat in die Pfützen um die Gesichter in bunte Flecken zu verwandeln. Das Sommergewitter hatte die Stadt nur kurz abgekühlt, jetzt kämpfte die Wärme mit den Wassertropfen und fabrizierte eine wattige Luft, gegen die man sich stemmen musste, um voranzukommen.

Allerdings würde ich schreiben "ein" Sommergewitter, denn der bestimmte Artikel "das" impliziert, dass von dem Gewitter vorher schonmal die Rede war. Das Gewitter wird allerdings hier zum ersten Mal erwähnt, oder?

Dann died Auseinandersetzung mit der Dame aus dem horizontalen Gewerbe, wieder zu viel für meinen Geschmack - du betonst plakativ und beinahe krampfhaft, wie streitlustig Elena ist ... Dabei gilt:
Weniger ist mehr.

Nächster Club, nächste Szene - kann man auch radikal abspecken. Warum ist es zum Beispiel wichtig, welches Lied sie wählt, was sie trinkt etc.? Sie dreht total auf - ist dann down, weil die anderen nicht so wollen wie sie ... schmeißt sich was ein.

Diese Stelle fand ich eigentlich schon daneben:

„Hey, stehst du auf Schokolade?“
Sie öffnete ihre Augen, direkt vor ihr, große dunkle Augen, in einem Gesicht, wie aus Milchkaffee gegossen, große sinnliche Lippen, über die blitzschnell eine rosa Zunge leckte. Er war groß, mindestens einen Kopf größer als sie, sie bewunderte seine breiten Schultern, hob ihre Hand und strich über seine muskulösen Arme.
„Ja.“
Er beugte sich zu ihr runter.
„Dann koste.“

"wie aus Milchkaffee gegossen" - klingt wie im schlechten Kitschroman. Dazu der bescheuertste Anmachspruch, den ich mir in einer solchen Situation vorstellen kann.
Ich hör meistens sowieso nicht hin, wenn ich in lauten Clubs/Bars etc. angemacht werde (erstens versteh ich's schlecht, zweitens ist es inhaltlich auch nie der Bringer), deshalb meine ernst gemeinte Frage (auch auf die Gefahr hin, dass ich mich als komplettes Naivchen oute): Bringt jemand solche Sprüche wirklich?
(Und gibt es Weiße, die fragen: "Magst du Vanille?" :P)
Mein Freund ist schwarz, aber ich glaube, hätte er mich mal so angemacht, hätte ich nur die Augen verdreht und wäre gegangen.
Na ja, aber es gibt ja nichts, was es nicht gibt, deshalb bin ich da mal auf deine Antwort gespannt. ;)

Jedenfalls tritt jetzt der nächste Beau in Erscheinung, der seeeehr geheimnisvoll zu sein scheint, oder?

Sie blinzelte durch ihren Tränenschleier und erkannte Chris. Chris, den sie schon seit Monaten mochte, der sie aber nie zu beachten schien. Der auf Partys immer da war, aber nie mit ihr sprach. Dessen Blick sie immer suchte, aber nie fand.

Und warum sucht sie seinen Blick? Da zieht sie durch drei Bars und jetzt tritt Mr. X in Erscheinung ... aus heiterem Himmel. Ja, der obligatorische geheimnisvolle Schwarm, der als Individuum in dieser Geschichte auch keine Funktion hat und davor nie zur Sprache kam oder wichtig war. Und plötzlich scheint er hier ne Hauptrolle zu spielen, als ginge es die ganze Zeit um ihn, nur hast du vergessen, das zu erwähnen oder wie?
Sie steht auf ihn - aus welchen Gründen weiß ich als Leser auch nicht - und er betrügt sie genauso. Kaut auf ihr herum und spuckt sie aus. Wie alle.

Ihre Rolle ist darauf reduziert: Sie ist das Opfer. Agiert auch nicht, macht immer nur mit. Lässt mit sich machen.
An und für sich glaubhaft, denn man kann so am Boden sein. Aber eben: Nicht so breit austreten, diese Tatdache!

Das ist so - wie die kursiv geschrieben Einschübe andeuten - weil ein vorheriger Freund ihr das Blaue vom Himmel versprochen und sie dann hintergangen hat? Ich muss zugeben, ich hab die kursiven Einschübe irgendwann nicht mehr richtig gelesen, das war mir zu viel Pathos.

Er kam in ihr, und als er seinen Schwanz raus zog

Ich persönlich finde ja, im Deutschen gibt es erschreckend wenig schöne Worte für Penis, aber "Schwanz" passt zum literarischen Stil, den du dem Text aufdrücken willst, irgendwie nicht.

