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Geschichten in Rotwelsch

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26.02.2003
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Geschichten in Rotwelsch

Hallo meine Lieben,

Ich hätte eine Anfrage:

Was haltet Ihr von Geschichten in Rotwelsch? Ich würde gerne eine schreiben, tue mir allerdings mit den Recherchen etwas schwer. Kann mir bitte jemand weiterhelfen?

Mich würde vor allem einmal Eure Meinung zu diesem Thema interessieren.

Dewa mata,

Ryu - ki

 

tue mir allerdings mit den Recherchen etwas schwer. Kann mir bitte jemand weiterhelfen?
Also ich hab das Buch "Die Wiener Gaunersprache" von Peter Wehle - darin geht es allerdings eher nur um die Wiener Variante des Rotwelsch.

Es werden auch im Anhang keine weiteren Bücher zum Thema genannt, nur drin im Buch wird einmal ein Gaunerwörterbuch erwähnt, das vielleicht nicht Wienerisch ist: "Polizeilichen Schutz und Trutz nebst einem Wörterbuch der Diebessprache", von Chr. Rochlitz, 1839 in Erfurt erschienen (mehr steht da leider nicht).

Wenn Du magst, kann ich Dir aber was aus Peter Wehle abtippen und posten oder einscannen und per Mail schicken. Sag mir, was genau Dich interessiert. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Da die Links nicht sehr informativ sind, abgesehen von Wörterbüchern, tipp ich mal einen Ausschnitt von Peter Wehle, der die Geschichte des Rotwelsch allgemein ein bisschen beleuchtet, ab:

»Was ist Rotwelsch?

Mit diesem Begriff ist man von Anfang an konfrontiert, wenn man sich mit Gaunersprachen befaßt. Auch wenn die Ezesgeber elegant gekleidete Anwälte oder unterstandslose Kübelstierer unserer Tage sind: Man muß in die Geschichte hinuntersteigen, tief, um die gaunersprachliche Gegenwart zu begreifen.
Im 13. und 14. Jahrhundert, nach der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit, entstanden in Deutschland große, sehr gut organisierte Räuberbanden, die eine Art Staat im Staate bildeten und sogar eine eigene Gerichtsbarkeit entwickelten. Infolgedessen benötigten diese Banden eine Geheimsprache oder zumindest Geheimwörter, um ihre Tätigkeit vor den Rudimenten der staatlichen Gerichtsbarkeit geheimzuhalten. Aber woher stehlen?

