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Gerhard Kemme

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06.06.2002
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Gerhard Kemme

Dies ist eine Autobiographie. Sie beginnt 1947 und endet im Jahre 2947.

September 1947: Die Flüchtlingsfrau presste ihre Tochter fest an sich. Doch dem Corporal war es strikt untersagt, Mitleid zu haben. "Get away!" Nur Logistiktrucks durften die demolierte Brücke über den Elbstrom passieren. Protestierend resignativ schleppte sich die junge Mutter wieder an der Ladefläche des Lasters vorbei. Irgendjemand hob sie dann doch plötzlich heimlich auf die Ladefläche. Wenig später klopfte sie an die Wolldeckentür zur Wohnung ihrer Mutter in Hamburg.
Der lange Kohlenzug rumpelte aus Gelsenkirchen in Richtung Norden. Unter einem Schüttwaggon hatte sich ein extrem abgemagerter "Heimkehrer" festgeschnallt. Kurz vor der Stadt sprang er ab. Noch einige Stunden Marsch, dann klopfte es wieder an die Wolldeckentür, er war zu Hause. Ein Glück, die beiden hatten sich wieder gefunden. Am 26. Juli 1948 tat ich meinen ersten Schrei, ein tolles Leben startete.

Kindergarten, Radiobasteln, Schulstress, Elektrolehre, Zeitoffizier, Lehrerstudium, Vaterschaft, Elektriker, Psychiatrie, Kurzgeschichtentipper...

Ab 31. August 2002: Das Manifest der "No Normalo Partei" galt als Sensation. Technik, Diskurs und Erkenntnis ebneten mir als zentrale Grundsätze den Weg an die Macht. Der Staatsaufbau war übersichtlich wie vom Reissbrett und durchsetzungsorientiert. Nie war die Polizei- und Justizdichte höher in der Grossregion Europa. Kein Knast mehr, dafür die gerechte Prügelstrafe und jeder hatte Wohnung und Arbeit. Das Berichts- und Meldewesen war sehr durchorganisiert, manipulatives Handeln verpönt. Das gigantische Raumfahrtprogramm schuf Arbeitsplätze für jeden. Zentral war die Staatsreligion, die ein übergeordnetes Hypersystem als eine Art von Gott verehrte. Alle anderen Religionen, Philosophien und freimaurerischen Vereinigungen praktizierten nur in öffentlichen Versammlungen und Gottesdiensten. Die menschliche Population wuchs extrem durch die Besiedelung anderer Planeten des Sonnensystems. Die Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit war bald kein Thema mehr und es wurden Planeten bei anderen Fixsternen besiedelt.

Die Züchtung organischen Gewebes lieferte die Grundlage, biologische Lebewesen, auch Menschen, fabrikmässig zu bauen. Rasant wurde die wissenschaftliche Beschleunigung aber erst, als es gelang sich geistig in Roboter mit künstlicher Intelligenz einzuchecken. Ein Supergefühl, gleichzeitig in einem Roboter, einem Transplantationskörper und in sich selber zu sein, so als hätte man mehrere Köpfe.

Im Jahre 2038 starb mein Geburtskörper. Bei der Beerdigung war ich natürlich dabei. Vom Beerdigungs-Manager hatte ich mir einen herrlich geschmückten Kampfroboter mit Orden, silberner Fangschnur und einer Kalaschnikow ausgeliehen. Die letzten Blumen warf ich selber auf mein Grab. Dann noch eine Rattatata-Salve und ich war in einer neuen Zukunft ohne alter Hülle gelandet.

Völlig absurde Lebensmöglichkeiten entstanden durch alternative Verfahren der Datenverarbeitung. Es gelang Informationsverarbeitung unsichtbar im freien Weltraum durch miteinander interagierende Schwingungen zu realisieren. Man nannte solche Rechner Frequenzcomputer. Da die Menschen inzwischen in Computern geistig heimisch werden konnten, hatten sie neue grosse Lebenswelten gefunden, die physikalisch in irgendeinem fernen Sonnensystem gelegen waren.