Fazit: Da ist ein Mädchen, das total zerstört ist eigentlich. Liebe sucht, nicht findet - von Enttäuschung zu Enttäuschung wankt. Kommt vor, ist tragisch und nimmt einen als Leser auch mit.
Allerdings passiert da so viel in dem Text - und eigentlich doch nichts.
Aber da muss man den Text um einiges abspecken, es auf zwei, höchstens drei, Schlüsselmomente runterbrechen. Und die Einschübe weg!
Pack es als Erinnerungsfetzen in die Geschichte, die in Elena hochkommen, während ein total Fremder sich an die ranmacht - ein Gerucht, ein Anblick, ein Wort, das sie an einen Punkt in der Vergangenheit erinnert, der heute noch Einfluss auf das hat, was sie macht.
Damit klar wird: Irgendwann mal ist ihr also das passiert ... deshalb handelt sie jetzt sie jetzt so und so.
Damit deine Person stimmig wird und ihr Handeln etwas schlüssiger. Auch wenn sie - wie du jetzt anführen kannst - irrational handelt, muss klar sein: Sie tut es nicht um der Irrationalität willen (denn das tut keiner), es ist irgendwo begründet.

Es gab auch noch einiges an Schreib- und Kommafehlern, auch die ich jetzt hier allerdings nicht weiter eingehen möchte (ich denke, ich hab langsam genug gesagt ;)).

So, jetzt hab ich, denke ich, dir erst einmal genug zum Nachdenken gegeben.
Mein Tip: Lass auch nochmal deine Geschichte auf dich wirken und nimm dir genügend Zeit. Lies auch mal ein bisschen hier im Forum rum, ich hab hier von anderen so viel gelernt ...

Viele liebe Grüße
Tell

 

Hallo Tell,
danke für deinen langen Beitrag.
Das war meine erste "Kurzgeschichte" (sehe auch, das sie zu vollgestopft ist), die ich vor ca 3 Jahren geschrieben habe. Jetzt lag sie recht lange nur rum. Aber ich will sie gerne aufarbeiten.
Der Anfang ist definitiv zäh, ich hab es nicht geschafft, schnell einzusteigen, was sich bei einer Kurzgeschichte rächt. Abspecken ist angesagt.
Die Grundidee, war Elenas Innenwelt, depressiv, verloren, einsam, gegen ihre hilflosen Versuche Aufmerksamkeit, Anerkennung und Liebe zu finden, prallen zu lassen. Die kursiven Teile waren als Tagebuch ähnliche Eindrücke gedacht, die dem Leser Elena von einer anderen Seite zeigen.
Inzwischen habe ich auch das Gefühl, dass diese Abschnitte besser wirken werden, wenn sie mehr in die Geschichte eingewoben sind.
Ich wollte beim Leser eine gewisse Antipathie gegenüber Elena erzeugen durch ihr Handeln, aggressiv, unkontrolliert, übertriebenes Selbstbewusstsein, das aber nur ihre Maske ist. Ihr Versuch mit einer alten Verletzung, Einsamkeit und Selbstzweifel umzugehen.
Der Schein trügt und sie zerbricht immer mehr in dieser Nacht.
Du hast mir viele Anregungen gegeben, danke dafür.
Liebe Grüße Tschockoori

 
Zuletzt bearbeitet:

Kein Problem. ;) Vll liegt's daran, dass ich - auch schon drei Jahre her oder so - ne ähnliche Kurzgeschichte geschrieben hab, die an ähnlichen Stellen hakte.
Und wie gesagt: Die "Kernbotschaft" hat viel Potential und du hast das auf "empathischer" Ebene (mit der schwierigsten) nicht schlecht aufgenommen.
So antipathisch fand ich Elena nicht - wie gesagt, sie wirkt noch zu weit weg, um irgendwas zu sagen, hatte ich das Gefühl. Aber wie ich das in meinem Kopf dann für mich "zurechtgelegt" hab, fand ich sie eher "sympathisch" (aber ich mag Menschen, die sonst keiner mag und die, die alle mögen, mag ich meist nicht.)

Aber meine Frage hast du mir noch nicht beantwortet: Ist die "Magst du Schokolade"-Anmache praktisch "nach einer wahren Begebenheit"? ;)

Liebe Grüße
Tell

 

Um deine Frage zu beantworten, Nein, so wurde ich noch nicht angebaggert. Und ich muss gestehen, in meiner Jugend habe ich mehrere Dutzend Kitschromane gelesen, die Sorte mit roten Seiten und gemalten Paaren auf dem Cover. Das hat wohl seine Spuren hinterlassen :D
Wegen Elenas Sympathie, war der Gedanke, das der Leser bei ihre Handlung denkt: "Was geht denn mit der ab, die ist ja völlig abgedreht." und durch die kursiven Teile immer mehr versteht, dass Elena versucht, irgendwie aus ihrer Situation zu fliehen, die sie nicht erträgt. Um ein Hinterfragen des eigenen Vor-/Beurteilens auszulösen.

 

Hallo Maria,
danke für deine Anregungen. Grammatikalisch und stilistisch muss ich noch viel überarbeiten und generell auch ein bisschen abspecken, aber ich denke eine Botschaft, die mein Ziel war konnte ich vermitteln.

