Gefräßigkeit
Es ist kein Hunger, den ich verspüre, auch kein Appetit. Es ist eine Art kalte, gierige Gefräßigkeit, die mir keine Ruhe lässt. Ich beiße in den trockenen Toast und schlucke ihn ohne zu kauen. Es bringt mir nichts, es fühlt sich an, als würde das Brot ohne Umwege durch mein Gedärm rauschen. Ohne Nährstoffe abzugeben, ohne mir auch nur im Geringsten Befriedigung zu geben. Ich würge ein paar weitere Bissen herunter und starre vor mich hin, während ich überlege, was ich als nächstes essen könnte.
Der Kühlschrank ist ebenso leer, wie sich mein Magen anfühlt. Lediglich im Speiseschrank befinden sich ein paar kümmerliche Reste. Hätte der Volksmund wirklich recht mit dem Ausspruch `Du bist, was du isst´, was wäre ich nun, nachdem ich mir ein halbes Pfund Weizenmehl und eine fast leere Packung gerösteter Zwiebeln in die Kehle geschüttet habe? Ich spare mir das Kauen und schlucke so schnell es geht. Ein kulinarischer Genuss hätte ohnehin nicht auf mich gewartet. Es ist der letzte verzweifelte Versuch das Loch in meinen Bauch zu füllen und wieder bleibe ich unbefriedigt zurück.
Mein Blick schweift über den Küchenboden, der mit leeren Verpackungen besät ist. Pizzakartons, Konserven, aufgerissene Tütensuppen und dergleichen liegen in einem wüsten Wirrwarr herum und ich kann nicht begreifen, dass ich all das gefressen haben soll und dennoch ein leeres Gefühl in meinem Bauch spüre.
Mit einer Handbewegung wische ich den Küchentisch vor mir ab und der ganze Müll, die Teller und meine ehemals heiß geliebte „Ich bin der Boss“-Kaffeetasse fallen polternd auf die Küchenfliesen. Wie ein getriebenes Tier springe ich auf, um die Pizzapackungen zu inspizieren. Vielleicht finde ich noch ein Stück Kruste, oder etwas am Deckel festklebenden Käse. Ich bin mir zwar fast sicher, dass ich da schon vor dem Weizenmehl und den Röstzwiebeln nachgeschaut habe, aber sicher ist sicher. Ich finde natürlich nichts und bin so gefrustet, dass ich ein Stück aus dem Pizzakarton reiße und es mir in den Mund stecke. Schmeckt nicht schlechter als das Mehl, oder die fürchterliche Suppe von heute Mittag. Ich beschließe noch einmal den Pizzadienst kommen zu lassen. Diesmal bestelle ich gleich ein Dutzend. Mit extra Käse, einem ganzen Laib am Besten.
Ich nehme die leeren Kartons mit ins Wohnzimmer, damit ich beim Fernsehen etwas zu Knabbern habe, während ich auf den Pizzamann warte. Hier draußen dauert es eine halbe Ewigkeit, bis sie liefern. Meine Adresse kennen die Jungs aber zum Glück bereits bestens.
Natürlich schalte ich genau zur falschen Zeit ein. Auf dem ersten Sender werkelt ein Fernsehkoch mit einem unsagbar dämlichen Gesicht herum, aber was er da vor sich hinköchelt weckt die Biester in meinen Eingeweiden von Neuem. Im krassen Gegensatz dazu erzählt mir eine Werbung auf dem nächsten Kanal vom Hunger in der Welt, den es zu bekämpfen gilt. Was kümmert mich der Hunger in der Welt, wenn ich selbst ein Loch im Bauch habe? Wie kann mich irgendetwas interessieren, wenn mich diese rastlose, quälende Leere in meinem Inneren quält? Genervt schalte ich den Fernseher aus und beiße in die Fernbedienung. Zu meiner Überraschung schaffe ich es tatsächlich ein beachtliches Stück aus ihr herauszureißen. Ich beiße noch ein Stück ab, dann noch eins. Schließlich ist die Fernbedienung vollständig in mir verschwunden. Jetzt werde ich wenigstens nicht mehr auf die Idee kommen dieses Ding einzuschalten.
Um diese Gefahr ganz zu bannen packe ich das Gerät und schleudere es gegen die Wand, wo es mit einem lauten Knall zerschellt. Ich beginne die abgesplitterten Teile aufzulesen und mir in den Mund zu stecken. Sie schmecken besser als die Fernbedienung. Wo bleibt eigentlich der Pizzajunge??
Endlich klingelt es und ich stürme zur Tür, wie ein kleiner Junge an seinem Geburtstag. Ich öffne, aber da steht keiner der Pizzalieferanten, die ich mittlerweile alle mit Namen kenne, sondern meine Freundin. Etwas in ihrem Blick wirkt verstört, ob das an mir liegen könnte? Ich hatte ganz vergessen, dass sie kommen wollte. Mir ist es recht, denn heute sieht sie geradezu köstlich aus…
ENDE