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Gejagt

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07.01.2004
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Gejagt

Knack!
Ich schrecke auf. Hinter mir Rascheln. Trockene Zweige, die zerbrechen. Schritte.
Angestrengt starre ich in das undurchdringliche Dunkel. Sehe nichts. Höre nur diese Schritte, die näherkommen. Ich drücke mich tiefer in das feuchte Laub. Rieche modrige Fäulnis. Ich muss an den grinsenden Kürbiskopf denken, der nun halbverfault auf dem Kompost liegt. Die Kälte kommt, ich kann sie schon riechen.
Die Schritte kommen näher. Verharren.
Ich halte den Atem an. Hoffe, dass er mein Versteck nicht findet.
Tap, tap... Er geht wieder weg.
Ich krieche weiter vorwärts. Leise und angespannt.
Nun kann ich auch schon den leichten Lichtschein des Hauses sehen. Drinnen wird es warm sein. Sicher. Noch etwa 300 Meter.
Wieder ein Krachen. Diesmal links von mir. Ich beeile mich. Laufe geduckt weiter. Immer von einem Baumschatten zum nächsten. Das Licht kommt näher. Bald habe ich es geschafft. Bin außer Gefahr. Er ist schnell, aber ich bin schlauer als er. Durch falsche Fährten habe ich kostbare Zeit gewonnen. Noch 200 Meter.
Plötzlich fallen mich klebrige Fäden an und etwas läuft mir über die Wange. Ich schreie vor Schreck auf. Halte mir dann erschreckt die Hand vor den Mund. Horche.
Er hat mich gehört. Seine Schritte kommen zielstrebig auf mich zu.
Ich springe auf. Renne los, dem Lichtschein entgegen. Es raschelt und knackst, aber das ist nun egal. Egal auch, dass er mich nun sehen kann. Noch habe ich einen Vorsprung. Aber vor mir ist die Schlucht, die das Haus vom Nachbargrundstück trennt. Ob ich unversehrt darüber springen kann, weiß ich nicht. Aber es ist meine einzige Chance. Vielleicht hat er es gewusst und mich gezielt in diese Richtung getrieben.
Rennen. Keuchen. Ist es meins oder schon sein Atmen? Vor mir die schwarze Linie, die den Boden zerschneidet. Ich springe ab. Erkenne links von mir einen schemenhaften Schatten. Abgelenkt gerät mein Sprung zu kurz. Ich rutsche.
Meine Finger gleiten am nassen Gras ab. Meine Füße suchen vergebens Halt.
Unter mir kann ich das Glitzern des Wassers erkennen. Ich packe im letzten Moment eine Wurzel. Kralle mich fest. Ziehe mich hoch. Er ist nirgends zu sehen. Keuchend liege ich einen Augenblick da und schöpfe Luft. Noch 50 Meter. Nur noch 50 Meter. Ich kann schon in die Fenster sehen. Gelbes Licht flutet heraus. Verheißt Wärme und Geborgenheit.
Ich stemme mich hoch. Sammle meine Kräfte. Renne los. Noch 40 Meter.
Schräg von hinten sehe ich ihn. Er ist schon fast hinter mir. Sein Gesicht kann ich nicht erkennen. Doch seine blonden Haare reflektieren das Licht des Hauses. Er kommt näher. Seine Schritte bleiben in meinem Takt. Noch 30 Meter.
Den Stein, der mich schließlich zu Fall bringt sehe ich nicht. Ich komme hart am Boden auf. Beinahe zärtlich streift das nasse Gras mein Gesicht. Ich schmecke Erde.
Nun ist er über mir. Sein Gewicht drückt mich nieder und sein heißer Atem bläst mir in den Nacken.
Ich wehre mich, versuche, unter ihm hervorzukommen. Obwohl ich weiß, dass es sinnlos ist. Ich habe verloren.

Mein Bruder reicht mir die Hand, um mir beim Aufstehen behilflich zu sein.
“Ich hätte nie gedacht, dass du tatsächlich über den Graben springst!”
“Hm”, brumme ich stolz und sehe zu ihm auf. “Aber das nächste Mal bin ich Verfolger, ja?”

 

Hallo,
was für ein schöner Einstand! Spannung von Anfang an. Nur das Ende fand ich persönlich etwas enttäuschend. Zugegeben, es ist überraschend und löst die Situation in für den Leser unvorhergesehener Weise auf. Andererseits wartet man als Leser aber auf die finale Auseinandersetzung. Und wenn die ausfällt, ist man enttäuscht. Das ist ungefähr so, als ob Hänsel und Gretel durch den Wald irren, von unheimlichen Schatten und Monstern gejagt werden, einer Hexe begegnen, und dann fällt der Vorhang, weil alles nur ein Traum war.
Beste Grüße
knagorny

 

Hey, danke für deine Antwort!
Und auch für dein Kompliment! War nämlich meine erste Geschichte, da wir ich gerade ein Seminar in kreativen Schreiben bescuhe, in der jeder eine Kurzgeschichte schreiben muss.
Werd aber das Ende nochmal überdenken. Ich hab es hauptsächlich deshalb gemacht, da wir ja sozusagen "echte" Kurzgeschichten schreiben sollen, also ein Konflikt, überraschendes Ende...
Du meinst eine Auseinandersetzung wäre besser? Also doch die Erwartung befriedigen und den Bruder weglassen? Wäre die Geschichte dann nicht irgendwie langweilig?
Corina

 

Hallo Kyrill,

mir hat deine Geschichte gut gefallen, spannend geschrieben und flüssig, allerdings finde ich, dass du durch deinen Titel zuviel verraten hast. Ich denke, du wolltest, dass man denkt, dein Prot wird verfolgt und versucht, sich in Sicherheit zu bringen. Durch den Titel wußte ich aber schon, dass es auf dieses Ende, also ein harmloses Spiel, hinauslaufen würde.
Wäre das anders geworden, hättest du es wohl wirklich geschafft, mich hinters Licht zu führen ;)

Ansonsten gerne gelesen!