Und sie war für meinen Geschmack ziemlich selbstbewusst, so eine starke Persönlichkeit, die ich sogar bewundert habe, bis zu dem Zusammenbruch, der überhaupt nicht zu ihrem Charakter passt und ich plötzlich eine total andere vor mir hatte.

Das Selbstbewusstsein war nur eine Maske, perfektioniert und für andere nicht zu erkennen. Erst durch Alkohol, Drogen und Beleidigungen, wird diese Maske immer weiter gelüftet.
Die inneren Monologe sollten nur kleine Einblicke in Elenas Seele sein, kein eigener Handlungsstrang. Aber ich kann es nachvollziehen, das es auf den Leser so wirkt. Inzwischen denke ich, dass sie besser wirken, wenn sie in die Geschichte eingewoben sind, als Gedankenblitze während der Handlung. Ich wollte eine starke Diskrepanz zwischen der Handlungs-Elena und der Inneren-Monolog-Elena erzeugen, dadurch wirkt Elena aber nicht auf den Leser.
Danke für viele neue Überlegungen.
Liebe Grüße Tschockoori

 

1. Überarbeitete Version, würde gerne eure Meinung hören.


Draußen beleuchteten die grellen Neonreklamen die Große Freiheit und tauchten die vorbeiziehenden Gesichter in künstliches Licht. Ihre verzerrten Silhouetten spiegelten sich in den Pfützen am Boden. Elena trat in die Pfützen um die Gesichter in bunte Flecken zu verwandeln. Ein Sommergewitter hatte die Stadt nur kurz abgekühlt, jetzt kämpfte die Wärme mit den Wassertropfen und fabrizierte eine wattige Luft, gegen die man sich stemmen musste, um voranzukommen. Heute waren es nur wenige Nachtschwärmer, die es auf Hamburgs Straßen getrieben hatte. Elena zog weiter über die Reeperbahn, auf der Suche nach einer Menschenmenge, einer Party, Stimmung. Die Nutten standen gelangweilt über den Hans-Albers-Platz verteilt, unverkennbar mit ihren Bauchtaschen, dem gleichen starren Gesichtsausdruck, mit der immer gleichen Schminke, die Elena wie eine schützende Maske vorkam. Vereinzelt klangen Beats aus den unterschiedlichen Kneipen und hier und da torkelte jemand über die Straße.
An der Ecke ging sie in den Irish Pub. Der kleine Pub war gut gefüllt, eng drängten sich die Menschen aneinander, Gesprächsfetzen stoben durch den Raum und von der Bühne schallten die Versuche der Karaokesänger.
Die Gesichter der Menschen verzerrten sich zu Grimassen. Der blonde Mann neben ihr lachte laut auf, riss seinen Mund auf, wackelte und Elena sah tief in seinen Rachen. Alle schienen ihre Zähne zu fletschen in Gesprächen, ihre Augen weit aufgerissen, starrten sie Elena an. Schnell kam der Drang zu betäuben, zu vergessen, zu vermeiden. Sie wollte nicht an die letzten Wochen denken. Ihre Apathie, die sie an ihr Bett fesselte, umgeben von dreckigem Geschirr und Obst, das langsam verschimmelte. Sie wollte ausbrechen aus der Einsamkeit, die sich in ihr ausgebreitet hatte, wie ein lähmendes Gift. Elena stürmte an die Bar und bestellte sich zwei Drinks.
Sie wollte tanzen, im Gedränge war kein Platz, die Masse gab nicht nach, wenn ihre Hüften sich bewegten. Ihr Blick fiel auf die Bühne, auf den freien Platz und gleich meldete sie sich für das nächste Lied.
Sie sprang auf die Bühne, etwas unbeholfen, aber der Alkohol gab ihr Mut, Übermut. Das Lied begann, sie verpasste den Einsatz, fing sich wieder, fing an zu singen. Doch eigentlich wollte sie tanzen, sie schwang lasziv ihre Hüften, griff sich an die Brüste, strich langsam runter, verschmolz mit dem Lied, sie vergaß die Menge, tanzte, sang für sich. Direkt vor ihr stand ein Typ, der sie fasziniert beobachtete. Sie krallte sich sein Bier, trank einen großen Schluck, kippte den Rest über ihr Dekolleté. Pfiffe, ja, laute Pfiffe, doch auch Buhen.
„Das will doch keiner sehen, du fette Schlampe!“
Sie suchte den Raum ab, doch das Licht blendete. Scham stieg in ihr hoch, ihr Gesicht wurde knallrot. Sie hörte auf zu tanzen, brach das Lied ab, die Flasche in ihrer Hand. Sie umklammerte sie, hielt sich an ihr fest, das Einzige, was sie noch aufrecht hielt.
„Hau von der Bühne ab, Fettkloß!“
Da, da sah sie ihn, wie er seinen Kumpels in die Seite stieß, auf sie zeigte, die Finger zum Mund, pfiff, Grimassen schnitt. Sie ertrug es nicht.
In ihrem Kopf vermischte sich die Gegenwart mit der Vergangenheit, sie lag wieder auf dem Schulhof, um sie ein Kreis von Kindern, die gehässig lachten, auf sie zeigten und immerwieder "Elena, das bist du, eine fette Monsterkuh!" grölten.
In ihrem Bauch zog sich alles zu einem harten, kleinen Ball zusammen, bis er mit einem Mal explodierte.
Die Flasche flog geradewegs auf ihn zu, verfehlte nur knapp seinen Kopf und zerschellte an der Wand. Zucken, Schreie, Gedränge.
Schon zerrten die Security sie von der Bühne, keine Chance, einer packte ihre Beine, der andere unter ihren Schultern, sie wand sich wie ein nasser Sack. Wieder starrten die weit aufgerissenen Augen sie an.
Vor der Tür stand sie zitternd, schlang ihre Arme um sich, drehte sich schnell weg. Weg von den Blicken, dem Geschrei der Security, der Menge. Sie rannte, rannte davon, wollte immer schneller werden, bis sie den Boden kaum noch berührte. Schnell, Dunkelheit, Einsamkeit, Sicherheit. Sie fand eine Gasse, kauerte sich auf den Boden, den Kopf zwischen ihre Beine, wild atmend, das Blut pochte in ihren Ohren. Wem machte sie etwas vor? Niemand mochte sie. Keiner hatte Zeit gehabt, als sie gefragt hatte, ob sie heute abend mitkommen wollten. Keiner hatte bemerkt, dass sie seit zwei Wochen ihr Wohnung nicht verlassen hatte. Minuten vergingen und langsam beruhigte sich ihr Herz.
Elena blickte auf und betrachtete die Menschen, die an der nahen Straße vorbei liefen, geschützt aus dem Dunkel. Immer wieder verschwammen die Gesichter zu grauen Massen, dann stachen sie wieder hervor, grell geschminkte Fratzen, um sich wieder zu entfremden, sie sah nur noch Hässlichkeit, alles Menschliche war verloren. Ihr Herz begann wieder zu rasen. Nein, es sollte doch schweigen. Hastig kramte sie in ihrer Handtasche, zerrte am Reißverschluss im Innenfutter, fingerte das kleine Tütchen hervor und schmiss sich die kleine Pille ein.

