Mitglied
- Beitritt
- 07.08.2003
- Beiträge
- 35
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
George Morningham
Maschinengewehrsalven rissen Direktor Bowser aus dem Schlaf. Er schrak auf. Sah sich suchend um. Konnte noch nichts als kalte und bedrückende Dunkelheit erkennen, da sich seine Augen noch nicht an die Finsternis gewöhnt hatten.
Ab und zu zuckten für den Bruchteil einer Sekunde Blitze. Mündungsfeuer.
Im selben Augenblick liefen die Generatoren an, welche die Scheinwerfer an den Wachtürmen mit Strom versorgten.
Hundegebell.
Hysterisches Geschrei.
Es kam nicht nur vom Freigelände, sondern auch von den Fluren. Irgendjemand kreischte um Hilfe. Klang nahezu heiser.
Endlich hatten sich Bowsers Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Er tastete sein Bett ab.
Vage konnte er sich daran erinnern, dass er vor ein paar Stunden Besuch von einem Callgirl hatte.
Plötzlich griff er in etwas Feuchtes.
Reflexartig zog er seine Hand zurück.
Überlegte einen Augenblick.
In seinem Kopf herrschte ungeordnetes Chaos. Auf der einen Seite wollte er wissen, was da so feucht und auch klebrig war und auf der anderen Seite war da eine Abneigung gegen dieses Wissen.
Die Neugier gewann.
Bowser stand auf und bewegte sich an der Wand entlang langsam zu Lichtschalter. Als er diesen erreichte, hielt er noch einmal kurz inne und überlegte, ob er es wirklich tun sollte.
Er tat es…
… wünschte sich, er hätte es nicht getan. Wünschte sich, es wäre noch dunkel.
Er hatte in der vergangenen Nacht wirklich ein Callgirl gehabt, aber als sie gekommen war, war sie noch ziemlich lebendig. Und jetzt…?
Tot.
Aus weit aufgerissenen, leblosen Augen starrte sie Bowser an. Ihr Mund war geöffnet, so als wollte sie ihm gerade einen blasen.
Und überall war Blut.
Bowser schluckte.
In einer Reflexbewegung knipste er das Licht noch einmal aus und dann wieder an. Vielleicht hatte er Glück. Vielleicht war das nur Einbildung.
Doch die Realität holte ihn wieder ein.
Schüsse.
Geschrei.
Bellende Hunde.
Bowser wurde übel. Ein bitterer, säuerlicher Geschmack stieg ihm in den Mund. Es war der Vorgeschmack seiner eigenen Kotze, die sich im nächsten Moment über den Teppichboden in seinem Schlafzimmer ergoss.
Es war sogar noch erkennbar, was er am vergangenen Abend gegessen hatte.
Der Gestank war ekelhaft und brachte Bowsers Augen zum Tränen.
George Morningham war ein ziemlich erfolgreicher Anwalt gewesen. Hatte eine eigene Kanzlei in Stoneville und auch die Arbeit ging ihm so schnell nicht aus. Streitigkeiten gab es selbst in einer kleinen Stadt wie Stoneville genug. Er hatte eine wunderschöne Frau, welche zum zweiten Mal Schwanger war und einen dreijährigen Sohn.
Eine Bilderbuchfamilie, bis zu jener verhängnisvollen Nacht. Es war der 10. August 1988. Wiedereinmal konnte George nicht schlafen. Das ging schon länger so, ohne dass es eine Erklärung dafür gab. Unruhig wälzte er sich hin und her, stand schließlich auf.
Seiner Frau hauchte er noch einen leichten Kuss auf die rechte Wange. Schlich aus dem Schlafzimmer. Sein Weg führte zum Kühlschrank. Er entnahm zwei Dosen Budweiser.
Begab sich ins Wohnzimmer, ließ sich auf seinem Fernsehesessel nieder und begann durch die Programme zu zappen und Bier zu trinken.
Unverhofft blieb er auf einem Sender hängen, von dem er gar nicht wusste, dass er diesen überhaupt hatte. Pay – TV. Gerade lief dort eine Werbesendung, in welcher angepriesen wurde, dass dieser Sender optimal für all jene war, die Frust in ihrer Beziehung oder Ehe hatten.
Nach dieser Werbesendung lief ein Film gerade dort weiter, wo eine Gruppensex – Szene stattfand.
George war nicht gerade abgeneigt gegenüber Pornos, lieh sich durchaus auch mal einen oder mehrere aus – vor allem dann, wenn seine Frau nicht da war. Aber das…
Irgendwas war anders geworden.
George fühlte sich als er aufwachte nicht müde oder erschöpft. Im Gegenteil. Er fühlte sich fit. Noch nie zuvor hatte er sich so gut gefühlt.
Dafür aber herrschte beim Frühstück ein eisiges Schweigen. Warum konnte George nicht sagen und es war ihm auch egal.
Auf dem Weg zu seiner Kanzlei überkam es ihn. Er brauchte Werkzeuge. Gegenstände, mit denen er Leid verursachen konnte.
