- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 19
Geschummelt
Es ist Mittagszeit im Kindergarten. Caroline schiebt sich den letzten Löffel Kartoffelbrei in den Mund.
"Ich bin fertig! Gleich kommt meine Oma und holt mich ab!", verkündigt sie stolz am Tisch.
"Geht ihr wieder auf den Weihnachtsmarkt?", möchte Melanie wissen.
"Nö ... wir backen Plätzchen."
"Oooch, gann gibt's orgen Lätzchen. Ingst'e welche mit?", nuschelt Sebastian mit vollem Mund, so dass Kartoffelbrei auf den Tisch spritzt.
"Klar!", antwortet Caroline.
"Prima! Morgen gibt's Weihnachtsplätzchen!", ruft nun Nele lautstark und klatsch in die Hände.
Kurze Zeit später ist Oma da.
Caroline geht in den Vorraum und zieht sich an.
"Soll ich dir helfen?", fragt Oma.
"Das kann ich doch schon alleine!" Mit viel Geduld fädelt Caroline den Reisverschluss ihrer Jacke ein. Zuerst klemmt er ein bisschen, aber dann kann sie ihn mühelos nach oben ziehen. Nur die Schleife an der Mütze, die muss Oma binden.
"Wir müssen aber zuerst noch alles einkaufen!", sagt Oma und verlässt mit Caroline den Kindergarten ...
Zu Hause legt Oma alles auf den Tisch: Butter, Mehl und Zucker, Mandeln, Nüsse und vielerlei mehr. Caroline holt sich flink eine Fußbank, damit sie besser über den Tisch sehen kann. Dann breitet sie ihre Ausstechförmchen aus, legt das kleine Nudelholz dazu und schlüpft in ihre Schürze.Caroline freut sich darauf, denn bei Oma darf sie so richtig kleckern und in der Schüssel manschen. Mama schimpft immer, wenn es in der Küche überall klebt, aber Oma macht das nichts aus.
Oma hat ganz tolle Plätzchenrezepte, aber die verrät sie niemanden, nur Caroline darf dabei zuschauen. Und jedes Jahr kommen ein paar neue dazu. Manche Plätzchen sehen wie richtige Kunstwerke aus und schmecken ganz lecker.
Caroline mag es, wenn es in der Küche nach Vanille und Zimt duftet, dann ist Weihnachten nicht mehr weit.
„Jetzt kann es losgehen!“, sagt sie und reibt sich die Hände.
Oma schiebt sich die Brille auf der Nase zurecht und schlägt ihr verschlissenes Backbuch auf.
„Also, mit was fangen wir an?“
„Mit den Zimtsternen, weil ich die am liebsten mag“, sagt Caroline.
„Du weißt was schmeckt!“, neckt Oma Caroline.
„Klar, aber bei dir schmeckt doch alles!“
„Wenn du meinst, dann kann ja nichts schief gehen!“, sagt Oma und gibt ein wenig Mehl in die Schüssel. Caroline darf den Teig kneten.
Es dauert auch nicht lange, da liegt er ausgerollt auf dem Tisch. Caroline drückt vorsichtig ein Sternförmchen hinein, dann den Mond, den Pilz und aus dem Rest macht sie lauter Tannenbäume.
„Die müssen jetzt alle auf das Blech“, sagt Oma und nimmt die Tannenbäume vom Tisch auf. Auch Caroline versucht es ganz vorsichtig. Die ersten zwei gehen dabei kaputt.
„Das ist nicht so schlimm!“, sagt Oma und bringt sie wieder in Form. Caroline schafft es, die übrigen unbeschadet auf das Blech zu legen. Zufrieden verziert sie die Tannenbäume mit Mandeln, und in die Sterne drückt sie in jede Mitte eine Haselnuss.
Oma ist begeistert. „Das sieht doch ganz hübsch aus.“
„Ich habe Frau Keller versprochen, dass ich ein paar Plätzchen morgen in den Kindergarten mitbringe“, sagt Caroline.
„Naja, da müssen wir uns besonders viel Mühe geben!“, antwortet Oma und schiebt gleich drei Bleche auf einmal in den Ofen.
Da klingelt es an der Tür. Oma wischt sich schnell die Hände ab und geht öffnen. Es ist Frau Blinzler, die Nachbarin von nebenan.
Caroline hat sie schon oft gesehen. Frau Blinzler hat immer so viel zu erzählen, und auch diesmal redet sie wie ein Wasserfall.
So eine Quatschtante, denkt Caroline und versteckt sich hinter der Oma. Es vergehen einige Minuten, aber Frau Blinzler redet munter darauf los, ohne einmal Luft zu holen. Caroline zupft Oma an der Schürze, aber Oma bemerkt sie überhaupt nicht. Sie hat nur Augen und Ohren für Frau Blinzler.
„Oma!“, flüstert Caroline hinter ihr.
„Gleich Caro.“
„Oma!“, sagt Caroline nun ungeduldig.
