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Gefesselt

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19.11.2004
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Gefesselt

Gefesselt

Sie hatte sich extra chic gemacht. Ein blaues, tief ausgeschnittenes Top hatte sie angezogen, dazu einen knappen schwarzen Rock. Sie sah gut aus, glaubte sie, oder? Aber sie fühlte sich nicht wohl, wie in einer fremden Haut. Aber es würde so gehen, wahrscheinlich. Doch dann:

„Lara und Sonja haben abgesagt.“
„Das macht doch nichts, oder?“
„Aber du kennst Bertram doch gar nicht richtig.“
„Das ist doch egal!“
„Tu doch nicht so, als würdest du dich trauen mit ihm zu reden, verklemmt wie du bist.“
„Sag doch gleich, dass ich nicht mitkommen soll.“
„Tu ich ja auch!“
„Und warum soll ich hier bleiben?“
„Weil ich mit Bertram alleine sein will!“
„Weiß Bertram das schon?“
„Nein, aber ich glaube nicht, dass er scharf darauf ist, dich zu sehen.“
„Ach ja?“
„Ich habe jetzt keinen Bock, stundenlang mit dir rumzudiskutieren. Du kommst nicht mit, e basta!“
„Zwing mich doch!“

Sie lag bäuchlings auf dem Sofa, Britta kniete daneben und hielt Cathis Arme hinter dem Rücken fest.
„Aua, was soll das?“
Keine Antwort. Dann plötzlich das Seil. Es wand sich um die Handgelenke. Angst stieg in ihr auf. Sie versuchte sich aufzubäumen, sich wegzudrehen, aber es war vergeblich. Die Seile wurden noch einmal festgezogen, dann kam der Knoten. Es war ein furchtbares Gefühl. Es fühlte sich entsetzlich endgültig an, als sei eine Zellentür zugefallen, hinter der sie alleine in der Dunkelheit zurückblieb. Sie versuchte ein weiteres Mal, sich aus Brittas Griff zu winden. Dabei verlor sie den Halt und rutschte mit einem schrillen Aufschrei vom Sofa auf den Boden. Cathi spürte ihre Hilflosigkeit, als sie den Teppich näher kommen sag und ihre reflexartige Bewegung von den Seilen an ihren Handgelenken abgefangen wurde, sodass sie mit der Schulter zuerst aufkam und schließlich wieder auf dem Bauch liegen blieb. Britta kniete sich jetzt hinter sie und begann ihre zum Rücken hin angewinkelten Beine zu fesseln. Cathi drehte den Kopf zur Seite um ihre Peinigerin aus dem Augenwinkel ansehen zu können. Sie erblickte Britta, die gerade mit unbewegtem, strengem Gesicht einen Knoten machte. Dann wurde ihr diese Kopfhaltung zu anstrengend und sie starrte wieder auf den Boden direkt vor ihr. Mit einer wilden Kopfbewegung versuchte sie vergeblich ihre langen Haare aus ihrem geröteten Gesicht zu schleudern und legte dann die Stirn auf den Boden.
In diesem Moment klingelte Brittas Handy. Sie stand auf, kramte es aus ihrer Handtasche auf dem Sofa und nahm ab.
„Hallo?“ – „Hi, Bertram!“
Mit dem Telefon am Ohr trat sie zu Cathi und stellte einen Fuß auf deren Rücken. Cathi begann am ganzen Körper zu zittern.
„Ja, das habe ich schon gehört.“
Cathi versuchte sich gegen Brittas Fuß zu stemmen, aber diese erhöhte den Druck nur noch.
„Ja, Cathi kann übrigens doch nicht mitkommen“ – „Dann sind wir wohl ganz allein, falls dir das nichts ausmacht.“ Sie wartete einen Augenblick und lachte dann laut über einen Scherz, den Bertram wohl gerade gemacht hatte.
Das war zuviel. Cathi fühlte ihre Fessel an Händen und Füßen, wie sie daran rieb und zerrte, ohne dass sie nachgaben, sie fühlte Brittas hochhackigen Pump auf ihrem Rücken, sie fühlte, wie sich der Pfennigabsatz in ihren Körper drückte, sie fühlte, wie sich ihre Eingeweide zusammenzogen. Diese Demütigung konnte sie nicht mehr ertragen. Ihre Lippen begannen zu zittern und mit einem Mal brachen die Tränen los. In wilder Verzweiflung versuchte sie erfolglos sich etwas nach oben zu stemmen und schrie mit greller, sich überschlagender Stimme: „Lass mich in Ruhe, du Nutte!“
Britta starrte erschrocken zu ihr hinab und ging zwei Schritte zur Seite.
„Ich ruf gleich zurück!“
Sie drückte auf zwei Knöpfe und warf das Handy auf das Sofa. Cathi blickte sie weinend, mit tränenüberströmtem Gesicht an. Ihr Mund bewegte sich, doch sie fand in ihrer Wut keine Worte mehr. Als Britta sich grinsend zur ihr herunterbeugte, versuchte Cathi nach ihr zu treten und richtete anschließend ihren Oberkörper auf, so dass sie in eine sitzende Haltung kam. Britta betrachtete sie kopfschüttelnd von oben. „Du hast echt nen Knall!“ Pure Verachtung troff aus ihrer Stimme.