Ein kurzer Abstecher zum Do – it – yourself – Market. Zeit hatte er noch genug. War früher als gewöhnlich losgefahren.
Gesagt. Getan.
Er fuhr zum Baumarkt, um dort einige Dinge – Werkzeuge – einzukaufen.
Dazu brauchte er etwa eine halbe Stunde.
Er packte alles in den Kofferraum seines Wagens, stieg wieder ein und fuhr los.
Bereits, als er in die Straße einbog, in welcher sich seine Kanzlei befand, sah er Mrs. Poll vor der Türe stehen. Mrs. Poll war ein wahrhaftiger Drachen. Verklagte alles und jeden – besonders gerne ihren Ex - Mann. Auch jetzt noch, wo er nur noch ein Häuflein Elend war. Alkoholiker. Krank. Schwach.
Mr. Poll hielt sich am liebsten in Joes Pub auf. Versoff das bisschen Geld, welches er noch als Sozialhilfe bekam. Dabei hatte er vor einigen Jahren eine ziemlich erfolgreiche Firma – bis er seine Frau kennen lernte.
Mrs. Poll fluchte und schimpfte. Was ihm einfiele, nicht pünktlich die Kanzlei aufzusperren – knappe zehn Minuten hatte er sich verspätet. Aber er schuldete ja niemandem Rechenschaft. Es war seine Kanzlei.
Wenn er diese einen ganzen Tag geschlossen hielt – auch egal.
Morningham schlug immer noch auf Mrs. Poll ein, als diese schon lange tot war. Immer wieder krachte das Beil herunter. Blut spritzte. Haut- und Fleischfetzen hingen an der Klinge. Blut tropfte zu Boden.
George grinste.
Die Leiche der alten Mrs. Poll ließ er in seiner Kanzlei liegen.
Nach dieser Bluttat machte er sich wieder auf den Weg. Sein Grinsen wurde zu einem Lachen. Ein widerliches Lachen. Endlich hatte er seine Berufung gefunden.
Nicht Anwalt war seine Berufung – nein. Es war viel besser. Es war befreiend.
Sein teurer Anzug von Armani war voll vom Blut. Über seinem Gesicht lag ein dünner Film aus geronnenem Blut. Ebenso seine Hände.
Niemand kam ihm entgegen, als er sich auf den Weg zu seinem Auto machte.
Er startete den Motor. Ließ seinen Wagen noch ein paar Minuten im Leerlauf und überlegte währenddessen, welches Werkzeug wohl für seine Familie angemessen war…
***
Es herrschte eisige, bedrückende Stille in der Anstalt. Es war gespenstisch, vor allem wenn man wusste, was hier noch vor wenigen Minuten geschehen war.
Jetzt?
Außer den Wachen war niemand mehr auf den Gängen. Die "Patienten" waren entweder wieder in ihren Zimmern oder in ihren Zellen.
Eine Sondereinheit hatte die Anstalt großräumig abriegeln lassen. Suchtrupps durchkämmten mit Bluthunden den angrenzenden Wald rund um Stoneville.
Es herrschte größte Alarmbereitschaft, denn einer der gefährlichsten und brutalsten Mörder war ausgebrochen.
George Morningham!
Torning war es damals, der Morningham zur Strecke brachte.
Sheriff Jim Torning!
Noch heute wünschte er sich, er hätte Morningham damals erschossen. Leider tat er es nicht. Und bei der Gerichtsverhandlung wurde er dann wegen Unzurechnungsfähigkeit zu lebenslangem "Aufenthalt" in der Psychiatrischen Anstalt verurteilt.
Geschlossene Abteilung.
Höchste Sicherheitsvorkehrungen.
Meterhohe Mauern. Ein riesiges, überschaubares Gebiet ohne Möglichkeit einer Deckung. Stacheldraht. Vier Wachtürme, auf jedem dieser befanden sich jeweils zwei Scharfschützen. Weitere sechs Wachen patrouillierten rund um die Uhr um das Gebäude. Ganz zu schweigen von den unzähligen, schwer bewaffneten Wachen welche sich in der Geschlossenen Abteilung aufhielten.
Noch nie zuvor war es jemandem gelungen, aus diesem Gebäude zu fliehen…
… bis jetzt.
Morningham war weg!
Hatte ein Blutbad zurückgelassen.
Aber am meisten staunte Torning darüber, dass Morningham es schaffte, das Callgirl so grausam zu ermorden, obwohl direkt daneben der Direktor lag, ohne dass dieser es mitbekam.
Nicht nur zwei Leichen waren zurückgeblieben. Unzählige. Jim wusste die genaue Zahl nicht mal.
Es war ihm auch egal.
Er wusste nur, diesmal wollte er Morningham töten wenn er ihm gegenüber stand…
***
Monica gingen die ständigen Liebesschwüre von Mr. Poll lange schon auf die Nerven. Immer und immer wieder gestand er ihr, wie sehr er sie liebte und dass er sie gerne heiraten würde. Einmal hatte er ihr sogar einen Heiratsantrag gemacht.
