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Geheimnis der schlafenden Haie

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12.04.2003
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Geheimnis der schlafenden Haie

Wir tauchten gerade entlang zerklüfteter Felsenriffe, als die zauberhafte Stimmung umschlug. Mit einem Mal waren die farbenfrohen Fischschwärme verschwunden und auch die kleinen Krebse und Garnelen, die eben noch in den bunten Korallen herumgespielt hatten. Mit einem Mal gab es nur noch dieses eisige Blau, worein der Tang verloren seine Arme streckte und uns warnend zuwedelte.

Es blieb mir keine Zeit, über die veränderte Situation nachzudenken, denn im selben Moment rüttelte meine Freundin Ala heftig an meiner linken Schulter. Als ich mich zu ihr drehte, blickten mir zwei weit aufgerissene Augen entgegen. Aufgeregt deutete meine Freundin auf einen grauen Schatten mit spitzer Dreiecksflosse und schiefen Maul, der sich von der Seite her unaufhaltsam näherte und dabei abwechselnd nach links schnüffelte und nach rechts, so als ob er eine unsichtbare Spur verfolgen würde. Eine schöne Bescherung, dachte ich noch. Dann lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.

Dabei hatte alles so gut angefangen. Mein Freund Gerhard, ein begeisterter Unterwassersportler hatte mich und Ala eingeladen, mit ihm an der türkischen Riviera zu tauchen. Es sollte unser erster freier Tauchgang an einem Felsenriff werden. Gerhard hatte gemeint, dass keine Gefahren drohten, allenfalls ein paar kleine, harmlose Grundhaie würden wir zu sehen bekommen. Und dann das. Dieser Schatten in der Größe eines erwachsenen Mannes, der da daherschnüffelte, war ein ganz anderes Kaliber.

Beunruhigt blickte ich den Luftblasen nach, die begleitet von Atemgeräuschen, zur Licht durchfluteten Oberfläche empor tanzten. Auch ohne Experten wusste ich: Der Hai hatte unsere Anwesenheit längst bemerkt. Unsere Atemgeräusche und unser Flossenschlag mussten in seinen empfindlichen Ohren wir Donner gehallt haben. Gerhard deutete uns Taucheleven, ruhig zu bleiben und an die Felsen zu ducken. Flucht wäre ohnedies zwecklos gewesen. Haie werden nicht umsonst Lebende Torpedos genannt. Später erzählte Gerhard, dass er die Situation selbst nicht ganz durchschaut hatte. Normalerweise hätte der Hai unruhig werden, uns umkreisen, vielleicht auch anstupsen, müssen. Zumindest wäre eine Revierverteidigung fällig gewesen. Doch das graue Ungetüm war anderer Meinung. Die Spur, die es verfolgte, schien weit interessanter zu sein. Und als der Hai endlich in einer Höhle verschwunden war, begann Ala aufzutauchen. Wir Männer folgten ihr.

Auf einem Felsen, in Sicherheit, stellte ich Gerhard zur Rede. Mein Freund blickte zunächst Gedanken verloren ins Wasser, verlegen ließ er seine Flossen um seine Finger rotieren. Ihn plagte sichtlich das Gewissen, ob der Gefahr in der wir uns befunden hatten. Nach ein paar Minuten versuchte er uns Hände ringend über den Ausnahmecharakter dieser Begegnung der dritten Art aufzuklären: „Das war ein Schwarzflossenhai. Normalerweise treiben die sich nicht an diesen Küsten herum. Ihr ursprünglicher Lebensraum ist das Rote Meer. Seit dem Bau des Suezkanals sind aber immer wieder Tiere den großen Schiffen bis ins südliche Mittelmeer gefolgt. Mit der zunehmenden Erwärmung im östlichen Mittelmeerraum sind sie dann weiter nach Norden vorgedrungen. Der Klimawandel scheint doch weiter fortgeschritten zu sein, als man gewöhnlich annimmt.“

So, So. Klimawandel, welch bequeme Ausrede. Doch schließlich siegte meine angeborene Neugier über den Ärger. Bisher kannte ich Haifische nur aus Hollywoodstreifen, wo sie ständig als fressgierige Monster dargestellt werden. Irgendwie war mir das immer schon überzeichnet vorgekommen. Und was ich ganz und gar nicht verstanden hatte: was mochte dem Hai so wichtig gewesen sein, dass er uns links liegen gelassen hatte? Hatte er vor kurzem erst gefressen, oder war es gar nicht sein Revier? Lauerte irgendwo dort unten noch ein größerer Hai, bereit zu einem Rivalenkampf?

Und dann überraschte mich Gerhard mit der Frage: „Ich werde mir die Höhle noch einmal genauer anschauen. Kommst du mit, Max?“

Für einen Moment glaubte ich, in einen falschen Film versetzt worden zu sein. Ich – da hinunter zu dieser Bestie. Wie konnte mein Freund nur so etwas vorschlagen. Doch als er ausführlich von einem Artikel in einer Taucherzeitschrift berichtete, hörte ich ihm fasziniert zu und am Ende war ich sogar bereit mitzugehen.