Liebe Grüße,
gori

 

Hallo Corina,

wenn du ein Seminar im kreativen Schreiben besuchst, dann weißt du wahrscheinlich viel besser als ich, wie man eine gute Geschichte aufbaut. Ich habe mir mein Wissen nur anlesen können. Irgendwo glaube ich dabei mal aufgeschnappt zu haben, dass fiktiven Figuren immer das Schlimmstmögliche passieren muss. Ein Beispiel:

Du liest eine Geschichte von Stephen King. Sie handelt von einem Monsterjäger, der vor 25 Jahren zum letzten Mal tätig werden musste. Damals hat er beim Kampf mit seinem schlimmsten Monstergegner seine Frau verloren und sitzt seitdem nur noch auf seiner Ranch, fürchtet sich vor Monstern und grübelt. Was wird wohl passieren?
A) Er erkennt irgendwann, dass er alles nur geträumt hat, in Wirklichkeit Farmer ist und beschließt, den größten Kürbis der Welt zu züchten.
B) Er lernt eine andere Frau kennen und macht eine zweite Karriere als Steuerberater.
C) Er meldet sich für eine Gameshow an und hat Glück, weil es bei der 1.000.000 Dollarfrage um soziologische Probleme kanadischer Monster geht.
D) Seine verstorbene Frau erscheint ihm im Traum und sagt, dass das Monster sie in einer Zwischenwelt gefangen hält und quält. Sie fleht ihn an, den Kampf seines Lebens noch einmal zu führen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein wirklich erfolgreicher Autor spannender Geschichten etwas anderes als D) in Erwägung ziehen würde. Auch wenn man als Autor ein wenig mit seinen Figuren mitfühlt, muss man ihnen immer das schlimmste zumuten, was denkbar ist. So werden große Geschichten gemacht. ich hoffe, das war jetzt nicht zu schulmeisterlich.
:teach:
Beste Grüße
knagorny

 

@ Gori: Hm, guter Einwand... Mal gucken, ob mir noch ein besserer Titel einfällt, der passt. Ich hab den mal voererst als Idee reingenommen, da mir noch kein anderer einfiel, aber mal sehn...Zuerst hab ich an irgendwas mit Flucht oder Jagd gedacht, muss da mal weiterspinnen.
@ knagorny: Ähm, in dem Seminar lernen wir auch nicht gerade sehr viel. Was du andeutest ist auch ein Merkmal von Kurzgeschichten, nämlich, dass der Protagonist ein "Trauma" hat und in der Geschichte in einen Konflikt gerät. So hat es uns der Prof zumindest gesagt. Mit dem "Schlimmstmöglichsten" meinst du vieleicht Dürrenmatt, der hat das glaube ich mal in einem Buch geschrieben (Schullektüre grr) ...

 

Hallo Kyrill,
nein, lass das Ende so, aber den Titel musst du wirklich ändern, denn auch ich wusste, dass so etwas geschehen wird. Du schaffst es durch kurze Sätze und prägnante Aussagen eine gute Spannung aufzubauen! Alles was eine kg in diesem Genre also braucht! Nun also nur noch den Titel ändern und schon ist die durchweg gute Geschichte fertig!

Grüße...
morti

 

Hallo Kyrill,

wie schon gesagt, das einzige, das du ändern mußt, ist der Titel, weil man den als Leser im Hinterkopf hat, während man liest.

Das ist aber schon alles, was deinem Text die Spannung nimmt.

Nochmals liebe Grüße,
gori

 

So, jetzt habe ich den Titel endgültig geändert. Hoffe, er gefällt euch besser... Aber stimmt schon, der erste Titel hat zu viel preis gegeben (wie schreibt man das eigentlich?).
Ich hab grad noch ein paar Ideen rumschwirren, aber leider zu wenig Zeit mich mit ihnen zu beschäftigen, na mal sehn...

 

Hey Kyrill!

Ich habe mir mal erlaubt, den Thread auch umzubennen (da stand immer noch "Das Spiel").

Mir hat die Geschichte gut gefallen. Allerdings kannte ich halt den alten Titel noch, wodurch die Spannung leicht herausgenommen worden ist, meiner Meinung nach. Da passt der jetzige Titel bedeutend besser.

Sprachlich gesehen hast du dich sehr gut dem Tempo einer Verfolungsjagd angepasst - sehr gelungen.

Greetinx
Alisha

 

hi kyrill,
ich fand deine geschichte ganz gut,doch das einzige was mir nicht gefallen hat ist der Titel,der schon einfach viel aussagt..doch gute arbeit

mfg

jojo

 

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