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- 15.06.2004
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Gedanken
Es ist merkwürdig…
Ich stehe am Fenster und blicke in die Nacht hinaus. Ein leiser Wind weht mir den dünnen Stoff der weißen Gardinen um meine Beine. Wie ein sanftes Streicheln berührt das Wehen meinen nackten Körper, lässt an Hände denken, die ich so vermisse.
Das milde Licht des Mondes scheint mir matt ins Gesicht und erinnert mich an den Blick zweier Augen und das leise Rauschen der Blätter an die Stimme tausender Worte und die Sehnsucht nach ihr.
Müde lehne ich die Stirn an den Rahmen des Fensters, scheine gleichzeitig zu schlafen und zu wachen. Ich schließe die brennenden Augen. Wie lange ist es jetzt her? Die Sommernacht ist so mild und doch…
Irgendwas quält mich… es ist nicht einmal die Sehnsucht, nein, es ist irgendetwas… anderes. Etwas, dass ich nicht beschreiben kann. Noch nicht…
Ich atme den frischen Duft der Nacht ein, ganz tief in mein Inneres. Behalte ihn dort und lausche auf mein Herzschlag und den immer stärkeren Druck meiner Lungen, die nach einem neuen Zug schreien.
Es müssen mindestens 2 Minuten vergangen sein, als ich dem Druck nicht mehr stand halten konnte und nach Luft schnappte. Sehr ungeübt.. ich war früher besser… 5 Minuten ohne Luft, aber das ist auch schon lange her.
Nun stehe ich hier am Fenster, versuche zu verstehen, was mich aus meinem warmen Bett treibt und trotz des warmen Luftzuges erschaudern lässt.
Ich öffne wieder die Augen. Der Garten ist von einer hohen Mauer umgeben, sodass ich ohne Scheu, so wie ich bin, umhergehen kann.
Die bodenlangen Fenster sind schon lange offen, aber noch verberge ich mich im Wehen der Vorhänge, die Stirn an den Rahmen gelehnt und sinnierend, was ich hier eigentlich tue.
Schließlich wage ich doch den ersten Schritt nach draußen.
Bevor ich gänzlich aus dem Schafzimmer heraus trat, griff ich nach einem spinnwebenfeinen, hellem Tuch.
Zuerst ist kühler, nackter Stein unter meinen Füßen, dann ertasten meine Sohlen das taufeuchte Gras, das im Mondlicht graugrün schimmert. Angenehm kitzeln die hohen Grashalme an den unteren Beinen, streichen sanft darüber hinweg.
Langsam schreite ich so durch den Garten, habe mir nur das hauchdünne Tuch um den Leib geschlungen, das nur dürftig bedeckt und jedes Wehen eher verstärkt, als schwächt und zurückhält. Aber die Nacht ist mild. Das stille Licht des Mondes beleuchtet meinen, mir unbekannten, Weg und schimmert schwach, wie Seide auf meiner Haut. Immer wieder tauche ich in die Schatten der träumenden Bäume und tausche sie gegen die Helligkeit des Silberlichts. Meine Füße finden dann doch ein Ziel, lenken meinen Körper in Richtung des kleinen Sees, der rechts neben dem Haus liegt. Seine Wasser sind dunkel und nur der Mond blickt mit müden Augen zu seinem Doppelgänger in die Tiefen. Schilfrohr sirrt im Takt der Brise, neigt sich seinem Bild im schwarzen Spiegel des Wassers zu.
Ich bleibe am Ufer stehen, die Füße berühren fast die glatte Oberfläche des nächtlichen Spiegels und ich kann unter mir schwimmende helle Flecken erkennen. mein Spiegelbild; seltsam verzerrt. Alles ist klar, nur mein Bild nicht, warum?
Vorsichtig knie ich mich hin, der Boden ist feucht und kühl und schaue in die hellen Flecke: Keine Konturen, nur verschwommene Schatten.
Langsam strecke ich meine Hand aus lasse sie nur wenige Millimeter über die Wasseroberfläche hinweg gleiten, wo mein Gesicht sein sollte, ist nichts, nur Schemen.
Ganz sachte tippe ich auf das Wasser. Kleine Wellen breiten sich ringförmig von der Berührung aus, es ist so, wie es sich gehört. Und warum nicht mein Spiegelbild? Gehöre ich nicht in diese Welt? Bin ich ein Schatten, der sich hierher verirrt hat und nun entdeckt, dass er nicht zu Hause ist? Nein, dass ist es gewiss nicht.
Vielleicht träume ich ja? Oder schlafwandle. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich so fühle, als wenn alles in einer seltsamen zwiespältigen Existenz mich berührt. Der Wind ist eine Stimme, die ich vermisse, das Wehen die Hände und die Düfte wie der Atem, der mich leise und warm umhüllt.
Ich werfe einen letzten Blick in die verschwommenen Schemen unter mir, noch immer breiten sich Ringe aus, wie endlose Kreise dehnen sie sich über die Dinge und Bilder. Das Schilfrohr neigt noch immer sein Haupt, doch längst kann es sich nicht mehr sehen, es schient nun danach zu suchen, der Mond ist aufgelöst in den Wellen und es scheint ihn nicht mehr zu bekümmern als alles andere, was er sieht.
Ebenso vorsichtig, wie ich mich niederließ, erhebe ich mich nun. Kleine Erdkrumen bleiben an meinen Knien kleben, wollen sich nicht lösen von meiner Haut und geben dafür ihren Platz im Erdreich auf, um luftige Höhn zu erleben. Ich streiche kurz über sie hinweg und sie landen wieder auf den dunklen Grund, ahnungslos ihres Seins.
Langsam gehe ich wieder den Weg zurück, den ich hierher nahm. Das weiche, dünne Tuch streichelt weiterhin über meine Haut, keine Kühle stört mein Fühlen. Ich atme mit jedem Teil meines Seins die Nacht, lasse mich umhüllen und genieße, was sie tief in mir erweckt.
Ich bin nun ruhig, erfüllt von Sein und Müdigkeit. Obwohl ich noch immer nicht wirklich weiß, was mich weckte und dazu trieb mich selbst zu erkennen ist es doch gut so gewesen. Mag es nur der Schatten einer Träumenden gewesen sein oder etwas anders, was ich sah, die Nacht ist wirklich.
Das Gras löst wieder der Stein ab und einen Augenblick später gleitet der Spinnwebenstoff meine Haut hinunter. Einige weitre Schritte tragen mich zu meinem Bett, wo bereits zwei leicht geöffnete Augen mir fragend entgegen schauen. Ich schüttel’ leicht den Kopf und hebe die dünne Seidendecke an, um mich wieder hinzulegen. Ich berühre noch nicht ganz die Laken, als sich die ersehnte Hand mir entgegen streckt und an den warmen Körper zieht. Der kleine Nachtausflug schien doch kälter gewesen zu sein, als er sich anfühlte.
Meine Augenlider schließen sich, mein Körper schmiegt sich enger an den anderen und beginnt einzuschlafen. Doch ich wache weiterhin, schwebend in einem Zustand aus Traum und Realität.