Gedanken einer Sekretärin
Sie saß einfach nur aufrecht auf ihrem Sitz in ihrem Zugabteil und starrte hinaus. Zu ihrem kurzen Rock trug sie eine rote Kostümjacke. Die Haare hatte sie streng nach oben gebunden. Sie sah müde aus. Plötzlich riss sie ein vorbeirasender Schatten aus ihren Gedanken. Jetzt bot sich ihr das altvertraute Bild des Entztals. Ihr Blick schweifte über die Aschenbahn und über die Enz. Der Zug würde bald im Bahnhof ankommen. Sie hatte die ganze Zeit nachgedacht, nachgedacht über jetziges Leben, wie es sein würde, wenn sie nach Hause kommt und ihre Mutter sie mit einem Lächeln begrüßen würde und ihr Vater wie immer seine Pfeife rauchte. An dem Tisch, an dem jeden Abend ihre Mutter und ihr Vater noch eine Stunde warteten. Ihretwegen. Meistens erwiderte sie das Lächeln ihrer Mutter und setzte sich an den Tisch, aber heute nicht. Heute würde sie mit ihren Eltern sprechen, denn sie ertrug es kaum, wenn ihre Eltern zu ihr aufsahen. Sie behandelten wie etwas Besseres. Dabei war sie doch auch nur ein Mensch, wie ihre Eltern. Gewiss, sie beherrschte die die Stenografie und sie konnte Französisch sprechen, aber deshalb war sie doch nichts Besseres als ihre Eltern. Wieder wurde sie kurz durch einen am Fenster vorbeihuschenden Schatten abgelenkt. Außerdem lastete dadurch, dass ihre Eltern sie als etwas Besonderes ansahen, ein unglaublicher Druck auf ihr. Ständig hatte sie das Gefühl, Leistung bringen zu müssen. Wie eine Aufziehpuppe, an der man zog und die dann ihren Satz sagte, wie man es eben erwartete. Sie vernahm von ganz weit weg das Quietschen der Zugbremsen und stand auf. Mit einem Zischen öffneten sich die Drucklufttüren. Ja, heute würde sie mit ihren Eltern reden. Nicht so wie gestern einfach wieder alle Gedanken und Entschlüsse verwerfen, als sie das warme Lächeln ihrer Mutter sah. Nein, diesmal würde sie mit ihren Eltern reden.