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Gefangen im Geist

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15.02.2013
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Gefangen im Geist

Der rote Himmel erhellt ununterbrochen die unbeschreiblich konfusen Landschaften, die er bedeckt. Ich setze mich auf den Hügel aus blauen Sand, der mir in der langen Zeit, in der ich schon hier bin, als neues zu Hause dient. Von hier oben kann ich sie sehen, die wundersamen Wesen, die sich auf einer Art und Weise fortbewegen, die nur ohne die physikalischen Gesetze die ich kenne möglich ist. Tag für Tag fliegen, schlängeln oder springen sie umher und reden in einer Sprache, die ich nicht kenne. Vor einigen Monaten, wenn nicht Jahren, wollte ich sie verstehen lernen, diese Sprache. Doch scheine ich für keinen hier zu existieren, sodass sie mir niemand hätte beibringen können.
Also bleibe ich dabei, einsam zu sein. Die Hoffnung auf einen Gleichgesinnten, der hier ebenfalls gefangen ist, habe ich bereits aufgegeben. Zu groß ist die Enttäuschung, die ich jeden Tag erfahren müsste.
Weit entfernt von meinem Hügel höre ich ein Plätschern, ich kann aber nicht erkennen, was dieses Geräusch verursacht. Wasser habe ich schon lange keines mehr gesehen. Flüssigkeiten lösen sich sofort auf, wenn ich in ihre Nähe komme. So schütze ich meinen Sandhügel genau so, wie er mich vor der unheimlichen Welt außerhalb schützt. Innen habe ich mir einen Hohlraum gegraben und einen leuchtenden Stein als Stuhl reingesetzt. Mehr besitze ich in dieser Welt nicht.Am Anfang konnte ich in der Nacht nicht schlafen, aus Angst, dem Hügel könnten wieder die Gesetze der Schwerkraft einfallen und somit den Sand an der Decke auf mich schütten. Mittlerweile sehe ich aber ein, dass all die mir aus meinem Universum bekannten Regeln und Gesetze hier nicht gelten: Dieser Ort kennt keine Physik. Keine Chemie. Keine Mathematik. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Mir scheint es, als ob es hier eine zusätzliche Dimension gäbe, welche mein Körper mit keinem der Sinne, die er besitzt, begreifen kann. Dieses Universum baut nicht auf Logik und Wissenschaft, was für mich so qualvoll ist, dass ich schon mehrmals versucht habe, mir das Leben zu nehmen. Denn beschäftigen kann ich mich nicht: Bücher verändern während dem Lesen ihren Inhalt und aus Instrumenten erklingen keine Töne, sondern lösen Sandstürme aus oder flüchten mit Hilfe ihrer Beine, bevor ich sie erreichen kann. So wollte ich mich also von dieser Qual erlösen und des Teufels boshaften Pläne für mich durchkreuzen. Ich stahl ein Messer von einem der Wesen hier und stach es mir noch in dessen Höhle in mein Herz. Der Schmerz war stark, doch anstatt noch an Ort und Stelle zu verenden, sah ich in einer Art Traum einen Bus, der mich überfuhr. Ich schrie und wachte aus dem Traum auf und schrie weiter. So laut, dass mich alle Wesen für einen kurzen Augenblick anstarrten, aber dann wieder meine Existenz ignorierten. Meine Wunde war wieder geschlossen, das Messer schwebte zurück an seinen seinen Platz. Alles Blut an meinem Körper verwandelte sich in Luft, ehe ich es richtig sehen konnte. Den Tod scheint man hier nicht zu kennn. Somit bin ich für die Ewigkeit hier gefangen, verdammt zur Einsamkeit. Doch mein Suizidversuch geht mir nicht mehr aus dem Kopf: Hier her gekommen bin ich durch einen lauten Schrei. Es war meine Stimme. Das ist das letzte, an das ich mich erinnern kann. Und genau dieser Schrei war es, den ich in meinem Traum hörte. Liegen hier vielleicht die Antworten auf meine Fragen? Ich weiß es nicht. Fest steht, dass ich mir nichts sehnlicher wünsche, als zurückzukehren in meine Welt. In die Gesellschaft, die ich gewohnt bin. In die Dimensionen die ich kenne. Doch ich fürchte, ich bin hier gefangen.

Für immer.

In unserem Universum

"Er hat keinen Puls mehr!" , stellt eine Krankenschwester mit nervöser Stimmte fest.
Schreiend vor Trauer und Angst packt eine Mutter ihren Sohn an seinen kalt gewordenen Händen.
Sie bat die Ärtzt um Hilfe, aber bekam nichts zurück
Doch der Junge war bereits tot.

Die Frau umklammert die Hände ihres Sohnes noch stärker. Weinend schaut sie ihm ins leblose, gefühlsleere Gesicht. All die Hoffnungen, die sie sich nach dem Busunglück ihres Sohnes gemacht hat. All die Gebete, die sie in den Monaten, in denen dieser im Koma lag gesprochen hat. Nichts konnte seinen Tod verhindern.

Doch wüsste sie von den schrecklichen Dingen, die ihrem Sohn in seinem Kopf widerfahren sind, könnte ihr jemand berichten, wie einsam und traurig das Leben für ihn gewesen ist...Ginge es ihr dann nicht besser?

 

Das hier ist meine erste zu Ende verfasste Kurzgeschichte überhaupt (Die ich nicht direkt verbrennen würde :D) Habe sie veröffentlicht, da ich gerne meinen schreibstil ein wenig verbessern würde. Wie kann ich gerade den Anfang besser schreiben? (Er gefällt mir nicht wirklich, aber irgendwie muss man ja einsteigen) Und ist dieser aller letzte Satz wirklich von Nöten? Solche Dinge würde ich gerne von euch erfahren :) Danke für alle Hilfe !

Viele Grüße
Danglo

 

Hallo Danglo,

dein Text geht gerade noch als Kurzgeschichte durch, weil es am Ende eine Szene mit etwas Handlung gibt. Ansonsten wäre es ein Essay, und dafür gibt es andere Plattformen.

Du fragst, wie du den Anfang dieses Textes verbessern kannst, sodass er eher nach Geschichte aussieht. Zunächst: Dieses "Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst..." (usw.) ist keine Philosophie, wenn es als reines Wortspiel stehen bleibt. Philosophie bedeutet, den Dingen auf den Grund zu gehen und sie bis zum Ende durchzudenken. ;)

Ganz allgemein gibt es ein Grundrezept für Geschichten, das immer funktioniert: Gib einer interessanten Figur ein Problem und zeige, wie sie damit zurechtkommt, was sie tut. Wenn du eine gut gezeichnete Figur und eine spannende Handlung hast, kommt auch eine gute Geschichte dabei raus.

