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Geliebte Miele
Mark Twain ließ sich einmal Folgendes einfallen:
„Wenn wir bedenken, dass wir alle verrückt sind, verschwinden die Mysterien und das Leben ist erklärt.“
Mike sah das ähnlich. Es hatte zwar Jahre gedauert, aber schließlich war er zur Erkenntnis gelangt, dass die Welt tatsächlich ein Irrenhaus ist und er nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht hatte, seine Fetische ohne jegliche Gewissensbisse konsequent auszuleben. Nur eine Scheidung und wenige Zivilklagen später wurde ihm klar, dass er sich vom Menschen als Ziel seiner Lüste abwenden musste, wollte er seinen Neigungen weiterhin in Freiheit nachgehen.
Also stieg er auf Tiere um. Dies ging, bis auf die Sauerei beim Aufräumen, eine Zeitlang gut und sein Haus wurde für hunderte Meerschweinchen und Kaninchen zum Bates Motel. Doch schon nach Monaten begann er zu experimentieren, nach Größerem zu streben: Schafe, Ziegen, Ponys und andere Vierbeiner wurden zu pelzigen Spielbällen seiner Perversionen, bis er eines Tages beinahe von einer Katze kastriert worden wäre.
Nach 16 Stichen an einer wirklich unangenehmen Stelle und aufdringlicher Fragerei im Krankenhaus, beschloss er sich sofort auf wehrlosere Sexobjekte zu konzentrieren. Aber was? Aus eigener Erfahrung wusste er, dass sich sogar Pflanzen wehren konnten, die Vorstellung Mett zu formen und penetrieren stieß ihm irgendwie auf und Sexspielzeug für Männer fand er geschmacklos. Nein, es musste etwas sein, das zu sexuellen Zwecken umfunktioniert, pervertiert wurde, etwas, das nichts von dem Schrecken ahnte, der über es hereinbrechen würde.
Versonnen blickte Mike aus dem Fenster seiner gentrifizierten Trendwohnung auf den Schrottplatz gegenüber. Plötzlich drang die Sonne durch die Wolkendecke und ließ einen alten Kopierer in goldenem Licht erstrahlen. Moderne Zeiten, das ist es, genau das! dachte er und triumphierte. Das Zeitalter der Maschinen dämmert herauf, aber noch ist der Mensch die Krone der Schöpfung und das müssen wir denen auch klar machen. Aber was genau sollte sein technologischer Lustsklave sein? Es gab so viel Gerät, das auch teilweise nicht ungefährlich war. Mit Schaudern dachte er an die Katze zurück und beschloss alles mit Klingen, Spitzen, rotierenden Messern und anderen Stimmungstötern kategorisch auszuschließen und sich stattdessen auf Geräte mit angemessenen Öffnungen zu konzentrieren. Erste Versuche mit Auspuffendrohren von Luxuswagen scheiterten am Sicherheitspersonal der Autohäuser. Als er es doch einmal schaffte, kratzte das Missverhältnis zwischen dem Durchmesser des Auspuffs und dem seines Glieds so sehr an seinem Selbstvertrauen, dass er schlapp machte und wieder umstieg. Ein beutelloser Staubsauger genügte seinen hohen Ansprüchen genau eine Woche, bis er sich erneut beinahe entmannt hätte.
Frustriert wälzte er Bücher und Kataloge, bis sie ihm auf Hochglanzpapier ins Auge sprang: in reinem, fast jungfräulichem Weiß strahlte sie ihm entgegen, selbstbewusst trug sie den Energieeffizienzklasse A+-Aufkleber auf der wohlgeformten Front und fast verführerisch blinzelte ihm die Glastür entgegen. Als er dann noch las, dass man sie bis auf 1800 Umdrehungen hochjagen konnte, war Mike verliebt. Seine neue Freundin lächelte ihm aus dem OTTO-Katalog entgegen, die Bestellnummer schrie förmlich:
„Befrei mich aus diesem Gefängnis, und dann besorg’s mir!“
Mike erkannte: das wird eine Beziehung fürs Leben und bestellte sofort die neue Miele novotronic w913 allwater. Schon der Name war wie ein Adelstitel. Er schauderte vor Entzücken.
Drei Tage später stand sie frisch angeschlossen vor ihm im Badezimmer. Mike trug ein Handtuch um die Lenden und einen Messbecher voll Weichspüler in der rechten Hand, sonst nichts. Schwitzend fuhr er mit den Fingerspitzen über die ergonomischen Regler und sanft gewölbten Knöpfe. Ein lüsternes Grunzen entfuhr ihm, als er merkte, dass er die Geschwindigkeit des Schleudergangs kontrollieren konnte. 800, 1000, 1200, 1400, und majestätisch an der Spitze thronend, 1800 Umdrehungen pro Minute. Mike würde sich hocharbeiten, die Vibrationen würden sich ins jenseitig Perverse steigern und alles auf Knopfdruck. Mit steigender Erregung bemerkte er, dass sich der Einfüllbehälter fürs Waschmittel nicht nur auf genau der richtigen Höhe befand, sondern auch noch komplett herausnehmbar war.
Oh ja, das miese Stück würde sein Spee bekommen, 100 % biologisch abbaubar. Als er gerade bei 1200 Umdrehungen jauchzend und grölend das Einfüllfach missbrauchte, fiel ihm ein Deckelchen rechts unter der Tür auf. Das kleine Waschmaschinenflittchen hat also einen Hintereingang, hm? Nach extrem kurzer Zeit war das Türchen weggerissen, der Propfen abgeschraubt und Mike gab sich den Freuden der analen Maschinenpenetration hin. Sein ganzer Körper vibrierte, ihm wurde leicht schummrig, aber er hatte noch nicht genug. Mehr Vibrationen, er drehte auf 1400 Umdrehungen auf. Der Vollwaschautomat knallte gegen seine Hüftknochen, die Tür traf ihn hart an der Nase, aber das erregte ihn nur noch mehr:
„Ja, wehr Dich, Du Sau, wer ist hier der Boss? Wer? Wer?“
Er wusste, es war eine Frage des Willens, der Dominanz und er würde sich nicht von einer Maschine knechten lassen, er würde sie besiegen. Also stellte er sie auf 1800, immer noch hart in das Flusensieb eindringend. Kurz bevor er zum Höhepunkt kam, stellte die Maschine auf Endschleudern, die mühevoll aufrechterhaltene Balance zerbrach unter stetigen Vibrationen, der Abwasserschlauch riss aus der Wand und das Ungetüm kippte nach vorne, immer noch stampfend und schleudernd.
Mike wurde Tage später von einem Nachbarn gefunden, fast völlig zerquetscht unter der noch immer ausschlagenden Maschine. Er hatte mit seinem eigenen Blut eine Botschaft an der Wand hinterlassen:
Ein Herz, in dessen Mitte „Miele“ stand.