Es war im Fühjahr gewesen. 11. April ganz genau. Mittagszeit. Das Lokal war ziemlich voll. Mr. Poll war an diesem Tag später als gewöhnlich gekommen. Trug ein paar Blümchen bei sich, welche bereis mehr welk als blühend waren und die er wohl aus dem Stadtpark hatte. Er ließ sich auf "seinem" Hocker nieder. Bestellte ein Glas Whisky. Nahm einen kräftigen Schluck davon und fragte Monica unmittelbar danach, ob sie ihn heiraten wolle.
In diesem Moment war es im Lokal still geworden. Alle warteten auf Monicas Reaktion, welche nur darin bestand, rot zu werden und dann in der Küche zu verschwinden.
Diesen Tag würde Monica wohl niemals vergessen.
Das war so peinlich.
Für gewöhnlich verließ Mr. Poll als Letzter das Lokal, nicht an diesem Tag. Es war so gegen zwanzig Uhr als er zahlte und das Lokal verließ. Torkelnd wie immer.
Monica glaubte nicht, dass Mr. Poll überhaupt noch einen nüchternen Zustand kannte.
Im selben Augenblick, als er das Lokal verließ, betrat ein anderer Mann das Lokal.
Ein großer Mann, kräftig gebaut und ganz in schwarz gekleidet.
Er trug auch einen schwarzen Hut und eine schwarze Sonnenbrille.
Dieser Mann wirkte unheimlich. Er schritt zur Theke, nahm auf dem Barhocker Platz, auf welchem für gewöhnlich Mr. Poll saß.
Er bestellte eine Schachtel Marlboro und Whisky.
Seine Stimme war unangenehm. Eine gewisse Überheblichkeit schwang darin mit.
Monica brachte ihm, wonach er verlangte. Er zahlte sofort.
Öffnete die Schachtel, entnahm eine Zigarette und zündete sich diese an. Zwei oder dreimal zog er kräftig daran, ehe er diese wieder auslöschte.
Ebenso nippte er nur einmal kurz am Whisky, bevor er sich wieder erhob und dass Lokal verließ. Zurück blieben eine volle Schachtel Zigaretten und ein Glas Whisky.
Monica sah dem Mann noch nach, bis er hinter der nächsten Ecke verschwunden war. Überlegte, wer dieser Mann wohl war.
Bestimmt niemand, der aus Stoneville kam.
Stoneville war nicht besonders groß und jeder kannte hier jeden.
Aber nicht diesen Unbekannten.
In Monica war ein mulmiges Gefühl aufgestiegen. Sie hatte eine Gänsehaut bekommen und zitterte am ganzen Körper. Sie wünschte sich, sie wäre bereits zu Hause. Im Bett. In Sicherheit.
Noch ein paar Stunden musste sie überstehen, dann endlich konnte sie nach Hause gehen.
Der weitere Verlauf des Abends war ruhig und ohne besondere Vorkommnisse.
Darüber war Monica mehr als froh. Noch glücklicher war sie, als sie das Lokal abschließen konnte. Der letzte Gast war vor ungefähr zwanzig Minuten gegangen. Jetzt war das Lokal leer.
Fast hatte sie den unheimlichen Fremden vergessen, doch als sie jetzt im Freien war und sich auf den Heimweg machte, kam er ihr wieder in Erinnerung.
Wie ein Gespenst. Oder ein Monster.
Was auch immer.
Sie sah sich noch kurz um, ob hier irgendwo ein Monster war, welches auf sie lauerte und machte sich als sie zum Schluss gekommen war, dass niemand auf sie wartete auf den Heimweg.
Vom Pub bis zu ihr nach Hause waren es ungefähr fünfzehn Minuten Fußmarsch. Durch den Friedhof und ein angrenzendes Waldstück konnte man den Weg um etwa fünf Minuten verkürzen.
An "normalen" Tagen ging sie auch die Abkürzung.
Nicht aber diesmal. Zwar stand sie vor dem Friedhofstor und überlegte, ob sie den Friedhof durchqueren sollte, entschloss sich dann aber, es nicht zu tun, sondern den längeren Weg zu gehen.
Wieder tauchte der Fremde vor ihrem geistigen Auge auf.
Monster. Gespenst. Monster
Irgendwie erschaudert wich sie zurück.
Sie hatte Angst.
Große Angst. Denn obwohl sie den Weg genau kannte, sie ging diesen mehrmals am Tag, erschien er ihr unbekannt und keineswegs vertraut.
Das mulmige Gefühl war mit einem Schlag wieder da. Jenes Gefühl, welches sie auch im Lokal hatte, als der Mann wieder gegangen war.
Ganz deutlich sah sie dieses ausdruckslose Gesicht wieder vor sich. Den Schwarzen Mann.
Gewissermaßen war es sogar so, dass sie den Rauch der Zigarette noch immer riechen konnte.
Monica setzte ihren Weg fort. Diesmal schneller. Ihre Schritte wurden hastiger und einige Male stolperte sie fast.