Man mußte die Wörter aus einer gesprochenen Sprache nehmen, denn schreiben und lesen war ja damals fast eine Geheimkunst.
Man konnte aber keine Fremdsprache der Gebildeten nehmen, etwa Latein oder Griechisch, denn gerade den Gebildeten gegenüber wollte man doch unverständlich bleiben, abgesehen davon, daß die Galeristen sicher Grausameres zu tun wußten, als Fremdsprachen zu lernen.
Da bot sich eine Sprache an, mit der die Herumzieher in Berührung kamen: die Sprache der jüdischen fahrenden Händler. Diese Sprache, das Jiddische, war in ihren Anfängen im Getto entstanden und hatte sich in der noch viel stärkeren Isolation der Juden im Osten Europas zu einer Sprache entwickelt, die Deutsch nach wie vor als Grundstock behielt, sich aber durch vorwiegend aramäische, hebräische, slawische Einflüsse und durch die Aufnahme von deutschen Dialekt-Elementen in ihrem Wortschatz erheblich verändert hatte.
Der „Liber vagatorum“, eine der ersten Rotwelsch-Wörterbuchsammlungen, stammt von Martin Luther. Er erschien 1510, und es findet sich darin der Satz: „Es ist freylich solch rottwelsche Sprach von den Juden komen, denn viel ebreischer Wort drynnen sind, wie denn wol mercken werden, die sich auff Ebreisch verstehen.“
Diese Feststellung ist nur zum Teil richtig. Denn aus dem Jiddischen bezogen die Herren Gauner zwar viele ihrer Vokabeln und Redewendungen, aber sie bedienten sich – auch sprachlich –, wie es kam: Sie übernahmen alte deutsche Wörter, die umgebildet worden waren oder deren Bedeutung sich verändert hatte, sie nahmen Wörter aus verschiedenen Fremdsprachen, sie übernahmen Zigeunerwörter, und bei einigen Bildungen kann man heute nicht mehr sagen, woher sie genommen worden sind. Aus diesem Bestand entwickelten sie ihre Geheimsprache, das Rotwelsch.
Das Wort ist zum erstenmal aus der Zeit um 1300 überliefert. Woher es abzuleiten ist, darüber ist sich die Fachwelt nicht einig: Einige behaupten, daß rot selbst ein rotwelsches, ungeklärtes Wort für Bettler ist und die Nebenbedeutung „falsch“ und „untreu“ hat. Andere wieder meinen, daß es von der damals üblichen Praktik der Bettler stammt, sich mit blutähnlichen Farben zu beschmieren, um mehr Mitleid zu erregen, daß es also von dem Farbwort Rot kommt; das müßte dann aber eine sehr unappetitliche Zeit gewesen sein – und das war sie vermutlich auch. In einem Wörterbuch fand ich sogar die Ableitung von dem Wort Rotte, was aber wirklich zu weit hergeholt erscheint. So viel zum ersten Bestandteil des Wortes Rotwelsch.
Welsch ist dagegen bekannt. Von Kauderwelsch oder Kinderwelsch sprechen wir ja noch heute, und wir wissen, woher es kommt: von althochdeutsch walahisk, was so viel wie romanisch, vor allem im Sinne von exotisch, fremd, unverständlich, heißt. Sie werden es nicht glauben, aber auch die Walnuß und der Prince of Wales haben dieselbe sprachliche Wurzel.
Verblüffend ist, daß sich das Rotwelsch bis in unsere Zeit erhalten hat, obwohl es in seinen Anfängen nie aufgeschrieben worden ist. Freilich, in neuer und neuester Zeit gibt es viel Literatur darüber; eines der ersten bedeutenden Fachbücher über das Rotwelsche stammt von dem Lübecker Polizeidirektor namens Friedrich Christian Benedict Avé-Lallemant. Durch Selbststudium wurde er ein tiefgebildeter Judaist, und 1858 bis 1862 gab er ein Werk über das „Gaunerthum“ heraus, das noch immer Gültigkeit hat.
Wie aktuell das Rotwelsch auch heute noch ist, das erhellt die Tatsache, daß 1974 der Schriftsteller Günter Puchner den gelungenen Versuch unternommen hat, Bibelstellen ins Rotwelsche zu übersetzen. Außerdem werden immer wieder Kongresse von Rotwelschexperten abgehalten, sodaß uns sicherlich noch allerhand Neuigkeiten ins Haus stehen werden. Und wer weiß, wie viele Ausdrücke aus dem Rotwelschen der Gegenwart nach und nach in die Hochsprache herüberwandern werden, gleichsam als freundliche Gegengabe. Es gibt ja dafür schon viele Beispiele aus der Vergangenheit – nur merken tut man´s nicht:
Hals- und Beinbruch! – ja, warum wünscht man einem Freund ein gebrochenes Bein? Weil es sich nicht um einen Bruch, sondern um einen Segen handelt: Broche heißt Segen und kommt aus dem Jiddischen.
Eine guten Rutsch ins neue Jahr wünscht man oft zu Silvester und überlegt dabei kaum, daß es keine Neujahrssitte gibt, bei der man rutschen müßte. Kommt auch gar nicht von rutschen, sondern von rotwelsch-jiddisch rosch, was Kopf oder Anfang heißt.
Blau in Verbindungen wie „blauer Montag“, „blau machen“ hat nichts mit der Farbe zu tun. Rotwelsch belo, belau, blau heißt “nichts”, “ohne”. Es gibt freilich auch eine andere Erklärung des Wortes, die besagt, daß es sich um einen Begriff aus der Färberei handle: man färbte Stoffe mit Waid und mußte sie dann 24 Stunden an der Luft liegen lassen. Während dieser Zeit konnte man natürlich nicht arbeiten. Soll mir recht sein. Mir ist die Ableitung aus dem Rotwelschen lieber. Ähnlich geht es mir mit dem Sargnagel als Begriff für die Zigarette. Man kennt scho seit langem, heißt es, im Englischen den coffin-nail, eben den Sarg-Nagel, eine Bezeichnung für jemanden, der einem tödlich auf die Nerven geht. Ich finde aber, es kann doch kein Zufall sein, daß das rotwelsch-jiddische Wort für stinken sarchen lautet. Oder?
Weil gerade von „Broche“ die Rede war: Kennen Sie den schon?
Da kommt ein junger jüdischer Formel-I-Pilot auf Wunsch seiner chassidischen Eltern zu einem alten Rabbi und sagt: „Rabbi, mein Tate wünscht, du sollst sprechen eine Broche über meinen Ferrari.“
Der Rabbi weiß nicht, was ein Ferrari ist, er weiß auch nach der Erklärung nicht, was für einen Segensspruch man über eine solche Rakete sprechen könnte, und er gibt dem Jungen den Rat, sich bei seiner nächsten Amerikareise an einen der reformierten jungen Rabbiner zu wenden, die es dort immer häufiger gibt.
Das geschieht auch, und der junge Rabbiner in Amerika hört sich die Bitte um die Broche für den Ferrari aufmerksam an und sagt dann in bestem Jiddisch: „Ferrari – ich verschtej. Aber wus is Broche?“«


Hier hör ich auf zu tippen, da es ab da nur mehr ums Wienerische Rotwelsch geht. ;)

Alles liebe,
Susi

 

Was haltet Ihr eigentlich von der Idee Geschichten auf Rotwelsch unter KG.de reinzustellen?
Also mich würde es schon interessieren, eine Geschichte auf Rotwelsch zu lesen - allerdings würde ich sie unter die Rubrik "Mundart" posten. ;)

 

@Ryu-ki, was mich noch interessiert: Kennst Du eigentlich Geschichten anderer Autoren in Rotwelsh oder wäre es völlig neu für Dich?

