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Gelbe Servietten

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13.01.2016
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Gelbe Servietten

„Wer sind Sie?“, die Frau blickt unsicher durch ihre unruhigen Augen auf ihren Ehemann.
„Ich werde einen kurzen Spaziergang machen, aber es dauert nicht lange, ich bin bald wieder bei dir.“ Er streichelt ihr liebevoll aber zurückhaltend über die dünnen Haare auf ihrem verwirrten Kopf. Die Frau möchte noch etwas sagen. Wollte sie noch etwas sagen?
Sie blickt ihrem Mann unschlüssig hinterher, nach einer Weile schließt sie den Mund. Wie schön die Wintersonne scheint. Bald ist Weihnachten.
Sie blickt sich suchend in dem hellen Zimmer um. Zwei Betten, ein Tisch und Stühle. Fotos. Wer waren nur all diese Menschen darauf?

„Ihr Mann ist bald wieder da, Frau Braun. Kommen Sie, wir essen etwas.“
Eine Pflegerin in heller Kleidung schiebt einen kleinen Wagen herein, auf dem ein Teller mit Suppe, eine Scheibe Brot, ein Glas Wasser und eine gelbe Papierserviette liegen. Die Pflegerin beginnt damit der Frau Löffel für Löffel die Suppe zureichen. Als jemand auf dem Flur ruft, legt sie den Löffel hin, springt auf und geht aus dem Zimmer.

Der Mann kommt gerade wieder von seinem Spaziergang zurück. Er sieht ,wie seine Frau vor dem Essenswagen sitzt und versunken aus dem Fenster schaut. Die gelbe Serviette hängt aus ihrem Mund, und sie kaut langsam und andächtig darauf herum.

Sie spürt wie er etwas aus ihrem Mund nimmt und kurz danach hält er ihr einen Löffel Suppe hin. Ein Löffel nach dem anderen verschwindet in ihrem Mund. Die Suppe schmeckt gut. Sie kennt den Mann, doch woher nur? Als er lächelt, lächelt auch sie.

Die Schwester in der weißen Kleidung kommt wieder ins Zimmer.
„Zeit fürs Bett“, sagt sie.
Draußen ist es schon dunkel.

Im Bett denkt die Frau an den nächsten Tag. Morgen muss sie früh aufstehen, die Kinder müssen zur Schule. Dann schläft sie ein.

„Wer sind sie?“, die Frau blickt unsicher durch ihre unruhigen und müden Augen auf ihren Ehemann.

„Ich werde einen kurzen Spaziergang machen, aber es dauert nicht lange, ich bin bald zurück. Kannst du das der Schwester sagen? Ich finde sie gerade nirgends. Nur damit sie weiß wo ich bin...“
Er blickt sie fragend an.
Sie nickt.
Dann streicht er ihr liebevoll, aber vorsichtig, über die dünnen Haare auf ihrem verwirrten Kopf.
Er verlässt den Raum, geht über den Flur und nach draußen. Es ist eisig kalt, aber er würde wenigstens ein bisschen Bewegung bekommen. Den Kopf frei kriegen, weg von seiner kranken Frau. Nein, denkt er. Sie kann ja nichts dafür.

Plötzlich verliert er den Halt auf dem Boden und fällt. Ausgerutscht auf einem vereisten Stück im Boden. Vorsichtig versucht er aufzustehen, doch schafft es nicht. Er wird sich etwas gebrochen haben. Noch einmal sinkt er kraftlos nach einem gescheiterten Versuch sich zur Bewegen zurück auf den Boden.

Die Zeit vergeht, langsam wird es dunkel und immer kälter. Niemand kommt vorbei.

Seine Frau sitzt versunken vor dem Essenswagen und blickt aus dem Fenster. Etwas gelbes hängt aus ihrem Mund, und sie kaut langsam und andächtig darauf herum. Dann schluckt sie die Serviette hinunter.

 

Hallo Herbstkind,

zunächst einmal heiße ich dich willkommen hier bei den gar nicht so kriegerischen Wortkriegern.
Und dann darf ich sagen, dass mir deine Geschichte durchaus schon ganz gut gefällt. Ich finde auch, dass du bis auf ein paar wenige Formulierungen - auch angenehm sensibel damit umgehst.

Ein paar handwerkliche Anmerkungen hätte ich:

„Wer sind Sie?“, die Frau blickt unsicher durch ihre unruhigen und müden Augen auf ihren Ehemann.
Da man ja in der Regel MIT den Augen blickt, scheint mir das Hindurchsehen durch die Augen etwas schräg! Und ich bin mir auch nicht sicher, wie man sich gleichermaßen unruhige und müde Augen vorstellen könnte.


„Er streichelt ihr liebevoll,(KEIN KOMMA) aber vorsichtig,(KEIN KOMMA) über die dünnen Haare auf ihrem verwirrten Kopf.
Du schreibst "liebevoll, aber vorsichtig". ich finde , das beißt sich. Jemandem "liebevoll" übers Haar zu streichen scheint mir von Natur aus ein "zartes, vorsichtiges" Streichen zu sein.

Den "verwirrten Kopf" finde ich an dieser Stelle gut. Auch, wenn es zunächst etwas fragwürdig klingt, löst du die Aussage ja in deinen nächsten beiden Sätzen gut auf. Gefällt mir.


