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Thema des Monats Geschenk des Himmels

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26.09.2006
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Geschenk des Himmels

Sie kommen immer Nachts, zuckte es durch Pater Vauemonds Verstand als er mit schwitzenden Fingern seinen Morgenmantel zuschnürte und den Türriegel zurückschob.
„Sie wünschen?“, fragte er, obwohl er die Antwort längst kannte.
Zwei schwarze Uniformen. In der ersten steckte ein kleiner, kahler Mann, in der zweiten ein schwarzhaariger Durchschnittstyp, der ihn zwar ansah, aber dessen Blick irgendwie durch ihn durchzugehen schien. An ihren Hüften lauerten zwei bösartig aussehende Taser auf ihren Einsatz. Der Glatzkopf hielt ihm eine Holokarte vor die Nase.
„Inspektor Stern und Kowalski. Bundesamt für Realitätsschutz. Guten Abend Herr Vauemond.“
„Abend?“, krächzte der Priester. „Wissen Sie, wie spät es ist?“
„Die Augen des Gesetzes schlafen nicht, das hat ihnen doch bestimmt schon einmal jemand gesagt“, sagte Stern und seine Mundwinkel wanderten ein Stück nach oben, ohne das man das Resultat ein Lächeln nennen konnte. „Wir dürfen doch reinkommen?“
Sie dürfen sich ins Knie ficken, derHerrvergebemir!
„Aber sicher doch.“, murmelte er.
Schweigend führte der Priester die Beamten durch seinen Flur. Ein schnelles Klacken hinter ihm verriet, dass Stern mit einem Finger die Buchrücken seines Wandregals entlagfuhr.
„Sie interessieren sich für das Okkulte? Ist das nicht unchristlich, Pater?“
„Sektenberatungsstellen wachsen nicht aus dem Boden. Um dem Herrn zu dienen muss man denen helfen, die sich von ihm abgewandt haben.“
„Sehr lobenswert.“
„Ja“, knurrte Vauemond, in dessen mentaler Warteschlange sich der Ärger langsam vor die Angst drängelte. „Entschuldigen Sie übrigens die schlechte Beleuchtung. Stromrationierung, Sie wissen ja.“
Er öffnete die Wohnzimmertür und breitete seine dünnen Armen aus.
„Also. Wollen sie sich setzten? Eine Tasse Tee? Ein paar Butterkekse?“
„Nein“, sagte Stern und kratzte sich an der Glatze. „Aber Sie könnten sich bitte hinsetzen.“
Vauemond sah die beiden an, dann zuckte er die Schultern und ließ sich in seinen Lieblingssessel fallen. Wenn Stern Spielchen spielen wollte, konnte er das haben.
„Ihr Partner sagt nicht allzu viel“, meinte er und deutete auf den schweigenden Kowalski.
„Er hat andere Qualitäten.“
Der Priester nickte. So teilnahmslos dieser Kowalski von außen wirkte …
Augen des Gesetzes… So ist das also.
Vauemonds Hoffnungen verflüchtigten sich. Das Drehbuch zu dieser Schmierenkomödie hatte das BRS anscheinend schon lange geschrieben.
„Pater, ich glaube, Sie waren vorhin nicht ganz ehrlich zu mir.“
„Ihnen macht das auch noch Spaß, nicht war?“
„Ich diene meinem Land und der Allgemeinheit in diesen unruhigen Zeiten, Pater. Während Sie sich höchst unchristlichen Praktiken zugewandt haben.“
Vauemonds Finger krampften sich um die Sessellehnen.
„Das ist Verleumdung, das wissen Sie! Ich habe meine Rechte als Bürger und werde jetzt einen Anwalt…“
Er machte Anstalten aufzustehen, aber der immer noch stumme Kowalski baute sich drohend vor dem Sessel auf.
Er sieht dich! Er kann dich sehen!
Stern schnalzte mit der Zunge. „Geben Sie sich keine Mühe, ihr Telefonanschluss ist sowieso gesperrt.“ Er zog einen PDA aus der Tasche, klappte ihn auf und hielt ihn dem Sitzenden entgegen. Eine Liste scrollte über den Bildschirm. „Wir haben über zwanzig Aussagen von dankbaren Mitgliedern ihrer Gemeinde über sogenannte… Wunder. Die arme alte Frau Hessing und ihr Rheuma. Der angefahrene Hund des kleinen Thomas. Die ach so glückliche Familie Selbrook, deren Tochter aus dem Griff jugendlicher Satanisten in den Schoß ihrer Eltern zurückkehrte.“
Stern schob sein Gesicht näher an das des Priesters. Seine Glatze glänzte im Schein der Wohnzimmerlampe.
