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Geisterstunde
Geisterstunde
Lord und Lady Rattleton waren unangenehm berührt.
Rattleton-Castle war seit über 600 Jahren in Familienbesitz und hatte Einiges gesehen. Doch was sich neuerdings regelmäßig um Punkt 12 Uhr im Ostflügel zu ereignen pflegte, gab Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Merkwürdige Erscheinungen, flackernde Lichter und laute Stimmen waren zu hören. Sie hatten alles versucht. Von Knoblauch über Kruzifixe bis hin zum Exorzismus, doch wenn die Uhr Zwölf schlug, ging es wieder los. Speziell Lady Rattleton litt darunter. Sie hatte schon ernsthaft in Erwägung gezogen, Rattleton-Castle zu verlassen, wusste jedoch, dass die lange Tradition ihrer noblen Familie einen solchen Schritt niemals zugelassen hätte.
Gleich war es wieder so weit. Lord Rattleton hielt die Hand seiner geliebten Frau und versuchte, sie zu beruhigen: “Nimm es dir nicht so zu Herzen, Darling! Du bist schon ganz blass. Nicht einmal eine Stunde, dann ist der Spuk vorbei.”
Lady Rattleton nahm zaghaft lächelnd seine Hand und dankte ihrem lieben Gatten für seinen Trost. Dann begann der Horror...
Die Führung erreichte den Ostflügel. Die Reiseleiterin senkte ihre Stimme, als sie ihre Gruppe in das Herrenzimmer führte: “Wenn man den Legenden glauben darf, spukt es hier. Dies ist der Raum, wo Lord und Lady Rattleton 1871 beim großen Brand ums Leben kamen. Ihre verlorenen Seelen sollen seitdem hier umherirren. Die Stiftung Schottischer Kulturbesitz hat diesen Flügel wieder aufbauen lassen und nach den Originalentwürfen restauriert. Achten sie auf die typischen Holzschnitzereien in der Wandtäfelung...”
Die Touristen machten ihre Fotos.
Die Führung dauerte bis um 13 Uhr. Dann war der Spuk vorbei.