„Doch du zuerst. Du hast die Idee gehabt.“ Ich meinte natürlich: Sicher ist sicher. Und so zogen wir los.

Es dauerte nicht lange bis wir die Höhle erreicht hatten. Aus ihrem mannshohen und halbkreisförmigen Eingang führte eine starke Strömung ins Meer. Als Gerhard mit einer Lampe in die Grotte leuchtete, hielt ich unwillkürlich den Atem an. Und dann sah ich sie daliegen - drei Prachtexemplare von Schwarzflossenhaien – schläfrig und apathisch. Als der Lichtstrahl ihre Augen traf, verengten sich die Pupillen wie sonst nur bei Katzen; und doch starrten die Haie unvermindert weiter in die Ferne. Unsere Anwesenheit schien sie nicht im geringsten zu stören.

Wieder zurück auf sicherem Boden, erklärte Gerhard: „Die Haie kommen hierher um zu baden.“ Dann weidete er sich einen kurzen Moment an unserem überraschten Gesichtsausdruck. Fische und Baden?

„Anders als normale Fische besitzen Haie richtige Haut, so mit Oberhaut und Lederhaut und so.“ erklärte Gerhard weiter. „Und wie bei uns Menschen wird diese Haut, wenn sie nicht gereinigt wird, von Parasiten befallen. Durch diese Höhle strömt Süßwasser ins Meer. Dadurch ändert sich der Salzgehalt und die Parasiten verlassen den Hai. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie angenehm das sein muss, wenn er dieses lästige Jucken los ist. Und dann ist da noch etwas. Um genügend Sauerstoff zu bekommen, müssen Menschenhaie ständig in Bewegung sein; ganz egal ob beim Fressen oder Schlafen, sogar Sex erfolgt schwimmend...“

„Sex ?!“ überrascht unterbrachen Ala und ich fast gleichzeitig den Vortrag. Die Vorstellung, dass Monster Sex haben sollten, schien uns doch zu gewagt.

„Sicher! Menschenhaie sind lebend gebärend. Die Haibabys wachsen im Bauch der Mutter heran. Und dort hinein kommen sie nur durch Sex.“ schmunzelte Gerhard. „Aber was ich sagen wollte: In dieser Grotte strömt Sauerstoff reiches Wasser an den Tieren vorbei. Sauerstoff ‚Frei Haus’. Und so können sich die Tiere ausruhen und ihre Muskeln entspannen – autogenes Training auf haiisch, so zu sagen. Kein Köder der Welt könnte sie jetzt aus der Grotte locken. Erst wenn sie wieder Hunger verspüren, so gegen Abend, gehen sie wieder auf Jagd. Wehe dem Schwimmer, der ihnen dann in die Quere kommt...“

An diesem Nachmittag erfuhren wir noch so manches über Eigenarten und Wesen der Menschenhaie. Und als wir uns am Abend in unserem Hotelzimmer aufs Ausgehen vorbereiteten, hatte sich unserer Weltbild in Punkto Haifische stark verändert.

 

Hallo Scritto,

nette kleine Geschichte über Haie und obendrein mit einem ziemlich interessanten Aspekt versehen.
Du hast einen angenehmen Schreibstil und zum Teil ist es dir auch gelungen sogar etwas Spannung in die Geschichte zu bringen.
Mir scheint jedoch, ganz perfekt ist dir die Umsetzung des Themas nicht gelungen, denn ich glaube, mit einem etwas anderem Aufbau hättest du noch mehr Spannungsbogen erzeugen und bis zum Ende halten können.

Ich stelle es mir so vor, dass deine Tauchercrew nochmals hinabtaucht, ohne dieses Gefühl ansich nunmehr etwas Sicheres zu erleben, denn dieses Gefühl baust du leider in der Geschichte auf. Ich weiß als Leserin, dass dein Protagonist nicht ein zweites Mal hinabtauchen würde, wenn er nicht wüßte, dass er sicher ist dort unten.
Also wäre es spannender, wenn du mir dieses Gefühl nicht vermitteln tätest.
Dein Protagonist könnte doch eine Art Mutprobe veranstalten, aus verletztem Stolz nochmals mit hinabtauchen, momentan fallen mir keine besseren Ideen ein, aber du könntest auf jeden Fall wesentlich mehr Spannung aufbauen.
So hast du dich ein wenig darin verloren, dass die Information über die Höhle für den Leser ja schon superspannend ist, für mich war sie es jedenfalls.
Nur so wie du es jetzt umgesetzt hast, gerät deine Geschichte letztendlich zu einer gutverpackten Reportage, dein Gerhard erzählt und berichtet hier zuviel, es wäre gelungener, wäre es in Handlung verpackt.
Ich hoffe, du verstehst, was ich genau zu meckern habe. :)

Drei kleine Fehler haben sich noch bei dir eingeschlichen:
Gerhard deutete uns Taucheleven...
Haie werden nicht umsonst Lebende Torpedos genannt
Weltbild in Punkto Haifische

bedeutete
lebende Torpedos
in puncto

Lieben Gruß
lakita

 

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