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"Gegenwart - was ist das?"

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03.09.2015
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"Gegenwart - was ist das?"

Diese Frage stellte der achtjährige Ron seinem um das dreifache älteren Vater Tony Barrel.
"Tja", meinte Tony auf die Frage seines, für dieses Alter schon ziemlich klugen Sohnes. "Tja ,was ist eigentlich die Gegenwart? Lass mich mal überlegen. Hm ja, also die Gegenwart ist eigentlich nur eine Erfindung der Menschen, um die Zukunft von der Vergangenheit zu trennen ..."
"Aber wieso das denn?" Kam die spontane Frage des Jungen.
Der Vater antwortete: "Ja, das wollte ich gerade erklären. Also eigentlich fließen die beiden Zeiten ineinander. Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft und umgekehrt ..."
"Wieso umgekehrt?" Kam es sofort von Ron. "Also, dass es ohne Vergangenheit keine Zukunft geben würde, kann ich ja noch verstehen, aber dass es ohne Zukunft keine Vergangenheit geben soll, ist mir schleierhaft!"
Der Vater antwortete mit einer Gegenfrage: "Was wäre denn, wenn es keine Zukunft geben würde?"
Darauf der Sohn achselzuckend: "Ich habe keine Ahnung."
"Dann wäre die Vergangenheit nutzlos, denn zum Beispiel die Menschen sind in der Vergangenheit erschaffen worden, damit sie für die Zukunft leben und arbeiten können. Wenn jetzt die Atombombe fällt, gibt es keine Zukunft mehr für die Erde, denn wenn alle auf den 'Roten Knopf' drücken wird die Erde explodieren, und auch eine Vergangenheit wird sie nicht mehr haben, denn keiner wird auf die Idee kommen, dass die paar Meteore, die dann zwischen Venus und Mars ihre Bahn ziehen, einmal ein mit 'intelligenten Wesen' bewohnter Planet war. Vielleicht werden es eventuelle Besucher vermuten, aber es geht ihnen wie uns heute mit dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, sie können nichts genaues darüber sagen." Meinte Tony langsam.
Ron überlegte eine Weile und ließ die Worte seines Vaters in sich wirken, doch dann sagte er: "Also, das ist mir jetzt glaube ich klar, doch hat es denke ich nicht viel mit meiner eigentlichen Frage zu tun."
"Du hast Recht! Aber du hattest mir gesagt, dass du den Zusammenhang zwischen Zukunft und Vergangenheit nicht verstanden hast, da musste ich dir das doch zuerst klar machen, oder nicht?" Fragte Tony lächelnd.
"Doch, jetzt hast du Recht! Ich frage nicht mehr dazwischen, aber fang bitte endlich an, ich muss noch Hausaufgaben machen!"
"Okay, ich mach ja schon. Also, wie gesagt ist die Gegenwart eine Trennung zwischen Zukunft und Vergangenheit, die es aber eigentlich gar nicht gibt. Es gibt die Einheit eines Tages eigentlich gar nicht weil, wenn eine Sekunde vergangen ist, kommt die nächste. Also gibt es nur Zukunft und Vergangenheit, dazwischen ist nichts. Der Tag ist ein gutes Beispiel dafür, dass Zukunft und Vergangenheit ineinander übergehen, denn ein Tag besteht ja auch aus Sekunden; du hast ja gesehen, das eine vergeht und die andere kommt. Auch ein Wort besteht aus Vergangenheit und Zukunft, denn die ersten Buchstaben hat man schon ausgesprochen und die anderen werden noch kommen. Hast du das einigermaßen verstanden?"
"Ich glaube schon, aber doch nochmal ´ne Frage: Kann es sein, dass ich jetzt etwas vergrabe, irgendwo, vielleicht im Garten und in der gleichen Sekunde wird es ein paar Jahre später wieder ausgegraben?"
"Ja, ich denke schon, dass so etwas vorkommen kann, frag mich aber bitte nicht wieso, denn ich kann es dir nicht beantworten."
"War ja auch nur ´ne Frage, die mich interessiert hat. Ich habe das auch schon mal mit meinen Freunden diskutiert, doch die konnten sich das nicht vorstellen und haben mir nicht geglaubt."
"Ach so, also, so genau weiss ich es wirklich nicht, aber ich vermute das es so ist. Hast du nicht was von Schularbeiten gesagt?"
"Bin ja schon weg! - Wie soll ich denn nun diesen blöden Aufsatz in der Gegenwart schreiben, wenn es keine Gegenwart gibt???" Fragte sich Ron nachdenklich, als er in seinem Zimmer war. Doch sofort fiel ihm etwas ein: "Ich weiss, ich werde Mutti fragen, ob sie nicht bei mir im Zimmer stricken will, dann kann ich den Aufsatz in ihrer Gegenwart schreiben!"