Sie begann zu keuchen. Schnell und ungleichmäßig zu atmen. Ihr Herz pochte erbarmungslos. Es tat schon richtig weh. Auch Seitenstechen kam noch hinzu.
Jetzt war es kein Gehen mehr. Laufen und Gehen und Stehen bleiben. Ab und zu sah sie sich um, ob da jemand war, der ihr folgte.
Oder Etwas.
Nichts zu erkennen…
Endlich kam ihre Wohnung in Sicht. Sie ließ in ihrer Wohnung immer ein Licht brennen, um den Eindruck zu erwecken, dass jemand zu Hause war.
Noch während sie lief begann sie in ihrer Tasche nach ihrem Schlüssel zu suchen. Schließlich stolperte sie. Fiel. Der Inhalt der gesamten Tasche breitete sich auf der Straße aus. Da war Lippenstift, Make-up, Kondome, Bürste, Handy und auch der Schlüssel war herausgefallen.
Nervös begann sie die Straße nach dem Schlüssel abzusuchen. Ihr war alles egal. Nur der Schlüssel. Dieser war lebenswichtig.
Instinktiv sah sie sich noch während sie nach dem Schlüssel suchte um – und jetzt fuhr ihr ein neuerlicher Schrecken in die Glieder.
Da war jemand.
Zwar noch weit genug weg, um nicht zu erkennen, wer es war. Aber Umrisse.
Monica wurde hektisch.
Monster. Gespenster. Monster. Gespenster
Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann?
Monster.
Sie fand den Schlüssel noch rechtzeitig. Beinahe wäre ihr dieser in den Kanal gefallen. Schutzengel. Die Umrisse setzten sich in Bewegung. Ganz langsam. Monica sprang auf und lief so schnell sie konnte los.
Sie ließ die Tasche und den auf der Straße verteilten Inhalt auf der Straße zurück. In diesem Augenblick war es ir egal.
Erreichte ihre Wohnung, schloss die Türe auf, stolperte hinein, warf die Türe hinter sich zu, schloss zweimal ab.
Zusammengekauert blieb sie am Flur ihrer Wohnung sitzen. Wagte kaum zu atmen.
Ihr Herz raste. Sie wusste nicht, wer sie da draußen verfolgte. Wollte es irgendwie auch gar nicht wissen. Chaos herrschte in ihrem Kopf. Sie versuchte nicht, ihre Gedanken jetzt zu ordnen, sondern schlief müde und verängstigt ein.
Ein unruhiger Schlaf…
***
Torning war schlecht gelaunt. Daran trug nicht nur Morningham Schuld, sondern auch die sich häufenden Aussagen über irgendwelche unheimlichen Verfolger.
Als hätte er nicht schon genug Probleme gehabt. Morningham beanspruchte seine gesamte Aufmerksamkeit. Jetzt waren da auch noch Monster oder weiß der Teufel was.
Torning glaubte nicht an Monster oder derartige Wesen.
Seine Aufmerksamkeit bekam erst Pater Stevens, welcher wie wild in das Büro des Sheriffs stürmte, fluchte, was das Zeug hielt, immer wieder zum Himmel aufblickte und um Vergebung bat und in kurzen Sätzen erklärte, was los war.
Es ging hier offensichtlich um Kirchenschändung.
Eine besonders schwere Schändung.
Die Kirche sah aus wie ein Schlachhaus. Anders konnte man es nicht beschreiben. Überall prangten die blutigen Initialen G.M. an den Wänden und Bänken. Sogar auf dem Altar, dessen Kreuz in ekelerregenster Weise entweiht wuorden war. Man hatte Jesus einen abgeschnittenen Hoden um den Untrerleib gebunden. Torning sah schnell weg, als er das Brennen in seinem Magen erneut fühlte, dass sein Essen im Rückwärtsgang ankündigte. Wie gebannt starrte er auf die Oblatenschale zu Füßen des Kruzifixes, um den schrecklichen Anblick zu vergessen.
Und das tat er tatsächlich.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf den Oblattenteller. Sechs herausgeschnittene Augenpaare starrten zurück.
Zurück in seinem Büro fiel Torning noch etwas ein.
Pater Stevens.
Irgendwie schien der Pater sehr abgestumpft zu sein. Es machte den Anschein, als war ihm das ganze Blut, die Leichen, einfach alles egal.
Zwar war nicht klar, weshalb…
Ein dunkler Verdacht stieg in Torning auf… Ein Verdacht, den er lieber nicht laut aussprechen wollte…
…und seine Angst stieg noch mehr…
***
Torning rief einen Freund an. Jemand, der schon mal eine Drecksarbeit übernahm. Auch Observierungen. Torning gab Bill Gomer den Auftrag, Pater Stevens zu observieren.
Dieser war ein bisschen zu gleichgültig gewesen, als er die Leichen sah. Dieses ganze Blutbad. Stevens zeigte keine wirkliche Regung, als er durch das Blut und die Eingeweide stapfte. Torning hätte sich am liebsten dreimal übergeben.
Ihm war übel geworden, als er die Kirche betrat.
Er war zwar schon einiges gewohnt.
