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Gefangen

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06.02.2002
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Gefangen

Es ist soweit. Ich habe gehört, was sie manchmal mit Gefangenen machen. Nur gehört, aber trotzdem glaube ich daran. Wer könnte sich schon solche Gerüchte ausdenken?
Meine Einheit wurde ein paar Kilometer westlich der Stadt bereits bei ihrem ersten Feindkontakt zerschlagen. In wilder Flucht retteten sich jene, die dem mörderischen Sturmangriff entgangen waren, in die verlassene Ortschaft.
Brandgeruch überall.
Ich wollte nicht kämpfen. Nie. Sie zwangen mich. Ich will nicht sterben. Ich wollte nie kämpfen.
Man treibt uns zusammen. Immer wieder Schläge mit den Gewehrkolben. Einer ist verwundet. Kugel im Bein, kann nicht laufen. Den haben sie erschossen.
Wir sind gut ein Dutzend, verängstigte, abgerissene Gestalten. Die Anderen sind zu fünft. Stolze, siegreiche Soldaten.
Einer ist dabei, der macht mir besonders Angst. Sein Bajonett hat er schon aufgesetzt, und ich spürte Kälte in seinem Blick.
Es können nicht nur Gerüchte sein. Ich habe gehört, was sie mit Gefangenen machen, immer wieder erzählte man es uns. Ich möchte nach Hause.
Der mit dem kalten Blick mustert mich. Ich spürte Hass und Verachtung. Kälteschauer auf meinem Rücken. Der hat was vor.
Da kommen drei andere. Sie rufen zu unseren Bewachern herüber. Jetzt reden sie miteinander. Einer von denen hat einen Fotoapparat.
Was passiert nur mit uns?
Da bietet man uns plötzlich Zigaretten an. Uns, den Gefangenen. Vielleicht sind es doch nur Gerüchte? Mit zitternder Hand greife ich zu, als mir der mit dem kalten Blick seine Schachtel hinhält.
Der Mann mit dem Fotoapparat schießt ein paar Bilder. Ein paar lächeln. Aber nicht viele.
Ein tiefer Zug beruhigt die flatternden Nerven. Wenn sie uns schon Zigaretten anbieten?
Nur ein Gerücht, dummes Geschwätz, hoffentlich, wahrscheinlich.
Da verabschieden sich die mit dem Fotoapparat schon wieder. Irgendetwas stimmt nicht. Die Angst ist wieder da. Als die drei hinter der nächsten Ecke verschwinden, peitschen Schüsse durch die verlassenen Straßen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Paranova, du neuer Gegenstern ;)

Schnell, kurz, heftig.

Gefällt mir, insbesondere das "überlastete" Denken des Propagandisten kommt gut rüber, seine Gedankensprünge, wie er über dies und jenes nachdenkt und die Situation wahrnimmt.

Das Motiv würde zum "Media Res" Challenge passen.

Inhaltlich stört mich die Passage "Man treibt uns zusammen...." bis "Den haben sie erschossen.", ab dort erwarte ich bereits die Hinrichtung der Gehfangengen.

Deswegen überraschte mich das Ende nicht, (muss ja auch nicht sein) aber dadurch wurde verhindert, das ich bei der Passsage mit den Zigaretten "mithoffte". Die Frage nach "Gerücht oder nicht" wird damit m.E. nach zu früh beantwortet und nimmt etwas die Spannung.

Der letzte Satz ist IMHO misslungen und sprachlich auch falsch, sorry :D . Das mit den „um die drei herum“ ist kaum beim ersten Lesen zu verstehen und somit kommt das Ende "auf Raten". Vielleicht findest du hier eine andere Formulierung, die etwas einfacher ist?

Die Story an sich finde ich packend, das Zusammenspiel von Sprache, Tempo und Inhalt ist dir sehr gut gelungen.

Liebe Grüße,

Thomas

 

Hallo Thomas,
vielen Dank für deine aufschlussreiche Kritik!
Der Schlusssatz ist geändert worden, denn hierbei handelte es sich ganz einfach nur um einen Fehler, den ich überlesen habe. Sorry dafür.
Was ist ein IMHO, und warum "Gegenstern"?
Erbitte Aufklärung,
...para

 

hallo!
ich fand deine geschichte sehr packend, ist dir wirklich gut gelungen! mehr kann man dazu eigentlich auch gar nicht sagen:)
mfg onida

 

hei paranova, hab einfach mal aus deiner Geschichtenpalette gewählt und diese hier erwischt. Es ist ein Auszug aus einem Leben. Und absolut gut kommt die Angst des Gefangenen vorm Sterben und deren Hilflosigkeit rüber. Es ist egal, ob es sich um Deutsche oder Russen handelt, hatte allerdings diese Bilder im Kopf. Sie ist knapp und trifft fast mit jedem Satz.

Gut!

(Nach Rechtschreibfehler brauchst mich eh nicht fragen!)