„Sagen Sie Pater, schämen Sie sich eigentlich nicht? Das sind vierundzwanzig Verstöße gegen das Bundesgesetz für Realitätsschutz. Vierundzwanzig direkte Angriffe auf die Integrität des Raum-Zeit-Kontinuums.“
Vauemonds Kopf sank gegen die Polsterlehne.
„Wissen Sie überhaupt, was Sie da reden?“, zischte er. „Es ist ein Geschenk Gottes! Eine Gabe!“
Der Inspektor schüttelte fast mitleidig den Kopf.
„Nein. Ein Gott hat damit nicht das geringste zu tun. Das Ihre eigene Kirche hat das auf dem Florentinischen Konzil beschlossen.“
„Unter dem Druck sogenannter Friedenstruppen! Ignoranten wie Ihnen und Ihrer Möchtegern-SS!“ Der Priester schrie jetzt fast. Die Luft um ihn herum schien zu flimmern wie an einem heißen Tag. Stern runzelte die Stirn und trat einen Schritt zurück.
„Es ist eine Gesetzeswidrigkeit und mehr zählt hier nicht.“ Erneut tippte er auf seinem PDA und warf dann die rechtliche Gebetsmühle an.
„Pater Richard Clemens Vauemond, ich habe hier einen richterlichen Beschluss. Aufgrund bestehender Verdachtsmomente müssen wir Sie einem Scanning auf existenzielle energetische Makroanomalien unterziehen. Sollte das SEEM positiv ausfallen, werden Sie mit sofortiger Wirkung als Gefahr für die Allgemeinheit eingestuft und verlieren sämtliche Bürgerrechte.“
Und du verlierst gleich viel mehr, du gefühlloser Bastard. VaterunserderdubistimHimmel…
Der kleine Mann zog ein Glasfaserkabel aus seinem PDA und führte es zum Hals seines Partners. Etwas klickte. „Kowalski“, sagte Stern. „Scannen Sie ihn.“
Ein Schauer durchlief den größeren Mann. Kowalskis Blick wurde… schärfer, stechender. Seine Augen begannen sich zu verfärbten, sie wurden rot, leuchtend rot. Über seiner rechten Pupille flackerten die Daten eines Kontaktdisplays.
„Dämon!“, keuchte Vauemond und wand sich in seinem Sessel. „Weiche von mir!“
„Wehren Sie sich nicht, Pater“, sagte Stern stoisch und studierte seinen kleinen Bildschirm. „Man hat mir gesagt, dass es dann schneller geht.“
„Stern!“, kreischte der Priester. „Sie Monster! Was habt Ihr mit ihm gemacht?“
Der Inspektor sah auf und auf einmal sah seine Miene aus als hätte er niemals Spaß an der Sache gehabt. Seine Lippen bewegten sich nicht, aber Vauemond hörte die Antwort trotzdem. Stern wusste es nicht, und es interessierte ihn auch nicht. In diesem Kahlschädel befand sich nichts als Verachtung. Hass auf ihn, Hass auf Kowalski, sogar Hass auf die eigene Arbeit.
In Vauemonds Schädel knirschte es wie bei einem Gletscherabbruch. Kowalskis roter Blick kochte sein Inneres, nahm es methodisch auseinander, filetierte es, analysierte es.
Dämonen, Monster, der Herr wird euch richten, DER HERR WIRD EUCH RICHTEN!
Der Verstand des Priesters schwappte über den Rand. Das überraschte Keuchen aus Sterns Richtung nahm er fast gar mehr nicht wahr. Er starrte auf seine Hände, an denen sich die Adern als hellblaue Lichtlinien abzeichneten. Funken stoben von seinen Fingern.
Sterns PDA stieß ein warnendes Piepen aus. Der Inspektor ließ das Gerät fallen und griff hektisch an seine Hüfte, aber bevor er den Taser auch nur berühren konnte, erstarrte er mit einem erstickenden Laut auf den Lippen. Vor Vauemonds Augen flimmerte Schmerz, aber trotzdem erkannte er deutlich die Umrisse der blau-silbernen Nadeln, die er gerade in Sterns Luftröhre gerammt hatte. Ein irres Grinsen trat auf sein Gesicht als er die Hand hob, die sich anfühlte, als müsste das Fleisch jeden Moment servierfertig von seinen Knochen fallen.
Mit einer geübten Bewegung schlug er ein Kreuz.
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Und direkt vor ihm zerfiel Inspektor Stern in vier Teile.
Der Priester wandte sich Kowalski zu, gerade noch rechtzeitig, um in die Mündung eines Tasers zu sehen. Dann schickte die reinigende Kraft mehrerer Zehntausend Volt Pater Vauemond ins Reich der Träume.

