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Gekürzt
In ferner Zukunft…
Die drei Roboterliteraten lungerten gelangweilt am Marktplatz herum.
„Ich habe Stanislaw Lem gekauft“, sagte der Roboliterat L., der aussah, wie Stanislaw Lem.
„Ich habe Phil K. Dick gekauft“, sagte der Roboliterat D., der aussah, wie Phil K Dick.
„Ich habe Proproxilator gekauft“, sagte der Roboliterat P., der aussah, wie Proproxilator. Er war der Bestaussehende der drei Roboter.
„Wen?“, fragte die beiden Anderen verdutzt.
Man vergesse an dieser Stelle nicht, dass Roboliteraten über literarische Stilmittel verfügen, die unbeschreiblich fortschrittlich sind. Außerdem beherrschen sie Rechtschreibung, Grammatik und sogar die Kommasetzung fast fehlerfrei, womit bereits ihr überragendes literarisches Niveau bewiesen wäre.
Andererseits lässt ihre Phantasie zu wünschen übrig, trotz des neuen Zufallmoduls „Inspirator IX“ fällt es ihnen nicht so recht zu.
Roboter lesen nichts lieber, als Science Fiktion, wohl weil sie da so oft drin vorkommen. Unglücklicherweise verschlingen sie einen Roman in einer dreiviertel Millifemtosekunde, was ziemlich schnell ist. Und so haben sie etwa eine Minute, nachdem sie ins Dasein treten, alles vom Menschen hinterlassene SF-Schriftgut abgearbeitet. Dann langweilen sie sich.
„Proproxilator war der wohl schlechteste SF-Autor aller Zeiten. Oberflächlicher als Asimov.“
„Ehrlich? Tatsächlich?“, staunten die beiden Zuhörer.
„Langatmiger, als Franke.“
„Nein! Echt wahr?“
„Wirrer, als Ph. K. Dick.“
„Unerhört! Nicht möglich!“
„Trockener als Stanislaw Lem!“, brüllte der Roboliterat P.
Entsetzt wichen die beiden Anderen zurück.
„Aber originell war er schon“, sagte Roboliterat P. und zerrte an einer Kette. An deren entgegen gesetztem Ende war ein Halsband befestigt, das sich um den Hals vom Proproxilator schloss. Der blickte unglücklich drein.
„Er schrieb so grässlich, dass jeder Verlag, der einen seiner Romane veröffentlichte prompt in die Insolvenz schlitterte“, ergänzte Roboliterat P. und ignorierte ein tiefverzweifeltes Aufheulen am anderen Kettenende.
Für Roboter ist Langeweile tödlich, rein metaphorisch, versteht sich. Also konstruierten die Roboter, eine Zeitmaschine, mit der sie sich SF-Autoren aus der Vergangenheit ´ausborgten´. Das aber im bürgerlichen Recht den Tatbestand der ´Borge´ nicht vorgesehen ist, sahen sich die Roboter dem glücklichen Umstand gegenüber, dass eine Rückgabe der Autoren nicht zwingend notwendig erschien, zumindest vom Rechtsstandpunkt aus. Ob eine Rückführung der Autoren jemals vorgesehen war?
Diese Fragestellung zeigt deutlich den streitsüchtigen Charakter des Fragestellers auf, also fragte auch keiner.
Einige Hektotonnen später…
„Wie macht sich Deiner?“, fragte Roboliterat P.
„Gut, nur die Wartung ist ein bisschen heikel“, sagte Roboliterat D,
„Er arbeitet nur, wenn ich Wunder vollbringe. Schweben wie Leviathan, Steine zum Weinen bringen und so was eben. Und Deiner? “
„Der ist zufrieden, wenn er genug zum Lesen hat. Allerdings ist er dann für Tage nicht ansprechbar. Und was macht Deiner?“
Beide sahen Roboliterat P an, der eben zu ihnen gestoßen war.
„Ach schwierig, schwierig“, seufzte Roboliterat P,
„Ständig fragt er, ob ich ihm ein paar ´geile Weiber´ auftreiben könnte. Ich habe bei Wikepedia nachgesehen. ´Geilen´ bezeichnet das Austreiben eines Pflanzentriebes, aber den Frauentyp, der sich auf diese Art entwickelt, habe ich bisher in keinem Zeitalter gefunden.
Er ist dann immer sehr deprimiert und verlangt nach Bier. Das schüttet er kübelweise in sich hinein. Dann wird er unheimlich kreativ, aber lallt nur noch, so dass ich immer nur die Hälfte verstehe. Soll ich etwa nur halbe Romane schreiben?“, rief er verzweifelt.
Die beiden anderen Roboliteraten nickten mitfühlend.
In etwas noch ferner Zukunft…
Roboter mögen es lang. Ein Buch unter fünftausend Seiten betrachten sie als Kurzgeschichte, ein bei den Menschen üblicher Romanumfang gilt als Kürzergeschichte. Menschliche ´Short-Storys´ sind für sie ungeliebte Kürzestgeschichten und was darunter liegt ist nur noch eine Kürze, wahlweise auch Kürzelchen. Darunter existiert noch die Kategorie der Abkürzel, was jedoch fast eine leere Menge ist, denn diese war selbst für den Menschen eine zu mickrige Angelegenheit. Solcherart Geschichten gab es nur in einschlägigen Internetforen.
Deshalb hat sich in der Sprache der Roboter ein pejorativer Beigeschmack für alle Wörter entwickelt, die sich vom Wortstamm ´kurz´ ableiten.
„Ich habe ihn gekürzt“, sagte Roboliterat P.
„Um wie viel?“
„Um sich selbst“, antwortete Roboliterat P.
„Dann ist er weg?“, fragte Roboliterat S.
„Nein er ist Eins mit sich“, belehrte ihn Roboliterat D.,
„Denn wenn man etwas durch sich selbst kürzt bleibt Eins übrig.“
„Ja schon“, sagte Roboliterat P. nachdenklich,
„aber ich habe ihn trotzdem weggekürzt.“
„Quatsch“, meckerte Roboliterat D.,
„Wenn er weg ist, hast Du ihn von sich selbst abgezogen!“
„Das kannst Du SO nicht sagen“, schaltete sich Roboliterat L. ein.
„Und warum nicht?“
„Weil“, verkündete Roboliterat L. freudestrahlend,
„das dem Copyright unterliegt. Das hat mein Stanislaw Lem nämlich bereits seinen Drachen der Wahrscheinlichkeit machen lassen. Sich von sich selbst abziehen nämlich.“
„Und warum hast Du ihn abge…, äh, gekürzt?“, fragte, scheinheilig das Thema wechselnd, Roboliterat D.
„Wegen dem hier“, knurrte zornesrot Roboliterat P.,
„Seht Euch mal diese dämliche Geschichte an.“
Und er warf den beiden Anderen ein Manuskript zu.
Auf der ersten Seite stand zu lesen:
Die drei Roboterliteraten lungerten gelangweilt am Marktplatz herum.
„Ich habe Stanislaw Lem gekauft“, sagte der Roboliterat L., der aussah, wie Stanislaw Lem.
„Ich habe Phil K. Dick gekauft“, sagte der Roboliterat D., der aussah, wie Phil K Dick.
„Ich habe Proproxilator gekauft“, sagte der Roboliterat P., der aussah, wie Proproxilator. Er war der Bestaussehende der drei Roboter.
„Wen?“, fragte die beiden Anderen verdutzt.