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Geheim-Gefährlich
Geheim-Gefährlich
„...und zum dritten! Verkauft!“
Der Mond verleiht dem Zimmer mit seinem unheimlichen Leuchten ein merkwürdiges Aussehen.
„Ich kann Ihnen nur den einen Rat geben: Halten Sie sich fern von diesem Haus, wenn Sie an Ihrem Leben hängen.“
Wolken ziehen vor den Mond.
„Nein, keine Drohung! Eine Warnung!“
Das Zimmer verdüstert sich.
„Die erste Nacht im eigenen Heim. Ist das nicht aufregend?“
Die Kerze flackert beunruhigend.
„Ich werde das Fenster schließen. Sonst erlischt am Ende noch die Kerze.“
Marion steht auf und geht zum Fenster.
„Der Luftzug ist doch angenehm. Mach doch einfach das Licht an.“
Sie schließt das Fenster.
„Nein, mir wird das langsam zu kühl hier.“
Ein markerschütternder Schrei ertönt.
„Was war das?“
Geschockt starren sich die beiden an.
„Vielleicht eine Katze, die sich in den Keller verirrt hat.“
Peter schüttelt den Kopf.
„Das war keine Katze!“
Er steht auf und geht zur Tür.
„Was hast du vor?“
Er öffnet die Tür.
„Ich werde mal nachsehen, was das ist.“
Er drückt auf den Lichtschalter, und der Korridor erstrahlt in beruhigend hellem Licht.
„Nein, laß uns die Polizei anrufen.“
Langsam geht er die Treppe zum Keller hinab.
„Das regele ich schon.“
Marion folgt ihm die Treppe hinab.
„Warte, ich komme mit.“
Im Keller ist alles ruhig.
„Nein, bleibe du lieber oben.“
Er tastet nach dem Lichtschalter.
„Ich bin immer noch dafür, daß wir die Polizei rufen.“
Er betätigt den Lichtschalter.
„Oh, mein Gott!“
Marion gibt einen ohrenbetäubenden Schrei von sich.
*
„Kannten Sie die Frau?“
„Nein, eigentlich nicht. Wir haben sie heute bei der Auktion das erste Mal gesehen. Sie war auch an dem Haus interessiert.“
„Gab es sonst noch irgendwelche Interessenten?“
„Ja, einen merkwürdigen Mann. Der hat uns auch bedroht, nachdem wir das Haus ersteigert hatten.“
„So? Was hat er denn gesagt.“
„Er meinte, wir sollten uns von diesem Haus fernhalten.“
„Ich hoffe, Sie können den Mann beschreiben.“
„Natürlich!“
„Und Ihre Frau auch, wenn Sie sich von ihrem Schock erholt hat.“
„Ganz bestimmt.“
*
Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie an die Decke. Ihr Mund ist leicht geöffnet, die Haut kreidebleich. Doch es sind die Augen, die ihre Erscheinung so erschreckend machen. Die Pupillen sind erweitert und es sieht gerade so aus, als sei irgend etwas durch diese Pupillen hindurch gekrochen. Irgend etwas, das im Gehirn dahinter ein paar Schalter betätigt hat.
*
„Und die Scheibe wurde vermutlich von der Frau eingeschlagen?“
„Nein, die Scheibe war noch ganz, als wir in den Keller gingen. Das muß jemand anders gewesen sein.“
„Jemand anders. Sie meinen, noch jemand ist in Ihr Haus eingebrochen.“
„Ja, ich kann das ganze ja auch nicht nachvollziehen, aber so muß es gewesen sein.“
„Aber gesehen haben Sie niemanden?“
„Nein, wahrscheinlich hat meine Frau den Einbrecher mit ihrem Schrei vertrieben.“
„Und die Frau? Wie könnte die hier rein gekommen sein?“
„Durch ein offenes Fenster vielleicht. Die Nacht war ziemlich schwül.“
„Ja, aber was wollte sie hier und was ist hier verdammt noch mal passiert?“
*
„Dann wären wir diese Nacht nicht alleine. Außerdem wird uns eine Ablenkung von dem ganzen sicher gut tun.“
„Nein, dazu bin ich im Moment nicht in der Lage.“
„Ach, komm schon, das wird uns sicher helfen, ein wenig Abstand zu gewinnen.“
„Das ganze ist auch viel zu kurzfristig.“
„Ich werde sehen, was ich in der kurzen Zeit erreichen kann und so viele Leute wie möglich zusammentrommeln.“
*
„Der Sehende sieht, der Blinde lebt.
