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Gerstmayer

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30.09.2003
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Gerstmayer

Gerstmayer

Wenn ich morgens aufstehe, ist er schon lange unterwegs.
Er wartet auf mich. Er lauert mir auf.
Hat er mich erst einmal in seinen Händen, legt er die Schlinge um
meinen Hals und zieht erbarmungslos zu: Gerstmayer.

Ich stehe an der Ampel. Vor mir nur einer: Gerstmayer.
Die Ampel wird grün.
Langsam lichtet Gerstmayer den Anker, löst die Handbremse,
fährt an und würgt den Motor ab.
Er startet erneut und wartet. Er wartet bis es wieder Rot wird.
Im letzten Moment gibt er Gas und überquert die Kreuzung.
Mit einem zufriedenen Blick in den Rückspiegel überzeugt er
sich davon, daß es mir nicht mehr gereicht hat.

Auf dem Flughafen. Ferienflieger nach Las Palmas.
Die Fluggäste stehen dicht gedrängt im Shuttle-Bus, der sie
zum Flugzeug bringen soll. Der Bus fährt nicht los. Lange
Minuten vergehen. Die Luft im Bus ist heiß und stickig.
Außerdem fällt mir auf, gibt es immer mehr Menschen, die
nur einmal die Woche das Hemd wechseln.
Deswegen fährt der Bus aber trotzdem nicht los. Kindergeschrei.
Kindergeschrei und alter Schweiß. Mir wird schummrig.
Ich frage eine Dame des Bodenpersonals warum es denn nicht
endlich losginge, wir hätten bereits 15 Minuten Verspätung.

"Tut mir leid", antwortet sie höflich, "aber wir warten noch auf
einen Fluggast."
In der Hand hält sie eine Liste mit den Namen der Passagiere.
Hinter jedem Namen ist ein Häkchen. Hinter jedem bis auf einen.
Nach nochmals fünf Minuten - der Kohlendioxidgehalt der Luft ist
inzwischen gefährlich hoch – betritt der letzte noch fehlende Fluggast
den Shuttle-Bus und die Dame des Bodenpersonals macht ihr letztes
Häkchen. Hinter dem Namen Gerstmayer.

Natürlich sitzt Gerstmayer im Flugzeug neben mir am Fenster.
Und natürlich muß Gerstmayer gleich nach dem Start pinkeln:
Ich stehe auf, gehe beiseite, Gerstmayer drückt sich an mir vorbei,
ich setze mich wieder hin.
Nach ein paar Minuten kommt er wieder, ich stehe auf, gehe beiseite,
er drückt sich an mir vorbei, setzt sich hin, ich setze mich hin.
Das ganze wiederholt sich etwa siebenmal. Natürlich ist mir klar,
er muß nicht pinkeln. Das macht er nur um mich zu drangsalieren.
Sein höhnisches Gelächter auf der Toilette kann ich jedesmal
deutlich hören.

Am Zielflughafen beginnt der Krieg um die Koffer-Trolleys.
Gerstmayer versteckt sich hinter einer Säule und beobachtet
mich.
Ich sehe den letzten noch freien Trolley und eile drauf zu.
Nur noch wenige Meter. Da grätscht mir Gerstmayer dazwischen,
schnappt sich den Trolley und legt seine Aktentasche drauf ab.
Ich spüre seine schadenfrohen Blicke, als ich meine schweren
Koffer durch den Flughafen schleppe.

Alle Ferien gehen einmal zu Ende und der Rückflug ist erst
spät am Abend. Als wir ankommen sind nur noch wenige Taxis
da. Unnötig zu erwähnen, wer sich das letzte Taxi vor meiner
Nase ergattert.

Im Supermarkt steht er vor mir an der Kasse. Jedesmal.
Wenn ich den Supermarkt betrete, halte ich instinktiv Ausschau
nach ihm. Ich kann ihn aber nicht sehen. Flach auf dem Boden
liegend, hinter einem Kühlregal, beschattet er mich.

Begebe ich mich mit meinem Einkaufswagen zur Kasse, springt
er plötzlich hervor und drängt sich vor mich.
Und er wird wieder erbarmungslos zuschlagen.

Dabei spielt er drei Varianten:
- er versucht ein halbes Pfund Butter mit einem 500€-Schein zu bezahlen.
- er hat zu wenig Bargeld dabei und überlegt, welche Ware er zurücklegt.
- er will mit Kreditkarte zahlen, die jedoch nicht lesbar oder abgelaufen ist.

Alle drei Möglichkeiten führen zu Diskussionen. Zunächst mit der
Kassiererin, später mit der hinzugerufenen Geschäftsleitung.
Die Zeit läuft unerbittlich weiter.
Ich komme ins philosophieren: Die Vergänglichkeit alles Seins;
Gerstmayer jetzt von hinten zu meucheln, wäre das Notwehr ?