 

... Hast du das einigermaßen verstanden?"

Hallo Katerli,

schön, ein Lebenszeichen von Dir zu erhalten und dann gleich mit einem anspruchsvollen Titel, der vor allem eines zeigt: Du hast einen Riesensprung gemacht gegenüber Deinem Frühwerk (ich nenn's mal so, Du weißt ja, dass ich aus Ironien, eigentlich direkt neben Homers Ionien, lebe und mir mit Jean Paul und Gottfried Keller das eine und andere Bier teile ...,

"Gegenwart - was ist das?",
die Frage, die Du den achtjährigen Ron seinem Vater stellen lässt und Du - sinnig genug - in der Vergangenheit beantwortest, die bis 16 Uhr auch Dein Hier und Jetzt war und beim Wiederlesen wieder gegenwärtig wird.

Tatsächlich sind Vergangenheit und Zukunft menschliche Konstrukte entgegen der Meinung des Vaters und im Althochdeutschen gibt's für die "Gegenwart" eine Vielzahl von Worten, die Gegenwart umschreiben (etwa anaougī, anasehan), die als gegenwärtig das bezeichnen, was man von Auge zu Auge ansehen kann, die im gaganwerta/gaganwerti schon als unser Wort für Gegenwart zu erkennen ist und zugleich für Anblick, Angesicht und Antlitz stehen kann, vor allem aber "Anwesenheit" steht. Gegenwart ist also schon nach den ganz Alten, was "anwesend" ist. Woran keiner sich erinnert, hat nicht mal eine Vergangenheit, geschweige eine Zukunft.

Gleichwohl hat die Begründung des Vater

"Dann wäre die Vergangenheit nutzlos, denn zum Beispiel die Menschen sind in der Vergangenheit erschaffen worden, damit sie für die Zukunft leben und arbeiten können. Wenn jetzt die Atombombe fällt gibt es keine Zukunft mehr für die Erde, denn wenn alle auf den [']Roten Knopf['] drücken[,] wird die Erde explodieren, und auch eine Vergangenheit wird sie nicht mehr haben, denn keiner wird auf die Idee kommen, dass die paar Meteore[,] die dann zwischen Venus und Mars ihre Bahn ziehen, einmal ein mit "intelligenten Wesen" bewohnter Planet war. ..."
was Sympathisches. (die in Klammern gesetzten Kommas und einfachen Anführungszeichen solltestu korrigieren. Ein Paar Anführungszeichen innerhalb wörtlicher Rede hab ich nicht korrigiert.
Wetten, dass Du sie selbst findest?
Und noch was: Bis gerade dachte ich, Du würdest eine Schweizer Tastatur benutzen (die kennt kein "ß", weil der Kompromissteufel gerade bei einer gelungenen Reform 1996/2006 die Schweizer ausgenommen hat, nämlich kurze Silben mit doppel-s, lange, betonte Silben aber mit ß zu schreiben, also in der Geschichte von Dir stattgefundener
fliessen // liess
besser fließen und ließ. Ich mach das Problem immer an Fluss und Fuß deutlich.

Ich glaub, das Gedicht, das Gottfried Keller - der Nationaldichter der Schweiz - bringt das Problem der Zeit ganz gut auf den Punkt (ohne naturwissenschaftliche Kenntnis, allein durch Sprache, dass Sohn und Vater, aber auch Katerli und jeder beliebige Leser versteht. Und es ist, als wär's für Dich geschrieben


"Die Zeit geht nicht, sie stehet still, / Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist ein Karavanserai, / Wir sind die Pilger drin.

