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- 29.03.2008
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Gedanken und Geschichtchen eines Irren
GEDANKEN UND GESCHICHTCHEN EINES IRREN
Eins
Letztens sagte ein sogenannter Freund zu mir:
„Du solltest eine Thai heiraten. Die sind so eifersüchtig, weißt du. Die thailändische Frau eines Kumpels hat diesem vor Eifersucht mit einer Gabel ins Bein gestochen! Ha, ha, ha!”
Ich entgegnete nur trocken, dass ich ja schließlich auf so was stehe und da wurde gelacht, mein Gott… Nach ein paar Gläschen Wein begann ich, graduell Spaß daran zu haben. Allerdings mehr aus einem Gefühl tiefster Verzweiflung heraus, geschwängert von morbidem Humor, den der Alkohol in mir so manches Mal forciert.
Aber im Grunde ist dieses Elend der Einsamkeit überhaupt nicht zum Lachen. Wenn ich mir vorstelle, dass es immer so weiter geht (oder gar noch schlimmer wird), bekomme ich schreckliche Bauchschmerzen. Aber da ich die ja sowieso immer habe, fällt das auch gar nicht weiter auf.
Vielleicht liegt es gar nicht an mir – möglicherweise ist ja einfach nur der Rest der Welt irre. Aber die stetigen Selbstzweifel belehren mich täglich eines besseren – es ist eben nun mal, wie es ist. Aber verdammt – es ist zum kotzen.
Manchmal stelle ich mir vor, wie es wohl ist, ganz allein zu sein. Und dann fällt mir plötzlich auf, dass ich das ja längst schon bin – immer schon, ha, ha, ha! Nein, also ich denke eben manchmal darüber nach, ob es großartig anders wäre für mich, wenn ich der einzige Mensch auf der Welt wäre, mal ganz abgesehen von einer plötzlich ausgelöschten „Infrastruktur“; würde mir das überhaupt auffallen? Oder würde ich dann meine Einsamkeit gar nicht mehr bemerken, weil keiner da ist, der sie mir reflektiert? Keine Ahnung. Es ist so sinnlos, darüber zu sinnieren. Und es ist so aussichtslos, darin irgendeine Substanz entdecken zu wollen, um auf irgendeine Quintessenz zu stoßen, wenn man sich ständig im Kreis dreht, in dem kläglichen Experiment, sich selbst zu verarschen, während man gewisse, unangenehme Einsichten einfach wegzuradieren versucht...
Ich löse mich auf – ist es das? Meine Konturen verblassen mehr und mehr zu transparenten Fragmenten meines kaputten Seins – überall entstehen Risse und unbändig beginne ich, aus mir herauszufließen. Ich kann diesen Prozess einfach nicht stoppen, es ist ein irrationaler Selbstläufer, für welchen es weder eine Folge, noch irgendwelche Gründe gibt – es ist ein ungeschriebenes Gesetz, eine essentielle Wahrheit: alles vergeht mit der Zeit. Ich beobachte meinen Zerfall täglich. Ich spüre Zellen sterben und merke, wie mein Geist sich mehr und mehr aufzulösen scheint. Kann mir selbst kaum noch folgen.
Ewigkeit ist Bewegung. Welch unglaublicher Reichtum an Informationsgut in ständig ihre Formen wechselnder Materie gespeichert ist – seit Ewigkeiten schon und für immer... Die Zeit ist ein bloßes Schauspiel, ein Theaterstück auf der Bühne „Ewigkeit“, gespielt von tausendfach schillernden Facetten aus Materie und Bewusstsein, die alle so getrennt voneinander sind, wobei sie doch letztlich alle eins sind: Gefangene ihrer selbst... Wir alle! Waren wir nicht einst der Staub einer sterbenden Sonne? Und vorher vielleicht ein Atom, welches seine Information auf Materienrohlinge kopierte, um sie dann gänzlich sich selbst zu überlassen. ...