 

Zufällig schreibe ich auch gerade eine solche story - allerdings nur mit den gesprochenen Passagen in Rotwelsch. Ich habe noch einige Links in meinen Favoriten - wenn ich zu Hause bin, schau' ich mal, ob die hier schon gepostet wurden.

Zur Recherche empfehle ich alles zum Thema Mittelalter - am besten über mittelalterliche Städte, und da speziell über Armenviertel und eben Gauner, Banditen, etc. Alles andere wäre recht unautentisch (hinter welches 't' gehört das 'h'?)
Ansonsten lies alles zum Thema Zigeunerleben - natürlich ebenfalls aus den alten Zeiten!

Mir fällt noch ein: Eine gute Zusammenfassung bzw. Einführung über das Rotwelsch findet sich in der letzten oder vorletzten Ausgabe des Nautilus, einer deutschen Fantasyzeitschrift. Sobald ich zu Hause bin, schau ich nach. Das Heft ist nicht teuer, so kannst du es dir nachbestellen, wenn du magst.

 

Hallo,

Ich möchte zuerst auf Häferls Frage eingehen: Nein, das Thema ist für mich relativ neu. Ich beschäftige mich zwar hobbymässig mit Mittelalter, aber dennoch wäre es IMHO ein interessanter Versuch.

@ Falk: Den Tip mit der Zeitschrift Nautilus werde ich mir zu Herzen nehmen. :) Auch wenn man meiner bescheidenen Meinung nach mit dem Wort "Authentiziät" sehr vorsichtig sein sollte. Niemand hat im Mittelalter gelebt und alles was in diese Richtung geht sind mehr oder minder gute Rekonstruktionsversuche.

Ich denke, daß es - wie in jeder anderen Geschichte auch - wichtig ist die richtige Atmosphäre zu schaffen.

Abschliessend möchte ich noch den Aspekt anbringen, daß das Rotwelche Heute noch in diversen Dialekten und Kulturkreisen seinen Platz hat. Dies ergaben zumindest meine bisherigen Recherchen.
Vielen Dank für die biherigen Hinweise und Tips. :)

Dewa mata,

Ryu - ki
(Koro no Ryu)

 

Nicht nur in Dialekten -> "Kohldampf" zB stammt ebenfalls aus dem Rotwelsch.

Es gibt, glaube ich, nur ein überliefertes Wörterbuch, dessen dürftiger Inhalt tatsächlich authentisch genannt werden kann - wenn auch hier nur mit Einschränkung.

Ansonsten mußt du Wörter und Wendungen ohnehin selbst erfinden, weil nichts bekannt ist. Die Rotwelschwörter lassen sich immer irgendwie ableiten - man verwendet etwa charakteristische Laute für zB Berufsbezeichnungen. Dabei muß man allerdings bedenken, daß etwa ein "Zisch" im Mittelalter völlig anders wiedergegeben worden sein mag als heute...

Nun ja, schwere Arbeit ist das. :)

 

daß das Rotwelche Heute noch in diversen Dialekten und Kulturkreisen seinen Platz hat. Dies ergaben zumindest meine bisherigen Recherchen.
Das steht doch auch schon oben in meinem Zitat von Peter Wehle. - Hab ich es etwa umsonst abgetippt? :confused:

 

Servus Ryu-Ki,

als germanistisches "Standardwerk" (was immer das heißen soll...) zum Rotwelsch gilt von L. Günther "Die Deutsche Gaunersprache" von 1919. Das Buch ist vor ein paar Jahren noch einmal als Reprint beim "Reprint-Verlag-Leipzig" erschienen. Zumindest über zvab.com (Internet-Portal der deutschen Antiquariate)oder einer guten Bibliothek sollte es sich kriegen lassen.
Was Grammatik, etc. angeht, so solltest Du Dich evtl. auch mit Jiddisch befassen, daß einen sehr starken Einfluß auf das Rotwelsch in Deutschland gehabt hat.
Ich glaube aber, eine Geschichte mit Rotwelsch-Elementen wäre sicher leichter zu verstehen als eine Geschichte, die komplett in Rotwelsch ist. Geschichten wollen ja gelesen werden, eigentlich reichen ausgewählte Rotwelsch-Wörter in den gesprochenen oder auch in den erzählenden Passagen (v. a. beim Ich-Erzähler) um ein "Rotwelsch-Feeling" zu erzeugen. Insofern finde ich Falks Vorgehensweise besser.

Koryu

PS.: Die Nautilus ist zwar okay als Einstieg, aber insgesamt sind meine Erfahrungen mit den Infos darin nicht soo gut. Die Redaktion dort scheint ein wenig zum Schlampern zu neigen...

 

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