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Gefangen
Es ist soweit. Ich habe gehört, was sie manchmal mit Gefangenen machen. Nur gehört, aber trotzdem glaube ich daran. Wer könnte sich schon solche Gerüchte ausdenken?
Meine Einheit wurde ein paar Kilometer westlich der Stadt bereits bei ihrem ersten Feindkontakt zerschlagen. In wilder Flucht retteten sich jene, die dem mörderischen Sturmangriff entgangen waren, in die verlassene Ortschaft.
Brandgeruch überall.
Ich wollte nicht kämpfen. Nie. Sie zwangen mich. Ich will nicht sterben. Ich wollte nie kämpfen.
Man treibt uns zusammen. Immer wieder Schläge mit den Gewehrkolben. Einer ist verwundet. Kugel im Bein, kann nicht laufen. Den haben sie erschossen.
Wir sind gut ein Dutzend, verängstigte, abgerissene Gestalten. Die Anderen sind zu fünft. Stolze, siegreiche Soldaten.
Einer ist dabei, der macht mir besonders Angst. Sein Bajonett hat er schon aufgesetzt, und ich spürte Kälte in seinem Blick.
Es können nicht nur Gerüchte sein. Ich habe gehört, was sie mit Gefangenen machen, immer wieder erzählte man es uns. Ich möchte nach Hause.
Der mit dem kalten Blick mustert mich. Ich spürte Hass und Verachtung. Kälteschauer auf meinem Rücken. Der hat was vor.
Da kommen drei andere. Sie rufen zu unseren Bewachern herüber. Jetzt reden sie miteinander. Einer von denen hat einen Fotoapparat.
Was passiert nur mit uns?
Da bietet man uns plötzlich Zigaretten an. Uns, den Gefangenen. Vielleicht sind es doch nur Gerüchte? Mit zitternder Hand greife ich zu, als mir der mit dem kalten Blick seine Schachtel hinhält.
Der Mann mit dem Fotoapparat schießt ein paar Bilder. Ein paar lächeln. Aber nicht viele.
Ein tiefer Zug beruhigt die flatternden Nerven. Wenn sie uns schon Zigaretten anbieten?
Nur ein Gerücht, dummes Geschwätz, hoffentlich, wahrscheinlich.
Da verabschieden sich die mit dem Fotoapparat schon wieder. Irgendetwas stimmt nicht. Die Angst ist wieder da. Als die drei hinter der nächsten Ecke verschwinden, peitschen Schüsse durch die verlassenen Straßen.