In dieser bekomme ich den Protagonisten nicht so recht zu fassen: Was ist das für ein Universum, aus dem er angeblich stammt und welche Ordnung hat er jetzt verlassen? Welche Fragen (die ja bloß Gedankenformen sind) können so schlimm sein, dass sie das Leben unerträglich machen? Das ist reichlich abstrakt. Du kannst diese Geschichte hier viel besser machen, in dem du uns jemanden zeigst, der solchen Gedanken nachhängt und sie für höchst bedeutend hält, vielleicht während er an der Bushaltestelle steht oder von seiner Freundin ausgeschimpft wird, weil er wieder vergessen hat, Joghurt zu kaufen. Und was passiert da, dass er um sein Leben kämpfen muss und stirbt? Hat er in seiner Versunkenheit in metaphysische Probleme ein herbeirasendes Auto übersehen?

Damit ich als Leser mehr mit diesem Text anfangen kann, musst du als Autor mehr erzählen. Sowohl über die Ereignisse in der äußeren Welt als auch über die Gedanken in der inneren Welt des Protagonisten. Wenn dazu noch gute Dialoge kommen oder überraschende Wendungen oder ein spannendes Element, bist du auf dem Weg zu einer guten Geschichte.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Servus Danglo,

ich sag' dir ganz ehrlich, es war dein beinahe flehentlicher Hilferuf (nachdem dein Text drei Tage lang unkommentiert blieb), der mich die Geschichte noch einmal lesen ließ. Wobei noch einmal nicht stimmt, weil ich sie vorgestern zwar angefangen, aber nicht fertig gelesen habe.
Warum habe ich sie nicht fertig gelesen? Weil ich schon nach wenigen Zeilen das Gefühl hatte, das sei weitgehend sinnfreies Geschwurbel.

Das ist es aber ganz und gar nicht, allerdings erkannte ich das erst heute in den letzten Zeilen, will sagen, eigentlich muss man deine Geschichte mehrmals lesen, bzw. sie von hinten zu lesen beginnen, damit man sie versteht. Ganz schlechte Strategie von dir als Autor, sag ich mal, weil es möglicherweise vielen Lesern so geht wie mir und die nach wenigen Sätzen den Hut draufhauen. Und obendrein hast du dir die falsche Rubrik ausgesucht, scheint mir.
Nachdem ich nämlich verstanden hatte, in welch furchtbarem Paralleluniversum dein Icherzähler festhängt, scheint mir die Horrorabteilung durchaus angemessen. Das meine ich ganz im Ernst, weil, sich auszumalen, ob und womöglich was da so abgeht im Gehirn, im Bewusstsein(?) eines Komapatienten, hat schon was gewaltig Beklemmendes, da kann ich eigentlich gar nicht darüber nachdenken, ohne dass es mir die Nackenhaare sträubt …
Und natürlich könnte ich mir jetzt den Kopf zerbrechen und mich fragen, was ist philosophisch betrachtet spannender, als dieses Draußensein aus der wirklichen Welt, dieses Abgeschnittensein von äußerlichen Reizen, dieses Reduziertsein auf unkontrollierbares Flackern chemoelektrischer Impulse und was ist denn überhaupt wirklich und natürlich kommt mir Platons Höhlengleichnis in den Sinn usw., aber eigentlich will ich mir darüber gar nicht den Kopf zerbrechen. Und überdies willst du ja wissen, wie du die Geschichte verbessern kannst …

Wie kann ich gerade den Anfang besser schreiben? (Er gefällt mir nicht wirklich, aber irgendwie muss man ja einsteigen) Und ist dieser aller letzte Satz wirklich von Nöten?

Berg hat dir ja schon viel Konstruktives zum Geschichtenschreiben an sich gesagt, und ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, was ich dir speziell zu diesem Text noch raten könnte. Für mein Gefühl gehört der irgendwie komplett umstrukturiert. Keine Ahnung wie das gehen sollte, aber ich glaube, es steht sich allemal dafür, da noch ein bisschen Arbeit reinzustecken, weil, verdammt noch mal, schreiben und offenbar auch denken kannst du wirklich. Sollten deine Angaben im Profil stimmen, und du tatsächlich erst fünfzehn sein, muss ich sagen: Respekt!
Sprachlich bist du ungemein sicher und deine Rechtschreibung ist nahezu perfekt, verglichen mit anderen Debüttexten hier im Forum (ja, und auch so manchen Texten von Routiniers) wäre alleine das schon Grund genug, eine Kerze anzuzünden, oder, wie in meinem Fall, sich ein Bier aufzumachen.
Also, Danglo, lass diese Geschichte einfach mal als Erstling so stehen, oder, noch besser, warte auf eventuelle Vorschläge von anderen, die dir vielleicht noch das eine oder andere raten können.
Ich auf jeden Fall wünsche mir noch weitere Geschichten von dir.

offshore

 

Hallo Danglo

Eigentlich hat mich jetzt der Kommentar von offshore reingezogen, diesen Beitrag doch zu lesen, nachdem ich mich nach den Fischstäbchen vor drei Nächten davon verabschiedet hatte. Im Prinzip geht es mir wie meinen beiden Vorrednern, ich kann es nicht als Geschichte fassen, auch wenn sich der Gehalt in den letzten Zeilen entschlüsselt.

Der Gedanke an und für sich, die Welt eines komatösen Patienten aufzurollen, hat schon seinen Reiz. Ich erinnere mich an zumindest eine Geschichte hier, es war in der Rubrik Horror oder Krimi, die dies auch tat. Solches erweist sich allerdings als schwierig, da es einen direkten Bezug zum vorgehenden Leben des Prot. aufweisen muss, das jedoch nur bruchstückhaft und verzerrt durchzuschimmern vermag. Als Ganzes muss es sich dann aber zu einer kompakten Handlung fügen und durchgehend Spannung erzeugen.
Um die Idee aus dem abgehobenen Raum als Geschichte aufzufangen, solltest du, wie Berg es angemerkt hat, der Figur eine konkrete Grundlage schaffen. Wieweit sie sich in ihrem Zustand daraus abhebt, muss sich daraus dann selbst ergeben. So wie es jetzt steht, ist es schlicht erzwungene Fantasie des Autors, es fehlt darin an Homogenität. Wieweit es sich zu Beginn als Unfall klären muss, bleibt dahingestellt, es kann auch offen sein, aber die Indizien müssten dem Leser am Ende wie Schuppen von den Augen fallen. Dass man sie von hinten zu lesen beginnen [sollte], damit man sie versteht, wie es offshore schrieb, dachte ich auch einen Moment. Doch dann würdest du ein wesentliches Moment vergeben. Wesentlicher Überarbeitungsteil wären da schon die Absätze, bevor der Arzt spricht.