Es vergeht keine Minute, in der nicht ebensolche Gedankengewächse in mir sprießen und es hemmt mich in meiner rationalen Wahrnehmung dermaßen, dass es mir mittlerweile bereits schwer fällt, mich auf ein „ganz normales“ Gespräch einzulassen – von Konzentration mal ganz zu schweigen! Und genau das macht mich irre. Ich kann nicht schlafen, und wenn ich dann endlich einschlafe, bin ich trotzdem wach; ich erlebe jede Sekunde meines Schlafes bewusst: Ich fühle meinen Körper starr im Bett liegen, sehe vor geschlossenen Augen schemenhaft meine tatsächliche Umgebung und die Gedanken, welche ich im sogenannten Schlaf habe, gehen nahtlos ineinander über, wenn ich aufwache. Dann stehe ich auf und denke. Ich denke, denke, denke. Dabei fällt mir das Denken immer schwerer, weil ich keineswegs nachvollziehen kann, was ich da denke; und mittlerweile kann ich noch nicht mal mehr genau sagen, ob ich tatsächlich denke. Es passiert unwillkürlich – ich kann keine meiner Gedanken steuern, beeinflussen, noch kann ich sie auf etwas bestimmtes fokussieren. Sie sind einfach da, passieren ungefragt und letztendlich steuern sie nämlich mich!
Jede Religion hat letztlich eines gemeinsam: den verlagerten Glauben, die abgegebene Verantwortung fürs eigene Schaffen! Aber nun gut, es ist wohl einfacher, mit ungeklärten Fragen umzugehen, indem man sein Dogma auf etwas fokussiert, das nicht greifbar ist - einen Gott zum Beispiel. Und da wir nicht mal wissen, ob ein solcher tatsächlich existiert, können wir beruhigt aufatmen: es gibt zwar keinen, der uns unseren hoffnungsvollen Glauben besiegeln kann, aber dafür kann ihn auch niemand widerlegen ... da Gott eigentlich immer seine Fresse hält. Nun, unsere Kollektivparanoia, alias Gott, wird schon wissen, weshalb sie sich einer Äußerung ihres Standpunktes enthält... Reden ist Silber, schweigen ist Gold; oder wie?
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie über so viele Jahrtausende hinweg die diffuseste Vermutung zum vehementesten Monument mutieren konnte! Der Mensch ist doch sonst so misstrauisch – vor allem, wenn es um seinesgleichen geht. Aber auf Gott, alias Allah, Buddha, Schieva, bla bla – auf den vertrauen sie bedingungslos, Völkerweise, ohne zu mucken! Selbstverständlich und oftmals fast gänzlich erblindet für das, was vor einem liegt! Und auf der Suche nach ihren Göttern und in dem irrsinnigen Wahn, es ihnen recht machen zu wollen, um ein Stückchen vom Himmelreich zu ergattern, trampeln sie sich gegenseitig zu Brei! Du sollst nicht töten, du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst – welch armselige Heuchelei, deren Ursprung längst wieder vergessen wurde, um daran glauben zu können. Es ist im Grunde einfach nur traurig und tragisch: der Mensch, in seiner unermesslichen Verzweiflung und Hilflosigkeit. Wir sind alle letzten Endes arme Würmchen auf der Suche nach etwas, von dem sie glauben es einst verloren zu haben – dabei besaßen sie es nie – weil es idem vermutlich gar nicht gibt. Und im Grunde wissen sie das alle, diese armen, kleinen Gestalten. Darum haben sie sich im stillen Einvernehmen drauf geeinigt, es zu vergessen, während sie etwas erfanden, dem sie die Verantwortung für ihre Existenz in die Schuhe schieben konnten, um dann um Gnade zu flehen. Kein Wunder, dass der Mensch eine solche Meise hat – Bewusstsein macht schizophren! Eindeutig! Bewusstsein ist der Raum dieses Irrsinns! Und darum ist es unser aller Schicksal, uns unwillkürlich selbst zu verlackmeiern! Wie soll es uns schon gelingen, ehrlich zu uns selbst zu sein, wo wir doch nicht mal wissen, wer wir sind und somit keine Ahnung haben, letztlich, worüber wir Ehrlichkeit definieren sollen? Das einzige, was uns bleibt ist der Grund eines Meeres aus Gefühlen, das wir selbst sind und in welchem wir zu ertrinken drohen – mehr und mehr, mit jedem weiteren Atemzug – und doch können wir die Luft nicht anhalten, da wir sie brauchen, um nicht zu ersticken. Also atmen wir die Zerstörung unserer Selbst ein, um unser Leben auszuhauchen. Bleibt nun mehr die Frage: warum?