* * *​

„Wieviel? Sagen Sie mir das noch einmal, Mauser!“
Schubert schielte missmutig auf die vor ihr liegende Akte.
„Zeitausendvierhundert, Frau Direktor. Das war zumindest der letzte SEEM-Wert, den Sterns PDA aufgezeichnet hat.“
Die Direktorin trommelte mit den Fingern auf seinem Schreibtisch. Wenn das harte Holzimitat zu Abnutzungserscheinungen fähig gewesen wäre, hätte sich dort schon eine ansehnliche Reihe von Dellen befunden.
„Zweitausendvierhundert Copperfield. Wie konnte dieser Kerl so lange unentdeckt bleiben? Und wer zum Teufel hat ein Zweierteam zu ihm geschickt?“
Der junge Beamte auf der falschen Seite des Tisches fing wie auf Kommando an zu schwitzen. Schubert grunzte und als Mauser zu einer Erklärung ansetzte, hob sie abwehrend die Hand.
„Ich will es gar nicht wissen! Wenn der getötete Inspektor eine Familie haben sollte, schreiben Sie die Briefe! Und wenn so etwas noch mal vorkommen sollte…“ sie wedelte mit den Fingern „…ach, suchen Sie sich einfach etwas Schlimmes aus, ich werde es wahr werden lassen. Und jetzt raus!“
Nachdem Mauser, überrascht, das sein Kopf noch auf seinen Schultern ruhte, die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog Schubert den Stoß Papier näher an sich heran und blätterte darin.
„Typisch“, grummelte sie und tippte auf das Fon-Feld seines Schreibtisches. „Jaqueline? Verbinden Sie mich mit dem VO! … Das interessiert mich nicht! Sagen Sie ihm, wenn er sich nicht meldet, schwärze ich ihn beim Sicherheitsminister oder dem Generalkanzler persönlich an. Also los!“
Der Tisch fuhr einen Flachbildschirm aus, auf dem sich ein Eisernes Kreuz vor schwarz-rot-goldenem Hintergrund drehte. Nach wenigen Sekunden wurde es durch das kantige und überaus mies gelaunte Gesicht von Major Krackmann, dem Verbindungsoffizier zur Berliner Militärregierung, ersetzt.
„Direktorin Schubert! Sie haben mich soeben aus einer äußerst wichtigen Konferenz im Energieministerium geholt, die…“
„Kommen Sie Krackmann“, unterbrach sie ihn grob. „Wenn sie einen Wettbewerb darum veranstalten wollen, wer hier die schlechtere Laune hat, dann gewinne ich. Das ist das dritte Mal, dass ihre famose Zombie-Programmierung versagt hat! Einer meiner Männer ist draufgegangen, weil sein Partner zu spät eingegriffen hat.“
Krackmann legte seine Stirn in militärisch korrekte Falten.
„Welcher Typ?“
„Ein Scanner-Medium. Eintausendsechshundert Copperfield.“
„Bei dieser Stärke kann man ihnen nicht mehr viel Eigeninitiative lassen. Die Programmierung ist schließlich primär für die Truppe entwickelt worden.“
Typisch, dachte die Direktorin. Kaum ist die Bundeswehr an der Regierung, hat sich jeder an ihre Standards zu halten, egal wie wenig Sinn das auch ergeben mag. Militärs! Wenn sie Europa nicht vor dem totalen Chaos bewahrt hätten…
„Dann lassen Sie sich für das BRS eben etwas neues einfallen! Ach ja, und sie wissen, dass der Sicherheitsminister ein früherer Parteifreund von mir ist?“, warf er ein, als er sah, dass sein Gesprächspartner zum Widersprechen ansetzte. Schubert brauchte keine medialen Fähigkeiten, um zu erraten, was der Major gerade dachte.
Bürokraten! Wenn wir sie nicht so dringend brauchen würden… Oder etwas in der Art.
„Das lässt sich einrichten“, knirschte Krackmann. „Wäre das dann alles, Direktor?“
Schubert grinste zufrieden.
„Das wäre alles, Major. Aber achten sie darauf, dass ihre Laune nicht auf den Energieminister abfärbt. Wo doch das Mannheim-Projekt gerade so gut läuft und man hört, dass die Rationierung aufgehoben wird.“
Und als ob er vom Teufel gesprochen hätte, fand sich keine halbe Stunde später in ihrem Postkasten eine E-Mail von Dr. Hollerberg. Schubert tippte eine interne Nummer in ihr Fon-Feld.
„Mauser! Machen sie sich nützlich und bereiten sie einen Transport vor.“

