Genug gesehen
Er hatte genug gesehen. Er war müde, sein Kopf voll verwirrender Bilder und er hatte Hunger.
Vor seinen Augen tanzten die Eindrücke der vergangenen Stunden wie toll durcheinander. Sie zu sortieren, hatte er längst aufgegeben. Er zog es vor, sich eigene Geschichten aus den Fetzen des Gesehenen zu basteln. Er war dann stets der Held, rettete die Erde vor Außerirdischen, befreite Geiseln aus den Händen übler Burschen und fühlte mit, wenn ein Guter zu Schaden kam. Sein oberstes Prinzip war, diesen zu rächen. Zumindest hatte er immer sofort den genauen Plan dazu im Kopf. Ja, er war ein echter Held. Sein ganzes Herz schlug für die Guten.
Die ewigen Diskussionen um Beziehungsprobleme kotzten ihn an. Er sah mehr durch sie hindurch, wenn sich diese Menschen schon mittags miteinander stritten. Doch wegsehen wollte er auch nicht. Er hätte wichtige Erkenntnisse verpassen können. Außerdem konnte er Erfahrungen sammeln, die ihm so selbst erspart blieben.
Seine Stunde kam am frühen Nachmittag. Jeden Tag. Da fand er sich wieder, umgeben von Freunden, die, wie er Helden waren. Gemeinsam sorgten sie für Recht und Ordnung, koste es, was es wolle. Er konnte es zwar kaum ertragen, wenn Unrecht geschah, doch dann und wann faszinierte ihn auch die gewitzte Art seiner Gegner. Manchmal fiel es ihm schwer, sich für eine Seite zu entscheiden. Er schlüpfte zuweilen kurz in die Rolle der Bösen. Es kribbelte im ganzen Körper und hatte einen eigenen, besonderen Reiz. Spritzendes Blut, sich aufbäumende, dann leblose Körper, die er auf dem Gewissen hatte.....auch eine Art von Heldentum. Doch er schob diesen Gedanken schnell beiseite. Er verspürte wieder seinen Hunger.
Plötzlich hatte er den unbändigen Wunsch, nach draußen zu gehen, aber er durfte nicht. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, gleich würde seine Mutter nach Hause kommen. Er war sieben Jahre alt und hatte ihr so viel zu erzählen. Und er hatte Hunger.