Liebe grüsse Stefan

 

Ich freue mich über deine Kritik, Archetyp.
Beim Schreiben habe ich an ein Foto gedacht, welches irgendwo in Nanking, Shanghai oder Peking aufgenommen wurde.
Es zeigte, aus Propagandazwecken, fröhliche japanische Soldaten mit chinesischen Kriegsgefangenen beim Rauchen - und stand im krassen Widerspruch mit den Greueltaten, welche die Söhne der Sonne in den späten 30ern in China verübten.
Aber ich habe es mit Absicht allgemein gehalten.
Wünsche einen schönen Abend,
...para

 

Hallo
Deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Du schaffst es die Gefühle sehr gut darzustellen. Auch die Länge der Geschichte finde ich sehr gut.
mfg zut

 

Es geht nicht unbedingt zusammen.
Richtig, bin auch nicht unbedingt zufrieden damit, mal überlegen was man da machen kann.
...para

 

Hallo Paranova,
habe mit Begeisterung Deine Geschichte gelesen. Ja, ich konnte mir das so richtig gut vorstellen.
Hier ein paar Anmerkungen:

Brandgeruch überall. -> Den Brandgeruch würde ich näher beschreiben. War er stechend? Hatte er Kopfschmerzen? Nach was roch es denn genau? Nach Leichen? Nach Tod? Nach Verwesung?

Kugel im Bein, kann nicht laufen. Den haben sie erschossen. -> Diese zwei Sätze kommen sehr abgehackt rüber und sind zu dem noch nicht einmal grammatikalisch richtig. Wie wäre es mit: Der Kamerad, der hinter mir ging, haben sie erschossen. Mit einer Kugel im Bein war er ihnen nicht schnell genug. Seine Todesschreie habe ich bis heute im Kopf.
Sein Bajonett hat er schon aufgesetzt, -> hatte müsste es heißen.

Was mir besonders gut gefiel:
Sein Bajonett hat er schon aufgesetzt, und ich spürte Kälte in seinem Blick. -> kann ich mir richtig gut vorstellen.
Ich möchte nach Hause. -> hat mich berührt
Der hat was vor. -> Das sah ich dann genauso. Ab dieser Stelle würde ich sagen, ist die Spannung zum zerreißen.

Was mir allerdings weniger gefallen hatte, war der Schluss. Da hätte ich mehr erwartet. Irgendetwas tragisches oder aber etwas, was man nicht erwartet hätte. Schön wäre es gewesen, wenn du den Leser auf eine falsche Fährte gelockt hättest, denn das dachte ich dann zum Schluss, als die Zigaretten ins Spiel kamen. Vielleicht solltest Du meine neue KG durchlesen -> (K)eine Chance. Dann weißt du vielleicht was ich meine. Aber ansonsten eine super Geschichte.

Gruß
Herbert

 

Hallo Herbert,
ich bin dir dankbar für deine sehr brauchbare Kritik, halte selbst die Geschichte für recht überbewertet.
Im Moment ist es recht stressig, werde mir aber demnächst die Zeit nehmen deine guten Anmerkungen umzusetzen.
Zum Ende:
Die Zigaretten sind halt ein retardierendes Element, da haben wir wohl zwei unterschiedliche allgemeine Erwartungshaltungen.
Die Geschichte sollte kein Happy End haben, sondern ein Art fatalistischen Schluss. Denke trotzdem noch mal drüber nach.

Vielleicht solltest Du meine neue KG durchlesen -> (K)eine Chance. Dann weißt du vielleicht was ich meine. Aber ansonsten eine super Geschichte.
Ja, jetzt weiß ich, was du meintest.
Unglücklich finde ich nur das "ließ vielleicht mal deine Geschichte - deine ist ansonsten super", das könnte, ob gewollt oder nicht, von bösen Zungen als berechnend hingestellt werden.

...para

 

Hallo Paranova,
schön, dass wir größtensteils einer Meinung sind. Allerdings hatte ich nie gesagt, dass Deine Geschichte ein Happy End haben sollte, nein viel eher finde ich Geschichten ohne Happy End gefühlvoller und bevorzuge sie.

Ich wollte auch niemals Werbung für meine neue Geschichte machen - selbst wenn Du es nur angedeutet hast oder selber nicht wirklich daran glaubst, aber immerhin hast du es ja erwähnt.Ich habe eben Deine Geschichte gelesen und da hatte ich mir überlegt, wie ich die Geschichte geschrieben hätte und darum ist mir eben meine KG eingefallen.

Ich habe 1 Stunde nachdem ich sie las, über sie nachgedacht, was die Qualität der Geschichte meiner Meinung nach auch bestätigt.
Bin schon auf die nächste von Dir gespannt.

Gruß Herbert

 

Eine beeindruckende, kurze Story.

Sehr real, wo spielt das? In irgendeiner Diktatur? Nordkorea oder so?

Was mMn nicht so gelungen ist:

Der Schluss: Der Protagonist wird doch auch erschossen oder?


Vielleicht so:

Da verabschieden sich die mit dem Fotoapparat schon wieder. Irgendetwas stimmt nicht. Die Angst ist wieder da. Als die drei hinter der nächsten Ecke verschwinden, kehrt die Kälte auf das Gesicht unserer Bewacher zurück, sie nehmen ihre Gewehre von den Schultern. Laden sie.

Dann kannst du einen "Erzählerwechsel machen.

Der Kameramann hörte Schüsse durch die verlassenen Straßen peitschen, es war ihm egal, er hatte sein Bild.

********

Irgendsowas...denn ich dachte erst die drei Journalisten wurden erschossen...

 

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