Sie schritt durch die Tür des Clubs, den Kopf hoch erhoben, sie strahlte. Sie fühlte sich gut. Sie war wunderschön, Nein, sie war unwiderstehlich. Wieder zog die Tanzfläche sie an, doch hier war Platz, die Größe gab ihr Kraft, in der Menge verschmolz sie mit der anonymen Masse. Sie tanzte selbstvergessen, die Augen geschlossen. Freiheit hämmerten die Beats in ihren Körper. Die Füße trieben sie an, trugen sie immer höher, ihre Finger wollten den Himmel berühren.
Fremde Arme umschlossen sie. Sie öffnete ihre Augen, direkt vor ihr, dunkle Augen, sinnliche Lippen, über die blitzschnell eine rosa Zunge leckte. Er war groß, mindestens einen Kopf größer als sie, sie bewunderte seine breiten Schultern, hob ihre Hand und strich über seinen muskulösen Arm.
Er beugte sich zu ihr runter, sein Gesicht schwebte erwartungsvoll vor ihrem.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Wie ein Blitz durchfuhr sie Leidenschaft. Sein Kuss war ein zartes Beben. Ein wirbelnder Sog. Eine Explosion. Sie wollte mehr, wollte dieses Gefühl immer spüren. Er nahm ihre Hand, zog sie hinter sich her, blieb immer wieder stehen, drehte sich um und küsste sie wieder. Wieder tausend kleine Explosionen. Sie gelangten aufs Klo, schoben sich in die kleine Kabine, egal, sie wollte ihn spüren, ihn schmecken. Die Klamotten waren im Weg, standen zwischen ihr und diesem wunderbaren Gefühl. Er küsste ihre Brüste, prickelnd auf ihrer Haut, sein Kinn kratzte zart an ihren Nippeln, sie stöhnte. Er umschlang sie wieder, presste sie an sich, küsste sie, sein hartes Glied drückte gegen ihren Bauch. Er drückte ihre Schultern Richtung Boden. Es war klar, was er wollte.
Ein ungutes Gefühl schlich sich ein. Aber was sollte sie tun, sie war mitgekommen. Sie hatte es gewollt. Sie wollte ihn nicht enttäuschen. Sie sank auf die Knie.
Sein Penis war riesig, sie leckte mit ihrer Zunge über die Eichel, wollte ihn necken. Seine Hand drückte gegen ihren Kopf, sie öffnete ihren Mund, er diktierte ihren Rhythmus. Er stoß tief, ihr Kiefer begann zu schmerzen. Klopfen an der Tür, Rufe. Er wimmelte sie ab und fickte weiter ihren Mund. Sie müsste würgen, Tränen stiegen ihr in die Augen, ihre Knie schmerzten. Wann war er endlich fertig? Sie sträubte sich. Nein. Sie stoß seinen Arm weg, sprang auf, drehte sich um und schloss hastig die Tür auf. Sie rannte raus, die Typen starten auf ihre nackten Brüste. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht.
„Scheiße, wo willst du hin, du blöde Schlampe!“, hörte sie ihn noch brüllen.

