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Gefangen
Ich wache auf und fühle mich ganz benommen. Langsam öffne ich meine Augen. Wo bin ich hier?
Ich liege auf dem Boden an einer Wand. Vorsichtig setze ich mich auf. Ich befinde mich in einem kleinen, leeren Raum. Gegenüber von mir ist eine Tür. Der Geruch erinnert an den eines modrigen Kellers. Es sind keine Fenster vorhanden, das einzige Licht, das in den Raum fällt, stammt von einer kleinen, flackernden Lampe an der Decke. Wie bin ich hierhergekommen? Ich kann mich an nichts erinnern. Ich verspüre starke Kopfschmerzen und fasse mir an die Schläfe. Sie fühlt sich feucht und klebrig an. Ich sehe mir meine Hand an, es ist Blut dran. Irgendwie muss ich es schaffen hier raus zu kommen, doch die Kopfschmerzen sind so stark, dass mir das Denken schwerfällt. Langsam stehe ich auf. Jede Bewegung schmerzt. Ich beiße die Zähne zusammen um nicht laut aufzuschreien. Schleppend gehe ich zur Tür, doch, wie schon befürchtet, ist sie verschlossen. Ich rüttele mit meiner letzten Kraft daran, doch sie geht nicht auf. Müde sacke ich auf den Boden. Was soll ich jetzt tun? Die Verzweiflung in mir breitet sich aus. Ich habe Angst und mir ist kalt. Mein ganzer Körper ist am Zittern. Das muss ein Albtraum sein, aus dem ich hoffentlich bald erwache. Meine Augen werden immer schwerer und fallen mir langsam zu.
Auf einmal höre ich Schritte über mir und plötzlich bin ich wieder hellwach. Ich stehe auf und schaue mich nochmals in dem Raum um. Hier muss doch irgendwas sein, was ich als Waffe benutzen kann. In dem Licht kann ich nur schwer gucken, doch es scheint sich hier wirklich nichts zu befinden. Ich muss mich daran erinnern, was passiert ist. Ich strenge mich an, doch die Erinnerung kommt nicht zurück. Die Schritte werden immer lauter und es klingt als ob einer eine Treppe hinabsteigt. Er kommt bestimmt gleich hierher. Ich fühle mich viel zu schwach um mich gegen das was jetzt kommen wird zu wehren. Langsam taumele ich rückwärts gegen die Wand, die Augen fest auf die Tür gerichtet. Ich höre, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und umgedreht wird. Mein Herz klopft immer schneller und ich stehe regungslos da. Langsam wird die Tür aufgeschoben und ein großer Mann mit breiten Schultern und einem Messer in der Hand steht in der Tür. Ich überlege, ob ich ihn schon irgendwo gesehen habe, doch ich kann mich nicht erinnern. „Endlich bist du aufgewacht, Lena. Ich habe schon so lange darauf gewartet“, sagt der Mann mit freundlichem Ton. „Wer sind Sie?“, bringe ich stotternd heraus. „Erinnerst du dich etwa nicht an mich? Das ist aber schade. Wir kennen uns doch schon so lange und werden nun den Rest unseres Lebens miteinander verbringen. Davon träume ich schon so lange und jetzt wird mein Traum endlich wahr.“
„Lassen Sie mich hier raus.“ Meine Stimme wird immer leiser und krächzender, ich bringe die Worte nur mit großer Mühe heraus.
„Doch, du kennst mich. Wir sehen uns jeden Tag in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, du steigst immer in der Lindenstraße aus. Ich wusste, schon als ich dich das erste Mal sah, dass wir zusammengehören. Es war im Sommer. Du hattest einen Jeansrock an und dazu die weiße Bluse mit Blumen. Das stand dir wirklich gut. Am nächsten Tag war ich wieder in die gleiche Bahn zur selben Zeit eingestiegen und hatte gehofft, dich dort wieder zu sehen und so war es auch. Seitdem steige ich jeden Morgen in die selbe Bahn. Jetzt, wo ich meinen Job verloren habe, habe ich sogar noch mehr Zeit für dich. Nun kann ich bei deiner Arbeit aussteigen und mit dir mit der Bahn wieder nach Hause fahren. Vom Park aus kann man gut in dein Bürofenster sehen, so war ich immer in deiner Nähe und konnte sehen, was du machst. Doch jetzt musst du nicht mehr ins Büro gehen und Geld verdienen. Jetzt werde ich mich um dich kümmern.“ Er tritt näher an mich heran und streichelt mir über den Kopf. Ich weiche zurück.