George Morningham war das Schreckgespenst, welches sich in seinem Kopf manifestiert hatte. Ein Alptraum aus Fleisch und Blut.
Entsetzliche Erinnerungen wurden beim Gedanken an Morningham wach. Erinnerungen an seine Frau und seine beiden Kinder.
Das letzte, was sie gemeinsam machten war ein Picknick im Wald von Stoneville. Zwei Tage später war seine Familie tot. Grausam abgeschlachtet. Wie Tiere.
Brutal.
Morningham war in ihr Haus eingedrungen. Lautlos. Wie ein Gespenst.
Er – Torning – hatte damals Nachtschicht. War nicht zu Hause gewesen. Er hätte es vielleicht verhindern können, oder wäre jetzt selbst tot.
George hatte zuerst die Kinder mit einem Küchenmesser ermordet. Aufgeschlitzt.
Jim konnte sich noch genau an den widerlichen Gestank von Blut und totem, kalten Fleisch erinnern. Ein widerlicher Gestank.
In seiner Frau waren Spuren von Sperma entdeckt worden. Sie war vergewaltigt worden, aber erst, als sie bereits tot war. Er hatte ihr mit einem Löffel die Augen herausgeschält. Mit einer Zange alle Zähne gerissen.
Bei der Autopsie war herausgefunden worden, dass sie über fünf Stunden lang gequält wurde. Gefoltert. Sie erlitt ein fürchterliches Martyrium.
Jim wusste noch genau, wie er nach Hause kam. Er konnte sich an alles erinnern. Zuerst fand er die Kinder.
Dann fand er seine Frau. Grausam ermordet. Gequält. Vergewaltigt.
Hysterisch lief er damals durchs Haus. Brüllte. Heulte. War wütend.
Am Boden zerstört.
Bereits damals wollte er George tot sehen, doch das Urteil des Gerichts machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Unzurechnungsfähig!
So hieß das Urteil.
Psychiatrische Anstalt. Geschlossene Abteilung. Hochsicherheitstrakt.
Morningham hatte das Gericht hereingelegt.
Unzurechnungsfähig?
Morningham?
Bestimmt nicht. Er wusste ganz genau was er tat.
Hochsicherheitstrakt?
Nicht sicher genug. Morningham war die Flucht gelungen. Eine Spur des Todes blieb zurück.
***
Monica hatte sich für die nächsten Tage krank gemeldet. Sie traute sich keinen Schritt aus ihrer Wohnung. Hatte immer noch den Eindruck, als würde sie beobachtet. Vielleicht war auch der unheimliche Verfolger noch da.
Gespenster. Monster
Menschenfressende Monster.
Während sie sich in der Küche eine Kleinigkeit zum Essen richtete, warf sie immer wieder Blicke aus dem Fenster auf die Straße.
Die Straße war leer. Wie ausgestorben. Ein leichter Wind blies. Unheimliche Geräusche entstanden dadurch.
Monica war unruhig.
Hektisch lief sie in ihrer Wohnung hin und her. Viermal hatte sie sich in die Finger geschnitten, als sie was zum Essen richtete.
Nervös kaute sie auf ihren Fingernägeln herum.
Sie war müde und erschöpft. Die Flucht. Dann noch der grausige Alptraum welchen sie hatte. Das alles hatte an ihren Kräften gezerrt.
Aber sie hatte Angst davor, schlafen zu gehen.
Sie hatte Angst vor ihrem Alptraum. Hatte Angst, wieder in diese fremde Welt zu kommen, wo sich diese Monster befanden.
Vielleicht halfen Schlaftabletten.
Möglicherweise konnte sie dadurch in einen traumlosen Schlaf fallen. Wenn nicht…
… wenn sie wieder träumte, dann verhinderten die Tabletten, dass sie aufwachen konnte.
Versuchen wollte sie es trotzdem.
Sie schluckte gleich zwei Tabletten, um auf Nummer sicher zu gehen, dass sie auch wirklich in einen Tiefschlaf verfiel. Wenn sie zwei Tage durchschlief war es auch egal.
Wichtig war, dass sie schlafen und vergessen konnte.
***
Die Schlaftabletten zeigten ziemlich schnell Wirkung und versetzten Monica in einen traumlosen Tiefschlaf.
Jemand begann an der Eingangstüre zu hantieren. Rütteln. Schlug dagegen.
Die Türe gab nicht nach.
Wer auch immer in die Wohnung wollte, konnte nicht durch die Türe hinein gelangen.
Dafür durch ein Fenster…
Glas barst. Scherben fielen klirrend zu Boden. Der Einbrecher horchte. Kein Geräusch. Nichts. Nur Stille. Und das, obwohl es Tag war.
Er stieg in die Wohnung ein und machte sich auf die Suche nach Monica Clein.
Fand sie in ihrem Schlafzimmer.
Sie schlief.
Schnarchte leise.
Sie sah so schön aus. So friedlich. So, als wäre in den vergangenen Stunden nichts passiert. Ganz normal.