Sie saß auf der Treppe im Hinterhof, neben den großen Müllcontainern und weinte. Kein leises Weinen, sondern lautes Schluchzen, aufgeregt, verschluckend, zitternd. In ihrem Kopf blitzten die Gedanken, rangen miteinander, vergangene und neue, verbanden sich oder brachen gegen einander, unvereinbar. Sie wollte doch nur wieder glücklich sein. Sich verlieben. Aber wer konnte sie schon lieben?
Sie hörte Schritte, konnte sich aber nicht beruhigen. Konnte es nicht verbergen, wie sie es immer tat und blieb entblößt.
Sie blinzelte durch ihren Tränenschleier und erkannte Chris. Chris, den sie schon seit Monaten mochte, der sie aber nie zu beachten schien. Der auf Partys immer da war, aber nie mit ihr sprach. Dessen Blick sie immer suchte, aber nie fand.
„Geh weg“, schluchzte sie.
„Hey, was ist denn los?“, fragte er, ignorierte ihre Aussage und setzte sich neben sie. Er legte seinen Arm um sie.
„Ich will nicht drüber reden.“
„Okay, musst du nicht. Ich bleib einfach ein bisschen hier bei dir sitzen.“
Langsam versiegten ihre Tränen, sie kuschelte sich an ihn, sog seinen Geruch ein und wischte sich hastig übers Gesicht.
„Ich will nach Hause.“
Sie zögerte.
„Kannst du mitkommen? Ich will heute nicht allein sein.“
Er schwieg.
„Nur als Freund“, fügte sie hinzu.
Er nickte.
Sie liefen zur Hauptstraße und schon nach wenigen Minuten hielt ein Taxi und sie stiegen ein. Sie nannte ihre Adresse und blickte aus dem Fenster. Chris ließ ihre Hand die ganze Fahrt über nicht los.
In Altona angekommen, schloss sie die Tür auf und sie stiegen schweigend die Treppen rauf. Die Wohnung war dunkel und leer.
Sie legten sich ins Bett, Chris in Boxershorts und T-Shirt, Elena in ihrem XXL Nachthemd. Sie löffelten und Elena schmiegte sich eng an Chris. Seine Wärme, seine Ruhe, seine Nähe, sein Geruch waren wie ein schläfriges Netz, dass sich über sie spannte. Er strich ihr über die Hüften, auf und ab, und sie schloss die Augen. Endlich war sie nicht mehr allein. Endlich war Chris bei ihr.
Doch seine Hand blieb nicht an ihrer Hüfte, sie wanderte langsam nach vorne strich über ihren Bauch, wanderte zu ihren Brüsten, zogen sich wieder zurück, bevor sie an ihrem Busen waren. Elena hielt die Luft an. Hör auf. Mach es nicht kaputt.
Die Hand wanderte wieder nach oben, mutiger, streichelten vorsichtig den Ansatz ihres Busens.
Sie war wie gelähmt, konnte sich nicht bewegen, nicht fliehen, mit den Tränen war auch all ihre Kraft aus ihr geflossen.
„Chris ... nicht ...“, hauchte sie, kaum hörbar, und doch wie ein Trommelwirbel in der Stille.
„Schschsch Elena, alles ist gut“, flüsterte er in ihr Ohr.
Sein Hand wanderte weiter, strich über ihre Nippel und umkreiste sie. Elena ergab sich. Ließ zu wie er sie streichelte, wie er langsam ihren Schlüpfer runter zog, mit den Fingern durch ihr Schamhaar fuhr, und mit einem Finger versuchte einzudringen. Sie war zu trocken. Chris führte seine Hand wieder über ihren Körper hoch zu seinem Mund und spuckte hinein. Er rieb seine Spucke zwischen ihre Schamlippen, zart und vorsichtig, rutschte langsam ein Stück an ihrem Rücken runter, beugte sie nach vorne und drang in sie ein. Mit langsamen Stößen schob er sich immer tiefer in sie, hielt sich an ihrer Hüfte fest und flüsterte Liebkosungen. Sein Rhythmus wurde immer schneller, Elena krallte sich an ihrer Decke fest, drückte sie gegen ihr Gesicht, um ihre Schreie zu ersticken. Er kam in ihr, und als er seinen Glied raus zog, lief ein Teil des Spermas über ihren Schenkel. Er küsste sie nochmal auf den Nacken, drehte sich um und schlief ein.
Elena lauschte, bis sein Atem regelmäßig wurde.