Zwei
Wenn einmal nur im Leben ein einziger Atemzug gänzlich bewusst getan wurde, so hat es sich allemal gelohnt.
Ich bin irre, das weiß ich selbst, nur hilft mir diese Erkenntnis genauso wenig weiter, als hätte ich sie nie gehabt. Zumal die universelle Messlatte für deren Gültigkeit ja sowieso und eigentlich noch nicht mal in den Sternen steht. Oder war diese doch gleich Gottes Wille? Nun, dann wollen wir mal: ich habe heute keine Lust gehabt, fromm zu sein und so schleppte ich eine Braut aus der Kneipe zu mir nach Hause ab, direkt in mein Bett nämlich, wo ich ihr gehörig das Hirn rausvögelte, um sie dann aus meiner Wohnung zu schmeißen, weil mir ihre Smalltalk-Annäherungsversuche fast die Galle platzen ließen.
Warum muss das immer so laufen? Warum müssen sich die Weiber plötzlich, sobald man sie gefickt hat, so verhalten, als sei man ihnen eine Erklärung für sein eigenes Dasein schuldig? Warum fragen sie einen plötzlich, was man gern so tut in seiner Freizeit? Zum Teufel noch mal, warum interessiert sie das nicht, bevor sie mir in die Hose fassen? Pseudo-Vertraulichkeiten, die den monumentalen Wall der Scham zu brechen täuschen; dabei ist doch dieses ganze Präsentieren ein einziger Krampf! Da spielt man sich dann stetig den Ball zu, der mit Fragen gefüllt ist, die einem das Gefühl von gegenseitigem Interesse vermitteln sollen... Ja, Interesse... Ich hatte bisher nie das Gefühl, dass sich jemand tatsächlich für mich interessiert; und damit meine ich nicht etwa letztlich leere Hüllen wie ein kommunikationskompatibles Selbstbeweihräuchern, sondern vielmehr schon einen einzigen Augenblick von Wärme und fragende Pupillen meines Gegenübers, welche sich weiten, wenn ich sie anstarre – weil ein Austausch stattfindet.
Ich wünschte, nie wieder auch nur eine Frage beantworten zu müssen. Warum? Weil mich all diese Fragen und ihre Nullachtfünfzehn-Antworten traurig machen! Ja, sie machen mich traurig und verzagt! Es ist das Leben, welches für sich spricht! Wir können uns einfach nicht herausnehmen, es zu beantworten – oder wurden wir jemals gefragt?
Die blinde Zerstörung, sie macht mich so wütend. Wobei ich denke, dass Wut eine verzweifelte Form von demütiger Trauer ist.... Hassen – ich kann nicht mehr hassen. Das ist fernab jeglicher Regungen meiner Seele. Wozu? Es würde doch bloß die Liebe verhunzen! Und ist sie das nicht schon genug? Getreten wird sie, mit Stahlkappen der Verachtung. Missbilligen wir sie nicht ständig mit Ignoranz? Missbrauchen wir sie nicht, indem wir sie als Alibi für unseren Egotrip verwenden? Und dann wundern wir uns noch, dass wir es nicht mehr auf die Reihe kriegen, einen anderen Menschen einfach zu lieben, wie er ist? Es dient doch nur dem Wettstreit, sich in jemanden zu verlieben, um ihm die besitzende Idealvorstellung des eigenen Ego aufzudrücken, indem wir unsere sogenannte „bessere Hälfte“ zur Selbstaufgabe nötigen, um das Gefühl von emotionaler Sicherheit zu erlangen... Und dabei übersehen wir, dass alles, was wir brauchen, längst da ist – in der Gegebenheit an sich nämlich bereits. Nur ist das für uns Hirnakrobaten wohl zu einfach, zu rein und unbeschmutzt, als dass wir uns dem einfach hingeben könnten. Nein – wir müssen es erst kaputtmachen, um endlich einen Fokus für unsere eingebildete Unzufriedenheit zu erlangen, damit diese sich noch mehr manifestiert, um jedes noch so festgenagelte Grinsen zu überragen, indem sie als Mahnmal alles beherrscht, das uns ausmacht. Zarte Keime der bedingungslosen Liebe werden zugepflastert vom Teer der künstlichen Erwartungen, nur, weil wir den Spiegel zu einem Fenster klargeputzt haben – um dahinter das pure Nichts zu entdecken!
