Geschichte von zwei Kühen
Sonntagmittag und noch immer hatte der Bauer den Stall nicht gemistet. Die Kühe wateten durch ihre Exkremente und trotz des ungewöhnlich warmen Wetters zu dieser noch frühen Jahreszeit, waren ihre Mägen in einem beträchtlich leeren Zustand.
Auch wenn das Jahr noch in seinen Kinderschuhen steckte und daher keine besonders warmen Temperaturen zu erwarten waren, fühlten sich die Kühe in ihrem Fell nicht sehr wohl und so begab es sich, dass Carmen und Katie sich auf ihren ungeschickten Beinchen aufmachten, um die große Welt mit den verrückten Präsidenten, verarmten Gesellschaften und den verbotenen Demonstrationen gegen die Ananasreform des verrückten Präsidenten, zu erkunden und zu bestaunen.
Der Ausbruch war keine große Sache. Der Stier Diego, der schon seit Kindeshuf an von Persönlichkeitskomplexen geplagt wurde, hielt sich für einen Schlüsselmacher und konnte so nach weniger als zwanzig Minuten den beiden Damen das Tor in die Freiheit öffnen.
Sie dankten es ihm, indem sie ihm einen Gutschein für einen Dietrich schenkten, der ihm seine zukünftige Schlüsselmacherarbeit deutlich erleichtern sollte.
Nachdem sie sich etwas vom Gehöft entfernt hatten, erblickten sie einen Vogel, der sich auf der Erde wand und versuchte mit seinen momentan sehr gehandicapten, weil ziemlich ramponierten Flügeln in die Lüfte zu erheben um… ja was eigentlich?
„Vogel“? , fragte Katie besorgt, “was ist mit dir? Warum liegst du dort auf dem Boden und windest dich in der Absicht, dich gleich in die himmlischen Lüfte zu erheben?“
Schwer keuchend fragte dieser zurück: “Ihr seid die, die Milch für die verschiedensten Arten von Nahrungszubereitung an die Menschen schenken, um euch bei ihnen einzuschleimen, stimmt ´s?“
Weil Kühe im Allgemeinen, mit einer nur sehr geringen Menge an Geduld gesegnet sind, antwortete Carmen ungeduldig: “Ja wir sind Kühe, aber bitte beantworte doch Katies besorgte Frage. Du machst uns Angst, wie du dich hier auf dem Boden windest!“
„Dieser verdammte mistige Biber!“, röchelte die kleine Schwalbe erbost, “einen Holzpflock hat er auf mich geworfen, weil er meinte, ich hätte ihn geweckt, dabei war das nur mein Mitflieger Rudolf, der wieder an seine Ex-Freundin Erika denken musste und dabei „ihr“ Lied zu zwitschern zu begann. Und dass obwohl sie ihn hinterrücks aus dem Nest geworfen und mit diesem komischen Ulmer Spatz anbandelte. Obwohl er sie verdient hat, so schnell wie er eben abgehauen ist. Andererseits ist es unglaublich was sich die Weibsbilder heutzutage alles einbilden, nur weil sie Maße wie 50, 90, 5 (mm) und wunderbar goldene Federn aufweisen können. Bitte, ich flehe euch zwei wunderbaren, anmutigen, bezaubernden, graziösen, eleganten, beneidenswerten, charmanten…“
„Was denn? Komm endlich zur Sache.“
„Kühe...“
„Das andere.“
„Ach das, ich flehe euch an, rächt meinen Tod, “ und mit seinem letzten Atemzug stieß der kleine Vogel noch hervor: “Bringt diesen verdammten Biber um die Ecke. Er soll verdammt noch mal den Löffel abgeben. Und diese verdammte Erika, nie wieder soll sie es wagen, irgendwen aus dem Nest zu werfen. Ihr versteht schon geht mit ihr zu einem dieser verdammten Therapeuten. Und bitte, bitte verhindert die verdammte Ananasreform.“
Katie erhob sich auf ihre Hinterbeine nahm den rechten Huf zur Brust und schwor bei ihrem frische Milch Gelübde, dem Vogel die letzte Ehre zu erweisen und sei es das verdammt noch mal letzte was sie verdammt noch mal tun sollte.
Carmen tat es ihr nach, bis ihr plötzlich zwei elementare Fragen einfielen: “Sag an Schwalbe, wo finde ich den Biber? Hast du das mit der Ananasreform wirklich ernst gemeint? Womöglich hilft sie doch ein wenig dass Not in der Welt zu lindern. Genau wie Steuerentlastungen, Musikunterricht, Verstärkung der Kontrollierungen an der holländischen Grenze und das einsetzen verrückter Präsidenten.“
Doch für dieses eine Mal blieb der kleine Vogel stumm und gerade als sich die zwei Kühe von ihm abwenden wollten, bemerkte Katie einen kleinen Zettel, den sie sogleich aufhoben. Es war mehr eine Karte als ein gewöhnlicher kleiner Durchschnittszettel.
