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Gefilmt ...

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30.12.2003
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Gefilmt ...

„Schlüsseldienst „Türauf“, guten Tag“, sagt Rudi, als er den Hörer abnimmt.

Dann ihre Stimme: „Können Sie mir jemanden schicken? Mir ist die Tür zugefallen.“

„Kein Problem, wo sollen wir hinkommen?“ – Schnell die Daten aufnehmen. Lustig, die Dame, ziemlich locker, macht einen kleinen Scherz mit, hm ... nicht ganz üblich.
„Zahlen Sie bar oder mit Scheck?“.

„Ich zahle bar, kein Problem – in der Wohnung habe ich Geld. Ihr Schlosser muss nur die Wohnungstür öffnen.“

Rudi fährt selbst die Öffnung – junge Stimme = hübsches Mädchen, das ist genau sein Fall. Sieht sie schon von weitem: Tatsächlich nette Erscheinung, wartet vorm Haus. Geht vor ihm die Treppen hinauf, blinzelt kokett zurück – kann Rudi ihr noch folgen? Ist nicht mehr der Jüngste, schon älteres Semester. Rudi hechelt sich bis in den 3. Stock hinauf. Die Kundin sieht auch auf kurze Distanz sehr gut aus.

So, jetzt schnell die Formalitäten: Handwerkerauftrag ausfüllen, Unterschrift - und:
„Würden Sie bitte etwas zurücktreten, junge Frau? Lasse mir nicht gern bei der Arbeit zusehen.“
Und sie meint: „Ach was gibt’s da schon zu sehen?“ - Schmollmund und Augenaufschlag.
„Na gehen Sie wenigstens ein Stück zur Seite, ja, das reicht.“
Kurzer Blick zur Tür: gut 1 bis 2 mm Luft, kein Doppelfalz, Altbautür – dabei schwatzend:
„Ja, ja, aufpassen muss man schon, Fenster auf, bisschen Durchzug - nichts da mit schnell den Müll rausbringen – zack, und die Tür ist zu ...“.

In dem Augenblick, wo Rudi seine kurze Ansprache beendet, das bekannte Klick, wenn die Falle zurückgezogen wird, dann kurzer Zug an der Tür und das Klack der zurückschnappenden Falle, aber sie gleitet nicht mehr in den Schließkloben, schrammt über das Schließblech beim Aufziehen der Tür.

„Wirklich tolle Erscheinung“ denkt Rudi, den Draht schnell wegsteckend, mit dem er die Tür geöffnet hat, und merkt in seiner Vorfreude kaum, dass die Kundin in einem hell ausgeleuchteten Korridor vorausgeht, sich umdreht, lächelnd ihr Fernsehteam vorstellt und den Obermeister der Schlosserinnung.

Rudi bleibt gefasst, murmelt etwas von „gelungener Überraschung“ und wird gleich wieder geschäftlich.
„Also ob Film oder nicht, ich mache jetzt die Rechnung fertig, wenn Sie inzwischen schon Ihr Portemonnaie holen würden?“

Anstandslose Begleichung in bar wie vereinbart, nicht in „Naturalien“, was sich Rudis lebhafte Fantasie schon ausgemalt hatte.
Mist, noch mal gefilmt!

 

Hallo Pied Piper,

mir hat deine Geschichte ganz gut gefallen. Der Stil ist so schön kurz und knackig, und die Details aus dem Schlüsseldienst-Gewerbe lassen es sehr glaubhaft wirken.

Jetzt kommt mein Aber.

Im ersten Satz kündigt ein auktorialer Ich-Erzähler eine Geschichte über Rudi an. Aber im zweiten Satz kommt dann nicht Rudi, sondern wieder "Ich". Hier bin ich als Leser gestolpert.

Dass dann später die Perspektive von "Ich" zu "Rudi" wechselt - Rudi fährt die Öffnung... Sieht sie schon von weitem - hat mich dann beim Lesen nicht mehr ganz so gestört. Aber auch dieser Bruch in der Wirklichkeitslillusion ließe sich vermeiden.

Deine Geschichte ist doch die:
Schlosser Rudi, der eine Schwäche für das andere Geschlecht hat, fährt zu einer Frau, die sich offenbar ausgesperrt hat. Sie sieht gut aus, stellt er fest. Er öffnet die Tür, und sieht sich plötzlich einem Kamerateam gegenüber: Man hat ihn gefilmt, für eine Reportage über unseriöse Firmen. Sein Chef ist stinksauer und schmeißt ihn raus, obwohl er nichts dafür kann.