Ich denke es würde sich durchaus lohnen, nochmals in die Geschichte hineinzuknien und sie zu überarbeiten. Löse dich dabei erst mal vom Gedanken Philosophie, sie unter dieses Vorzeichen zu stellen, dürfte echt schwierig sein. Lass sie wachsen und entwickeln, und entscheide dich erst dann, in welche Rubrik sie eigentlich passt. Gut dargestellt wäre sie aber vom Thema her sicher interessant.

Bin gespannt, was du allenfalls noch daraus machst.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Anakreon schrieb:
Löse dich dabei erst mal vom Gedanken Philosophie, sie unter dieses Vorzeichen zu stellen, dürfte echt schwierig sein. Lass sie wachsen und entwickeln, und entscheide dich erst dann, in welche Rubrik sie eigentlich passt.

Obendrein scheint mir die Abt. Philosophie eher eine Nischenrubrik zu sein, so eine Art Minderheitenprogramm, an dem ein Großteil der Leserschaft achtlos vorüberzieht. Stünde die Geschichte in Alltag oder gar in Horror, hätte sie sicherlich mehr Leser und möglicherweise bekämest du dadurch auch mehr Feedback und Anregungen.

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke für die jetzt doch reichlichen Anmerkungen. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich aber noch schnell sagen, dass ich mit diesem Text nichts philosophisches schreiben wollte, sondern ich schlicht und ergreifend keine Idee hatte, in welche Rubrik das jetzt passen könnte. Der Text ist schon einige Monate alt und ich habe ihn nicht extra für diese Rubrik verfasst. Aber das könnt ihr natürlich nicht wissen.

Anakreon schrieb:
Löse dich dabei erst mal vom Gedanken Philosophie, sie unter dieses Vorzeichen zu stellen, dürfte echt schwierig sein. Lass sie wachsen und entwickeln, und entscheide dich erst dann, in welche Rubrik sie eigentlich passt.
"Alltag" ist das ja nicht wirklich (zum Glück,das wäre ja auch schrecklich) und als 15 Jähriger (was ich wirklich bin offshore :D) habe ich eine ganz andere Vorstellung von Horror. Wobei ich das mit dieser Argumentation durchaus für eine Möglichkeit halte.
Soweit dazu.

Der Anfang ist wirklich schlecht: Ist mir bewusst. Ich habe beim reinstellen ins Forum sogar noch einen Anderen gehabt, der mir aber fast noch idiotischer vorkam. Es sollte irgendwas sein, was ein gewisses Durcheinander vermitteln sollte - Gut, das ist eine Sackgase. Hier ist wohl das größte Problem noch gewesen, dass ich mir die falsche Kategorie ausgesucht habe. In den ersten Sätzen sollte absolut nichts philosophisches stehen :D

Berg schrieb:
"Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst..." (usw.) ist keine Philosophie
Mit dem Original-Anfang wäre die Verwirrung vielleicht nicht aufgetreten.

Ansonsten Berg kann ich absolut nachvollziehen was du mir da sagst, bloß ist hier die "Überaschung", dass es sich um einen Komapatienten handelt, es also gar keine "Außenwelt" in der Form gibt und es sich eben nicht um einen interessanten Gedankengang eines Menschen handelt, der an einer Bushaltestelle steht. Dazu ist glaube ich der wesentliche Teil der Geschichte bei dir nicht ganz rüber gekommen.

Berg schrieb:
Und was passiert da, dass er um sein Leben kämpfen muss und stirbt? Hat er in seiner Versunkenheit in metaphysische Probleme ein herbeirasendes Auto übersehen?
Was ich versucht habe mit dem letzten Abschnitt zu vermitteln ist, dass der Protagonist aufgrund eines Unfalls, bei dem er ins Koma fiel, in seinem Kopf gefangen ist "gefangen im Geist", welcher vor der Zeit geschah, die der Leser hier mitbekommt.

Nun zu dir Offshore, der Vorschlag, die Idee hinter der Geschichte beizubehalten, aber in einem besser strukturierten Text darzustellen gefällt mir. Auf den Einfall, sie in die Rubrik Horror zu schicken wäre ich selber mit Sicherheit nicht gekommen, aber deine Erklärung, dass das Gefangensein im Bewusstsein beängstigend ist, erscheint mir schlüssig. Dennoch empfinde ich persönlich die Geschichte noch nicht "hart" genug, um sie als "Horror-Geschichte" zu bezeichnen. Aber Zwischen-Rubriken gibt es ja nicht :D

Also vielen Dank für die vielen Kommentare! Da war der

ernst offshore schrieb:
beinahe flehentlicher Hilferuf
doch keine so blöde Idee. Wobei ich mich trotzdem dafür Entschuldige, mir war das selbst unangenehm, an einem nicht anonymen Ort würde ich das niemals tun.

Viele Grüße
Danglo

(Achja: Soll ich mit der (irgendwann) kommenden Neufassung die alte Ersetzen und den Beitrag editieren, oder einen neuen Thread aufmachen?
Wenn ich sie ersetzen soll, dann müsste wohl ein Moderator so nett sein, und die Geschichte in eine neue Kategorie verschieben. Welche steht aber leider noch in den Sternen :) Was würdet ihr von "Seltsam" halten?)

 

Ich bin gefangen in einer Welt, in der ich nicht sein sollte.

Schön, der Satz. (So fühle ich mich, seit ich 15 war.) Mit dem solltest du die Geschichte auch einleiten, das hat den Sog, den die Ich denke-Sequenz bei weitem nicht hat.

Auch mir fällt's nicht leicht, deinen Text als Geschichte zu begreifen. Ich denke, das liegt daran, dass du die Para-Welt des Protas beschreibst, anstatt ihn etwas erleben zu lassen. Zum Beispiel:

Ich sehe nur ein nicht funktionierendes System, was auf unlogischen Fakten aufbaut. Ich bin wie ein Papier, auf das man einen Punkt malt. Dieser Punkt ist an einer Stelle, die das Papier nicht sehen kann. Dennoch baut alles, was das Papier fühlt, auf diesem Punkt auf. Aber das Papier sieht keine Logik dahinter, denn das kann es nun mal nicht. Manchmal sehe ich Wasserfälle bergauf fließen, oder betätige einen Lichtschalter, der für einen Sandsturm sorgt. Einmal wollte ich ein Buch lesen, welches aber immer und immer wieder seinen Inhalt veränderte. Ich habe schon mehrmals versucht, aus dieser Welt zu entkommen. Es geht nicht. Auch das Leben kann ich mir nicht nehmen. Den Tod scheint es hier nicht zu geben.