Sie rannte, rannte aus dem Zimmer, rannte aus der Wohnung, rannte die Treppen hinunter aus dem Haus. Sie rannte zur Straße, rannte auf sie, und wollte nur noch weg. Sie hörte ein lautes Tönen, drehte sich um und sah nur noch die Scheinwerfer, bevor sie erfasst wurde.

 

1. Überarbeitete Version, würde gerne eure Meinung hören.


Draußen beleuchteten die grellen Neonreklamen die Große Freiheit und tauchten die vorbeiziehenden Gesichter in künstliches Licht. Ihre verzerrten Silhouetten spiegelten sich in den Pfützen am Boden. Elena trat in die Pfützen um die Gesichter in bunte Flecken zu verwandeln. Ein Sommergewitter hatte die Stadt nur kurz abgekühlt, jetzt kämpfte die Wärme mit den Wassertropfen und fabrizierte eine wattige Luft, gegen die man sich stemmen musste, um voranzukommen. Heute waren es nur wenige Nachtschwärmer, die es auf Hamburgs Straßen getrieben hatte. Elena zog weiter über die Reeperbahn, auf der Suche nach einer Menschenmenge, einer Party, Stimmung. Die Nutten standen gelangweilt über den Hans-Albers-Platz verteilt, unverkennbar mit ihren Bauchtaschen, dem gleichen starren Gesichtsausdruck, mit der immer gleichen Schminke, die Elena wie eine schützende Maske vorkam. Vereinzelt klangen Beats aus den unterschiedlichen Kneipen und hier und da torkelte jemand über die Straße.
An der Ecke ging sie in den Irish Pub. Der kleine Pub war gut gefüllt, eng drängten sich die Menschen aneinander, Gesprächsfetzen stoben durch den Raum und von der Bühne schallten die Versuche der Karaokesänger.
Die Gesichter der Menschen verzerrten sich zu Grimassen. Der blonde Mann neben ihr lachte laut auf, riss seinen Mund auf, wackelte und Elena sah tief in seinen Rachen. Alle schienen ihre Zähne zu fletschen in Gesprächen, ihre Augen weit aufgerissen, starrten sie Elena an. Schnell kam der Drang zu betäuben, zu vergessen, zu vermeiden. Sie wollte nicht an die letzten Wochen denken. Ihre Apathie, die sie an ihr Bett fesselte, umgeben von dreckigem Geschirr und Obst, das langsam verschimmelte. Sie wollte ausbrechen aus der Einsamkeit, die sich in ihr ausgebreitet hatte, wie ein lähmendes Gift. Elena stürmte an die Bar und bestellte sich zwei Drinks.
Sie wollte tanzen, im Gedränge war kein Platz, die Masse gab nicht nach, wenn ihre Hüften sich bewegten. Ihr Blick fiel auf die Bühne, auf den freien Platz und gleich meldete sie sich für das nächste Lied.
Sie sprang auf die Bühne, etwas unbeholfen, aber der Alkohol gab ihr Mut, Übermut. Das Lied begann, sie verpasste den Einsatz, fing sich wieder, fing an zu singen. Doch eigentlich wollte sie tanzen, sie schwang lasziv ihre Hüften, griff sich an die Brüste, strich langsam runter, verschmolz mit dem Lied, sie vergaß die Menge, tanzte, sang für sich. Direkt vor ihr stand ein Typ, der sie fasziniert beobachtete. Sie krallte sich sein Bier, trank einen großen Schluck, kippte den Rest über ihr Dekolleté. Pfiffe, ja, laute Pfiffe, doch auch Buhen.
„Das will doch keiner sehen, du fette Schlampe!“
Sie suchte den Raum ab, doch das Licht blendete. Scham stieg in ihr hoch, ihr Gesicht wurde knallrot. Sie hörte auf zu tanzen, brach das Lied ab, die Flasche in ihrer Hand. Sie umklammerte sie, hielt sich an ihr fest, das Einzige, was sie noch aufrecht hielt.
„Hau von der Bühne ab, Fettkloß!“
Da, da sah sie ihn, wie er seinen Kumpels in die Seite stieß, auf sie zeigte, die Finger zum Mund, pfiff, Grimassen schnitt. Sie ertrug es nicht.
In ihrem Kopf vermischte sich die Gegenwart mit der Vergangenheit, sie lag wieder auf dem Schulhof, um sie ein Kreis von Kindern, die gehässig lachten, auf sie zeigten und immerwieder "Elena, das bist du, eine fette Monsterkuh!" grölten.
In ihrem Bauch zog sich alles zu einem harten, kleinen Ball zusammen, bis er mit einem Mal explodierte.
Die Flasche flog geradewegs auf ihn zu, verfehlte nur knapp seinen Kopf und zerschellte an der Wand. Zucken, Schreie, Gedränge.
Schon zerrten die Security sie von der Bühne, keine Chance, einer packte ihre Beine, der andere unter ihren Schultern, sie wand sich wie ein nasser Sack. Wieder starrten die weit aufgerissenen Augen sie an.
Vor der Tür stand sie zitternd, schlang ihre Arme um sich, drehte sich schnell weg. Weg von den Blicken, dem Geschrei der Security, der Menge. Sie rannte, rannte davon, wollte immer schneller werden, bis sie den Boden kaum noch berührte. Schnell, Dunkelheit, Einsamkeit, Sicherheit. Sie fand eine Gasse, kauerte sich auf den Boden, den Kopf zwischen ihre Beine, wild atmend, das Blut pochte in ihren Ohren. Wem machte sie etwas vor? Niemand mochte sie. Keiner hatte Zeit gehabt, als sie gefragt hatte, ob sie heute abend mitkommen wollten. Keiner hatte bemerkt, dass sie seit zwei Wochen ihr Wohnung nicht verlassen hatte. Minuten vergingen und langsam beruhigte sich ihr Herz.
Elena blickte auf und betrachtete die Menschen, die an der nahen Straße vorbei liefen, geschützt aus dem Dunkel. Immer wieder verschwammen die Gesichter zu grauen Massen, dann stachen sie wieder hervor, grell geschminkte Fratzen, um sich wieder zu entfremden, sie sah nur noch Hässlichkeit, alles Menschliche war verloren. Ihr Herz begann wieder zu rasen. Nein, es sollte doch schweigen. Hastig kramte sie in ihrer Handtasche, zerrte am Reißverschluss im Innenfutter, fingerte das kleine Tütchen hervor und schmiss sich die kleine Pille ein.

