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Geistreicher Traum... eine Kurzgeschichte
Ein geistreicher Traum
Seit Jahren peinigt mich immer der gleiche, seltsame Traum: Ich stehe plötzlich in einem großem Raum, die Wände sind ein Mosaik aus Bildern, Kohlezeichnungen, Landschaften die mit Wasserfarben gemalt wurden, Bindfäden, die kunstvoll um Nägel gewunden sind, hängen dort.
Ich bin jung, viel jünger als heute und sehe mich staunend um.
Breite Treppen führen nach oben, Zimmer aus Glas wirken wie ein Käfig für wilde Tiere. Unzählige Flure verwirren mich, der Gestank nach feuchtem Schwamm liegt in der Luft, es riecht nach Kreide. Dann kommt die Erinnerung.
Ich bin in meiner alten Schule. Musik und Gerüche sind ein starker Katalysator für vergrabene Erinnerungen.
Ich gehe durch den Eingangsbereich, gelange an der Schulküche vorbei, es duftet nach Kuchen, heißer Schokolade, mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Es riecht aber auch irgendwie verbrannt.
Der Hausmeister hastet an mir vorbei. Er kam aus seinem Glaskäfig. Herr Kleppmann schaut mich mit blassem Gesicht und riesigen Augen an.Ich erwartete bereits einen seiner wasserfallartigen Monologe in denen er pflegte sich mitzuteilen, um anschließend sofort zu entschwinden. Wie immer hat er es eilig und er ist sicher auf der Flucht vor lästigen Aufträgen unangenehmen Fragen. Raschelnd entfernt sich der graue Kittel.
Eigentlich will ich den Kittelmann etwas fragen. Aber immer bleibt das: „Hallo, können Sie mir sagen wo meine Klasse ist?", ungefragt. Der Hausmeister ist zu rasch in der Flucht geübt.
Dann steige ich die breite Treppe hinauf, die Stufen sind mit denselben rechteckigen, rötlichen Steinfliesen ausgelegt wie der gesamte Flur.
Oben angelangt zieht es mich immer in einen bestimmten Klassenraum: KL.9f steht auf dem Türschild.
Ich trete ein, Tische, Stühle, eine grüne Tafel alles da was ich erwartet hatte. Poster an den Wänden, Led Zeppelin und Deep Purple waren damals in.
Ich sehe ein Aquarium in der Wand eingelassen. Darin tanzen Fische, blass und
bäuchlings, tot, in siedendem Wasser. Jemand schreit.
An dieser Stelle wache ich regelmäßig auf.
Es ist ein seltsamer Traum.
Heute besuchte ich alte Freunde, Bernd, Gabi, Reinhold und Ralf. Am Abend machte ich mich auf den Weg Heim.
Ich musste unbedingt bei meiner damaligen Schule vorbei. Ich wollte wissen ob es dort immer noch nach Kreide riecht.
Es wurde bereits dunkel und ich war erstaunt darüber, dass im Hausmeisterkabuff Licht brannte. Auch der Flur und das Lehrerzimmer waren
beleuchtet. Sicher gab es eine der vielen überflüssigen Konferenzen dachte ich mir. Plötzlich und von mir selber unbemerkt, stand ich im Flur.
Alles war da, die Bilder, sogar der Getränkeautomat, an dem ich damals bereits mein Waldmeistergetränk zog, es roch nach feuchtem Schwamm. Es schauerte mich als ich so da stand. Dieser Ort kam mir vor wie der Schaupatz eines anderen Lebens.
Ich ging in Richtung des Lehrerzimmers.
Wie aus dem Nichts stand plötzlich der Hausmeister in seinem grauem Kittel und der obligatorischen Mütze vor mir. Er war blass, glubschäugig und er zitterte. Offensichtlich war er über mein Erscheinen sehr erschrocken. So wie ich sein Auftauchen als Schrecken erlebte.
Das Neonlicht summte auf uns herab und ich
sagte: „Hallo, ich bin ein ehemaliger Schüler und wie der Verbrecher der zum
Tatort zurückkehrt, zieht es mich hierher zurück." Ich fand, dass ich einen tollen
Scherz gerissen hatte, aber da war der Hausmeister anderer Meinung. Ernst starrte er mich weiter an, sein Blick wanderte jedoch auch immerwieder in die Ferne, so als könnte er noch jemanden sehen. Aber wir waren definitiv allein.
„Ob es wohl möglich ist, dass ich in meine alte Klasse schaue, der alten Zeiten
wegen?"
Der Hausmeister fand seine Beherrschung und seine Stimme wieder. Er richtete sich auf. Mittlerweile wurde sein Gesicht eher rot. Seine Worte brennen noch immer in meiner Seele: "War es denn ein Verbrechen, als Du damals mit Deinen Freunden nachts hier eingebrochen bist"?
War es klug hier den vorher gestohlenen Schnaps zu saufen? War es Dummheit, Arroganz oder sollte es cool sein zu Rauchen und betrunken einzuschlafen?
Alle fünf seid ihr damals verbrannt und ich war es, der Euch finden musste.
Ich bin es, dem ihr täglich erscheint, dem ihr das Leben eine Qual sein lasst.
Selbst im Tod könnt ihr es nicht lassen andere zu schikanieren.“
Dann entschwand er rasch, flüchtend, gebeugt.
Ich dachte mir, halb amüsiert halb erschrocken: „Der ist doch gestört, dem fehlt ne Birne im Kontor, der ist reif für die Rente."
Die Finger schmerzten mir, was mich aus meinem Entsetzen riss.
Ich drehte mich um und sah in die Gesichter von Bernd, Gabi, Reinhold und Ralf. Ich schaute auf meine schmerzenden Finger.
Dort hielt ich eine abgebrannte Kippe, die Glut brannte bereits an meiner Haut.
H A U T ???
ENDE