Sehr theoretisch - und bei der Papier-Punkt-Sache bin ich ausgestiegen. Den Tod scheint es hier nicht zu geben? Dann lass es den Prota doch versuchen, begib dich und den Leser in die Situation. Erzähle, wie er nach einem absurden Erlebnis zum Messer greift. Erzähle, wie er sich die Pulsadern öffnet. Wie das Blut aus ihm strömt. Und wie es wenige Sekunden danach wieder zurück in die Adern fließt. Denn:
Aber das Papier sieht keine Logik dahinter, denn das kann es nun mal nicht. Manchmal sehe ich Wasserfälle bergauf fließen
..

Des weiteren suggeriert die Tatsache, dass er jemandem berichtet, er hätte einen Ansprechpartner gefunden. Das hat er doch aber nicht. Die Isolation des Protas muss gemauert werden aus den Ziegeln eines Selbstgesprächs, einer Monolog-Möbiusschleife - dann hämmert das Grauen an den Kopf.

Viele Grüße

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Danglo,

Gefangen im Geist.*
Einsortiert in Philosophisches.
Bin gespannt, was mich erwartet.
* Es existiert ein Buch mit ähnlichem Titel, in dem das Schicksal eines Demenz-Patienten geschildert wird.

"Wer denkt, dass er denkt kann nicht denken!"
"Und wenn er doch denkt?"
"Dann denkt er nur zu denken!"
"Sieh mal, ein fliegendes Fischstäbchen!"
Du startest mit einer Art Abzählreim: Ene mene, ming mang …
Kann man tun. Ist aber halt so eine Sache. Dem einen Leser gefällt das (vermutlich die Minderheit), die anderen hingegen fragen sich, „was soll das?“ und stoppen sofort (wahrscheinlich die Mehrheit).
Jede Zeile in separate Anführungszeichen gesetzt. Könnte sich also alternativ um einen philosophische, sinnfreie oder gar betrunkene Konversation handeln.
Das fliegende Fischstäbchen gefällt mir. Vor meinem geistigen Auge schmeißt ein kleines Kind das fettige, überpanierte Kabeljau-Rechteck, an dem noch Reste von Ketchup kleben, quer durchs Esszimmer. Vor allem, um seine schnell erzürnbare Mama zu ärgern.

In der ersten Zeile fehlt ein Komma (nach dem 2-ten denkt)

Ich glaube, ich weiß ganz genau was Sie jetzt denken. Sie sind inspiriert von diesen Sprüchen. Sie fühlen die Muse, die Sie soeben geküsst hat. Ja, so ging es mir auch mal. Mittlerweile gehen mir diese Verse ganz schön auf die Nerven. Immer mehr Leute auf den Straßen rufen sie mir zu, ohne dass ich in ihnen irgendeinen Sinn sehen kann. Manche sind logisch, andere für den 08/15 Homo sapiens unverständlich. Dennoch ist das meine Situation - Ich bin gefangen in einer Welt, in der ich nicht sein sollte.
Du formulierst im Präsens. Das ist eine heikle Erzählzeit. Sie unterstellt zum einen, dass sich die Geschichte im Hier und Jetzt abspielt. Zum anderen tust du so, als ob du mir direkt gegenübersitzt und frontal ins Gesicht sprichst. Das kann gutgehen. Oft führt es jedoch dazu, dass für das Empfinden des Lesers eine zu große Intimität aufgebaut wird, die er schnell verlassen möchte. Deshalb hat sich das literarische Präteritum durchgesetzt, weil es mehr Distanz schafft.

- ging und gehen direkt hintereinander. Würde ich 1x auswechseln.
- 08/15-Homo Sapiens oder 08/15-Homo-Sapiens

Es gab schon bessere Zeiten! Damals, als ich noch zur Schule gehen konnte, hatte ich noch keine Probleme wie diese. Das Universum aus dem ich stamme, baut auf Logik und Wissenschaft. Dieses hier nicht. Es kennt keine Physik. Keine Chemie. Keine Mathematik. Es gibt hier kein Richtig oder Falsch. Es ist eine Welt, mit einer zusätzlichen vierten Dimension. Doch ich kann diese nicht wahrnehmen. Ich sehe nur ein nicht funktionierendes System, was auf unlogischen Fakten aufbaut.
Hier solltest du den Stakkato der simplen Verben (gab, konnte, hatte) durch intelligentere Zeitworte ersetzen.
- … baut aufauf bzw. gründet auf
- gab und gibt
- … Welt (kein Komma) mit
- was = welches
- zum 2-ten Mal aufbaut.
Verständnisfrage: welches Universum verfügt nicht über die vierte Dimension: das, aus welchem der Erzähler stammt oder das, in dem er sich jetzt befindet? Das wird aus der von dir gewählten Satzkonstruktion mMn nicht ersichtlich.

Ich bin wie ein Papier, auf das man einen Punkt malt. Dieser Punkt ist an einer Stelle, die das Papier nicht sehen kann. Dennoch baut alles, was das Papier fühlt, auf diesem Punkt auf. Aber das Papier sieht keine Logik dahinter, denn das kann es nun mal nicht. Manchmal sehe ich Wasserfälle bergauf fließen, oder betätige einen Lichtschalter, der für einen Sandsturm sorgt. Einmal wollte ich ein Buch lesen, welches aber immer und immer wieder seinen Inhalt veränderte. Ich habe schon mehrmals versucht, aus dieser Welt zu entkommen. Es geht nicht.
- .. ist an einer Stelle = befindet sich an …
- … es geht nicht = es funktioniert nicht

Auch das Leben kann ich mir nicht nehmen. Den Tod scheint es hier nicht zu geben. Alles hält ewig, es sei denn, die vierte Dimension entscheidet das Gegenteil. Ich gehe jeden Tag auf den Markt und höre mir die Sprüche an, die die Wesen hier rufen, in der Hoffnung, jemanden zu treffen, der auch in dieser Welt gelandet ist. Doch bis jetzt scheine ich der Einzige hier zu sein. Ganz allein.
- … entscheidet sich für das Gegenteil (wobei auch diese Alternative holprig klingt)
- .., der auch = …, der ebenfalls (gelandet evtl in gestrandet auswechseln)

Sie können natürlich nicht nachvollziehen, was ich empfinde. Ich selber kann es ja auch nicht. Vielleicht interessiert es Sie ja, was genau geschah. Ich kann mich an einen sonnigen Tag erinnern. Wie immer verabschiedete ich mich von meiner Mutter, winkte meinem Nachbar freundlich zu und machte mich mit meinem ziemlich alten Fahrrad auf den Weg zur Schule. Doch ich kam nie dort an.
- 2x ja (ist ein reines Füllwort)
- Nachbarn (weshalb meinem? Er ist doch auch der Nachbar der Mutter; deshalb: unserem)
- ziemlich kann weg
Mit dem Imperfekt tue ich mich schwer. M.E. müsstest du hier im Perfekt schreiben

Irgendwas geschah, ich weiß nicht was. Ich schätze, dass mich dieses Ereignis in ein Paralleluniversum brachte. In eine andere Dimension. Doch da ich nicht weiß, wie ich hier her gekommen bin, kenne ich auch nicht den Rückweg.
- Irgendetwas geschah mit mir (Semikolon oder Punkt). Ich weiß bloß nicht mehr, worum genau es sich handelte.
(wenngleich irgendwas ohnehin kein schönes Wort ist. Hört sich so an, als ob der Autor nicht weiß, worüber er schreibt)
- brachte = verfrachtete
- hierher (zusammengeschrieben)

Nichts wünsche ich mir mehr, als zurückzukehren. In meine Welt. In die Gesellschaft, an die ich gewöhnt bin. In die Dimensionen, die ich kenne. Doch ich fürchte, ich bin hier gefangen.