Sie schritt durch die Tür des Clubs, den Kopf hoch erhoben, sie strahlte. Sie fühlte sich gut. Sie war wunderschön, Nein, sie war unwiderstehlich. Wieder zog die Tanzfläche sie an, doch hier war Platz, die Größe gab ihr Kraft, in der Menge verschmolz sie mit der anonymen Masse. Sie tanzte selbstvergessen, die Augen geschlossen. Freiheit hämmerten die Beats in ihren Körper. Die Füße trieben sie an, trugen sie immer höher, ihre Finger wollten den Himmel berühren.
Fremde Arme umschlossen sie. Sie öffnete ihre Augen, direkt vor ihr, dunkle Augen, sinnliche Lippen, über die blitzschnell eine rosa Zunge leckte. Er war groß, mindestens einen Kopf größer als sie, sie bewunderte seine breiten Schultern, hob ihre Hand und strich über seinen muskulösen Arm.
Er beugte sich zu ihr runter, sein Gesicht schwebte erwartungsvoll vor ihrem.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Wie ein Blitz durchfuhr sie Leidenschaft. Sein Kuss war ein zartes Beben. Ein wirbelnder Sog. Eine Explosion. Sie wollte mehr, wollte dieses Gefühl immer spüren. Er nahm ihre Hand, zog sie hinter sich her, blieb immer wieder stehen, drehte sich um und küsste sie wieder. Wieder tausend kleine Explosionen. Sie gelangten aufs Klo, schoben sich in die kleine Kabine, egal, sie wollte ihn spüren, ihn schmecken. Die Klamotten waren im Weg, standen zwischen ihr und diesem wunderbaren Gefühl. Er küsste ihre Brüste, prickelnd auf ihrer Haut, sein Kinn kratzte zart an ihren Nippeln, sie stöhnte. Er umschlang sie wieder, presste sie an sich, küsste sie, sein hartes Glied drückte gegen ihren Bauch. Er drückte ihre Schultern Richtung Boden. Es war klar, was er wollte.
Ein ungutes Gefühl schlich sich ein. Aber was sollte sie tun, sie war mitgekommen. Sie hatte es gewollt. Sie wollte ihn nicht enttäuschen. Sie sank auf die Knie.
Sein Penis war riesig, sie leckte mit ihrer Zunge über die Eichel, wollte ihn necken. Seine Hand drückte gegen ihren Kopf, sie öffnete ihren Mund, er diktierte ihren Rhythmus. Er stoß tief, ihr Kiefer begann zu schmerzen. Klopfen an der Tür, Rufe. Er wimmelte sie ab und fickte weiter ihren Mund. Sie müsste würgen, Tränen stiegen ihr in die Augen, ihre Knie schmerzten. Wann war er endlich fertig? Sie sträubte sich. Nein. Sie stoß seinen Arm weg, sprang auf, drehte sich um und schloss hastig die Tür auf. Sie rannte raus, die Typen starten auf ihre nackten Brüste. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht.
„Scheiße, wo willst du hin, du blöde Schlampe!“, hörte sie ihn noch brüllen.

