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Gerlinde und Hermann

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20.09.2006
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Gerlinde und Hermann

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Vielleicht haben Sie es ja bereits aus dem Rundschreiben IR-25/7 vom 23.2. erfahren. Aus brandschutztechnischen Gründen müssen alle Grünpflanzen aus den Fluchtwegen entfernt werden. Davon sind, wie eine Nachfrage meinerseits beim zuständigem Brandschutzbeauftragten ergab, auch meine geliebten beiden Gummibäume, Gerlinde und Hermann, betroffen. Seit meinem Dienstantritt vor nunmehr 28 Jahren habe ich sie liebevoll gepflegt, umsorgt und ihnen den Staub von den Blättern gewischt. Sie waren mir all die ganzen Jahre Trost und Erbauung in einem manchmal tristen Arbeitsalltag. Sie haben mir zugehört, wenn ich mal jemanden zum Reden brauchte, und durch das lustige Spiel ihrer Blätter im Morgengrauen so manchen grauen Morgen in einen sonnigen Tag verwandelt. Deshalb an dieser Stelle meine Bitte an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn Sie eine Möglichkeit sehen Gerlinde und Hermann in ihrem Büro Asyl zu gewähren, dann setzen Sie sich bitte umgehend mit mir in Verbindung. Unter der Durchwahl 28 erreichen Sie mich jederzeit in meinem Büro.

Herzlichen Dank auch im Namen von Gerlinde und Hermann.
Dr. Ansgar Lenz (Abteilungsleiter)


Sehr geehrter Herr Lenz!

Ich habe mit Entsetzen die Zeilen an ihre Kolleginnen und Kollegen gelesen. Gerlinde und Hermann sind nicht nur Ihnen, sondern auch anderen Kolleginnen und Kollegen der Abteilung ans Herz gewachsen. Ich würde ihnen gerne eine neue Heimstatt in meinen bescheidenen 12 Quadratmetern anbieten. Doch kennen sie die Eifersucht einer fleischfressenden Pflanze? Sie sieht so harmlos und friedlich aus, wie sie so neben der Kaffeemaschine steht und mit ihrem offenen Mäulchen daran gemahnt, die 50 Cent in die Kaffeekasse zu werfen. Doch versuchen Sie nie sie zu reizen. Einem Kollegen, der mir regelmäßig mit Blumengestecken seine Aufwartung machte, hat sie einmal aus lauter Eifersucht fast die Fingerkuppe abgebissen. Ich weiß also nicht, ob sie sich verstehen werden. Aber warum können Sie ihnen eigentlich nicht in ihrem Büro ein schönes Plätzchen einrichten?

Mit vorzüglicher Hochachtung
Dorle May (Sekratariat)


Liebe Frau May!

Vielen Dank für Ihr Verständis. Ich würde Gerlinde und Hermann nur zu gerne in meinem kleinen Refugium eine Bleibe bieten, doch es mangelt an Platz. Über meinem Schreibtisch erhebt sich majestätisch Anke, die Ranke, und zwischen Tisch und Tür hat sich Liane, wie sie wahrscheinlich schon vermutet haben, eine Schlingpflanze, ein eigenes kleines Biotop geschaffen. Das hält einem lästige Besucher vom Hals und verbreitet ein gutes Raumklima. Aber ich wäre entzückt, wenn wir die Gerlinde und den Hermann bei Ihnen unterbringen könnten, auch weil ich Ihnen, vereehrte Kollegin, dann einmal häufiger einen Besuch abstatten könnte, um Ihre beiden Pflegekinder zu besuchen.

Herzliche Grüße,
Ihr Ansgar Lenz


Lieber Ansgar!

Besten Dank für Ihr freundliches Schreiben. Ich denke wir sollten es einfach einmal versuchen. Ich habe in der letzten Nacht, eigenhändig ein paar besonders lecke Fliegen für Friedrich-Wilhelm, so habe ich meine fleischfressende Pflanze im Gedenken an meinen schon vor Jahren verstorbenen Mann genannt, gefangen. Ich werde Sie ihr im Laufe der Tages servieren. Wenn Sie danach bitte mit Gerline und Hermann bei mir erscheinen würden, vielleicht so gegen 12.30 Uhr.

Liebe Grüße,
Dorle


Guten Tag Dorle!

Um 12.30 Uhr geht es leider nicht. Da siedeln wir bereits die Zitronenmelisse von Herrn Kollegen Wismann um, die bisher die Raucherzone geschmückt hat. Sie wird jetzt auf alle Kolleginnen und Kollegen der Abteilung 13 zu gleichen Teilen aufgeteilt und schafft ein hervorragenden Duft, wie das was unsere Putzfrau immer auf den Toiletten versprüht, und das ganz natürlich. Natürlich möchte ich Ihr Angebot aber gerne annehmen, und würde Sie bitten nach der Arbeit auf mich in Ihrem Büro zu warten. Ich werde so schnell wie möglich nach 16 Uhr bei Ihnen sein.