* * *​

„Haben Sie sich eigentlich jemals Gedanken darüber gemacht, was eigentlich mit der Welt geschieht?“
„Was soll mit der Welt geschehen? Sie ist dabei komplett verrückt zu werden.“
Mausers jugendliche Hingabe begann ernsthafte Risse zu zeigen. Nicht nur, dass ihn die Eiserne Lady mit diesem Job praktisch zum Botenjungen degradiert hatte, nein, er musste sich auch noch von diesem modrigen Tattergreis zuhören.
„Verrückt, ja das trifft es ziemlich gut“, plapperte Dr. Amsedel munter weiter. „Aber habe Sie sich niemals nach dem Grund gefragt? Wir haben viele Namen dafür: Wunder, Magie, EEMs… Vor sechs Jahren war es auf einmal da. Aber was ist es? Und was ist der Ursprung?“
Der bebrillte Wissenschaftler gestikulierte vor der Windschutzscheibe und machte es Mauser zunehmend schwerer, sich auf die Straße zu konzentrieren.
„Manche Leute behaupten es wäre das Erwachen uralter Kräfte und rechnen in Kalendern mit mehr Punkten als Zahlen rum. Einige Astronomen faseln etwas von einem unbekannten Stahlungsfeld, dass unser Sonnensystem durchquert, aber keiner kann das beweisen. Meine persönliche Lieblingstheorie bezieht sich auf die Fehlfunktion eines amerikanischen Teilchenbeschleunigers.“
Amsedel kicherte heiser und nahm deshalb Mausers missmutiges Grummeln nicht wahr.
„Ich meine, kann es der uralte Menschheitstraum sein: Energie aus dem Nichts? Die Quantentheorie sagt uns, dass selbst das Vakuum kurzzeitig Energie hervorbringen kann, aber dafür verschwindet sie an einer anderen Stelle. Wir stehen nun vor der größten Sammlung von Quantenunwahrscheinlichkeiten seit dem Urknall. Aber wo kommt die Energie her?“
Jetzt reicht’s!
„Waren Sie mal Professor oder wo haben Sie gelernt, anderen Leuten auf die Nerven zu gehen?“
Mauser trat frustriert aufs Gaspedal und der Motor schnaufte mit dem entrüsteten Akademiker um die Wette. Normalerweise war er überhaupt nicht der Typ für so etwas, aber der geschwätzige Alte bettelte ja geradezu darum, seinen Punching-Ball spielen zu dürfen.
Der Doktor schüttelte seinen wirren Haarschopf und lehnte sich zurück.
„Wieso arbeiten Sie dann beim BRS, wenn sie das alles nicht interessiert? So gut wird der Job meines Wissens nach auch nicht bezahlt.“
Mausers Hände kneteten das Formplastik des Lenkrads. Wieso er für das Amt arbeitete?
Wegen den Lichtblitzen, die aus Bernds Augen gekommen waren, nachdem er sich das neue Zeug gespritzt hatte. Wegen dem Feuerstrudel, in den sich der ganze Raum verwandelt hatte. Wegen der Asche. Und wegen der anschließenden Tracht Prügel.
„Das geht Sie eigentlich nichts an, aber wenn es Sie beruhigt, dann nehmen Sie doch einfach an, dass ich nicht möchte, dass bei uns dasselbe passiert wie in Australien und Kuba, nämlich dass wir zu einer Kolonie anarchistischer Hippies degenerieren, die auf geflügelten Pferden herumreiten und sich mit funkelndem Feenstaub beschmeißen.“
Jetzt kicherte Almsedel. „Dann glauben Sie also auch an die verbreitete Theorie, dass die Magie das existenzielle Gefüge der Realität zerstört?“
„Ich glaube gar nichts. Ich weiß, dass sie den Menschen schadet. Und für den Rest haben wir doch euch Wissenschaftler.“
„Natürlich“, sagte Almsedel und schwieg tatsächlich, bis die Lichter des Sperrbereichs Biblis in der Ferne auftauchten und der erste Bundeswehrwachposten mit entsicherter Waffe nach ihren Genehmigungen fragte

