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Gedankenstriche
„Jutta! Hör mir doch zu, bitte.“
Seit Jahren meldete sie sich schon nicht mehr. Sie, die ihre beste Freundin sein wollte. Sie, die sich seit sechs Jahren nicht mehr mit ihr unterhielt. Sie, ausgerechnet sie wollte nun alles klären. Alles nur ein einziges Missverständnis. Ein Missverständnis? Jutta glaubte ihr nicht. Wieso? Wieso ausgerechnet jetzt? Warum heute, weshalb gerade hier? In diesem Lokal? Konnte sie nicht verschwinden. Sich aus ihrem Leben heraushalten?
„Jutta, bitte. Ich habe das nicht gewollt. Es ist eben passiert. Bitte! Das musst du mir glauben.“ Glauben, was sollte sie denn glauben? Das ihr Fehlverhalten nicht beabsichtigt war? Dass sie sich ihr nicht entfremdete? Das alles wieder gut werden würde? Wie damals? Nein, verzeihen konnte sie und wollte sie ihr nicht. Zu tief die Wunde, welche sie ihr zufügte. Der Schmerz, unerträglich. Einsame Nächte voller Tränen, getragen von der Ungewissheit über ihre mögliche Wiederkehr.
„Jutta, bitte! Nun sag doch was! Bitte, sag doch etwas!“ Ihr Flehen konnte sie sich sonst wohin schieben. Sie verletzte ihre Gefühle. Wusste sie doch, als ihre Freundin genau darüber Bescheid. Vertraute sie sich ihr doch an. Und dennoch stieß sie ihr den Dolch hinten rein. Sie, ihre angeblich beste Freundin. Sie, ihr heimlicher Schwarm, entfernte sich von ihr. Lachte und machte sich über ihre Empfindungen lustig. Schon damals ging sie zu weit. Verletzte damit damals schon ihre Gefühle. Die Türe verschlossen, seitdem nie mehr geöffnet. Der Kummer saß tief, die Wunde heilte langsam. Eine Kruste bildete sich, nun riss sie diese wieder auf. Ausgerechnet heute, wo sie sich einen schönen Abend machen wollte, da tauchte Elena auf. Dann noch in Begleitung dieser jungen Dame. Vorbeigehen konnte sie wohl einfach nicht. Sie, die sich über ihre Empfindungen lustig gemacht hatte, fand nun selbst jemanden. Nur nicht sie, nicht Jutta.
„Wie oft soll ich mich eigentlich bei dir entschuldigen, für mein damaliges Verhalten? Du hattest mich überrumpelt. Ich konnte doch nicht ahnen, dass …“
„Schweig! Du konntest es nicht wissen? So ein Mist! Elena, ich vertraute mich dir an. Weißt du eigentlich, wie schwer es mir fiel, mich dir anzuvertrauen? Wie viel Zeit und Mut, es mich kostete? Bis ich mich dir anvertraute? Und du? Du lachtest mich aus. Sagtest, du seist nicht lesbisch, du bevorzugst Schwänze!“
„Jutta, bitte! Du brauchst nicht ausfallend zu werden! Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht.“
„Du hast mich verletzt! Du hast mich an mir zweifeln lassen. Mich allein gelassen. Meine Nachrichten blieben unbeantwortet! Was willst du also von mir? Eine Entschuldigung ändert auch nichts mehr. Hau einfach ab und lass mich in Ruhe!“
„Jutta, sei bitte vernünftig. Ich wollte dich nicht verletzten.“
„Das hast du aber!“
„Dann tut es mir Leid, bitte glaub mir das doch.“
„Fällt dir wirklich nichts Besseres ein, als dich permanent bei mir zu entschuldigen? Das ist armselig!“
Die Neue. „Darf ich fragen, was Sie von meiner Freundin wollen?“
„Annika – ich hatte dir doch von meiner besten Freundin Jutta erzählt. Darf ich vorstellen, das ist Jutta!“
„Oh, entschuldigen Sie bitte … Ich wusste ja nicht, dass Sie – Jutta sind. Elena hat viel von Ihnen erzählt. Schön, Sie Mal kennenzulernen.“
„Freut mich auch.“
„Ich warte an der Bar und lass euch lieber allein.“
„Ist gut, dauert auch nicht mehr allzu lange. Ich komme nach.“
Schlampe. Was dachte diese Annika denn, wer sie sei? Was fand Elena nur an der? Sie ist austauschbar. Ohne Charakter. Blass, eine bloße Schablone. Was erzählte Elena ihr über Jutta und weshalb reagierte Annika so aufgesetzt? So verständnisvoll? Warum mischte sie sich überhaupt ein? Als wollte sie, sie ihr ausspannen.