Ein Etwas, form- und farbenlos, / Das nur Gestalt gewinnt,
Wo ihr drin auf und nieder taucht, / Bis wieder ihr zerrinnt.

Es blitzt ein Tropfen Morgentau / Im Strahl des Sonnenlichts –
Ein Tag kann eine Perle sein / Und hundert Jahre – Nichts!

Es ist ein weißes Pergament / Die Zeit und Jeder schreibt
Mit seinem besten Blut darauf / Bis ihn der Strom vertreibt.

An dich, du wunderbare Welt, / Du Schönheit ohne End'!
Schreib' ich 'nen kurzen Liebesbrief / Auf dieses Pergament.

Froh bin ich, daß ich aufgetaucht / In deinem runden Kranz;
Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht / Und lobe deinen Glanz!"​


Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Katerli,

ich danke dir für diesen Text, ich habe ihn sehr gerne gelesen, deine kleine Philosophie am Küchentisch.
Sicher hätte man einzelne Passagen, wie beispielsweise die Diskussion um die sekundengenau ausgegrabenen Dinge etwas vertiefen können, aber das ist eine persönliche Ansicht.

Ich war kurz überrascht über den letzten Absatz aber, nach kurzem Stutzen musste ich lachen. Ich danke dir für die leichten Gedanken an diesem trüben Tag.

es grüßt dich der Frischling,

Marta Ben

 
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Hallo lieber Friedel,
war mal kurz auf´m Mond ...
Danke für die Tipps zur Rechtschreibung und das feine Gedicht! Wird demnächst in Angriff genommen, mach mir keinen Stress mehr - äh, versuche es zumindest.
Liebe Grüße Evi


Hallo liebe Marta Ben,
vielen Dank für deine netten Worte!
Lieben Gruß Evi

 

Servus Katerli,

Schöne Idee hinter der Story, der Twist am Ende hat mir gefallen. Kann man so abdrucken! ß nur nicht vergessen :D

 

Hallo Katerli

acht Jahre alt soll der Sohn sein? Echt? Der stellt ganz schön kluge Fragen. Okay, kann sein, solche Kinder gibt es. Aber dass er so geschliffen spricht, never! Deine kleine Abhandlung über die Zeit liest sich wie eines der Gespräche Platons und ich muss unwillkürlich an Sokrates denken, der Zuhörern und Mitdenkenden seine Philosophie erklärt. Was an sich amüsant zu lesen ist, aber doch eine Menge Anspruch formuliert, um dann in einem vermeintlich platten Ende zu versickern, das durchaus eine gewisse Tiefe erspüren lässt, aber doch viel zu lapidar daherkommt. Kurzum: dem Text könnten geschmeidigere Dialoge/Lehrgespräche gut tun und auch etwas entspanntere Lehren.

Textstellen:

"Wieso umgekehrt?" Kam es sofort von Ron. "Also, dass es ohne Vergangenheit keine Zukunft geben würde, kann ich ja noch verstehen, aber dass es ohne Zukunft keine Vergangenheit geben soll, ist mir schleierhaft!"
hier so ein Beispiel: da spricht kein Achtjähriger, das klingt zu glatt, zu lehrerhaft.

Ich habe das auch schon mal mit meinen Freunden diskutiert, doch die konnten sich das nicht vorstellen und haben mir nicht geglaubt."
hier dasselbe, allein schon, dass er "diskutiert" verwendet.

"Ich weiss, ich werde Mutti fragen, ob sie nicht bei mir im Zimmer stricken will, dann kann ich den Aufsatz in ihrer Gegenwart schreiben!"
netter Gedanke, auch lustig, aber keine Bombe.

Ich hoffe, du kannst was mit anfangen
viele Grüße
Isegrims

 
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Hallöchen Grayson,
Auch dir Danke für die netten Worte!
Jau, inzwischen geändert.
Liebe Grüße
Evi


Hallo Isegrims,
auch dir Danke für die guten Worte!
Hm, kommt vielleicht daher, das ich selbst als Kind mehr mit Erwachsenen zu tun hatte als mit Gleichaltrigen.
Muss mal drüber nachdenken.
Liebe Grüße Evi

 

Hi Katerli,

ich hab grad höchstens Zeit für kürzere Kommentare, kann sein, dass das, was jetzt kommt, dementsprechend kurz angebunden sein wird. Nur damit du das richtig einordnest, falls es so klingt.