Für immer.
- 3x in als Satzbeginn

"Er hat keinen Puls mehr!", sagt ein Arzt mit einer nervösen Stimme.

"Helfen Sie ihm!", schreit eine Frau, mit Tränen in den Augen.

"Ich fürchte, es ist zu spät. Er ist tot."
mit nervöser Stimme
.., der die Tränen aus den Augen rinnen/ fließen/ strömen

Die Frau bricht zusammen. All die Hoffnungen, die sie sich nach dem Unfall ihres Sohnes gemacht hat. All die Gebete, die sie in den Monaten, in denen dieser im Koma lag, gesprochen hat. Alles hatte nichts gebracht.
- 3x hat/ hatte
- in denen dieser = in denen er

Aber würde sie wissen, dass der Tod ihren Sohn vor der Welt in seinem eigenen Kopf gerettet hat. Würde ihr jemand sagen, dass ihr Sohn nun frei ist...Wäre es eine Erleichterung?
Der erste Satz haut mMn grammatikalisch nicht hin. Ich versuch’s:

Wie aber würde sich die Frau/ Mutter fühlen, wenn sie wüsste, dass der Tod ihren Sohn von den Albträumen seiner Zwischenwelt endlich erlöst hat?
oder: … den Albträumen, die er in seiner Zwischenwelt erleben musste, endlich erlöst hat?

Würde ihr jemand verraten/ erklären … wäre das eine Erleichterung für sie?

Zwischenfazit Stil: kurze, schnörkellose Sätze. Die Geschichte lässt sich flüssig in einem Rutsch durchgehen. Du verwendest m.E. zu viele simple Verben. Das raubt mir so ein bisschen den Lesespaß. Du sortierst die Geschichte in Philosophisch* ein. Da sollte der Wortschatz etwas (nach oben) angepasst werden.
* ob sie dort tatsächlich hingehört, sei hier mal dahingestellt. M.E. handelt es sich eher um ein religiöses oder medizinisches Thema.

Die Zeitwechsel zw. Präsens, Perfekt u. Präteritum sind gewöhnungsbedürftig. Mir ist klar, dass du damit die aktuellen Gedanken des Protas im Koma und die Vorgeschichte voneinander trennen möchtest. Trotzdem ist für mein Empfinden eine Zeitform zu viel in der Geschichte enthalten. Falls du hauptsächlich in der Jetztzeit erzählen möchtest, dann wäre das Perfekt die dazugehörige Vergangenheit. Also muss das Imperfekt raus. (z.B. in dieser Passage: Irgendwas geschah, ich weiß nicht was. Ich schätze, dass mich dieses Ereignis in ein Paralleluniversum brachte.)


Story als solche: Ich-Erzähler liegt seit Monaten im (Wach-?) Koma. Befindet sich gedanklich in einer Zwischenwelt, die er nicht richtig einsortieren kann. Die vierte Dimension, die er als endlich kennt, scheint hier unendlich zu sein. Er fühlt sich unwohl; will zurück in seine altbekannte Welt.
Schnitt. Kurzer Wortwechsel zw. Arzt und Mutter. Prota stirbt, Mutter weint.
Epilog: Prota ist nun frei. Religiös ausgedrückt: hat die Schwelle vom Fegefeuer ins Paradies überschritten. Whatever.

Nicht unbedingt neu; trotzdem immer wieder eine spannende Aufgabe für einen Autor, solch eine tragische Geschichte in die richtigen Worte zu kleiden. Das ist dir für mein Dafürhalten streckenweise geglückt. Meine – völlig unverbindlichen – Verbesserungsvorschläge:
( ) stärkere Verben benutzen
( ) dich auf zwei Zeitformen beschränken
( ) hin und wieder einen etwas längeren Satz konstruieren
( ) die Geschichte um 50% verlängern. Damit das Diffuse der Zwischenwelt plakativer herausgestellt werden kann.

Was hat der Abzählreim am Anfang mit dem Ganzen zu tun? Es existiert ein ähnlicher Song von Juliane Werding aus dem Jahre 1975: Wenn du denkst, du denkst … Hier der Link zu Youtube: youtube.com/watch?v=Oox4hy6aKss
Jedoch ohne Fischstäbchen.
Erinnert cum grano salis an Sokrates: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Allerdings ebenfalls ohne panierten Kabeljau.
So ganz schlau werde ich aus dem vorangestellten Vers nicht. Der vermutlich im Zusammenhang mit den Stimmen steht, die der Prota (noch) hört. Vllt von den Krankenschwestern, die versuchen, ihn zu füttern. Keine Ahnung.


Danglo, nette kleine Geschichte. mMn inhaltsseitig noch ausbaufähig. Trotzdem gerne gelesen!

Hoffe, du kannst mit einigen meiner Hinweise was anfangen.

Vg sinuhe

 

Vielen Dank sinuhe für deinen sehr ausführlichen Beitrag! Ich werde mir deine Ideen und Vorschläge im Kopf behalten und wenn möglich in meiner Neufassung mit einbauen. Von dir genannte Rechtschreibfehler habe ich korrigiert, auch einige Formulierungen ausgetauscht (nicht mit deinen Vorschlägen, aber eben mit mir besser erscheinenden).
Die Zeitformen habe ich (da diese Geschichte ja demnächst ersetzt wird) nicht geändert. Das der Protagonist im Präsens spricht ist meiner Meinung nach übrigens die einzig richtige Möglichkeit. Die Protagonist stirbt in meiner Geschichte "live". Die Ereignise passieren alle in dem Moment, in dem man sie liest. Somit kann der Prot. nicht in der Vergangenheitsform erzählen, da er dann ja bereits tot ist. Gut, ein Koma-Patient kann auch nicht wirklich erzählen, aber das ist mit meinem Sinn für Logik noch zu vereinbaren. Präteritum ginge nur, wenn ich aus der Sicht eines erzählers schreibe, was ich aber nicht möchte.