Der Eindringling schlich zu ihr hin, so dass er unmittelbar neben ihr stand. Er konnte sie berühren. Strich ihr übers Haar. Es klebte zusammen. Der Schweiß.
Der Gestank von Angst ging von ihr aus. Ekelhafter Gestank.
Der Fremde kniete neben Monica nieder und küsste sie auf die Wange. Salziger Geschmack.
Wie wunderschön war sie doch anzusehen. So friedlich. So ruhig.
Sie wirkte entspannt. Glücklich. Doch sie war es nicht. Weder entspannt noch glücklich. Nichts. Auch jetzt in ihrem Schlaf war sie unruhig und ängstlich. Vielleicht sogar panisch.
Der Fremde begann in seinen Taschen nach etwas zu suchen. Ein Gegenstand, welcher sich als Multifunktionswerkzeug herausstellte.
Zange. Messer. Und noch viele andere kleine, feine Werkzeuge.
Er probierte mit dem Messer aus ob sie aufwachte. Aufwachen nein. Zucken ja. Sie zog reflexartig ihre Hand zurück, als er ihr einen Schnitt mit dem Messer zufügte.
Ein dünner Streifen Blut trat hervor. Er leckte darüber. Ein köstlicher Geschmack.
Schließlich begann er Monica unzählige Verletzungen beizubringen. Immer wieder zuckte sie. Atmete schnell. Ab und zu kam ein Seufzer über ihre Lippen.
Ein schmerzlicher Seufzer. Doch sie wachte nicht auf. Die Tabletten taten ihre Wirkung.
Gute Medizin.
Immer mehr Wunden fügte er ihr zu. Ein dünner Film aus klebrigem, geronnenem Blut hatte sich über ihren Körper gelegt.
Es waren genug Wunden, um sie ganz langsam sterben zu lassen. Verbluten.
Genug Wunden, das sie erst nach mehreren Stunden – schmerzlichen Stunden – starb. Denn den Schmerz konnte sie fühlen.
Sie war dem Schmerz ausgeliefert. Es musste für Monica wie ein wahr gewordener Alptraum sein. Ein Alptraum, aus dem sie nie wieder aufwachte.
Ihr Peiniger stand neben ihr. Betrachtete sie. Grinste widerlich. Drückte Monica noch einen Kuss auf die Wange, verschwand dann.
Überließ Monica ihrem Schicksal.
Und noch eines war klar. Bis die Leiche gefunden wurde, würden sich bereits die ersten Spuren der Verwesung zeigen. Denn Monica war ja eigentlich krank. Niemand würde sich die nächsten zwei bis drei Tage ernsthafte Sorgen machen.
***
Gomer rief Torning am frühen Nachmittag an und berichtete ihm die ersten Ergebnisse seiner Observierung. Stevens hatte die Kirche nicht zugesperrt.
Dafür pilgerten jetzt unzählige Menschen dorthin.
Die Augen des Sheriffs weiteten sich, fühlte sich in seiner Vermutung bestätigt. Wusste nur noch nicht, was hier genau los war.
Schlimme Veränderungen gingen in Stoneville vor.
Morningham musste eine ungeahnte Macht besitzen. Macht, die Bürger Stonevilles in seinen Bann zu ziehen. Aber was um alles in der Welt hatte er vor?
Es machte den Anschein, als wollte er eine Armee rekrutieren. Eine Armee aus fanatischen, gefährlichen Anhängern.
Mit einem Schlag war das Gespräch beendet. Nur noch Rauschen. Torning war, als hatte er ein krachendes Geräusch gehört.
Ein unheilvolles Gefühl stieg in ihm auf. Daran wollte er eigentlich nicht denken, aber unwillkürlich tat er es.
Es blieb ihm nichts übrig. Er musste sehen, was geschehen war. Musste sehen, was in der Kirche ablief. Welche Schweinereien dort stattfanden.
Hektisch erhob er sich und lief zum Waffenschrank. Öffnete diesen. Nahm eine Schrottflinte heraus. Ebenso noch zwei Pistolen. Reservemagazine.
All diese Waffen entsicherte er und verließ sein Büro.
Noch bevor er bei der Türe draußen war, telefonierte er. Er brauchte Verstärkung. Alleine kam er wahrscheinlich nicht gegen diese Armee des Todes an.
Es wurde ihm zugesichert, dass in etwa zwei Stunden eine ganze Einheit bei ihm bereit stand. Nicht zu vergessen jene, welche die Umgebung durchkämmten.
Hoffentlich reichte das.
Torning stieg in seinen Wagen und fuhr los. Nicht ganz bis zur Kirche. Zwei Straßen davor parkte er. Den Rest ging er zu Fuß weiter.
Er sah Gomers Auto. Einen alten Chevy. Die Straßen waren jetzt leer. Still. Wie ausgestorben. Jim horchte, ob er irgendwas Verdächtiges hörte.
Nichts.
Trotzdem blieb er vorsichtig. Er robbte zu Bills Wagen. Ein Bild des Schreckens bot sich ihm. Gomer war mit einer Feueraxt erschlagen worden. Die Axt lag wie sein Kopf neben ihm am Beifahrersitz.