Da ist nicht viel, was es zu sehen gibt,
das da zum Tode euch geleitet.
Doch eines, das ihr besser meidet.
Schließt eure Augen, geht hinfort,
sonst seid ihr am nächsten Morgen tot.“
*
Die Einweihungsfeier ist in vollem Gange.
„Ich fahre nächste Woche geschäftlich nach Berlin.“
„Hast du den Film denn schon gesehen?“
„Aha, was machst du denn dort?“
„Der ist doch noch gar nicht angelaufen.“
„Ich treffe mich mit ein paar wichtigen Leuten.“
„Ach so, das wußte ich nicht.“
Thomas ist neugierig.
„Hast du denn einen Verdacht, von wem der Zettel mit dem komischen Spruch sein könnte?“
„Das ist doch wirklich ein schönes Haus, oder?“
„Ja, ich habe da eine Vermutung.“
„Ja, finde ich auch. Und es war ja ziemlich günstig.“
„So? Wen hast du denn im Verdacht?“
„Da haben die beiden bei der Auktion echt Glück gehabt.“
Thomas sieht.
„Was hältst du von einer kleinen Wette?“
„Hast du nächstes Wochenende schon etwas vor?“
„Nichts dagegen. Ich sage, sie gewinnen.“
„Bisher noch nicht. Wieso?“
„Niemals. Da halte ich locker dagegen.“
„Da feiere ich nämlich meinen Geburtstag.“
Thomas ist tot.
*
„Thomas! Thomas!“ Rufe hallen durch die Kellergewölbe.
Jeder Raum wird durchsucht, jeder größere Gegenstand beiseite geschoben.
„Seid ihr sicher, daß er hier runter gegangen ist?“ Unsicherheit macht sich in der Runde breit.
Eine Tür wird geöffnet.
„Wozu dient denn dieser kleine Raum?“ Neugierde ist der Tod der Katze.
Ein Teppich wird begutachtet.
„Der Teppich paßt doch gar nicht hier rein!“ Man stößt auf Seltsames.
Der Teppich wird beiseite gerollt.
„Eine Falltür!“ Man macht Entdeckungen.
Die Falltür wird geöffnet.
„Oh, mein Gott!“ Wie auch jetzt, so in der Stunde unseres Todes.
Amen.
*
Vieles, das wir sehen, sehen wir nicht richtig, weil es nichts besonderes ist. Aber wenn wir etwas richtig sehen, ist es meist zu spät. Wenn das Unvorstellbare umgekehrt auf der Netzhaut abgebildet wird, ist das Gehirn auf dem besten Wege in den Wahnsinn. Und manchmal ist Wahnsinn tödlich.
*
„Glauben Sie mir doch, ich habe niemanden umgebracht. Ich habe auch niemanden bedroht. Ich habe die beiden nur gewarnt. Sie wußten nichts von alledem. Sie hätten nicht sterben brauchen.“
Der Kommissar fragt...
„Ja, die kenne ich. Die hat es verdient. Wer sich wissentlich mit Mächten anzulegen versucht, die man nicht kontrollieren kann, braucht sich nicht zu wundern.“
...und fragt...
„Natürlich waren da meine Fingerabdrücke. Ich wollte retten, was noch zu retten war. Aber da hörte ich schon den Schrei.“
...und fragt.
„Vom ehemaligen Hausbesitzer. Er hat mich in alles eingeweiht. Hätte er doch nur ein Testament verfaßt...“
ENDE
© 2001 by Andreas Fecher