08/15-Homo Sapiens oder 08/15-Homo-Sapiens
Ich hab's nochmal nachgeschaut: Das "sapiens" in Homo sapiens wird nicht groß geschrieben, das hatte ich richtig im Kopf. Habe aber einen Bindestrich hinzugefügt.

Nichts wünsche ich mir mehr, als zurückzukehren. In meine Welt. In die Gesellschaft, an die ich gewöhnt bin. In die Dimensionen, die ich kenne. Doch ich fürchte, ich bin hier gefangen.

Für immer.

- 3x in als Satzbeginn
Das habe ich beabischtigt. Dieses Stilmittel (wenn man das so nennen kann) verwende ich sehr gerne, um etwas genauer zu Erläutern. Ich stelle mir da ein Mikroskop vor, mit dem man dann immer näher heran kommt und immer mehr Details erkennen kann. Die 3 "in"s sind hier also jeweils eine Stufe vom "Mikroskop". (Ich hoffe, du hast verstanden was ich meine :D)

Vielen Dank also nochmal für deinen Kommentar, ich hoffe du meldest dich auch zu meiner Neufassung nochmal und sagst mir, was ich an dieser wieder verbessern könnte :)!

Liebe Grüße

Danglo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Danglo,

auf die Schnelle:

Die Zeitformen habe ich (da diese Geschichte ja demnächst ersetzt wird) nicht geändert. Das der Protagonist im Präsens spricht ist meiner Meinung nach übrigens die einzig richtige Möglichkeit. Die Protagonist stirbt in meiner Geschichte "live". Die Ereignise passieren alle in dem Moment, in dem man sie liest. Somit kann der Prot. nicht in der Vergangenheitsform erzählen, da er dann ja bereits tot ist. Gut, ein Koma-Patient kann auch nicht wirklich erzählen, aber das ist mit meinem Sinn für Logik noch zu vereinbaren. Präteritum ginge nur, wenn ich aus der Sicht eines erzählers schreibe, was ich aber nicht möchte.

Dass dein Erzähler im Präsens formuliert, ist okay für mich. Dann aber wäre mMn die dazugehörige Vergangenheitsform das Perfekt; und nicht das Präteritum. Wenn ich den Text richtig in Erinnerung behalten habe, dann springst du zw. Vergangenheit I u. II munter hin u. her. Du solltest dich für meinen Geschmack jedoch auf das Perfekt begrenzen.

Werde mir die neue Version gerne durchlesen u. dir meinen Eindruck schildern.

Wünsche dir einen schönen Abend u. vg, sinuhe

 

Voilá, version 2 von "Gefangen im Geist" ist online: http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?p=600075#post600075
Ich habe es, unter dem selben Titel, in der Rubrik Alltag veröffentlicht. Nach kurzem Nachdenken schien mir das dann doch die beste Rubrik zu sein.
Einige Dinge konnte ich leider trotz allem nicht so umsetzen, wie ich es mir gewünscht hatte. So ist zum Beispiel die Länge der Geschichte nur leicht gewachsen, da für die Geschichte in meinen Augen keine relevante Handlung mehr einzufügen war und ich sie nicht unnötig aufplustern wollte :D Der Hauptunterschied zwischen beiden Versionen liegt wohl darin,dass ich anders angefangen und in das langweilige Beschreiben mehr Handlung eingebaut habe. Von allen, die diese Version der Geschichte gelesen haben,würde ich gerne wissen, was sie von der neuen Version halten. Zusätzlich bleibt noch die Frage offen, was aus dem Thread gemacht wird.

Bis dann!

Danglo

 

Die alte Version der Geschichte

"Wer denkt, dass er denkt, kann nicht denken!"
"Und wenn er doch denkt?"
"Dann denkt er nur zu denken!"
"Sieh mal, ein fliegendes Fischstäbchen!"

Ich glaube, ich weiß ganz genau was Sie jetzt denken. Sie sind inspiriert von diesen Sprüchen. Sie fühlen die Muse, die Sie soeben geküsst hat. Ja, so ging es mir auch mal. Mittlerweile kann ich diese Verse nicht mehr ertragen. Immer mehr Leute auf den Straßen rufen sie mir zu, ohne dass ich in ihnen irgendeinen Sinn sehen kann. Manche sind logisch, andere für den 08/15-Homo sapiens unverständlich. Dennoch ist das meine Situation - Ich bin gefangen in einer Welt, in der ich nicht sein sollte.

Es gab schon bessere Zeiten! Damals, als ich noch zur Schule gehen konnte, hatte ich noch keine Probleme wie diese. Das Universum aus dem ich stamme, baut auf Logik und Wissenschaft. Dieses hier nicht. Es kennt keine Physik. Keine Chemie. Keine Mathematik. Es gibt hier kein Richtig oder Falsch. Es ist eine Welt, mit einer zusätzlichen vierten Dimension. Doch ich kann diese nicht wahrnehmen. Ich sehe nur ein nicht funktionierendes System, was auf unlogischen Fakten aufbaut. Ich bin wie ein Papier, auf das ein Punkt gemalt wird. Dieser Punkt befindet sich an einer Stelle, die das Papier nicht sehen kann. Dennoch baut alles, was das Papier fühlt, auf diesem Punkt auf. Aber das Papier sieht keine Logik dahinter, denn das kann es nun mal nicht. Manchmal sehe ich Wasserfälle bergauf fließen, oder betätige einen Lichtschalter, der für einen Sandsturm sorgt. Einmal wollte ich ein Buch lesen, welches aber immer und immer wieder seinen Inhalt veränderte. Ich habe schon mehrmals versucht, aus dieser Welt zu entkommen; aber es scheint mir unmöglich. Auch das Leben kann ich mir nicht nehmen. Den Tod scheint es hier nicht zu geben. Alles hält ewig, es sei denn, die vierte Dimension entscheidet das Gegenteil. Ich gehe jeden Tag auf den Markt und höre mir die Sprüche an, die die Wesen hier rufen, in der Hoffnung, jemanden zu treffen, der so wie ich in dieser Welt gefangen ist. Doch bis jetzt scheine ich der Einzige hier zu sein. Ganz allein.

Sie können natürlich nicht nachvollziehen, was ich empfinde. Ich selber kann es ja auch nicht. Vielleicht interessiert es Sie aber, was genau geschah. Ich kann mich an einen sonnigen Tag erinnern. Wie immer verabschiedete ich mich von meiner Mutter, winkte unserem Nachbarn freundlich zu und machte mich mit meinem alten Fahrrad auf den Weg zur Schule. Doch ich kam nie dort an. Irgendwas ist geschah mit mir; doch ich weiß nicht was. Ich schätze, dass mich dieses Ereignis in ein Paralleluniversum schickte. In eine andere Dimension. Doch da ich nicht weiß, wie ich hierher gekommen bin, kenne ich auch nicht den Rückweg.