Bei meinem letzten Arztbesuch schien ich Glück zu haben.
Ich war der Erste und Einzige im Wartezimmer. Ein gutes
Zeichen.
Nach einer viertel Stunde ging die Tür auf. Gerstmayer kam herein,
setzte sich kurz und wurde ins Behandlungszimmer gerufen. Vor mir.
Wie kann das sein ? Ich bin lange vor ihm da und er kommt trotzdem
vor mir dran ?
Das gleiche passiert mir natürlich auch beim Friseur.
Ich habe noch nicht durchschaut, wie er die Sprechstundenhilfe
oder die Friseurin besticht. Aber er tut es. Dessen bin ich mir
sicher. Und er tut es nur bei mir.
Alle anderen Menschen interessieren ihn nicht.

Gerstmayer macht nie Pause. Er schläft niemals.

Von Zeit zu Zeit klingelt mitten in der Nacht das Telefon.
Erschrocken fahre ich aus meinem Bett hoch.
Was mag passiert sein ? Doch nichts mit den Kindern ?
Aber es ist nur Gerstmayer, der sich verwählt hat.

Hat er natürlich nicht. Gerstmayer verwählt sich nicht.
Es ist reines Kalkül.
Er steht auf der Straße, wartet bis bei mir das Licht ausgeht.
Er wartet nochmal eine Weile, bis ich sicher tief und fest schlafe.
Erst dann ruft er an.

Wenn ich über den Sinn des Lebens nachdenke, so habe ich
ihn, was mich betrifft, noch nicht erkannt.
Bei Gerstmayer weiß ich es ...

 

Hallo Lämmchen!
Dein Protagonist ist wohl paranoid, oder? Jeder Mensch hat wohl in seinem Leben einen Gerstmayer, den er am liebsten umbringen möchte, auch ich, deswegen kann ich die Gefühle deines Protagonisten sehr gut nachempfinden ;-) Aber auch sonst gefällt mir deine Geschichte- der Form nach ist es wohl eher ein Gedicht als eine Kurzgeschichte, aber sie (die Form) passt mMn zum Inhalt-, die Sprache ist schön und deine Wortwahl passend. Zwei kleine Fehler sind mir aufgefallen: "Die Vergänglichkeit alles Seins" müsste glaube ich "Die Vergänglichkeit allen Seins heißen" und aus "einer viertel Stunde" müsste "einer Viertelstunde" werden.
Liebe Grüße vom kleinen Tröpfchen

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich weiß nicht, ob ich richtig liege, ich halte die Geschichte für eine Variation von "Murphys" Gesetzen. Nur den Namen Murphy durch Gerstmayer ersetzt und schön an einander gereiht. Wenn ich mit dieser Vermutung richtig liege, so finde ich die Geschichte in diesem Sinne toll umgesetzt.
Ich glaube generell nicht an neue Ideen, aber ich genieße auch originelle Umsetzungen alter Ideen. So wie hier (wenn, wie gesagt...). Sollte die Intention eine völlig andere sein, so fand ich es einfach nur zum Schmunzeln und das Lesen hat sich schon deshalb gelohnt.

Gruß
nic

 

Mahlzeit!

Zunächst mal herzlich willkommen auf KG.de! :)

Zu Deinem Text:

Können wir uns darauf einigen, dass er zumindest von der Form her gefährlich nahe bis mitten drin ist im Gedicht? Oder sind die vielen überflüssigen Absätze (größtenteils mitten im Satz!) ein Versehen? Dann editier sie doch bitte raus.

Inhaltlich muss ich sagen: Hier wird mE leider keine richtige Geschichte erzählt, das ist lediglich eine Aneinanderreihung von "Alltag nervt"-Anekdoten ohne rechte Handlung. Einziger roter Faden ist wie bereits erwähnt die Remineszenz an Murphys Gesetze. Das alleine reicht aber nicht aus, um eine Handlung bzw. einen Plot zu tragen. Das ist ohne Dramaturgie einfach wahllos aneinandergeklatscht und beliebig austauschbar. Geschichten funktionieren so aber leider nicht. Hier müsstest du dringend noch mal grundlegend überarbeiten und versuchen, die Grundaussage in eine echte Handlung einzubetten, z.B. die Geschichte eines Menschen, dem ständig Dinge schiefgehen und der dann allmählich herausfindet, dass immer ein und dieselbe Person dafür verantwortlich ist, dass er sozusagen seinen eigenen persönlichen "Murphy" hat ... irgendwas in der Art.

Positiv: Sprachlich recht solide. Zumindest hab ich keinerlei Stilblüten o.ä. entdeckt, die mich zu heftigstem Kopfschütteln veranlassten. Das ist doch schon mal was. ;)

Mein Fazit: Sprachlich einigermaßen okay, wenn auch nicht gerade strotzend vor neuen Ideen oder eleganten Formulierungen. Ansonsten: Seltsame Formatierung (bitte unbedingt ändern!) und inhaltlich viel zu wenig Geschichte. Ein Kandidat für einen gründlichen Rewrite!

Gruß,
Horni

 

Hi,


ich fand das Ganze recht amüsant, wenngleich ich mich Horni anschließe, - man könnte noch mehr draus machen - z. B. mit einer echten Handlung.
Erinnert hat mich der Text an die Lebensform bei Douglas Adams, die in allen Inkarnationen beständig von denselbem Protagonisten getötet wird ;-). (Ihr wisst schon, oder?)

Ein Gedicht ist dies übrgens kaum, die Umbrüche scheinen textverarbeitungssoftwarebedingt.

cu

 

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