* * *​

„Das wird verdammt noch mal Zeit!“, schrillte Hollerberg, ihres Zeichens Leiterin des Mannheim-Projekts, kaum dass sich die schweren Stahltüren zum Kraftwerksblock A geöffnet hatten.
„Die Energieleistung hat schon deutlich nachgelassen, und wenn wir die nächste Spitze nicht verpassen wollen…“
„Ich weiß“, keuchte Almsedel, der versuchte mit dem von mehreren Arbeitern in Schutzanzügen geschobenen Behälter Schritt zu halten. Sie hörte seine alten Lungen rasselnd mit den Flügeln schlagen.
„Die Einheit hat heute Mittag angefangen zu fluktuieren und bis um Elf Uhr Abends war sie dann vollständig ausgeglüht. Damit lag sie weit unter der geschätzten Lebensdauer von acht Monaten. Dabei war sie eine der ergiebigsten“, sagte Hollerberg und ihr altmodischer weißer Kittel wehte im eigenen Fahrtwind.
„Dann…dann werden wir unsere Prognosen noch einmal über… überprüfen müssen!“
„Trotzdem tut das dem Gesamterfolg des Projekts keinen Abbruch. Wir erzeugen bereits die dreifache Strommenge der ehemaligen Kernreaktoren.“
Grinsend erinnerte sich Hollerberg an das Gesicht des Generalkanzlers, als sie ihm von den Fortschritten berichtet hatte.
Genauso gut hätte ich ihm gerade mitgeteilt haben können, dass ich beabsichtige, seinen Hosenstall mit den Zähnen zu öffnen. Bei dem Gedanken, bald auf die russischen Ölpipelines verzichten zu können, muss dem Kerl fast einer abgegangen sein.
„Wahrscheinlich bekommen wir sogar noch in diesem Jahr die Genehmigung für zwei neue Blöcke!“
Sie hielten vor der Schleuse zum Reaktorraum. Almsedel tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
„Dann können wir jetzt den Wechsel vornehmen. Ist diese Einheit auch wirklich hochwertig?“
„Schubert vom BRS hat mir einen Zweitausendvierhunderter versprochen.“
Hollerberg nickte zufrieden und gab einen Code in die Konsole an der Schleusentür ein.
Der Reaktor gab keine messbare Strahlung ab, die Schutzanzüge waren den Hinterlassenschaften des Vormieters geschuldet. Die Reststrahlung der alten Brennelemente ließ sich eben nicht einfach ausbauen.
Über mehrere kleine Bildschirme beobachteten die zwei Wissenschaftler, wie die Arbeiter den Behälter durchschleusten. Der Reaktor sah im grellen Scheinwerferlicht aus, wie ein überdimensionierter rundgeschliffener Karteischrank. Eine fahrbare Hebebühne stand davor.
„Haben Sie die verbrauchte Einheit schon ausgebaut?“, fragte Almsedel, während der Behälter nach oben gehievt wurde.