Nichts wünsche ich mir mehr, als zurückzukehren. In meine Welt. In die Gesellschaft, an die ich gewöhnt bin. In die Dimensionen, die ich kenne. Doch ich fürchte, ich bin hier gefangen.

Für immer.

"Er hat keinen Puls mehr!", sagt ein Arzt mit einer nervösen Stimme.

"Helfen Sie ihm!", schreit eine Frau, die mit ihren Händen fest die kalten arme ihres Sohnes umklammert.

"Ich fürchte, es ist zu spät. Er ist tot."

Die Frau bricht zusammen. All die Hoffnungen, die sie sich nach dem Unfall ihres Sohnes gemacht hat. All die Gebete, die sie in den Monaten, in denen dieser im Koma lag, gesprochen hat. Alles hatte nichts gebracht.

Aber würde sie wissen, dass der Tod ihren Sohn vor der Welt in seinem eigenen Kopf gerettet hat. Würde ihr jemand sagen, dass ihr Sohn nun frei ist...Wäre es eine Erleichterung?

 

Auf Wunsch des Autors aus Philosophisches nach Seltsam verschoben.

 

Guten Morgen Danglo,

du hast deine Geschichte neu geschrieben und dabei die Abteilung gewechselt. Von ursprünglich Philosophisch jetzt in Alltag. mMn war die Story in der ersten Rubrik gut aufgehoben. Die Schilderung der Gedanken eines Patienten im (Wach-) Koma bzw. dessen Herumgeistern in einer Welt zw. Leben u. Tod sind ja nun nicht gerade alltäglich zu nennen. Aufgrund der Umgruppierung lese ich die KG jetzt mit anderen Augen und denke mir an manchen Stellen: woher will der Autor das alles wissen? Von daher hätte ein Belassen in der vorherigen Kategorie durchaus Sinn ergeben. Oder als mögliche Alternative evtl in Seltsam hochladen.

Gefangen im Geist ist prinzipiell ein gut gewählter Titel. Bin mir jedoch unsicher, ob ein Komapatient tatsächlich im Geist – und nicht im Körper – gefangen ist. Über diesen Aspekt hätte ich mir in Philosophisch gar keine Gedanken gemacht. In Alltag fällt es mir eben auf.

Du hast nun einen alternativen Eintritt in die Geschichte gewählt. Der recht surreal auf mich wirkt. Prinzipiell mag ich rote Himmel, blauen Sand, fliegende Geister, leuchtende Steine etc. Hier in Alltag frage ich mich halt, woher der Autor all diese Jenseitsinformationen bezogen hat.

Den kleinen Vers in der Ursprungsversion mochte ich. Den hast du leider eliminiert.

Ein paar sprachliche Anmerkungen:

Zitat: die unbeschreiblich konfusen Landschaften
Eins der beiden Adjektive kann raus

Zitat: Ich setze mich auf den Hügel aus blauen Sand, der mir in der langen Zeit, in der ich schon hier bin, als neues zu Hause gedient hat.
dient (?) Also Präsens. Denn noch wohnt der Prota doch dort.

Zitat: Vor einigen Monaten, wenn nicht Jahren, wollte ich sie verstehen lernen, diese Sprache. Doch scheine ich für niemanden hier zu existieren, sodass sie mir niemand hätte beibringen können.
Mehrmals in all den Jahren, die ich hier gefangen bin, wollte ich die fremde Sprache erlernen. Da die Bewohner dieser fremden Welt meine Existenz jedoch nicht wahrnehmen, fand ich niemanden, der sie mir hätte beibringen können.

Zitat: Also bleibe ich dabei, einsam zu sein.
Also bleibe ich einsam

Zitat: Zu hoch war die Enttäuschung, die ich jeden Tag erfuhr.
Hier wechselst du ins Präteritum. M.E. zum einen die falsche Zeitform (Perfekt wäre besser, weil du als Basis das Präsens wählst) und zum anderen unnötig, da der Prota die Enttäuschungen ja noch im Moment der Erzählens erfährt. Du könntest also durchaus in der Jetztzeit bleiben.

Zitat: Am Anfang hatte ich noch stets die Sorge, dass wenn ich schlafe, dem Hügel wieder die Gesetze der Schwerkraft einfallen könnten und er den Sand an der Decke dann ohne Rücksicht zu nehmen auf mich schüttet.
(falls es unbedingt Imperfekt sein soll; dann: ) Am Anfang plagte mich häufig die Sorge, dem Hügel könnten die Gesetze der Schwerkraft einfallen, und die Decke aus Sand würde über mir einstürzen.

Zitat: Mir scheint es, als ob es hier eine zusätzliche Dimension gäbe, welche mein Körper mit keinem der Sinne, die er besitzt, darstellen kann.
darstellen = begreifen

Zitat: Dieses Universum baut nicht auf Logik und Wissenschaft,
Baut ein Universum auf irgendwas? Oder ist es auf etwas aufgebaut bzw. gründet auf?

Zitat: Bücher verändern während dem Lesen ihren Inhalt und Instrumente spielen häufig keine Töne,
Während ich lese, verändern die Bücher ihren Inhalt. Instrumente geben häufig keinerlei Töne von sich.

Zitat: und des Teufels boshaften Pläne
boshafe

Zitat: Meine Wunde war zu
… war wieder geschlossen

Zitat: Alles Blut an meinem zuvor Blutverschmierten Körper verwandelte sich in Luft.
blutverschmiert (gem. Duden kleingeschrieben. Allerdings 2x Blut in einem kurzen Satz)

Zitat: Den Tod gibt es hier nicht.
… existiert hier nicht bzw. scheint man hier nicht zu kennen

Zitat: Es war meine Stimme. Das ist das letzte, an das ich mich erinnern kann.
Sie ist das letzte, an das ich mich (mit Gewissheit?) erinnern kann. (bei letzte bin ich mir unsicher, ob es nicht großgeschrieben werden muss)

Zitat: Doch ich fürchte, ich bin hier gefangen.
Für immer.
In unserem Universum

… Universum. (Punkt. Oder soll diese Stelle bewusst ohne finales Satzzeichen auskommen?)
Der Passus mit dem Universum ist neu. Was soll der ausdrücken? Evtl. abwandeln: In ihrem Universum (?) Denn noch fühlt sich der Prota ja nicht zugehörig zur Schattenwelt.

Im letzten Absatz verwendest du häufig Sohn.

