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Geburtstagseinkaufsfahrt
Svenja und Tim waren ganz aufgeregt. Heute mussten sie ausnahmsweise nicht in den Kindergarten gehen, sondern durften mit Mama und Papa einkaufen fahren. Morgen, am Sonnabend, wollten sie ihren fünften Geburtstag feiern und hatten dazu alle ihre Freunde aus dem Kindergarten und der Nachbarschaft eingeladen. Svenja und Tim waren Zwillinge, aber sie sahen sich nicht sehr ähnlich und sie hatten auch unterschiedliche Freunde. So kam eine lange Einladungsliste zusammen. Und nun wollten sie die vielen Dinge besorgen, die für so eine große Geburtstagsfeier nötig waren.
Svenja und Tim waren auch aus einem anderen Grund aufgeregt. Eine Autofahrt mit Papa in die Stadt war ein Erlebnis. Tim freute sich schon darauf, während Svenja hoffte, es würde nicht zu schlimm werden. Papa war ein guter Autofahrer, aber wenn er sich über andere Autofahrer ärgerte, schimpfte er lauthals. 'Ich rege mich nicht auf, Schimpfen beruhigt mich' sagte er dann, wenn Mama ihn bat, sich nicht immer aufzuregen.
Bereits an der ersten Ampel mussten sie anhalten. Als das grüne Licht aufleuchtete, fuhr das Auto vor ihnen nicht gleich an und Papa begann: "Es ist grün. Grüner wird's nicht, nun fahr doch, du Nachtmütze!"
Papa überholte dann den anderen Wagen, der langsam weiterfuhr und Tim zeigte aufgeregt auf den Fahrer: "Schau mal, Svenja, der trägt ja tatsächlich eine Nachtmütze." Und beide schauten fasziniert auf die weiße Bommelmütze, die der Autofahrer auf seinem Kopf trug.
Plötzlich kam ein Autofahrer aus einer Seitenstraße und fuhr auf die Hauptstraße, ohne anzuhalten. "Wohl Tomaten auf den Augen", brüllte Papa ihn an.
"Toll, der hat tatsächlich Tomaten vor den Augen", rief Tim und klebte an der Scheibe.
"Der Arme, der sieht doch gar nichts mehr", bedauerte Svenja den Autofahrer, der jetzt neben Papa herfuhr. Aber die Tomaten, die vor seinen Augen hingen, schienen ihn gar nicht zu stören.
Eine alte Oma betrat den Zebrastreifen und Papa musste bremsen. Das mochte er gar nicht. "Dumme Nuss, sieh zu, dass du Leine ziehst."
Tim und Svenja konnten sich gar nicht satt sehen an der großen Walnuss, die jetzt vor ihrem Auto über den Zebrastreifen wankte und eine lange Leine hinter sich herzog.
Mama meinte leise: "Schimpf doch nicht immer so, denk an die Kinder", aber sie schien ebenso wie Papa gar nicht zu bemerken, wie sich die Leute verwandelten.
"Das ist eben so mit den Erwachsenen, die gucken gar nicht richtig hin", meinte Tim.
Und Svenja erwiderte: "Wenn Papa sehen würde, was er mit seinem Schimpfen anrichtet, würde er vielleicht nicht immer so aufbrausen."
Beide sahen erstaunt, wie lauter kleine Blasen aus Papas Ohren kamen und an der Autodecke zerplatzten.
Papa versuchte, Mama zuliebe etwas ruhiger zu sein, aber als im Parkhaus ein anderer Autofahrer vor ihm auf den einzigen freien Parkplatz fuhr, fing er an zu kochen. Aus seinen Ohren kamen dicke Dampfwolken und er pfiff wie ein alter Teekessel. "Du ... du ... du Schlumpf", brachte Papa schließlich hervor und aus dem Auto stieg ein freundlich lächelnder Schlumpf mit einem langen weißen Bart, der ihnen auch noch zuwinkte. Papa regte sich darüber so auf, dass er in die Luft ging und regelrecht unter dem Autodach klebte.
"Ein Glück, dass wir noch nicht ausgestiegen sind, sonst würde er wohl an der Decke vom Parkhaus kleben", meinte Svenja.
"Das möchte ich sehen"; entgegnete Tim.
Aber Svenja fand diese Idee gar nicht lustig. Papa sollte bei ihnen bleiben und nicht davonfliegen.
Papa beruhigte sich auch wieder, fand einen Parkplatz und blieb beim Aussteigen auf dem Boden. Sie gingen dann gemeinsam einkaufen. Das machte viel Spaß und Papa brauchte sich nicht aufzuregen . Als er an der Kasse bezahlen musste, stöhnte er: "Ihr fresst mir noch alle Haare vom Kopf."
Und schon verschwanden Papas gewellte Haare. Tim und Svenja schauten grinsend auf seine spiegelnde Glatze. "Ist irgendetwas", fragte Papa und schaute in einen Spiegel, der an der Wand hing. "Wo sind meine Haare, meine Haare sind verschwunden", schrie Papa. "Welcher verdammte Hottentotte hat meine Haare gestohlen?"
Und plötzlich standen mehrere kleine schwarzhäutige Menschen mit Kriegsbemalung und Speeren um Papa herum. Sie schüttelten ihre Speere und riefen im Chor: "Wir haben gar nichts gemacht."
Die Leute im Kaufhaus wurden aufmerksam und strömten auf Papa und die Kriegergruppe zu.
"Das wird ja ein richtiger Auflauf", meinte Tim. Und Svenja nahm einen Finger, steckte ihn in den Berg, der sich jetzt vor ihnen auftürmte, leckte ihren Finger ab und sagte: "Mmh, Grießauflauf."
Erst dann wurde den beiden deutlich, was geschehen war und Svenja begann zu weinen: "Ich möchte Mama und Papa wieder haben."
Tim verteidigte sich: "Ich habe doch gar kein böses Wort gesagt. Mama und Papa sollen wiederkommen."
Und der Auflauf schmolz wie ein Schneemann im Frühling dahin, die Schwarzen waren auch verschwunden. Papa hatte seine Haare wieder und schaute verwirrt um sich: "Was ist denn geschehen?"
"Entschuldige, dass wir so lange gebraucht haben. Ich glaube, der Einkauf war zu anstrengend für dich", meinte Mama.
Aber Papa blieb ganz ruhig, umarmte Mama, Tim und Svenja und sagte: "Ich bin doch gerne mit euch zusammen. Und jetzt gehen wir Eis essen."