„Nein. Ob Sie’s glauben, oder nicht, selbst nach dem Ausbrennen wird noch messbare Energie geliefert. Nicht viel, aber noch auf der Skala. Natürlich läuft davon die Turbine nicht heiß, aber…“
Hollerberg zuckte die Schultern.
Einer der Arbeiter werkelte an der Fassade des Reaktors herum. Wie eine Aktenschublade glitt die Zelle heraus und enthüllte ihren Inhalt.
Hollerberg und Almsedel senkten fast unbewusst den Blick, als würde sich jemand unangemeldet vor ihnen ausziehen.
Die Arbeiter kratzten verkohlte menschliche Knochen aus der Zelle.
Dann nahmen sie einen frischen Körper aus dem Transportbehälter, legten neue Anschlüsse und schlossen die Zelle wieder.

* * *​

Und irgendwo zwischen Raum und Zeit öffnete Pater Vauemond ein Paar mentaler Augen und erblickte den ungeschminkten Schlamassel. Irgendwo musste die Energie ja herkommen.
Denn der Herr gibt und der Herr nimmt, dachte er und ein irres Kichern erfüllte seinen Verstand.

 

Zum Thema des Monats März/April 2007 "Crossover"

Was besseres ist mit dazu nicht eingefallen:shy: .
Es dürfen dann faule Eier und tote Katzen geworfen werden!

@Fritz: Tomaten, wie stillos:p :D !

 

"Bundesamt für Realitätsschutz" :lol:

"Zweitausendvierhundert Copperfield" :rotfl:

Also, wirklich nett ausgedacht und das TdM spritzig umgesetzt. Nur in der Mitte ein bisschen viel Technobrabbel. Insgesamt könnte es noch einen Tick knackiger, böser sein; gerade den Dialogen fehlt es zum Teil an gesunder Härte (sprich: ab und zu gerne mal dem Leser in die Beine Grätschen!).

Das Anredefürwort "Sie" schreibt man immer groß.

Ansonsten nicht viel zu meckern. Einmal deftig überarbeiten, und das Ding wird richtig gut.

Fazit: sprachlich schon recht brauchbar, inhaltlich spritzig, aber mit Luft nach oben.

Uwe
:cool:

 

Moin Uwe

Hehe, schön dass der Grundtenor erstmal positiv ist. War ja schon fast in Deckung gegangen...;)

Joa, dass der Anfang böser ist als der Rest, da hast du recht. Irgendwie fehlte mir das Durchhaltevermögen für permanente Fiesheit *:baddevil: --> :sleep:*.
Da werd ich wahrscheinlich noch was tun, aber erstmal noch ein paar Kritiken abwarten.

gerade den Dialogen fehlt es zum Teil an gesunder Härte (sprich: ab und zu gerne mal dem Leser in die Beine Grätschen!).
Aber wir Deutsche sind doch immer so lieb zueinander *hüstel* :D .