Sie ging um Cathi herum um sich ihr von hinten zu nähern. Diese stützte sich gegen das Sofa und richtete sich auf die Knie auf. „Lass mich in Ruhe!“ kreischte sie ein weiteres Mal. Ihr Tonfall lag irgendwo zwischen Hass und Panik. Britta fasste sie an den Haaren und bückte sich etwas. „Jetzt beruhig dich mal wieder!“
Cathi wollte etwas erwidern, doch ihre Antwort erstickte unter ihren Tränen. Britta rollte mit den Augen, packte Cathi an den Schultern und legte sie wieder vor sich auf den Boden. „Oh Gott, du bist echt peinlich, weißt du das? Achtzehn Jahre alt, und du heulst wie`n Baby.“ Kopfschüttelnd setzte sie sich auf das Sofa, ergriff ein Seil und machte sich daran, das vor ihr liegende Mädchen weiter zu fesseln.
Und wieder lag Cathi auf dem Boden, spürte wie sich Seile um ihre Beine schlangen, und sie nichts dagegen tun konnte. Sie war Britta ausgeliefert, vollkommen wehrlos. Sie versuchte nicht mehr, ihre Haare aus dem Gesicht zu schleudern. Sie verbarg sich hinter ihnen, sie wollte ihr Gesicht und ihre Tränen vor Britta verstecken. Cathi wollte nicht weinen, aber sie konnte es nicht verhindern.
Als kurz darauf die Oberschenkel dran waren, wurde sie von Britta an den Schultern gefasst und auf den Rücken gedreht. Cathi versuchte nicht es zu verhindern, sie wusste, dass es sinnlos sein würde.
Nun konnte sie sie direkt ansehen. Britta, so wie sie achtzehn Jahre alt, kurze, rot getönte Haare, die etwa bis zum Hals reichten, wie sie da über ihr saß, die Länge eines Seiles abschätzte und dieses dann um Cathis Beine schlang. Sie sah die feingliedrigen, gut gepflegten Hände des Mädchens, die mit den Schnüren erstaunlich gut umgehen konnten, sah die zierlichen Arme und schließlich das hübsche Gesicht dieses Mädchens, dezent geschminkt und sehr anmutig. Sie trug ihr rotes Trägerkleid, das ein gutes Stück über den Knien endete. Darunter eine leicht schimmernde Strumpfhose, die ihren langen Beinen sehr gut stand.
Cathi ahnte, nein, sie wusste, dass Bertram sie bezaubernd finden würde. Dieser Gedanke erfüllte sie wieder mit Wut, mit einem schrecklichen Gefühl der Hoffnungslosigkeit.
„Was willst du von mir?“ keifte sie plötzlich wieder los, doch ihre Stimme war inzwischen nicht mehr ganz so schrill und laut.
Britta zog eine Augenbraue hoch und antwortete, ohne sich von ihrer Arbeit abzuwenden: „Gar nichts. Ich will mich nur in Ruhe mit Bertram treffen. Kapierst du das denn nicht?“
Cathi drehte den Kopf zur Seite, sagte jedoch nichts.
„Ich habe dir das oft genug gesagt. Ich dräng mich doch auch nicht so einfach auf, wenn du dich mit einem Jungen triffst, oder besser gesagt, treffen würdest. Was du ja nun mal nicht tust. Außerdem hat Bertram mich, und nicht dich gefragt, ob wir ins Kino gehen sollen.“
„Aber ich habe ihn doch gefragt ob ich mitkommen kann und er...“ Cathis wimmerte mehr als dass sie sprach und hatte alle Mühe ihre Tränen zu unterdrücken, die doch gerade erst getrocknet waren.
„Das hat er nur gesagt, weil er dich nicht verletzen wollte und dachte, ich sei damit einverstanden.“
„Aber er war damit einverstanden.“
„Nein war nicht! Er kennt dich doch gar nicht, er sitzt in Physik hinter dir und weiß, dass wir beide uns kennen. Mehr ist nicht!“
Cathi schluchzte. Ihre Augen wurden schon wieder feucht. „Und jetzt hör auf zu flennen, ist es etwa meine Schuld, dass du noch nie einen Freund hattest? Es tut mir ja Leid für dich, aber versuch bitte nicht, mir meine Dates streitig zu machen.
Jedes einzelne Wort Brittas fraß sich direkt und tief in ihre Seele. Cathi wusste, dass sie Recht hatte. Alles was sie gesagt hatte, stimmte.
Und sie wusste, dass es falsch gewesen war, zu versuchen, sich an Bertram heranzumachen, sie konnte nicht einmal sagen, ob sie verliebt in ihn war. Es war ihre Verzweiflung, ihre Sehnsucht, die sie dazu trieb, solche Dinge zu tun. Dinge, von denen sie wusste, dass sie vergeblich sein würden, dass sie sie bereuen würde, die sie aber trotz allem nicht lassen konnte.
Ein Freund, endlich einen Freund. Küssen. Sex. Wie lange sollte es denn noch dauern?