Sie saß auf der Treppe im Hinterhof, neben den großen Müllcontainern und weinte. Kein leises Weinen, sondern lautes Schluchzen, aufgeregt, verschluckend, zitternd. In ihrem Kopf blitzten die Gedanken, rangen miteinander, vergangene und neue, verbanden sich oder brachen gegen einander, unvereinbar. Sie wollte doch nur wieder glücklich sein. Sich verlieben. Aber wer konnte sie schon lieben?
Sie hörte Schritte, konnte sich aber nicht beruhigen. Konnte es nicht verbergen, wie sie es immer tat und blieb entblößt.
Sie blinzelte durch ihren Tränenschleier und erkannte Chris. Chris, den sie schon seit Monaten mochte, der sie aber nie zu beachten schien. Der auf Partys immer da war, aber nie mit ihr sprach. Dessen Blick sie immer suchte, aber nie fand.
„Geh weg“, schluchzte sie.
„Hey, was ist denn los?“, fragte er, ignorierte ihre Aussage und setzte sich neben sie. Er legte seinen Arm um sie.
„Ich will nicht drüber reden.“
„Okay, musst du nicht. Ich bleib einfach ein bisschen hier bei dir sitzen.“
Langsam versiegten ihre Tränen, sie kuschelte sich an ihn, sog seinen Geruch ein und wischte sich hastig übers Gesicht.
„Ich will nach Hause.“
Sie zögerte.
„Kannst du mitkommen? Ich will heute nicht allein sein.“
Er schwieg.
„Nur als Freund“, fügte sie hinzu.
Er nickte.
Sie liefen zur Hauptstraße und schon nach wenigen Minuten hielt ein Taxi und sie stiegen ein. Sie nannte ihre Adresse und blickte aus dem Fenster. Chris ließ ihre Hand die ganze Fahrt über nicht los.
In Altona angekommen, schloss sie die Tür auf und sie stiegen schweigend die Treppen rauf. Die Wohnung war dunkel und leer.
Sie legten sich ins Bett, Chris in Boxershorts und T-Shirt, Elena in ihrem XXL Nachthemd. Sie löffelten und Elena schmiegte sich eng an Chris. Seine Wärme, seine Ruhe, seine Nähe, sein Geruch waren wie ein schläfriges Netz, dass sich über sie spannte. Er strich ihr über die Hüften, auf und ab, und sie schloss die Augen. Endlich war sie nicht mehr allein. Endlich war Chris bei ihr.
Doch seine Hand blieb nicht an ihrer Hüfte, sie wanderte langsam nach vorne strich über ihren Bauch, wanderte zu ihren Brüsten, zogen sich wieder zurück, bevor sie an ihrem Busen waren. Elena hielt die Luft an. Hör auf. Mach es nicht kaputt.
Die Hand wanderte wieder nach oben, mutiger, streichelten vorsichtig den Ansatz ihres Busens.
Sie war wie gelähmt, konnte sich nicht bewegen, nicht fliehen, mit den Tränen war auch all ihre Kraft aus ihr geflossen.
„Chris ... nicht ...“, hauchte sie, kaum hörbar, und doch wie ein Trommelwirbel in der Stille.
„Schschsch Elena, alles ist gut“, flüsterte er in ihr Ohr.
Sein Hand wanderte weiter, strich über ihre Nippel und umkreiste sie. Elena ergab sich. Ließ zu wie er sie streichelte, wie er langsam ihren Schlüpfer runter zog, mit den Fingern durch ihr Schamhaar fuhr, und mit einem Finger versuchte einzudringen. Sie war zu trocken. Chris führte seine Hand wieder über ihren Körper hoch zu seinem Mund und spuckte hinein. Er rieb seine Spucke zwischen ihre Schamlippen, zart und vorsichtig, rutschte langsam ein Stück an ihrem Rücken runter, beugte sie nach vorne und drang in sie ein. Mit langsamen Stößen schob er sich immer tiefer in sie, hielt sich an ihrer Hüfte fest und flüsterte Liebkosungen. Sein Rhythmus wurde immer schneller, Elena krallte sich an ihrer Decke fest, drückte sie gegen ihr Gesicht, um ihre Schreie zu ersticken. Er kam in ihr, und als er seinen Glied raus zog, lief ein Teil des Spermas über ihren Schenkel. Er küsste sie nochmal auf den Nacken, drehte sich um und schlief ein.
Elena lauschte, bis sein Atem regelmäßig wurde.

Sie rannte, rannte aus dem Zimmer, rannte aus der Wohnung, rannte die Treppen hinunter aus dem Haus. Sie rannte zur Straße, rannte auf sie, und wollte nur noch weg. Sie hörte ein lautes Tönen, drehte sich um und sah nur noch die Scheinwerfer, bevor sie erfasst wurde.

 

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