Das Anredefürwort "Sie" schreibt man immer groß.
:aua: Ist rechtschreibmäßig irgendwie meine Achillesverse... "Der Geist ist willig - aber die Shift-Taste schwach!"

Einmal deftig überarbeiten, und das Ding wird richtig gut.
Amen:shy: .

Danke für's Lesen und Kommentieren!

Es grüßt der Realitätsschützer
omno

 

Hi omnocrat!

Tja, was letztlich hinter dem ganzen Wandel steckt, der unheimlichen Veränderung, die die Welt vor sechs Jahren erfasst hat, werden wir wohl nie erfahren. Hat Gott, inspiriert von Proxis Idee, er könne die Kaltfusion ermöglichen, ein bisschen übertrieben? Ein Rätsel, das wir wohl nie wirklich werden lösen können.
Der Spannung in der Geschichte würde das eigentlich keinen Abbruch tun, denn die wirklich interessante Frage ist schließlich: Wie reagieren die Menschen, wie reagiert die Gesellschaft auf diese Veränderung? Deine Antwort: Menschen haben Angst vor dem Unerklärlichen, deshalb bekämpfen sie es. Können sie es aber kontrollieren und für sich nutzbar machen, beuten sie es schamlos aus, während sie es weiter da bekämpfen, wo sie es als bedrohlich wahrnehmen.
So weit, so gut. Das Szenario hast du auf dem begrenzten Raum bemerkenswert detailliert ausgemalt, und immer beiläufig in die Handlung eingewoben, ohne den Leser vollzuschwafeln. Hier eine Bemerkung der Erzählstimme zu persönlichen Hintergründen der Figuren, dort eine Andeutung in den Dialogen, und immer deutlicher wird das Bild vor unseren Augen.
Das Ganze würde allerdings nicht so richtig funktionieren, wenn die Story nicht um einen roten Faden herum gesponnen wäre, nicht auf eine Pointe zulaufen würde, denn sonst ließe sie sich wohl kaum in diese kurze Form "quetschen". Und die Pointe ist ... ja, was eigentlich?
Dein Aufbau ist folgender: Pfarrer mit übersinnlichen Fähigkeiten und übernatürlichen Kräften wird von Geheimpolizei geschnappt, weil der Gebrauch dieser Fähigkeiten als Sakrileg gilt. Dann gibt es einen Exkurs zu den Akteuren des Systems, das sich als eine Art Militärstaat entpuppt, der offenbar durch einen Putsch zu dem wurde, was er ist. Wie es dazu kam, darüber schweigt sich die Geschichte aus, ebenso darüber, warum die Magie als eine solch große Bedrohung wahrgenommen wird.
Schließlich präsentierst du eine "Pointe", die irgendwie nicht wirkt, als sei die Geschichte darauf hinausgelaufen. Denn dass die Militärs die Übersinnlichen gleichzeitig verabscheuen und ausbeuten, ist ein Pulver, das du zu diesem Zeitpunkt längst verschossen hast.
Auch der Gedanke des Pfarrers am Schluss ( "Irgendwo musste die Energie ja herkommen" ), beantwortet keine Frage, die im Laufe der Handlung aufgeworfen worden wäre.
Fazit: Haupthandlung und Schluss stehen irgendwie nebeneinander, ohne viel miteinander zu tun zu haben. Du tätest gut daran, eine echte Verknüpfung herzustellen, zum Beispiel indem du herausstellst, wie die Paranoia in der Bevölkerung geschürt wurde, damit keiner Einspruch gegen die Säuberungsaktionen erhebt.