Ich würde nach Liebe schreien, wenn ich wüsste, dass es jemand hört. Aber das einzige, was wohl vernommen würde, wäre störender Lärm...
Die Stille in meinem Herzen ist nicht zu überhören. Der verlorene Sohn gibt sich geschlagen, ja – ich gebe mich dem Fluss der Dinge gänzlich hin, weil ich nichts mehr sehe, wofür zu kämpfen sich lohnen würde... Und diese Gedanken, die mich immer irrer werden lassen, schweben durch mich hindurch, passieren kurz mein Hirn, martern meine Seele und ziehen dann weiter. So, als seien es gar nicht meine Gedanken – als entspringen sie nicht in mir, sondern in einem universellen Bewusstsein. Meines – mein kleiner Anteil an dem Ganzen: ein bloßes Medium, welches als Straße für Facetten des Nichtverstehens genutzt wird, ungefragt, aber auch ungestraft – das sollte man nicht vergessen... Womöglich nehmen wir die ganze Angelegenheit einfach zu persönlich, ja! Beziehen das Leben viel zu sehr auf uns selbst, da wir das Ausmaß des ganzen, von welchem wir vielleicht gerade ein Atom sind, niemals zu begreifen imstande sein werden. Klarsicht? Was soll das sein...
Im Grunde sehen wir doch gar nichts, wie es wirklich ist. Wir interpretieren, und das jeder für sich, wie soll man da jemals auf einen gemeinsamen Nenner kommen?
Und wieder hat sich ein kleiner, jedoch beachtlicher Teil meiner Selbst (denn davon ist ja nicht mehr viel übrig) aufgelöst. Ich spüre wieder diese Transparenz, fühle mich nackt vor irgendeiner Präsenz, die ich weder fassen, noch benennen kann. Es ist eine pure Kraft, die ständig waltet und viel mehr weiß, als sie preisgibt – da sie nicht in Worten denkt, sondern Energiefäden gebiert, um uns diese durchs Hirn zu schießen, in kontinuierlichen Schüben setzt uns diese Wahrheit unter Droge, vermittelt uns einen Reflektor in jedem lebendigen Wesen und beprasselt uns mit Eindrücken, deren Verarbeitung wieder neue Bilder entstehen lässt, wodurch Eindrücke zu Fragen werden und deren Antworten wiederum zu einer prähistorischen Verbitterung zurückführen, vor welcher wir wünschten, zu erblinden. Welch düstere Grotte uns jedem innewohnt – so düster, dass man sie gar nicht erleuchten mag, um dort etwas zu sehen...
Drei
Wenn ein Vogel nicht frei fliegt, fehlt ihm sein Element.
Hält man ihn fest, so verliert man ihn. Lässt man ihn fliegen, so kehrt er einst wieder.
Ein Vogel ist wie die Liebe: er lässt sich nicht fangen und besitzen.
Kommt er zu einem, so kommt er aus freiem Willen von allein.
Die Liebe ist wie ein Vogel: sie lässt sich nicht zwingen, sondern sucht einen aus freiem Willen auf.
Du liebst tatsächlich, wenn du den Vogel ziehen lässt, den du vorgibst, zu lieben.
Du wirst geliebt, wenn der Vogel wiederkehrt, den du nicht gezwungen hast, zu bleiben.
Vor dem Zwang flieht die Liebe und verharrt man ungestüm auf diesem Ultimatum, so verlässt sie einen mit der Zeit gänzlich und zurück bleibt eine starre Hülle, deren Inhalt einst schwand...
Metapher, Paradoxon, Absurdum – nenne man’s, wie man will – zu einem Schluss kommt man ja doch nie.
Es war vor längerer Zeit, als ich noch glaubte, mir dies alles einzubilden. Aber nun weiß ich, dass es so ist. Ich weiß, dass die einzige Wahrheit, die ich bejahen kann, mein Nichtwissen ist. Und somit werde ich niemals mehr ein Wort sprechen und dieses hier wird das letzte gewesen sein:
Auf Wiedersehen!