Mir persönlich hat Version eins besser gefallen. Denn in der war mir klarer, was eigentlich los ist. Jetzt hast du – trotz Einsortierung in Alltag – verstärkt surreale Sequenzen eingebaut. Aufgrund der Vorläufergeschichte weiß ich natürlich, dass der Prota nahezu tot ist bzw. sich in einer komatösen Zwischenwelt befindet. Für mich liest sich der Text aber nun so, als sei der Erzähler bereits völlig ins Schattenreich abgeglitten (bspw. Teufel. Der tauchte vergangene Woche gar nicht auf). In Variante eins wurden seine Wahrnehmungen zweideutiger gehalten: die Schatten, die er sah, hätten ebenfalls Krankenschwestern, Ärzte, Besucher an seinem Bett sein können. Diese Ambiguität passte mMn eher zum Thema als die jetzt vorliegende stark fantastische Lösung.

Ich fände es vom Spannungsbogen her gesehen ebenfalls geschickter, wenn sich der Prota an den zugrunde liegenden Unfall erinnert, als wenn das zum Schluss die Mutter tut.

Von daher bin ich mir unsicher, ob die zweite Version eine Verbesserung zum Ausgangstext darstellt. Ist halt ein schwieriges Thema für einen Autor. Wüsste ebenfalls nicht, wie ich solch ein Erlebnis halbwegs nachvollziehbar zu Papier bringen könnte.

Vllt. kannst du einige meiner Anmerkungen gebrauchen. Ist halt die rein individuelle Sichtweise eines Kommentators. Andere mögen das völlig unterschiedlich interpretieren.

Vg sinuhe

EDIT: nachdem der Text jetzt in Seltsam verschoben wurde, erübrigen sich meine Anmerkungen von heute früh zur vorherigen Rubrik Alltag natürlich.

 

Hey Danglo,

Zunächst einmal, für mich hattest du schon beim roten Himmel und blauem Sand gewonnen. Eine sehr bunte Geschichte, an deren Deutung ich mich gar nicht erst ran traue, aber hier meine Gedanken:

Was schnell auffällt, ist das gleichbleibende Tempo deiner Sätze. Das könnte bei manchen Stories tödlich ausfallen; hier aber funktioniert es; das Pacing erleidet keinen größeren Schaden, im Gegenteil, nach den ersten Eindrücken gewöhnt man sich daran und danach fühlt es sich an wie Atmen.

Mir gefällt unheimlich, wie du Konnotationen über zwei oder drei Sätze hinweg führst, was auf den ersten Blick vielleicht nicht ersichtlich, auf den Zweiten hingegen umso angenehmer zu lesen ist.

Im Bezug hierzu fiel mir auch der einzige "Fremdkörper" auf:

sondern lösen Sandstürme aus

... was einen leichten Bruch zu dem körperlichen Aspekt von "Beine" unmittelbar danach sowie "Bücher" unmittelbar darstellt, zumindest für mich.
"Ich fürchte, es ist zu spät. Er ist tot."

Dieser Abschnitt wirkt seltsam direkt im Vergleich zum vorherigen Text... fast deplatziert.

Davon abgesehen ist das aber eine sehr durchdacht wirkende Kurzgeschichte, die du da abgeliefert hast. Gerade bei Stories dieser Art ist es sehr schwierig, eine Atmosphäre jenseits von surreal/unbequem zu erzeugen. In meinen Augen hast du das definitiv erreicht. Dein Text liest sich wie eine Standuhr, rhythmisch und dennoch auf einen bestimmten Punkt hinlaufend. Essayistisch, aber mit einem Funken von Handlung, der unter anderen Umständen vielleicht gar nicht nötig gewesen wäre - auch als rein persönliche Aussage funktioniert der Text.

Für deine erste Kurzgeschichte wirklich bemerkenswert!

Sticks

 

Lieber sinuhe,

an dir kann man gut erkennen, dass eine Geschichte wirklich nicht jeden Geschmack gleichzeitig treffen kann. Während du die ersten Verse gemocht hast, haben die Meisten wegen ihnen gar nicht weiter gelesen. Mir selbst kam es auch so vor, als hätten sie an der Seriösität meiner Geschichte genagt, auch wenn ich durchaus einen Sinn in ihnen gesehen habe (deshalb waren sie ja auch da). Du scheinst die erste Version der Geschichte genau so verstanden zu haben, wie ich sie mir gedacht hatte. Hätte ich nur Vorschläge von dir bekommen, wäre es wohl nicht nötig gewesen, eine komplette Neufassung zu schreiben. Ich persönlich kann mit beiden klar kommen und bevorzuge auch keine.
Auf jede Fehlerkorrektur werde ich jetzt nicht eingehen, hier ist aber noch Erklärungsbedarf ;) :

Zitat: Doch ich fürchte, ich bin hier gefangen.
Für immer.
In unserem Universum
… Universum. (Punkt. Oder soll diese Stelle bewusst ohne finales Satzzeichen auskommen?)
Der Passus mit dem Universum ist neu. Was soll der ausdrücken? Evtl. abwandeln: In ihrem Universum (?) Denn noch fühlt sich der Prota ja nicht zugehörig zur Schattenwelt.
In Word ist das "in unserem Universum" kursiv geschrieben, beim Kopieren in einen Thread hier ist diese Formatierung verloren gegangen. Das ist eine Art Überschrift, die zeigt, dass sich die folgende Handlung in unserem Universum abspielt (um auch hier keine Verwirrung mehr möglich zu machen. Aber siehe da: Ich hab sie erzeugt) Wo ich so drüber nachdenke,wäre es aber auch durchaus interessant, eine so schrekliche Welt zu beschreiben und am Ende aufzudecken, dass man die ganze Zeit von der eigenen Welt geredet hat. In dem Fall ist das aber nicht so gemeint :D
Also: Du sagst ja selbst, dass jeder eine ganz andere Meinung zu einer Geschichte hat. Danke also für dein Durcharbeiten meines Textes und für deine Anmerkungen. Ich sag einfach mal, dass beide Versionen aktuell sind und sich jeder seinen Favoriten aussuchen sollte ;)


Jetzt zu dir Sticks:
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Ich muss zugeben, dass ich nachschauen musste, was Konnotationen überhaupt sein sollen. Komisches Wort, aber man lernt ja nie aus :D
Ansonsten weiß ich nicht genau, was ich sagen soll. Du hast einfach absolut recht! Die "Fremdkörper" die du genannt hast sind genau die Dinge, die ich aus Version 1 der Geschichte übertragen habe. Ich hätte mich vielleicht komplett von ihr lösen sollen, aber ich wollte ja das Selbe schreiben..nur anders. Ich nehme an, dass du Version 1 der Geschichte kennst. Dennoch weise ich, sollte es nicht so sein, darauf hin, dass es diese eben gibt, und dass sie, wie du es vorgeschlagen hast, eine reine Aussage ohne Handlung (abgesehen vom Ende) ist.

Viele Grüße

Danglo

 

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