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo Mega

Hui, ist das jetzt eine positive oder eine negative Kritik? Mal auseinanderklamüsern...:schiel: :

Hat Gott, inspiriert von Proxis Idee, er könne die Kaltfusion ermöglichen, ein bisschen übertrieben?
Hehe, um jetzt mal Tritte in den Hintern seitens des Proprox zu verhindern: Die Idee ist nicht geklaut, da hatten anscheinend zwei Dumme *duck* ähnliche Gedanken. Natürlich habe ich das nicht so elegant philosophisch provokant hinbekommen, aber das war ja auch weniger das Ziel:D .

Ein Rätsel, das wir wohl nie wirklich werden lösen können.
Der Spannung in der Geschichte würde das eigentlich keinen Abbruch tun
Jaaahhh... Eigentlich hatte ich das Gefühl, wenn ich da einen Erklärung liefere, funktioniert die Geschichte nicht mehr richtig. Schließlich geht es ja nicht so dolle um die Sache an sich, sondern eher darum, wie damit umgegangen wird.

Deine Antwort: Menschen haben Angst vor dem Unerklärlichen, deshalb bekämpfen sie es.
Meistens: Jep. Aber es sind Ausnahmen angedeutet;) .

Das Szenario hast du auf dem begrenzten Raum bemerkenswert detailliert ausgemalt, und immer beiläufig in die Handlung eingewoben, ohne den Leser vollzuschwafeln. Hier eine Bemerkung der Erzählstimme zu persönlichen Hintergründen der Figuren, dort eine Andeutung in den Dialogen, und immer deutlicher wird das Bild vor unseren Augen.
Merci. So sollte's sein.

Schließlich präsentierst du eine "Pointe", die irgendwie nicht wirkt, als sei die Geschichte darauf hinausgelaufen. Denn dass die Militärs die Übersinnlichen gleichzeitig verabscheuen und ausbeuten, ist ein Pulver, das du zu diesem Zeitpunkt längst verschossen hast.
Mhm. Lässt sich nicht vollständig abstreiten. Wie du ja schon gesagt hast, ich brauchte irgendeine Art von Pointe, aber ich wollte weder zuviel verraten, noch unglaubwürdig werden. Klar, der große Schocker isses nich mehr, man kann sich's wahrscheinlich schon am Beginn des letzten Teils denken. Aber irgendwie ist mir nichts Besseres eingefallen und irgendwo musste ich den roten Faden ja enden lassen...:shy:.

Auch der Gedanke des Pfarrers am Schluss ( "Irgendwo musste die Energie ja herkommen" ), beantwortet keine Frage, die im Laufe der Handlung aufgeworfen worden wäre.
Stimmt, ist auch Absicht. Das sollte nur zaghaft Andeuten, dass die Sache nicht so einfach ist, wie sie auf den ersten Blick aussehen mag.

Fazit: Haupthandlung und Schluss stehen irgendwie nebeneinander, ohne viel miteinander zu tun zu haben. Du tätest gut daran, eine echte Verknüpfung herzustellen, zum Beispiel indem du herausstellst, wie die Paranoia in der Bevölkerung geschürt wurde, damit keiner Einspruch gegen die Säuberungsaktionen erhebt.
Das wäre meiner Meinung nach ein (durchaus zeigenswertes) zusätzliches Detail, dass ich eigentlich auch in einem Extraabsatz zwischen Schubert und Mauser mit einbauen wollte, ich hab's dann aber gelassen, weil es den roten Faden verdeckt und zu sehr gebremst hätte. Ich hab auch noch überlegt, ob ich noch "Freiheitskämpfer" den Transport überfallen lasse oder Mausers Mini-Rückblick wesentlich ausführlicher zu gestalten, aber irgendwie wäre dadurch nur alles in die Länge gezogen worden. Ich denk nochmal drüber nach (muss das ganze eh nochmal überarbeiten), aber ein befriedigendes Ende wäre das glaub ich auch nicht.

Danke für deine detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung! Sehr hilfreich:) .

Grüßken
omno

 

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