Geburtstag
Ich, sage ich zum Spiegel.
Ich sage es zu den Wänden und lausche dabei meiner Stimme. Die Wände sind hoch und der Spiegel verliert sich darauf. Wie ein Quell, der aus dem Felsen springt, so springt mich dieses Bild im Spiegel an. Alles rundum ist glatt und weiß und nur mein Bild im Spiegel hat Farbe.
Ich kann nicht sagen, welche Farbe. Ich fühle keine Farbe, farblos fühle ich mich.
Die Jahre haben die Farbe abblättern lassen. Die Fassade ist grau dahinter. Ich stelle das fest und erschrecke nicht darüber. Die Jahre bis hierher waren gut. Ich habe nicht gehungert. Ich hatte einen Schlafplatz. Das ist nicht selbstverständlich, soviel Glück zu haben.
Ich bin aber niemandem dankbar dafür.
Ganz alleine bin ich bis hierher gekommen.
Der Spiegel ist wie ein Loch in der Wand.
Ein Loch, aus dem heraus ich mich anlächle. Nur Schaben und Wanzen lächeln aus Löchern. Kriechtiere, nur der Dunkelheit ergeben. Das ich da vor dem Spiegel stehe und an Wanzen denke, sagt nichts aus über meine Befindlichkeit.
Ich lasse mir das Denken nicht verbieten.
Ich will mich reduzieren auf ein Maß, das mir erlaubt, ohne Spiegel auszukommen. Soweit will ich mich zurücknehmen, dass nur das Denken bleibt. Ich werde die Jalousien herablassen und im Dunkel auf die vergangenen Jahre warten. Wenn die an der Tür klopfen, werde ich öffnen.
Der Gedanke daran.
Jahre, in denen sich mein Leben wie in einem Kokon verwickelt hat.
Ich werde im Dunkel denken und mit den vergangenen Jahren sprechen.
Einfach wird das nicht.
Doch ich werde den Spiegel, in den ich immer noch starre, von der Wand nehmen. Dann werde ich tief Atem holen und den Anfang machen.
Welche Fragen die mir wohl stellen?
Wo soll ich anfangen? Und womit?
Die Wände werden grau im Dämmer des Abends. Nur der Spiegel reflektiert, vervielfältigt das Dämmerlicht.
Die vergangenen Jahre sind zu mir gekommen, hocken in den Ecken des Raumes. Sie sind stumm, warten auf mich, auf meine Worte, auf den Beginn.
Ich gehe in das Badezimmer, entkleide mich. Der Körper ist nur die Hülle, kann also nackt sein bei Gesprächen, wie dieses eines wird. Ich sitze in der Mitte des Raumes und bin bereit.
Es ist noch Zeit da, den Spiegel von der Wand zu nehmen.