In freudiger Erwartung,
Ansgar


Lieber Ansgar!

Ich weiß nicht so genau, was die Putzfrau auf den Herrentoiletten versprüht. Bei den Damen duftet es immer nach Rosen. Ich werde gespannt auf 16 Uhr warten und versuchen Friedrich-Wilhelm bis dahin günstig zu stimmen. Reden Sie doch bitte auch vorher noch mit Gerlinde und Hermann, damit Sie wissen, dass sie etwas vorsichtig mit ihm umgehen müssen.

Dorle


Und an dem Nachmittag um 16.04 Uhr hätte jemand, sofern jemand noch vier Minuten nach Dienstschluss in dem Gebäude gewesen wäre, folgende Szene beobachten können. Ein Mann hält einen großen Gummibaum im Arm und spricht ganz beruhigend auf ihn ein: "Du, Gerlinde, ich geb Dich nur ungern her, nach 28 Jahren. Du weißt, wie schwer mir das fällt. Versprich mir, dass Du mir alles sagst. Und, wenn Friedrich-Wilhelm gemein zu Dir ist, hast Du ja auch noch Hermann."

 

Hi Volker,

erst mal ein herzliches Willkommen auf Kg.de

Ich fand dein Erstlingswerk ganz nett. Sprachlich gibt es daran nichts auszusetzen, auch die Briefform passt gut zur Thematik.

Was deine Geschichte allerdings in Satire soll verstehe ich nicht so ganz. Was du irgendeinen Hintergedanke auf was du anspielst? Natürlich ist die ganze Situation grotesk und absurd, aber das macht noch keine Satire aus.

Ich denke, dass du mit deiner Story auf Lacher abzielst, bei mir leider vergebens, fands sie leider nicht witzig, deshalb würde ich dir vorschlage sie nach Humor oder Sonstige verschieben zu lassen.

Also wie gesagt, sprachlich hats mir gefallen, die Idee ist origenell, die Gags zünden nur für meine Geschmack nicht und der Rubrik Satire erwarte ich nun etwas anderes.

lg neukerchemer

 

Hallo Volker,

nun ja im großen und ganzen muss ich meinem Vorkritiker recht geben. Nett geschrieben, geht in Richtung Satire, ist aber etwas harmlos. Wäre deshalb auch ganz gut unter Alltag untergebracht.

Die bürokratische Büro-Atmosphäre ist sprachlich schön eingefangen, auch die briefliche Annäherung der beiden Protagonisten. Das Ende kommt etwas überraschend, da es dann auch wieder nur um die Pflanzen geht. Ausserdem macht es die Wahl eines brieflichen Dialogs schwer, an dieser Stelle noch irgendetwas passendes hinzuzufügen ...

LG,

N


Abei noch etwas Textkram

Wenn Sie eine Möglichkeit sehen Gerlinde und

da fehlt ein Komma nach sehen

vereehrte Kollegin,

ein e zuviel

ein paar besonders lecke

leckere

 

Hallo Volker,

die Idee gefällt mir, sie ist schön absurd, doch noch weiter auszubauen, damit es eine richtige Satire wird. Also im Prinzip schließ ich mich den Vorrednern an, auch wenn mir deine Karikatur des blumenliebenden Dr. Lenz sehr gut gefällt. Wie ich es bei Satiren, die ich noch zu harmlos finde, gerne mache, will ich auch dir ein paar Anregungen für einen ins Absurde gesteigerten Schluss geben, nicht als "Musterlösung", sondern eher um dir verständlicher zu machen, wie ich das ganze meine ....

Dr. Lenz könnte doch beispielsweise ein persönliches Gespräch mit Friedrich-Wilhelm führen, ob er für die Aufnahme von Gerlinde und Hermann in sein Büro geeignet wäre. Oder Dr. Lenz und Frau May könnten sich aufgrund ihres gemeinsamen Blumenfetisch verlieben (du deutest es ja schon an, weil diene Anreden immer persönlicher werden), sie könnten sich romantische E-Mails schreiben (Hallo meine Schwertlilie, Hallo mein Apfelbäumchen usw. :D) und die Beziehung endet dann schlagartig, als Friedrich-Wilhelm ein kleines Blatt von Hermann oder Gerlinde abbeißt bzw. man Friedrich-Wilhelm dessen verdächtigt ...

Aber nur mal so ein paar Hirngespinste von mir, um das ganze etwas absurder werden zu lassen ;)

Sprachlich hat mir das Ganze sehr gut gefallen, auch die Form mit dem E-Mail-Verkehr, der ja in deutschen Betrieben immer mehr zum Standard wird. ;)

Viele liebe Grüße und auch von mir ein herzliches Willkommen auf kg.de,

Sebastian


lecke Fliegen für Friedrich-Wilhelm,
leckere Fliegen meinst du wohl ;)

 

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