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Geschenk zum Jahrestag
"Wie schön, dass du da bist," rief sie erfreut und öffnete Paul die Türe. Er umarmte Claudia und schwenkte lächelnd mit einer Flasche Dom Perignon. Du hast es nicht vergessen? "Wie könnte ich," erwiderte er.
Heute vor drei Jahren hatten sie sich in einer völlig überfüllten New Yorker U-Bahn kennengelernt. Claudia hatte Paul beim aussteigen versehentlich angerempelt, dabei wurde seine Brille von der U-Bahn überrollt. Claudia war dies höchst unangenehm und sie bot sich sofort an die Kosten für eine Neue zu übernehmen. "Nicht nötig," erwiderte Paul und zog entspannt seine Ersatzbrille aus der Aktentasche.
Erst jetzt fiel ihm auf wie attraktiv Claudia eigentlich war und auch Claudia fand Paul auf anhieb sympathisch. "Meine U-Bahn ist weg. Lust auf einen Drink?" Claudia nickte. Sie war etwas aufgeregt, seit sie sich von ihrem Mann Jack vor zwei Jahren getrennt hatte war sie nicht mehr auf ein Date gegangen, zu viel war in den letzten Jahren ihrer Ehe vorgefallen.
Als sie aus der Station kamen, regnete es. Paul öffnete zuvorkommend seinen Schirm und Claudia zögerte einen Moment bevor sie sich bei ihm einhakte. "Es ist nicht weit, nur ein paar Meter," beruhigte er sie. Claudia kannte die Gegend, gelegentlich ging sie hier mit ein paar Kollegen noch auf einen Feierabenddrink.
Paul schüttelte den Schirm ab und öffnete die Tür. Claudia gefiel das Ambiente. Die Sitzgruppen waren aus rotem Samt, an den Wänden hingen zahlreiche handsignierte Schwarz-Weiß Aufnahmen von Jazzikonen und aus den Lautsprechern ertönte "Time After Time" von Miles Davis.
"Gefällt es dir," fragte er Claudia, sie nickte. "Was möchtest du trinken?" Claudia studierte einen Moment die Karte und entschied sich für einen Dom Perignon, davon bekam sie gute Laune und keine Kopfschmerzen am nächsten Morgen. Der Kellner brachte die Drinks und zündete die Kerze an, es knisterte.
Nach diesem Treffen kamen sich die beiden schnell näher. Claudia liebte Pauls überlegene, zuvorkommende Art und er ihre unermüdliche Energie und Lebensfreude. Sie hatten sich dazu entschlossen ihre gewohnten Wohnsitze zu behalten, somit hatten sie mehr Abwechslung. Claudia lebte in einem ruhigen Stadtteil von Long Island und Paul bewohnte ein Loft im Zentrum von Manhattan.
"Hast du Hunger," fragte Claudia. "Wie verrückt, antwortete Paul und biss ihr spielerisch in die Schulter. Sie lachte und zog ihn hinter sich in die Küche. "Wow, da hast du dich aber richtig ins Zeug gelegt." Sie lächelte ihn an und drückte ihm einen Teller in die Hand - "Selbstbedienung!" Paul ordnete die Tappas sorgfältig auf seinem Teller an. "Nehmen wir das Essen mit an den Pool," Paul nickte.
Der Mond stand in voller Blüte, das Lichtspiel im Wasser hatte etwas hypnotisches, fast wie ein Kaleidoskop warf es unterschiedliche Muster mit der sich brechenden indirekten Beleuchtung. Sie streiften ihre Kleider ab und ließen sich ins Wasser gleiten. "Noch Champagner?" Paul nickte und umarmte Claudia fest von hinten als die die Gläser füllte. Zärtlich küsste er ihren Nacken.
Plötzlich hörten sie Lärm aus der Küche, ein Glas fiel zu Boden. Claudia zuckte auf. Paul deutete ihr still zu bleiben und stieg lautlos aus dem Pool. Er nahm die Champagner Flasche und schlich vorsichtig in Richtung Küche. Claudia fror, sie hatte Gänsehaut am ganzen Körper, doch sie traute sich nicht sich zu bewegen. Paul war nun an der Terrassentür angekommen, mit einem Satz verschwand er im Haus. Sie hörte einen Teller zerbrechen und zuckte auf.
"Ich hab ihn," rief Paul und streckte den Kopf in den Garten. Er grinste als er Claudia den Störenfried präsentierte. Shakespeare, ihr Kater. Noch etwas benommen kam sie aus dem Pool und streifte sich den Bademantel über. "Weißt du was du uns für einen Schrecken eingejagt hast?" Shakespeare blickte sie treuherzig an und fing an zu schnurren. Die beiden lachten.
Ich mach mich kurz frisch, es ist kalt geworden. Okay, dann ziehe ich noch ein paar bahnen und komme dann hoch. Er gab Claudia einen Kuß auf die Stirn. Claudia drehte die Dusche an und spürte das warme Wasser auf ihrem Körper, sie entspannte sich. Plötzlich ging das licht aus. "Paul!" "Paul bist du da?" Keine Antwort. Langsam tastete sie sich aus der Dusche und zog hastig den Bademantell über. "Paul?" Sie öffnete die Türe. "Paul wo bist du?"
Das Haus war stockfinster. Panik stieg in ihr auf. Plötzlich jörte sie die Türe ins Schloss fallen. "Paul, wenn das ein Scherz ist, dann hör bitte auf damit!" Langsam tastete sich die Treppen hinunter in die Küche, sie öffnete die Schublade und zog ein Messer heraus. Der Pool war noch beleuchtet, die reflektierenden Schatten wirkten nun furchteinflößend. Fest umklammerte sie das Messer und lief langsam Richtung Wasser.
Was sie dort sah trieb ihr Tränen in die Augen, Shakespeare schwamm leblos am Beckenrand, um seinen Hals hing eine Geschenkbox. Sie schrie auf, unter Tränen holte sie ihren Kater aus dem Wasser und öffnete die in goldenes Geschenkpapier gewickelte Box. Darin fand sie eine Schatulle in dem eine diamantenbesetzter Verlobungsring steckte in den Claudia und Paul eingraviert war. Auf einer kleinen Karte stand "Alles Gute zu deiner Verlobung meine Schöne - dein Jack!" Sie ließ die Schachtel fallen und sank zu Boden.
Als die Polizei kam war sie noch wie benommen, alles erschien ihr wie ein schlechter Traum. Sie wußte nicht wo Paul war, man fand keine Spur von ihm und auch nicht von Jack. Kurze Zeit später zog Claudia zu ihrem Bruder nach Europa, um dort ein neues Leben anzufangen. Was aber an diesem Abend wirklich geschah sollte sie nie erfahren und nie vergessen.