„Sie blickt ihrem Mann unschlüssig hinterher, nach einer Weile schließt sie endlich den Mund.
Versuch's mal ohne "endlich". Ich meine, die Aussage gewinnt dadurch mehr, als dass sie verlieren würde.


Die Schwester beginnt die Frau zu füttern.
Das klingt mir zu abfällig. Vielleicht eher etwas umschreiben, wie z. B.:
Die Schwester beginnt, der Frau Löffel für Löffel die Suppe zu reichen


Als jemand auf dem Flur ruft, legt sie den Löffel hin.(,) Springt .(springt) auf und geht aus dem Zimmer.

Der Mann kommt gerade wieder von seinem Spaziergang zurück,(PUNKT) er sieht(,) wie seine Frau vor dem Essenswagen sitzt und versunken aus dem Fenster schaut,(PUNKT) Die gelbe Serviette hängt aus ihrem Mund, ...

Es ist eisig Kalt (kalt), aber wenigstens ein bisschen Bewegung und frische Luft.
Der Satz ist irgendwie krumm und unfertig:
... aber er würde wenigstens ein bisschen Bewegung an der frischen Luft haben. oder so, und dann evtl. weiter: Würde den Kopf frei kriegen, weg von ...


Ausgerutscht auf einem Stück Eis.
Natürlich weiß man hier, was du meinst, dennoch klingt es etwas unbeholfen. Ein Stück Eis kann ein Eiswürfel sein, ein heruntergefallener Eiszapfen oder was sonst noch, jedenfalls Dinge, über die man eher stolpern würde, als dass man ausrutschte. Vielleicht eher in dieser Reichtung:
Ausgerutscht auf dem vereisten Pflaster des Gehweges.

ABER:
Hier wirst du etwas unglaubwürdig, liebes Herbstkind, denn ein gebrochenes Bein allein, wird jemanden, der 50, 100 Meter am Boden vor einem Pflegeheim liegt, nicht dazu bringen, liegen zu bleiben und zu erfrieren. Jeder halbwegs agile Mensch wird kriechen, robben oder sich wie auch immer zurückschleppen.

Dadurch ist dieser Absatz unglaubwürdig theatralisch:

Die Zeit vergeht, langsam wird es dunkel und immer kälter. Niemand kommt vorbei.
Er ist Arzt, er weiß wie das geht, mit dem erfrieren (Erfrieren) : Die Gliedmaßen sterben ab, der Körper steckt seine ganze Energie in die Durchblutung der Lebenserhaltenden (lebenserhaltenden), Organe. Doch sollte er dann noch immer hier liegen, wird auch dies, aufgrund der totalen Unterkühlung nicht mehr möglich sein. Dann wird er das Bewusstsein verlieren.
Mal abgesehen von den markierten Rechtschreibfehlern, mag mir dieser Absatz ohnehin auch sprachlich gar nicht recht gefallen. Er wirkt so, als hättest du einfach irgendwie etwas gebraucht, um ihn sterben zu lassen, hast dich für das gebrochene Bein entschieden und dann diesen Absatz etwas - verzeih - fahrig hingeschludert.

So, Herbstkind, jetzt lass dir aber ja nicht den Wind aus den Segeln nehmen, denn ich denke du hast schon gute Ansätze, auf denen du aufbauen kannst. Und die Idee - naja, bis auf den Schluss - ist ja sehr gut. Hier und da solltest du noch das eine oder andere Füllwort oder Adjektiv eliminieren oder zumindest präzisieren, aber sonst ... weiter so.

Bayerische Grüße
osisaus

 

Vielen Dank erstmal dafür, dass du dir die Mühe gemacht hast meine Geschichte zu lesen! Ich habe jetzt noch einmal drüber geschaut und versucht deine Tipps und Anmerkungen umzusetzen...Danke also dafür!!

 

Hallo, vielen Dank für das Feedback!! Ich hab mich nun noch einmal an meine Geschichte gesetzt und versucht die genannten Punkte zu verbessern. Die Sache mit dem erfrieren habe ich jetzt einfach rausgenommen, es wirkte wirklich etwas...theatralisch. Vielleicht fällt mir noch ein, wie ich es besser beschrieben könnte. Bis dahin bleibt es nun einfach offen was mit ihm passiert.

Schönen Abend noch!!
Herbstkind

 

Hallo Herbstkind,

du brauchst doch gar nicht so weit von deiner ersten Fassung weggehen. Das offene Ende will mir jetzt ja gar nicht gefallen. Bis auf diesen angemerkten Plausibilitätsknick - zusammen mit der etwas abfallenden Sprachqualtität - war deine Geschichte doch rund.

Bleib beim Ausrutschen und zeig doch dem Leser zum Beispiel, dass er benommen ist, weil er mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufgeschlagen ist, lass den Schluss nur insoweit offen, dass er z.B. bewusstlos wird und vielleicht eine immer größer werdende Blutlache sich auf dem Pflaster um seinen Kopf bildet. Dann bist du ja wieder bei deiner Ursprungsidee, lässt sie nur ein wenig offener und das Geschehen ist plausibler.

Nur mal so als spontane Idee ;)

Viele Grüße
osisisaus

 

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