Die ehemals hellen Sitze waren rot eingefärbt.
Am Boden bei den Pedalen lag sein Handy.
Letzter Anruf: 4 Minuten 31 stand darauf.
Darunter die angerufene Nummer. Sheriff Torning!
Jim war wütend. Traurig. Fertig. Er war vom Tode umgeben. Überall nur Leichen.
Und mit seiner Ermittlungsarbeit kam er auch nicht voran.
Na ja, jetzt schon. Morningham hielt sich mit seinen Anhängern wahrscheinlich in der Kirche auf und hielt wohl eine Art Schwarze Messe.
Torning wäre am liebsten eingeschritten, doch er musste warten. Warten, bis die Verstärkung kam.
Wenn nur nicht die Zeit so langsam verging.
Sein Handy begann zu läuten. Ein schriller Rufton. Torning schrak sich selbst davor, begann danach zu kramen, fand es und warf einen kurzen Blick aufs Display. Hob ab.
Im Hintergrund waren Schüsse zu hören. Schreie. Befehle.
Jemand schrie ins Telefon. Durch den Lärm im Hintergrund waren aber nur Bruchstücke zu hören. "Straßensperre!" "Falle!" "Viele Feinde!"
Jim war klar, seine Verstärkung war in eine geradezu mörderische Falle geraten.
Morningham hatte vorgesorgt.
Unzurechnungsfähig?
Nicht Morningham.
Morningham war hochintelligent. War er schon damals, 1988. Er war immer einen Schritt voraus.
Genau davor hatte Jim die größte Angst.
Angst, dass Morningham ihn beobachtete. Sich an ihm rächen wollte. Rächen für den Aufenthalt im Irrenhaus.
Ein anderer Gedanken schoss Jim durch den Kopf.
Weshalb hatte Pater Stevens ihm die geschändete Kirche gezeigt, wenn er selbst ein Anhänger des Bösen war? Ergab doch irgendwie keinen Sinn, oder?
Vielleicht war es auch eine Art Hilferuf.
Ruckartig ging Jim in Deckung. Beobachtete. Das Portal der Kirche wurde geöffnet. Vier Männer kamen heraus. Alle vollkommen schwarz gekleidet. Alle trugen sie Sonnenbrillen. Ihre Gesichter waren kreidebleich, als ob sie jede Menge Make-up aufgetragen hätten.
Weitere zwei Männer kamen aus dem Gotteshaus. Diese trugen eine Person bei sich. Ein Gefangener. Er versuchte sich zu befreien, doch er konnte die Schwarzen Männer nicht bezwingen.
Jim versuchte zu erkennen, wer dieser Gefangene war. Gelang ihm nicht. Zu weit weg. Aber er hatte nur eine schlimme Vorahnung, die sich auch in wenigen Augenblicken bewahrheiten sollte.
Der Gefangene wurde brutal ermordet.
Der Meister selbst kam aus der Kirche. Bereit, den Gefangenen dem Bösen zu opfern.
Morningham selbst wollte das Ritual durchführen.
Unmenschliche Gemeinheiten. Unmenschliche Brutalität.
Morningham wirkte noch überlegener. Noch gefährlicher.
Jim gelangte zu dem Schluss, dass er noch einmal in die Anstalt zurück musste. Er musste Morninghams Zelle noch einmal durchsuchen.
Vielleicht hatte er etwas übersehen. Auch wenn es nur eine Kleinigkeit war. Möglicherweise setzte sich das Puzzle dann vollständig zusammen.
Morningham hatte mit der Opferung begonnen.
Torning konnte nicht zusehen. Alleine die Vorstellung, was George da trieb ließ Übelkeit aufkommen.
Er hatte den säuerlich, bitteren Geschmack bereits im Mund…
… dann war es da. Er übergab sich. Am Randstein. Hinter Gomers Auto.
***
Jim stand alleine in der Zelle. Irgendwie fühlte er sich überhaupt alleine. Das Irrenhaus wirkte wie ausgestorben. Die Spuren der Flucht waren noch zu deutlich.
Es stank immer noch nach Blut und totem Fleisch. An den Wänden waren noch die Flecken zu erkennen. Flecken, die wohl nie wieder herausgingen.
Morningham hatte bei seiner Flucht aus der Anstalt neun Leichen zurückgelassen. Alle mit einer Feueraxt erschlagen. Das Callgirl bildete die Ausnahme. Torning begann die Zelle genau zu durchsuchen. Jede Ecke. Jeden Winkel. Einfach alles. Als er so nichts fand, begann er die Wand abzuklopfen.
… und…
… siehe da. Ein Hohlraum in einer Betonwand. Jim tastete die Wand vorsichtig ab. Irgendwo musste eine lose Stelle zu finden sein.
Respekt vor Morningham. Wie er es wohl fertigbrachte, ein Versteck in der Wand zu schaffen, ohne dass jemand etwas mitbekam.
Jim fand die lose Stelle. Eigentlich nur ein Loch hinter einem Poster einer nackten Frau.