„Ist sie nicht lieblich? Ich habe sie auf einer Auslandsreise letztes Jahr kennengelernt. Sie ist Flugbegleiterin.“
„Elena, geh bitte. Verschwinde! Lass mich endlich allein! Ich ertrage deine Anwesenheit nicht länger. Nicht heute! Nicht hier!“
„Ist es wegen Annika?“
„Möchtest du mich noch mehr verletzten? Mich interessiert nicht, wer sie ist oder was sie macht. Von mir aus könnte sie genauso gut unter der Erde liegen. Mir wäre es gleich!“
„Das ist nicht fair.“
„Seit wann ist das Leben denn – bitte fair? Ist es fair, das einige Menschen leiden müssen, während andere im Glück geradezu ertrinken?“
„Ich sehe, ich dringe wohl nicht zu dir durch. Ich kann mit dir nicht vernünftig reden.“
„Du versuchst es doch auch gar nicht, Elena! Nein, du setzt dich einfach hier hin und lässt mich bluten. Warum?“
„Jutta, es tut mir leid, dass ich deine Gefühle damals verletzt habe. Und das meine ich ernst.“
„Was tut dir Leid? Du bist nicht ehrlich zu mir. Denkst du, ich vergebe dir, nur weil du hier sitzt und dich entschuldigst?“
„Was soll das? Ich meine das vollkommen ernst! Es tut mir leid!“
„Warum hast du mich nicht geliebt, so wie du Annika liebst? Warum hast du mich stattdessen ausgelacht und mir gesagt, du seist hetero? Du hast mich angelogen! Warum hast du mich angelogen? Warum hast du mich abgewiesen und bist verschwunden, als ich dich als Freundin brauchte? Warum hast du mich im Stich gelassen? Wieso, Elena! Wieso muss ich dich jetzt nach Jahren wiedersehen? Womit habe ich das verdient?“
„Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, warum ich – gelacht habe. Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen. Aber so läuft das eben nicht! Du fragst nicht Mal wie es mir erging? Du siehst nur deinen Schmerz! Ich wollte einfach nicht mehr bei dir sein. Mensch, Jutta. Unsere Freundschaft war mir wichtiger. Ich hatte dich als meine Freundin gesehen, nicht als meine Liebhaberin. Verstehst du das? Ich wollte dich nicht verlieren, mir war unsere Freundschaft zu wichtig. Du hast mich in die Ecke gedrängt und verlangtest etwas, dass ich dir nicht geben konnte.“
„Du verdammte Heuchlerin! Du hättest dich melden können, wenn dir unsere Freundschaft so viel bedeutet. Das hast du aber nicht!“
„Menschen ändern sich. Das Leben geht weiter, Jutta!“
Sie hatte leicht reden, ihre Gefühle waren nicht verletzt, sie lebte nicht mit gebrochenem Herzen. Für sie ging das Leben weiter. Sie verlor eine Freundin, ihr Selbstvertrauen hatte sie behalten. Ihre Wunden blieben geschlossen.
„Mach’s gut. Jemand wartet auf mich. Ich möchte nicht länger -“
Sie verschwand aus ihrem Leben.