Gerechtigkeit
Der riesige, dunkelschwarze Schatten glitt in einer furchterregenden Weise über das schlafende Land. In die verschiedenen Schattierungen der mondhellen, warmen Sommernacht getaucht, lag es friedlich unter ihm. Es machte einen weiten Bogen und ließ sich mit der Luft, die von der sonnengewärmten Erde aufstieg, immer höher hinauftragen. Weit in der Ferne, dort wo die Sonne am Ende des Tages den Horizont berührt hatte, sah es das unheilvolle, in sich zusammengeschmolzene Silber, welches sein Untergang bedeuten sollte. Es war einsam auf dem Planeten geworden. Doch bald war diese Zeit zu Ende und man würde wieder Freude empfinden können.
Während es sich von der milden Sommerluft tragen ließ, durchlebte es in Gedanken die nächsten Tage und Wochen, die für ihn todbringende Qualen bedeuten würden.
Trotz dessen konnte es sich auf diesen Tag freuen, an dem es die Irrealität seines Lebens verlieren würde.
Im Osten zeigten sich die ersten zarten hellgrauen Streifen der einsetzenden Morgendämmerung und es war Zeit zu seiner Ruhestätte zu fliegen, wo es sich auf sein Schicksal vorbereiten konnte.
Als es kurze Zeit später seine Höhle erreichte, überkam ihn bleierne Müdigkeit. Erschöpft ließ es sich nieder und war augenblicklich eingeschlafen....
Hatte ihn jemand gerufen?
Es täuschte sich nicht. Eine kalte, vertraute Stimme rief ihn und es blickte sich suchend um. Es war die grauenerregende Stimme seines Schöpfers und Vernichters. Mit all seinem Hass stürzte es sich mit berserkerischen, ohrenbetäubenden Schreien auf ihn. Ohne es wahr zu nehmen, drang immer mehr dessen, was er war und doch nicht werden wollte in ihn ein. Stark verunstaltet und wahnsinnig verfolgte es nur das eine Ziel, die Gerechtigkeit nach dem Nichtsein. Doch seine Kraft ließ nach und es wurde immer dunkler um ihn herum, bis es das Bewusstsein verlor.
Als es wieder zu sich kam, war es alleine, blickte sich verwundert um und sah sich selbst friedlich schlafen. Es erschrak. Was ging hier vor? Es musste träumen. Doch es war ein seltsamer Traum. Irgendwas war mit ihm geschehen. Aber es wollte sich nicht näher damit befassen. Später, wenn es erwachen würde, hätte es ja genug Zeit, darüber nachzudenken.
Da war sie wieder, die Stimme. Doch diesmal fühlte es sich erleichtert, sie zu hören. Sie zeigte Vergebung und Reue. So folgte es ihr in die schwarze Dunkelheit. Und als es das Schwarze durchdrang, erfüllte sich sein sehnlichster Wunsch und man vergaß ihn, genauso wie seinen Erzeuger...
Das Leben ist, was man daraus macht. Man schenkt es uns nicht, sondern wir nehmen es uns und das ist es, warum wir trotz oder gerade deswegen unserer Wunschgedanken nahe sind und bleiben, um von Illusionen lebend die Wirklichkeit zu verfälschen...
by Xy-Cy