„Ja doch!“, wehrt Oma Caroline ab. „Bin gleich fertig!“
„Oma, die Plätzchen!“, ruft nun Caroline und zieht Oma heftig an der Schürze.
Oma fährt erschrocken zusammen und greift sich an die Stirn.
„Himmel Herrgott noch mal!“, flucht sie, „die habe ich völlig vergessen!“ Schnell verabschiedet sie sich von Frau Blinzler, schließt die Tür und eilt in die Küche zurück.
Zu spät - die Plätzchen sind nicht mehr zu retten. Als Oma die Ofentür öffnet, quillt grauer Nebel in die Küche. Oma öffnet das Fenster und die dunklen Nebelschwaden weichen der klaren kalten Winterluft.
"Alle verbrannt!", sagt Caroline und blickt traurig auf die schwarzen Tupfen. "Und was nun? Ich habe es aber versprochen! Die lachen mich doch alle aus, wenn ich keine mitbringe!"
Oma zieht vorsichtig die Bleche aus dem Ofen und kratzt die verkohlten Reste ab. Mitleidig schaut sie Caroline dabei an.
"Das tut mir ja furchtbar leid, dass das passiert ist! Es ist ganz allein meine Schuld Schätzchen. Warum mußte ich auch so lange mit Frau Blinzler reden!" Sie ist selbst wütend auf sich. Jetzt hat sie alles vermasselt.
"Nein, du kannst nichts dafür! Alles nur wegen der Quasselstrippe, die hätte auch morgen klingen können."
"Frau Blinzler hat das doch nicht gewußt", verteitigt Oma die Nachbarin.
"Trotzdem!", sagt Caroline trotzig.
Oma setzt sich nachdenklich auf einen Küchenstuhl und schüttelt den Kopf: „Schimpfen hilft uns jetzt auch nicht weiter, und noch einmal von vorn anfangen, dass schaffen wir heute nicht mehr. Aber dein Versprechen musst du ja halten! Uns fällt schon was ein."
"Ja ... aber was Oma?", antwortet Caroline traurig.
Oma schaut zum geöffneten Fenster und denkt nach. Plötzlich hellt sich ihre Mine auf. "Moment mal, ich habe da eine Idee ..."
Schnell laufen sie in die Bäckerei nebenan. Im Regal liegt noch eine letzte verbliebene Tüte Plätzchen. Aber vor Oma und Caroline steht Frau Zenker, und Frau Zenker ist mit ihrem Einkauf noch lange nicht fertig. Caroline blickt ganz fest und angespannt auf das fast leere Regal. Sie lässt die Tüte nicht aus den Augen. Hoffentlich nimmt Frau Zenker sie nicht, dann ist alles verloren. Caroline hält beinah die Luft an, so aufgeregt ist sie.
Frau Zenker kauft ein halbes Bauernbrot, drei Schrippen, ein Päckchen Kaffee und ...
" ... ich nehme noch die Tüte Butterplätzchen!", hört Caroline sie sagen.
Neeiiiin!, möchte Caroline schreien, aber sie bringt keinen Laut heraus. Fassungslos sieht sie zu, wie die Tüte aus dem Regal verschwindet. Frau Zenker stopft alles in ihre große Tasche und reicht das Geld über den Ladentisch. Caroline lässt mutlos den Kopf hängen und der Laden verschwimmt vor ihren Augen. Sollte heute alles schief gehen? Und warum ausgerechnet bei ihr?
Frau Zenker schlurft mitsamt den Plätzchen zur Tür hinaus. Einfach so! Dabei ahnt sie nicht einmal, was sie angerichtet hat.
"Bitteschön!", wendet sich die Verkäuferin an Oma.
Oma stammelt etwas, was Caroline aber nicht mehr hört, so traurig ist sie. Langsam trottet sie zur Ladentür und beschließt, morgen auf keinen Fall in den Kindergarten zu gehen. Nicht ohne die versprochenen Plätzchen!
"Aber natürlich ... warten sie einen Moment, ich bin gleich wieder da!", sagt die Verkäuferin und verschwindet in der Backstube.
Mit einer Stiege voll Butterplätzchen nimmt sie ihren Platz hinter der Theke wieder ein und reicht Oma eine Tüte des duftenden Gebäcks.
"He ... Caroline ... sieh doch mal!", ruft Oma und winkt sie zurück. Caroline strahlt über das ganze Gesicht und nimmt die Plätzchen an sich. „Da haben wir noch einmal Glück gehabt", sagt sie glücklich.
Sie hält sie ganz fest und verlässt mit Oma zufrieden die Bäckerei.
Zu Hause legt Caroline sie alle nebeneinander, und Oma fertigt einen Zuckerguss aus Schokolade an. Caroline taucht eins nach dem anderen hinein und verziert sie mit kleinen bunten Zuckerperlen. Zufrieden schaut sie Oma an und lacht. Das war wirklich eine tolle Idee von dir.“
„Aber nicht verraten!“, sagt Oma und zwinkert Caroline zu.
"Mach ich bestimmt nicht - Ehrenwort!" Dann drückt Caroline Oma einen dicken Kuss auf die Wange.