Cathis Gehirn raste und registrierte kaum, dass Britta gerade die angewinkelten Beine mit den Handgelenken verband und sie so in eine gekrümmte Lage zwang.

Ihre Unsicherheit, Schüchternheit. Sie verfluchte sie. Und sie verfluchte die ganzen Sprüche. „Du musst lockerer werden!“ „Trau dich doch mal!“ „Jetzt sprich ihn schon an!“
Sie konnte es nicht, verdammt noch mal, auch wenn alle Welt es tat und alle Welt so Partner kennen lernte und alle Welt es von ihr erwartete. Sie konnte es einfach nicht!

Britta zerrte sie in eine sitzende Position, schlang Seile um ihren Oberkörper. Cathi sah reglos zu, wie die strahlend weißend Stricke oberhalb und unterhalb ihrer Brüste entlang gezogen, festgezurrt wurden, schmerzten.
„Ich wollte das nicht.“ Kaum mehr als ein Wimmern.
Langsam rutschte sie wieder auf den Boden, kam auf dem Bauch zum Liegen, die Haare noch immer vor dem Gesicht.

„Zu spät!“ Pures Eis, kalte Entschlossenheit, kein Mitgefühl.

Mit einem raschen Griff warf Britta die langen Haare beiseite, in einer Hand hielt sie ein zusammengerolltes Tuch mit einem Knoten in der Mitte.

„Diesmal bekommst du eine Lektion erteilt! Mund auf!“

Cathi gehorchte. Sie spürte den Ballen des Knotens in ihrem Mund, wie er auf ihre Zunge drückte, wie das Tuch in ihrem Nacken verknotet wurde.

Britta stand auf, trat einen Schritt zurück. Cathi drehte sich zu Seite blickte zu ihr hoch. Da stand sie in all ihrer Herrlichkeit, die Hände in die Hüften gestemmt, selbstbewusst, stark, überlegen und doch so weiblich. All das, was sie sich erträumte.

„Es tut mir leid, ich muss jetzt los!“ Britta drehte sich um und ging. Sie ging. Mit leerem Blick starrte Cathi auf den Rücken des Mädchens, das sie mal für ihre beste Freundin gehalten hatte.

Es war so, wie es schon so oft gewesen war. Die Angst vor dem Mut, die Angst, den Traum zu verwirklichen.

Im Gehen schaltete Britta das Radio ein.

Die Wut auf die Angst zerfraß sie, weil sie wusste, dass sie sie lähmte. Sie hätte Chancen gehabt, wenn sie etwas gesagt hätte, doch sie hat geschwiegen. Sie hätte Erfolg haben könne, wenn sie getanzt hätte, doch ist stehen geblieben. Sie hätte all dies verhindern können, wenn sie sich gewehrt hätte, doch sie ist regungslos geblieben, hat das mit sich machen lassen, was andere wollten, wie immer. So wie immer. Sie hasste es. Sie hasste sich.

Im Radio lief „Love me tender“ während das leiser werdende Klacken von Brittas Absäten auf dem Flur herüberhallte.

Wie viele Tränen in dir sind weißt du erst, wenn du weinst.

Cahti schrie, so wie es ihr Knebel erlaubte, so schrill, dass die Scheiben klirrten. Doch es war nutzlos, letztlich war es vollkommen nutzlos. Die Nachbarn hörten es, riefen ihre Eltern an. Nach einer Stunde waren sie da und befreiten sie. Aber genutzt hat es nichts.

Cathi sah sie, als sie allein im Bett lag. Sie sah, wie Britta und Bertram sich umarmten und küssten. Und sie wusste: Sie war noch immer gefesselt. Hilflos lag sie am Boden, bewegungslos und still, musste mit ansehen, wie andere taten, was sie nicht konnte, was ihr nicht erlaubt, ihr nicht zugedacht war. Denn sie war gefesselt. Gefesselt und geknebelt in der Freiheit ihrer Einsamkeit.

 

hi suchende,

es ist recht spannend geschrieben. der schluss ist irgendwie nicht so befriedigend, weil man als leser schon angst um das leben der gefesselten hat, aber dann schreit sie durch den knebel, die scheiben klirren, es ist nutzlos, es kommen nachbarn ,befreien sie, sie bleibt aber einsam,

naja, das nutzlos beziehst du sicher auf das eigentliche ende, dass sie einsam bleibt, oder? da wo es steht, ist es ja nicht nutzlos, oder? die nachbarn kommen doch.

aber lesen konnte man es allemal.

gruss kardinal

 

Hallo!

Danke für deine Antwort! Das "nutzlos" bezieht sich tatsächlich auf die Tatsache, dass sie einsam bleibt, halt also eine viel tiefergehende Bedeutung als die (vordergründige) Befreiung von den echten Fesseln.

Grüße,

Suchende

 

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