Vorsichtig griff er hinein
Zeitungsausschnitte und ein Buch über satanische Rituale. Beides war in eine Folie eingewickelt, um es vor Feuchtigkeit zu schützen.
Jim wickelte es aus. Sah sich die Ausschnitte an. Blätterte in dem Buch, dessen Titel er nicht lesen konnte. Fand einen Zettel, welcher hineingeklebt war.
Stichworte standen darauf.
Luzifer.
Torning bekam eine Gänsehaut. Begann zu zittern. Da stand auch was von schwarzen Männern. Menschenopfer. Die Bestie zu ehren.
Jim zitterte jetzt am ganzen Körper. Hatte Angst. Wusste, er musste Morningham aufhalten. Er war der Einzige, der das konnte.
Erinnerte sich wieder an das Opfer vor der Kirche. Drei Opfer mussten dargebracht werden, stand in dem Buch. Eines hatte George bereits.
Jim ahnte nicht, dass der Gefangene bei der Kirche bereits das zweite Opfer war. Das erste Opfer war Monica Clein. Aber davon wusste Torning zu diesem Zeitpunkt noch nichts.
Die Zeit lief…
***
Mr. Poll war das Opfer des Rituals gewesen. Seine Überreste waren an das Eingangsportal des Gotteshauses genagelt.
Wie Jesus ans Kreuz.
Er war ausgeweidet worden. Grausig verstümmelt. Jim schluckte. Schnappte nach Luft. Der Anblick war zu schrecklich. Mr. Poll war ein armer Alkoholiker. Ein Mann, der niemandem etwas tat. Er lebte sein Leben, welches ihm Mrs. Poll vor Jahren versaut hatte.
Wahrscheinlich hätte er auch nicht mehr lange gelebt, er sah von Tag zu Tag schlechter aus. Aber das hatte er nicht verdient.
Außer den Toten hielt sich hier niemand mehr auf. Keine schwarzen Männer. Kein Morningham. Vorsichtig betrat Jim das geschändete Haus Gottes.
Kerzen brannten. Ein schummriges Licht entstand dadurch. Ein Ekelerregender Gestank lag in der Kirche. Ein Gestank nach Blut und totem Fleisch.
Jim hatte keine Ahnung, wie er es verhindern konnte. Er wusste es beim besten Willen nicht. Vielleicht wäre es leichter gewesen, wäre die Verstärkung gekommen.
Aber wahrscheinlich waren sie alle tot. Ein Massaker vor den Toren von Stoneville.
Das einzige, was er tun konnte, war zu warten. Darauf zu warten, dass George Morningham mit seinem Gefolge zurückkam. Möglicherweise hatte er dann eine Chance, den wahnsinnigen Killer zu töten.
EINE Chance!
Er versteckte sich bei der Orgel. Dort konnte er das gesamte Kirchenschiff überblicken. Alles. Auch den Altar. Dort würde sich Morningham wahrscheinlich aufhalten. Dort würde er sein Ritual zu Ende führen. Oder auch nicht.
Nicht, wenn er es verhindern konnte.
Umgeben von Leibwächtern betrat Morningham die Kirche. Trug jetzt drei Köpfe bei sich. Monica Clein. Mr. Poll. Pater Stevens.
Blut tropfte noch zu Boden. Fiel aber gar nicht weiter auf, denn der Boden der Kirche war bereits knöcheltief mit Blut, Knochen, Haut- und Fleischfetzen und Eingeweiden überdeckt.
Ein Sumpf aus menschlichen Überresten.
Auch Kotze hatte sich darunter gemischt. Jim konnte es nicht verhindern. Er hatte sich vorhin übergeben. Nicht nur einmal. Zweimal war ihm alles heraufgekommen.
Jim richtete die Schrotflinte auf den Kopf von Morningham. Vorsichtig. Durfte nirgends ankommen. Jedes Geräusch konnte ihn verraten. Noch dazu, da es so bedrückend still war.
Niemand sprach. Eine Armee aus Schwarzen Männern marschierte ein. Allen voran Morningham.
Endlich erreichte er den Altar. Dort stellte er die Köpfe auf.
Jim erschauderte. Er hatte Angst.
Was, wenn sein Attentat fehlschlug? Wahrscheinlich brauchte er sich darüber keine Gedanken mehr zu machen.
Alle hatten George unterschätzt.
Unzurechnungsfähig?!
Ein eiskalter Killer.
Unzurechnungsfähig?
Welche Ironie lag in diesem Wort. Morningham hatte sie alle ausgetrickst. Er war in die Anstalt eingewiesen worden.
Elektrischer Stuhl, das wäre es gewesen. Kein weiteres Blutbad mehr. Vielleicht ein Nachahmungstäter. Aber lange nicht so gefährlich.
Wäre Morningham am Elektrischen Stuhl gebraten worden, wäre das alles hier gar nicht nötig gewesen.
Ein Schuss!
Ein ohrenbetäubender Knall zerriss die eisige Stille. Mündungsfeuer blitzte auf…
… dann wurde es plötzlich dunkel um Torning…
ENDE