Wenn das die Story ist: Warum fängst du mit dem Telefongespräch an? Das ist doch für deinen Plot gar nicht wichtig, oder? Und wozu brauchst du den Ich-Erzähler überhaupt? Fang doch gleich mit Rudi an:

Rudi fährt die Öffnung: junge Stimme = hübsches Mädchen, das ist genau sein Fall.

Was du dann wieder gut machst, ist die Art, wie du den Leser auf ein erotisches Abenteuer vorbereitest: Tatsächlich nette Erscheinung - sieht auch auf kurze Distanz sehr gut aus - Schmollmund und Augenaufschlag.

Dann kommt deine Pointe: Rudi wurde gefilmt. Peng, es wird nichts aus dem Schäferstündchen. Ich würde dann Schluss machen. Das ist für mich die Story - dass die Frau ihre Reize für die Täuschung einsetzt, dass Rudi drauf anspringt. Wenn du das Türöffnen noch länger rauszögerst, dann reicht das: Er fummelt ein bisschen am Schloss, denkt an die Frau, fummelt wieder ein bisschen, guckt der Frau auf die Beine, fummelt wieder, steckt seinen Draht rein (pfui!), und so weiter, bis er schließlich "drin" ist, am Ziel seiner Wünsche sozusagen, und dann steht er im kalten Scheinwerferlicht, Ernüchterung.

Die Sache, dass Rudi rausgeschmissen wird, bringt einen anderen Ton rein. Da ist ein bisschen Ärger mit drin, dass der arme, unschuldige Rudi entlassen wird. Das ist ein anderes Thema, glaube ich.

Grüße,
Stefan

 

Hi Stefan,
danke für Deine Einschätzung, die kritischen Anmerkungen und besonders für die Idee!
Ich habe tatsächlich paar Dinge vermengt, die insgesamt keinen rechten Sinn ergeben. Die Ausgangsidee war bei mir schon der „Unglücksrabe“ Rudi, dem sein Chef die Computergeilheit offiziell nicht anhängen konnte und nun einen willkommenen Anlass gefunden hatte. Natürlich hast Du Recht, dass das eine andere Geschichte ist, die so wie ursprünglich geschrieben gar nicht ankommt beim Leser.

Ich stimme Dir auch zu, dass der Perspektivwechsel innerhalb der Geschichte verwirrend und logisch nicht begründet ist. Also weg damit!

Dein Vorschlag, das von mir als „Beiwerk“ gedachte erotische Moment zur Story zu machen, gefällt mir super – ich habe das nun mal kurz abgeändert. Allerdings ohne zuviel „Fummelei“, sonst müsste es in eine andere Rubrik verschoben werden :D!

Gruß Pied Piper
:)

 

Hallo nochmal,

du erwähnst jetzt die Reportage über unseriöse Firmen nicht mehr. Versteht das der Leser dann noch? Oder fragt er sich, wieso wird das gefilmt? Ich kann das leider nicht mehr richtig beurteilen, weil ich die erste Fassung kenne.

Grüße,
Stefan

 

Hi again,

die Frage habe ich mir schon gestellt, doch der Charakter der Sendung ist nun nicht mehr wichtig für die Geschichte.
Ansonsten gehe ich von der Bekanntheit der Tatsache aus, dass über Handwerker-Services immer mal wieder etwas im TV gezeigt wird.
Danke für Deine intensive Mitarbeit!

Gruß Pied Piper :)

 

Hallo Gerti,

eigentlich ist Rudi nicht "sooo Pfui", in dieser Version aber schon.
Schön, dass die Geschichte für Dich so lustig war - und danke für das Lob :) LG Pied Piper

 

Hallo Pied,

Pointen- Geschichten sind ja nicht leicht zu schreiben, deshalb finde ich Deine Geschichte zur leichten Unterhaltung gut geeignet, einfach ´mal eine Abwechslung.

Zitat: Rudi fährt selbst die Öffnung – junge Stimme = hübsches Mädchen.

- da sollte man das Rechenzeichen umgehen.

Zitat:
In dem Augenblick, wo Rudi seine kurze Ansprache beendet, das bekannte Klick

- … als Rudi seine kurze Ansprache beendet, hört man das bekannte `Klick´.

Vielleicht verrät der Titel auch schon zu viel…

LG,

tschüß… Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

danke für Deine Einschätzung und die stilistischen Hinweise. Zukünftig werde ich sicher länger über meinen Geschichten „brüten“, um stärker am Ausdruck zu „feilen“ und überhaupt mehr aus eine Story zu machen. Aller Anfang ist halt schwer ...

LG Piper :)

 

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