Mitglied
- Beitritt
- 22.07.2008
- Beiträge
- 34
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Geisterliebe
Kennst du dieses Gefühl, wenn dich jemand beobachtet? Du spürst, dass dich ein Blick verfolgt, spürst, wie er an dir haftet. Sehen kannst du nichts, nur dieses Gefühl ist so intensiv, dass du weißt, da ist irgendetwas. Du hast den Drang, dich umzudrehen, bekommst förmlich Panik.
Seit Wochen spüre ich es, es verfolgt mich. Es ist da, wenn ich koche, wenn ich bade, wenn ich einkaufe, wenn ich arbeite. Einfach immer. Ich sehe es nicht, ich spüre es nur. Es ist ein Kribbeln im ganzen Körper.
Es ist ein Geist.
Neulich habe ich mir die Zähne geputzt und ein komisches Geräusch aus dem Schlafzimmer gehört. Als würde jemand die Schränke aufmachen und Sachen herausholen. Aber als ich nachgeguckt habe, war dort niemand.
Ich finde es gruselig, will eigentlich gar nicht alleine schlafen, aber ich muss.
Ich habe keinen Freund, ich hatte aber einen. Ich weiß nicht, wo er ist. Irgendwie hauen immer alle vor mir ab.
Nur der Geist bleibt. Ich schaue fern und "es" glotzt mich die ganze Zeit von hinten an, ich drehe mich um, aber sehe nichts.
Ich bekomme eine Gänsehaut.
Ich will dieses „Ding“ endlich loswerden. Es macht mir Angst. Es kommt jetzt immer öfter zu Besuch, ich spüre es sogar schon, wenn ich schlafe. Es fühlt sich an, als würde jemand einen Arm um mich legen, wenn ich meinen Atem anhalte, kann ich sogar eine Art Schnarchen hören. Aber da ist niemand. Ich muss es mir nur einreden, dann hört das schon auf.
Wenn ich unterwegs bin, erhalte ich Anrufe auf dem Handy. Auf dem Display ist immer meine Festnetznummer zu sehen. Wenn ich dann rangehe, höre ich nichts.
Ich möchte mich einem Menschen anvertrauen, aber ich habe keine Freunde. Meine Familie ist ausgewandert und nun bin ich alleine... mit diesem Geist. Der soll mich in Ruhe lassen. Ich werde wahnsinnig.
Kaum bin ich in meiner Wohnung, spüre ich es. Dieses Kribbeln, wie ein heftiger Adrenalinschub. Mein Körper signalisiert mir, dass ich flüchten soll, mein Kopf sagt aber was anderes. Ich bin erwachsen, ich muss keine Angst haben. Vor dem Fernseher jedoch, ist das Gefühl so stark, als säße der Geist direkt neben mir.
Ich setze mich lieber an den PC und beende meine Arbeit. Ich schreibe an einem Roman. Von was er handelt, weiß ich nicht. Es ist so Zeug, das die Leute lesen wollen. Zwei leere, verschwommene Protagonisten, eine Liebesbeziehung, ein bisschen Drama und natürlich ein Happy End.
Eigentlich beneide ich die Protagonisten. Ich wünschte, ich könnte mein eigenes Leben so umschreiben, dass es sich lohnt zu leben. Alle Menschen lieben jemanden. Ich habe noch nie richtig geliebt.Wurde ich denn schon geliebt? Vermutlich...von meiner Mama, ja. Aber sonst?
Mein erster Freund hat es gerade mal drei Monate mit mir ausgehalten, dann sagte er, ich solle zu einem Psychater. Als wenn ich krank wäre. Ich wollte nur nicht mit ihm in die Kiste.
Er hat dann überall rumerzählt, ich führe seltsame Selbstgespräche und würde ihn beleidigen und schlagen. So ein Schwachkopf. Ich gerate immer an die falschen Männer. Das muss ich von meiner Mama geerbt haben. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt und bis heute weiß ich nicht, wo er ist. Meine Mama will nicht darüber reden. Auch mein erster Stiefvater hat sich aus dem Staub gemacht. Ebenso mein zweiter und mein dritter. Jetzt hat Mama seit zwei Wochen einen neuen Freund.
Meinen Ex habe ich aber gern gehabt. Ich hätte ihn lieben können, denke ich. Er war sehr aufmerksam, manchmal jedoch eine Klette. Wo ist er jetzt? Gerade, wo das mit dem Geist anfängt, haut er ab. Vielleicht hat er ihn gesehen und Angst bekommen? Aber dann haut man als Mann doch nicht einfach ab und lässt seine Freundin sitzen...
Ich lenke mich durch meine Gedanken selbst von der Arbeit ab. Ich muss diesen Roman beenden.
Ich werde unruhig, weil dieses „Ding“ mich schon wieder beobachtet. Es kommt ganz nah an mich heran und ich kann seine Nähe spüren.
Ein Schauer überkommt mich und alle meine Haare richten sich auf.
Ich fühle mich schwach, mir wird schwarz vor Augen.
Alleine schlafe ich ein und träume von der wahren Liebe.
Ein schöner Mann, ich und ganz viel Gefühl. Überall Rosen und schöne Musik. Plötzlich wird der schöne Mann ein Monster. Ein großes, durchsichtiges Wesen, mit tiefschwarzen Augen, ohne Nase, ohne Mund. Ich schreie, weine... trete und schlage danach. Das Wesen hat an mir gezerrt, hat mich bedrängt. Ich habe es geschlagen und beschimpft. Dann hat es sich aufgelöst. Ich war wieder allein.
Der Geist war gestern gar nicht da und heute habe ich ihn auch noch nicht bemerkt. Aber einen seltsamen Brief habe ich im Briefkasten entdeckt:
„Hi Tina,
was sollte denn dieser Ausraster? Seit Wochen behandelst du mich, als wäre ich Luft. Seit ich dich gebeten habe, meine Frau zu werden, hast du dich so verändert. Ich habe schon fast Angst vor dir gehabt. Was habe ich dir denn getan? Wieso hast du mir nicht einfach gesagt, dass du mich nicht liebst? Dann schmeißt du mich auch noch raus. Ich dachte, in dir hätte ich meine wahre Liebe gefunden. Die Liebe meines Lebens. Doch du bist einfach nur verrückt.
Ich komme einfach nicht mehr an dich heran. Ich habe mir seit Wochen den Hintern für dich aufgerissen, habe dich 1000 mal angerufen, habe für dich gekocht, habe dich zum shoppen begleitet. Ich wollte uns eine Chance geben. Ich wollte dich mit dem Heiratsantrag zu nichts zwingen. Ich liebe dich immer noch, aber ich habe keine Kraft mehr. Du machst mir Angst und so kann ich nicht leben. Du brauchst Hilfe.
Morgen hole ich meine Sachen und dann siehst du mich nie wieder.
Thomas“
Ob es die wahre Liebe wirklich gibt? Die Liebe des Lebens?
Vielleicht ?!