Auf dieser Karte stand aber zusätzlich zu einer außergewöhnlich genauen Wegbeschreibung noch geschrieben:
Rächt meinen Tod, Zieht jenen zur Verantwortung der mir das Leben nahm. Im Kampf um das Leben ist weder eine von einem verrückten Präsidenten überteuerte Ananas, noch die Liebe wichtig.
Ermordet meinen Mörder.
P.S Verdammt noch mal.
Damit waren beide elementaren unschlüssig gebliebenen Fragen auch beantwortet und die zwei Kühe hatten nichts anderes mehr im Sinn, als den unnützen Tod dieses unnützen Geschöpfes mit dem erneuten unnützen Tod eines genauso unnützen Tieres, wenn man das ökologische Gleichgewicht außer acht lässt, zu rächen.
Der Karte nach musste sich der unglaublich riesige und mit vielerlei Verzierungen ausgestattete Damm keine 200 Meter von ihnen entfernt befinden.
Aber es ging nicht der Karte nach…
Nach genau 300 Metern und vielem Geschimpfe über das Unvermögen der Schwalben, einen Kartenmaßstab richtig anzugeben, erreichten die zwei Milchproduzenten den Damm.
Doch dieser Damm war kein Gewöhnlicher: Hoch in den Wipfeln einer gar riesigen Buche befand sich das Versteck des Bibers und Carmen wurde endlich klar, wie der Biber den Vogel hatte treffen können. Vor ihnen befand sich ein riesiger Holzpflockwurfübungsplatz.
Lange überlegten sie, wie der Baum nun zu besteigen sei, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen.
Sie ließen sich auf dem Gras nieder und betrachteten auf dem Rücken liegend, den für diese Jahreszeit ungewöhnlich blauen Himmel, als plötzlich Carmen aufschrie weil sie sich an den alten Lifta-Treppenlift Werbespot erinnerte. Katie nahm ihr Handy schoss noch schnell ein unscharfes Foto von der Wolke, die Carmen an den Spot erinnert hatte und rief den Lifta-Treppenlift Service an. Siehe da, keine dreißig Sekunden und zwei Minuten und eine Stunde und drei Tage später wurde sie zu der verantwortlichen Serviceperson durchgestellt und bestellte die Xtra-Large Version des Liftes.
Keine zwei Jahre später war der Lift geliefert und noch ein Jahr später war der Treppenlift ordnungsgemäß installiert. Voller Erwartung setzten sich Carmen und Katie auf den wahrlich sehr geräumigen Sessel des Liftes und genossen dem Werbespot gemäß die Fahrt nach oben.
So standen sie zwanzig Minuten später vor der Tür des verdammten Mörders und als ob er sie auch noch verhöhnen wollte, hing eine Ananas an der Tür des Übeltäters. Von der Spannung des Paktes getrieben, stieß Katie die Tür auf.
Was sie aber erblickte, nahm sowohl ihr, als auch Carmen den Atem: Ein völlig vertrockneter, knattriger, alter Biber stand vor ihnen und drohte ihnen gehässig mit seinem Holzpflock.
„Verdammte Raudis! Lungern erst Jahre vor meiner Haustüre rum, lassen mich nicht zum Schlafen kommen und öffnen dann auch noch ohne zu klopfen die Tür. Was wollt ihr hier? Mir, wie diese verdammten Vögel den Schlaf rauben? Mein Geld? Ich hab kein Geld! Ich musste mir die letzten Jahre per Luftpost Pizza liefern lassen. Da hat man kein Geld mehr für verdammte Penner, wie ihr welche seid.“
Entschlossen antwortete Carmen: “Eine Schwalbe hat in ihrem letzten Willen verlangt, dass wir ihren Tod rächen. Und ihren Angaben nach, hast du sie umgebracht! So leid es mir also tut, aber Todespakt ist Todespakt.“
Mit einem irren Blick in den Augen begann der Biber laut kreischend, auf und ab zu rennen, „Todespakt? Ja spinn ich denn? Ihr wollt mich wegen eines verdammten Paktes umbringen? Soll ich euch verrückten Schafen etwas sagen? Ich habe es gern getan. Ich hasste dieses elende Vogelpack. Er hatte es verdient.“
Mit diesen Worten rannte er zum Fenster und sprang ein letztes Mal in den Fluss.
„Und Schafe hasse ich auch, “ kreischte er hysterisch, während er vom Strom verschluckt wurde.