Viele prophezeiten es, von einigen wurde es berechnet. Irgendwann würde das Hypersystem A, das Umfassende der Spezies seit Menschengedenken, mit dem, ich nenne es mal Hypersystem B kollidieren, d.h. zwei kaum kompatible Lebenswelten berührten einander. Es kam schlimmer als erwartet, plötzlich sprangen Grosskatzen aus dem luftigen Nichts und machten sich auf irgendwelchen Strassen oder Hausdächern breit. Manchmal guckten sie auch nur mit dem Kopf aus einer Wolke oder wedelten locker mit einer Pfote.

Ich klinkte mich nahe dem Sirius in einen nostalgischen Frequenzcyber ein und erholte mich dort vom Katzenstress. So sitzt der Autor also im Jahre 2948 vorm simulierten Internet und hört dabei Oldies aus den 70er und 80er Jahren.

 

Hallo Gerhard,

mit dieser Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat, kannste die bisherigen Beiträge im neuen Challenge locker in die Tonne hauen. Meine Meinung jedenfalls. Frag doch mal bei Rabenschwarz oder Frederik an, ob das machbar ist.

Es kam schlimmer als erwartet, plötzlich sprangen Grosskatzen aus dem luftigen Nichts und machten sich auf irgendwelchen Strassen oder Hausdächern breit. Manchmal guckten sie auch nur mit dem Kopf aus einer Wolke oder wedelten locker mit einer Pfote.

:thumbsup:

Gruß,

Poncher

PS: Welche Oldies aus welchem Jahrhundert hört der Autor denn?

 

Lala,
tippe ins Keyboard im Melodie und Rhythmus Takt:
"Eine kleine Träne weinte sie...". Hat mir grad geschrieben. "Intercity-Linie Nr. 4" fährt nach Eidelstedt. "Es war doch nur ein kleiner Flirt" Wirklich, bin doch nicht so blöd.
"Adios, adios My Darling"
Tschüss Gerd

 

Ah ja,
flockig geschrieben, lässt sich gut lesen. Der Zeitrahmen bis zur Übertragung des menschlichen Bewußtseins in Maschinen scheint mir bis 2038 etwas unrealistisch, aber wenn dein Protagonist das noch erleben soll, muss es natürlich so früh liegen. ;)


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Der Staatsaufbau war übersichtlich wie vom Reissbrett und durchsetzungsorientiert. Nie war die Polizei- und Justizdichte höher in der Grossregion Europa. Kein Knast mehr, dafür die gerechte Prügelstrafe und jeder hatte Wohnung und Arbeit. Das Berichts- und Meldewesen war sehr durchorganisiert, manipulatives Handeln verpönt.
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Du entwirfst hier so nebenbei einen sehr totalitären Staat, ohne damit im Folgenden etwas anzufangen. Mich würde interessieren, was deine Absicht war, als du die Story so geschrieben hast.


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Wenig später klopfte sie an die Wolldeckentür zur Wohnung ihrer Mutter in HH.
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Wieso kürzt du Hamburg hier ab? Ich finde, dass passt nicht so recht zum Textfluss.


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Vom Undertaker hatte ich mir einen herrlich geschmückten Kampfroboter...
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Ebenso will mir dieser Anglizismus - rein aus meinem Sprachgefühl heraus - nicht recht einleuchten.


Das Ende mit den Großkatzen - die ja, wenn ichs recht verstanden hab - die andere Intelligenz sein sollen, auf die das Bewußstein der Entkörperlichten Menschheit stößt - hat mir gut gefallen. Sind das am Ende die selben, die wir immer für gefährliche aber unintelligente Raubtiere gehalten haben?

Obwohl... wenn die Menschheit, aufgelöst in den Frequenzcomputern (interessante Idee) existiert und dadurch mit einer in ähnlicher Weise entwickelten Spezies kollidiert, warum hat diese dann eine körperliche Gestalt?

gruß

lucutus

 

Guten Abend lucutus!