Ich finde diese Unterhaltung über die Zeit schon ganz witzig, wenn auch nicht so im vollen Sinne, dass ich den Humor-Tag erwarten würde. So ganz konsistent erschient mir das nicht, was der Papa da sagt, aber das finde ich ganz in Ordnung so. Etwas spritziger dürfte es für meinen Geschmack trotzdem sein. Über weite Strecken fühle ich mich vom Duktus her wie in einem platonischen Dialog, in dem die Gesprächspartner auch fast nur Vorwand sind. Ich hätte es in die Richtung gerne lebendiger, dass man klarer sieht, inwiefern es Absicht ist, dass der Papa selbst nur so mittelmäßig durchblickt in Bezug auf das was er sagt. So dass man ihm - wie auch immer - beim Formen der Gedanken mehr zuschauen kann.

Diese Frage
- Das gefällt mir nicht: Den Titel als die erste Zeile der Geschichte zu verwenden.

"Tja", meinte Tony auf die Frage seines, für dieses Alter schon ziemlich klugen Sohnes.
Der Einschub wirkt eher - altklug, wenn das das richtige Wort ist, auf mich. Kann doch weg, das merkt man selbst. Das Alter könnte für meinen Geschmack auch gerne weg. Für wen ist das wichtig, ob der Junge für sein Alter klug ist?

die Gegenwart ist eigentlich nur eine Erfindung der Menschen, um die Zukunft von der Vergangenheit zu trennen ..."
"Erfindung" ist irgendwie das falsche Wort, kann aber zum Witz dazu gehören. "Eines Tages erfand ein Mensch die Gegenwart" - geht nicht, oder?

Es gibt die Einheit eines Tages eigentlich gar nicht weil, wenn eine Sekunde vergangen ist, kommt die nächste.
Ich würde eher erwarten, dass jemand so redet, der beweisen möchte, dass es im Gegenteil nur die Gegenwart gibt.

Der Tag ist ein gutes Beispiel dafür, dass Zukunft und Vergangenheit ineinander übergehen, denn ein Tag besteht ja auch aus Sekunden; du hast ja gesehen, das eine vergeht und die andere kommt.
Klar gehen sie ineinander über, aber wenn der Tag aus Sekunden besteht und es diese nicht gibt, würde es wohl auch für Vergangenheit und Zukunft nicht gut aussehen ...

"Ich glaube schon, aber doch nochmal ´ne Frage: Kann es sein, dass ich jetzt etwas vergrabe, irgendwo, vielleicht im Garten und in der gleichen Sekunde wird es ein paar Jahre später wieder ausgegraben?"
"Ja, ich denke schon, dass so etwas vorkommen kann, frag mich aber bitte nicht wieso, denn ich kann es dir nicht beantworten."
Hä? Wovon reden die?

"Bin ja schon weg! - Wie soll ich denn nun diesen blöden Aufsatz in der Gegenwart schreiben, wenn es keine Gegenwart gibt???"
Das ist mir als Humor zu gewollt, überzogen. Einerseits soll er klug sein, und dann versteht er nicht, was es heißt einen Aufsatz in der Gegenwart zu schreiben? Könnte schon funktionieren, aber mir ist das, so wie es dasteht, letztlich zu plump. Auch die Fortsetzung, das mit der Gegenwart der Mutter, aus meiner Sicht zu gewollt. Die Idee ist sicher nicht unmöglich von jemandem zu schreiben, der einerseits klug ist und andrerseits einfache Dinge nicht versteht. Die Pointe bleibt für mich in dieser Form aber ein Fremdkörper.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo Quent,
auch dir lieben Dank für deine Worte.
Hm, noch sind mir keine Lösungen für die angesprochenen Probleme eingefallen.
Lieben Gruß
Evi

 

Hallo Erdbeerschorsch,
auch dir besten Dank für deine Worte.
Überlege, was ich nach 30 Jahren dran rumdoktorn soll ...
Beste Grüße
Evi

 

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