Langsam erinnere ich mich daran, ihn schon des Öfteren in der Bahn gesehen zu haben. Plötzlich fällt mir auch wieder ein, dass ich gerade nach der Arbeit aus der Bahn gestiegen war und vor meiner Haustür stand, als mich ein Schlag auf den Kopf traf. Ich musste heute länger arbeiten und es war schon dunkel und die Straßen waren leer. Vermutlich hat es niemand mitbekommen und mir wird keiner zur Hilfe kommen. Der Mann ist verrückt, ich muss es irgendwie schaffen ihn zu überlisten, sonst komme ich hier nicht raus. Ich muss mir mehr Zeit verschaffen. „Mein Kopf tut so weh, könnten Sie mir bitte etwas gegen die Schmerzen und ein Glas Wasser geben?“ „Selbstverständlich, ich hole dir alles, was du brauchst.“ Er verlässt den Raum und schließt die Tür wieder hinter sich zu. Jetzt muss ich einen Weg finden, hier raus zu kommen, doch ich sehe keinen Ausweg. Wieder höre ich, wie er die Treppen runter kommt. Erneut geht die Tür auf und er kommt, mit einem Glas Wasser in der Hand, herein. Er reicht mir das Wasser und eine Tablette. Ich tue so, als würde ich die Tablette schlucken, lasse sie aber unter meiner Zunge verschwinden, da ich nicht weiß, was das für eine Tablette ist und kein Risiko eingehen möchte. Ich merke erst, wie durstig ich war, als das Wasser langsam meine Kehle hinunter fließt. „Ich muss mal auf die Toilette“, sage ich, nachdem ich das ganze Glas Wasser auf einmal ausgetrunken habe“. Ich hoffe, dass er mich so mit nach oben nimmt und ich hier raus komme. Er überlegt kurz, dann sagt er: „Ich bin gleich wieder da“. Mein Plan ist nicht aufgegangen, doch ich hatte auch keine große Hoffnung in ihn. Dann fällt mir auf, dass er das Glas nicht mit genommen hat. Ich zerschlage es vorsichtig und nehme mir die größte Scherbe als Waffe. Dann verstecke ich mich hinter der Tür und warte darauf, dass er wieder runter kommt. Ich kann mein Herz pochen hören. Ich weiß, dass ich auch mit der Scherbe keine große Chance habe einen Kampf gegen ihn zu gewinnen, denn er ist mir körperlich ziemlich überlegen, doch ich muss es versuchen. Ich höre wieder Schritte und wie er sich der Tür nähert. Ich muss auf den richtigen Moment warten. Panik steigt in mir auf. Langsam wird der Schlüssel im Schloss umgedreht. Die Sekunden kommen mir vor wie Stunden. Jetzt öffnet er die Tür und ich ramme ihm die Scherbe in den Hals. Ich habe ihn nicht sehr schwer verletzt, aber die Überraschung ist ihm ins Gesicht geschrieben, als er den Eimer, den er geholt hat, fallen lässt und sich zu mir umdreht. Sein Gesicht ist wutverzerrt und er packt meinen Arm. Jetzt wird er mich umbringen, denke ich. Doch mein Überlebenswille ist stark. Ich versuche mich loszureißen, aber er ist stärker. Mit seiner anderen Hand hält er sich am Türrahmen fest. Ich verpasse der Tür einen kräftigen Tritt und sie fällt zu. Dabei werden seine Finger geklemmt. Er schreit auf vor Schmerz und lässt mich los. „Du Miststück“, ruft er und versucht mich wieder zu fassen. Doch dieses Mal bin ich schneller. Ich verpasse ihm einen kräftigen Tritt und schaffe es aus der Tür zu rennen. Ich laufe die Treppe hoch, er dicht hinter mir. „Hilfe!“, rufe ich dabei immer wieder. Auf der letzten Stufe stolpere ich und er schafft es wieder mich zu greifen. Plötzlich klingelt es an der Tür. Noch lauter als zu vor rufe ich um Hilfe. „Verflucht“, sagt er und schubst mich die Kellertreppe runter. Ich kann mich nicht halten und falle Stufe für Stufe immer weiter hinab. Mein Kopf blutet wieder, als ich unten angekommen bin. Ich höre noch, wie er die Tür öffnet und mit jemandem redet, dann wird mir schwarz vor Augen. Als ich die Augen wieder öffne, bin ich wieder alleine im Keller eingesperrt. Ich weiß nicht, wie viel Zeit seitdem vergangen ist, es kommt wie vor eine Ewigkeit. Es ist alles ganz still im Haus, ich höre nur mein eigenes Herz schlagen. Plötzlich durchbricht ein lautes Gebrüll die Stille. „Polizei! Machen Sie die Tür auf“. Ich verspüre ein Gefühl der Hoffnung und Erleichterung. Daraufhin folgen schnelle Schritte nach unten in den Keller und er steht wieder im Raum. Dieses Mal hält er eine Pistole in der Hand. „Die wollen uns auseinander bringen, doch das werden sie nicht schaffen. Wir bleiben für immer zusammen“, sagt er und richtet langsam die Pistole auf meinen Kopf. „Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde dir gleich folgen. Niemand wird uns je wieder trennen.“ Dann höre ich einen lauten Knall und schließe meine Augen. Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich ihn am Boden liegen, aus seinem Kopf fließt Blut und bildet eine Lache. Ein Polizist nimmt meinen Arm und führt mich nach draußen. Wie benommen folge ich ihm.