"Du entwirfst hier so nebenbei einen sehr totalitären Staat, ohne damit im Folgenden etwas anzufangen. Mich würde interessieren, was deine Absicht war, als du die Story so geschrieben hast."

Wären so rasante Änderungen, wie in der Story beschrieben, ohne einen konsequenten juristischen Rahmen möglich? Ich formuliere konsequent die Möglichkeiten von fiktiven Zukunftsgesellschaften aus und werde dann oftmals selber überrascht, was dabei raus kommt.


"Wieso kürzt du Hamburg hier ab? Ich finde, dass passt nicht so recht zum Textfluss."
"Ebenso will mir dieser Anglizismus - rein aus meinem Sprachgefühl heraus - nicht recht einleuchten."

Einerseits zugestanden, andrerseits aber per Eigengefühl momentan so belassen.


"Das Ende mit den Großkatzen - die ja, wenn ichs recht verstanden hab - die andere Intelligenz sein sollen, auf die das Bewußstein der Entkörperlichten Menschheit stößt - hat mir gut gefallen. Sind das am Ende die selben, die wir immer für gefährliche aber unintelligente Raubtiere gehalten haben?"

Die Menschheit hat in dieser Story biologische, maschinelle und geistige Lebensmöglichkeiten. Die Grosskatzen sind nur Repräsentanten einer völlig anderen nicht mehr steuerbaren Seinsumgebung. Die Katzen sind von mir eigentlich in gewohnter Weise erdacht, nur sie kommen aus dem "Nichts".


"Obwohl... wenn die Menschheit, aufgelöst in den Frequenzcomputern (interessante Idee) existiert und dadurch mit einer in ähnlicher Weise entwickelten Spezies kollidiert, warum hat diese dann eine körperliche Gestalt?"

Auch wenn sie nur geistig wären, könnten sie körperliche Gestalt haben. Sollte ich sie durch irgendwelche Zahlencodes oder Gefühlshäufungspunkte beschreiben?

MfG Gerhard Kemme

 

Moin Gerhard

*staun*

OK, Poncher hatte Recht: Diese Story IST besser. Sie ist die erste verständliche Story von Dir, die ich bislang gelesen habe, zwar auch teilweise skurril aber das passt zum Plot.

Noch zwei Anmerkungen:

Den "Undertaker" würde ich auch "verdeutschen" wie lucutus schon vorschlug.

Und was ist eine Fangschnurr ?


Gute N8

jaddi

 

An Jadzia:

|Und was ist eine Fangschnurr ?|

Offiziere schmücken sich immer mit allerlei "Lametta": Ordensspangen, Nahkampfspangen, Sportabzeichen Gold. Über dieser ganzen Ordensbrust hängt dann bei der Unteroffiziers-Kaste die Schützenschnur und bei den Offizieren die "Fangschnur". Ich kenne diese als silberne geflochtene Schnur, die an einem Ende an der rechten Schulterklappe und mit dem anderen an einem oberen Knopf der mittleren Knopfleiste befestigt wird. Zu Hochzeiten, Beerdigungen und Kommandeurs-Festlichkeiten wird dieser Schmuck zum kleinen Dienstanzug getragen.
MfG Gerhard Kemme

 

Hi,

etwas abstruse Story, gefällt mir. Einige Dinge (wie den totalitären Staat) werden beiläufig hingeworfen, aber staubtrocken erzählt, das macht den Reiz aus. Abgesehen von der Warnung vor der Wirklichkeitswerdung einer solchen Utopie ist mir allerdings der tiefere Sinn bislang nicht klar geworden. Aber ich arbeite daran, d.h. ich bin mir sicher, dass es einen gibt ;)

Uwe

 

Gerhard: Danke, jetzt weis ich wenigstens das sie komischen "Kordeln" einen Namen haben :D

THX

jaddi

 

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