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Geschichte einer Reise
Ich begegnete ihr, als wir noch jung waren auf dem längsten Abschnitt meiner noch viel länger andauernden Odyssee. Sie saß am Wegesrand, erschöpft, allein und ausgezehrt von den Strapazen ihrer eigenen Reise. Ein hübsches Mädchen war sie. Unschuldig sah sie aus und wirkte recht verloren in dieser Gegend. Die Anstrengungen denen ich ausgesetzt war, führten dazu, dass es mich nach einer Pause verlangte. So setzte ich mich neben sie und begann ein Gespräch mit ihr. Wir redeten über unsere Erlebnisse und die damit verbundenen Schwierigkeiten. Am Ende dieser Auszeit, beschlossen wir den Weg zusammen zu gehen. Zumindest für ein Stück. Einige kleine Hügel und Täler weiter, teilte sich der Pfad und wir berieten uns darüber ob wir zusammen weitergehen wollten oder ob es besser wäre, wenn wir uns trennen würden. Ich war schon drauf und dran ihr mitzuteilen dass ich alleine gehen würde, doch sie bedeutete mir, dass uns beide etwas erwarten würde, was unser beider Leben von Grund auf verändern würde. Ich wusste nicht was genau sie mir damit sagen wollte aber irgendwie verband uns etwas, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht beschreiben konnte. Ich wusste nicht ob es Liebe oder eher Mitleid war. Dennoch entschloss ich mich den Weg mit ihr gemeinsam zu bestreiten. Schon kurz darauf, kamen wir an einem kleinen bedeutungslosen Ort vorbei in dem eine kleine Kirche stand. Uns war dort nicht bewusst, dass es der letzte Ort war, an welchem wir für lange Zeit vorbei kommen sollten. Eine Mischung aus unbeschreiblichen Emotionen führte dazu, dass ich diesem Mädchen die Frage aller Fragen stellte. Wir heirateten. Zu meiner Überraschung brachte sie kurz darauf ein Kind zur Welt. Nun wusste ich, was sie gemeint hatte als sie mir sagte, dass wir etwas erwarteten, was unser beider Leben ändern würde. Nun war ich, neben mir selbst, für zwei weitere Seelen verantwortlich. Der Weg, der sich vor uns ausbreitete, wurde zunehmend anstrengender. Das Land zog an uns vorbei, Landschaften änderten sich und Hügel und Täler nahmen an Zahl und Höhe zu. Es gab Passagen, die steinig waren. Sumpflandschaften rundeten das Gesamtbild der sich verändernden Natur ab. Hin und wieder schien jedoch die Sonne und es gab angenehmere Abschnitte. Doch eines Tages, als wir einen Wald hinter uns ließen, dessen Durchquerung mich endlich an meine körperliche Leistungsfähigkeit brachte, erreichten wir einen recht breiten Fluss mit reißender Strömung. Dort, an seinem Ufer, entschlossen wir uns, notgedrungener Weise, eine Pause einzulegen. In dem vorher durchlaufenen Wald nämlich, brach ich mir das Bein weil Mädchen und Kind schon vor geraumer Zeit in ihrer Erschöpfung klein beigaben und ich beide über eine größere Distanz tragen musste. Eine Schiene und reichlich Schmerzmittel halfen mir dabei. Als wir das Ufer erreicht hatten, konnte ich nicht mehr. Ich stand der totalen Kraftlosigkeit gegenüber. Doch mein Pflichtgefühl befahl mir, mich zusammen zu nehmen, wie man es von mir auch erwartete, und meine letzte noch verbliebene Kraft zu mobilisieren um beide sicher an das andere Ufer zu geleiten. Die Entscheidung stand. Ein Mann, ein Wort. Ich nahm beide auf, obwohl sie zu schwer für meine Arme waren und begab mich ins Wasser. Das Bein schmerzte stark. Die Steine waren rutschig und fast hätte ich den Halt verloren. Als ich nah am gegenüberliegenden Ufer war, setzte ich sie beide mit schwindenden Kräften ab. Die Strömung war nun zu stark für mich. Ich verlor den Halt unter meinen Beinen. Doch konnte ich mich an der herausragenden Wurzel eines alten, morschen Baumes festhalten. Ich trug sie beide so weit wie ich eben konnte. Mit einem letzten Blick auf meine geliebte Frau und Tochter sah ich meinem verzweifeltem Schicksal entgegen.